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1. Ansprache: Die Blutstropfen
(zu Mt 26,31–56)

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Amaseno ist ein kleiner Bergort in der Mitte zwischen Rom und Neapel. Der Ort ist alt und malerisch. Trotzdem verirren sich kaum Touristen hierher. Neben den zahlreichen Olivenbäumen und den baulichen Sehenswürdigkeiten ist im August die Kirche Santa Maria Assunta die Hauptattraktion des Ortes. Aus einem Schrank holt der Pfarrer die Reliquie heraus und leuchtet mit einer starken Taschenlampe den Glaskolben an, im dem man eine dunkelrote Substanz erkennen kann. Es ist das Blut des Heiligen Laurentius, so erklärt der Pfarrer. Und Laurentius ist der Märtyrer der katholischen Kirche, der am 10. August 258 in Rom hingerichtet wurde. Auf einem Eisenrost hatte man ihn damals über dem Feuer zu Tode gegrillt. Und dieser Rost ist seitdem sein Erkennungszeichen.

Die Legende erzählt, dass ein Soldat nach der Hinrichtung das Blut von Laurentius mit einem Lappen aufgefangen haben soll. Anschließend brachte er dieses Tuch in seinen Heimatort, nach Amaseno.

Jedes Jahr am Todestag erinnert man sich dort nun an Laurentius und zeigt sein Blut der Öffentlichkeit. Und jedes Jahr passiert aufs Neue das Unglaubliche: Das getrocknete Blut wird wieder flüssig und man kann auch das Körperfett sehen, dass sich vom Blut getrennt hat. Ein paar Ascheflocken schwimmen ebenso in der roten Flüssigkeit.

Ist das wirklich echtes Blut? So, wie wir alle es in den Adern haben?

„Blut (lat. sanguis, altgriech. αἷμα, haima) ist eine Körperflüssigkeit, die mit Unterstützung des Herz-Kreislauf-Systems die Funktionalität der verschiedenen Körpergewebe über vielfältige Transport- und Verknüpfungsfunktionen sicherstellt“, so heißt es im Lexikon.

Blut ist ein besonderer Saft. Jeder Mensch und jedes Tier haben Blut und auch Bäume können „bluten“, so sagt man, wenn das Harz aus ihnen herausrinnt.

Rund fünf bis sechs Liter Blut haben Menschen in ihren Adern fließen. Männer haben durchschnittlich einen Liter mehr Blut als Frauen, was vor allem auf Größen- und Gewichtsunterschiede zurückzuführen ist.

Das Blut transportiert den Sauerstoff und die Nährstoffe zu den Zellen. Es bringt die Abfallstoffe des Stoffwechsels weg. Hormone und andere Wirkstoffe werden durch den Körper befördert. Blut dient der Regulation und Aufrechterhaltung des Wasser- und Elektrolythaushaltes, des pH-Werts sowie der Körpertemperatur.

Und als Teil des Immunsystems hat das Blut die Aufgabe, uns vor Fremdkörpern und eindringenden Viren oder Bakterien zu schützen.

Blut hilft.

2,3% der möglichen Blutspender zwischen 18 und 68 Jahren in Deutschland spenden Blut. Also so viele, wie auch zur Kirche gehen. In der Regel wird ein halber Liter gespendet. Das rettet Leben.

Blut ist ein richtig toller Saft! Kein Wunder, dass er zu Reliquien wurde …

Zwei weitere Beispiele:

Im Jahr 1589 berichtet Pfarrer Hoffius aus Walldürn in Baden-Württemberg von einer folgenreichen Begebenheit aus dem Jahre 1330: Bei einer Eucharistiefeier soll der Priester Heinrich Otto nach der Wandlung aus Unachtsamkeit den bereits konsekrierten Kelch umgestoßen haben. Der Abendmahlswein floss auf das Altartuch. Doch es entstand kein großer Fleck, wie eigentlich üblich, sondern der Wein, oder besser das vergossene Blut Christi, zeichnete auf der Altardecke das Bild des gekreuzigten Jesus und elf einzelne Häupter Christi mit Dornenkrone. Der erschrockene Priester versteckte daraufhin das Altartuch aus Angst hinter einem Stein des Altars. Kurz vor seinem Tod erzählte er dann aber doch davon und das Leinentuch wurde an der genannten Stelle gefunden. Das Wunderbild war noch immer zu sehen und man begann, das Tuch zu verehren.

Die Abtei Weingarten, ebenfalls in Baden-Württemberg, beherbergt seit 950 Jahren eine Heilig-Blut-Reliquie: einige Tropfen Blut in einem Erdklumpen, angeblich das Blut Jesu Christi. Diese Reliquie wird einmal im Jahr aus einem Tresor geholt und in der Weingartener Klosterkirche ausgestellt. Am sogenannten Blutfreitag trägt ein Priester des Klosters auf einem Pferd die Reliquie durch den Ort. Dieser Ordenspriester wird Blutreiter genannt. Er hält die Blutreliquie hoch in seiner Hand, dem Pilgervolk entgegen.

Echt oder Ente? Wahr oder falsch? Was sollen wir von diesen Erzählungen halten?

Diese Heiligblutreliquien werden auch heute noch verehrt. Auch wenn sich durch chemische Analysen im Labor nachweisen lässt, dass es sich meistens nur um Eisenchlorid, Eierkalk und Wasser handelt. Alles Dinge, die auch im Mittelalter leicht erhältlich waren. Mit ihnen kann man eine rote Substanz herstellen, die geleeartig ist und durch Schütteln flüssig wird und wie Blut aussieht.

Aber das Blut der Blutreliquien soll entweder auf wundersame Weise einfach aus dem Nichts entstanden oder Blut direkt vom Kreuz sein, das auf die Erde tropfte oder von Tüchern aufgefangen und aufgewischt wurde. Heiliges Blut. Blut von Jesus.

Hier im Text aus dem Matthäusevangelium steht nichts von Blut. Aber zur Passion gehört Blut dazu. Und das Lukasevangelium (22,44) hat ergänzt, dass Jesus Blut schwitzte im Garten Gethsemane. Gibt es das wirklich? Es soll schon vorgekommen sein, dass unter großem Stress Menschen „Blut geschwitzt“ haben. Wahrscheinlich platzen unter der Anspannung Blutgefäße in der Haut. 2009 gab es in Bayern und anderen Orten ein rätselhaftes Kälbersterben, nachdem sie Blut geschwitzt haben.

In der Bibel wird Blut mit dem Leben oder der Seele gleichgesetzt (3. Mose 17,11–14). Also mit dem ganzen Lebewesen. Darum durfte es auch nicht gegessen werden.

Das Blut war eine heilige, ja göttliche Flüssigkeit. Schließlich kam alles Leben direkt von Gott. Darum war es auch verboten, das Blut von geschlachteten Tieren zu trinken. Vielmehr sollte beim Schlachten das Blut wie Wasser auf die Erde fließen (5. Mose 12,16). Und noch heute beachten Juden bei der Zubereitung von Fleisch eine Reihe von Regeln: z. B. werden Fleisch und Milch getrennt voneinander aufbewahrt und zubereitet. So soll sichergestellt werden, dass niemand Blut zu sich nimmt. (vgl. 3. Mose 17,12)

Das Blut gehörte dem Herrn des Lebens und wurde bei jedem Brand- und Mahlopfer am Altar verteilt. So konnte es dann seine besondere Kraft zur Stärkung der Gemeinschaft, zur Reinigung von Schuld und zur Sühne entfalten. Als Mose den Bund am Sinai gründete, besprengte er mit einer Hälfte des Blutes den Altar, mit der anderen Hälfte das Volk. Und beim Auszug aus Ägypten wehrte an den Türpfosten gestrichenes Blut den Tod ab.

Im Neuen Testament ist alles genauso und doch ganz anders. Da gibt es keine Opfertiere mehr. Wenn das Neue Testament von Blut redet, dann meint es das Blut von Jesus Christus.

Durch sein Blut wird der Bund Gottes mit den Menschen erneuert. So wie wir es auch beim Abendmahl feiern und bekennen: Christi Blut für Dich gegeben.

Gott sagt: Ich gebe mein Blut für dich, damit du leben kannst.

„Kommt alle zu mir; ich will euch die Last abnehmen.“ (Mt 11,28).

Wenn wir den Kelch nehmen und miteinander daraus trinken, wird der Bund Gottes mit uns gestärkt und erneuert. Und wir dürfen alles am Altar lassen, was uns belastet oder bedrückt.

Als Jesus im Garten Gethsemane kniete und betete, tropfte der Angstschweiß wie Blut auf die Erde. Als er am Kreuz hing, passierte es wieder. Tausendfach tropfte sein Blut in den Sand. Vielleicht konnte manches davon mit Tüchern aufgenommen, aufbewahrt und verteilt werden. Aber ob die Blutreliquien echt sind, kann wohl keiner sagen. Man muss wohl eher vermuten, dass sie es nicht sind. Aber das ist auch nicht wichtig. Sie sind dennoch ein „Hinzeiger“, ein Hinweis auf das Blut von Jesus am Kreuz, das in die Erde tropfte „und versöhnte die Welt“ mit Gott (2. Kor 5,19-LUT). Vielleicht erinnern wir uns das nächste Mal daran, wenn wir unser eigenes Blut sehen oder es spenden, damit andere leben.

Amen.

Auf dem Weg zur Auferstehung

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