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Die Wundertüte

Erlebnis Natur

Montenegros Landschaften las­sen sich prima mit Superlativen beschrieben, aber jenseits der Marktschreierei vom Tiefsten, Höchsten und Einzigen ist die Natur vor allem ungeheuer vielseitig und abwechs­lungs­reich - bis auf Wüste und höchst­alpine Todeszone ist so ziemlich alles dabei. Man kann schon auch bloß zum Planschen im Mittelmeer herkommen, aber dann verpasst man doch eine ganze Menge.


Wenn das kein Postkartenmotiv ist!

Die Bucht von Kotor

Der über 40 km tiefe Einschnitt in den dinarischen Rücken gleich hinter der Landesgrenze ist bestimmt die bekann­teste Natur­sen­sa­tion Monte­negros. Ein auch nur vergleichbar großes na­tür­li­ches Hafenbecken findet man sonst nir­gends im gesamten Mittelmeerraum, schon ein­fach nur drum herumfahren ist ziemlich eindrucks­voll, noch ma­je­s­tä­ti­scher ist das Einschweben auf dem See­weg. Die monumentale Dröh­nung der Draufsicht auf die vier Be­cken der Bucht er­schließt sich aber erst von den Höhen des Jeserski Vrh im da­rüber thronenden Lovćen-Gebirge. Eine run­de im pri­vaten Helikopter oder Jet ist be­stimmt auch toll, habe ich aber man­gels Flug­gerät noch nicht aus­probiert.

Die Schluchten

Das häufigste Sujet der Crème der mo­n­tenegrinischen Landschaftsmaler ist die Schlucht - die Nationalgalerie in Pod­gorica wirkt wie ein Katalog der tiefen Täler und wilden Flüsse. Prunk­stück der Canyons ist die Schlucht der Tara ganz oben im Norden des Landes. Vom oberen Rand des engen Flusstals am Ćurevac beträgt die lichte Fallhöhe bis zum Bett der Tara über 1300 m, das ist der europäische Spitzenwert. Das sieht von oben schon ergreifend toll aus, noch großartiger entfaltet sich die ge­o­lo­gische Sensation dann vom Was­ser, und so gehört die Rafting-Tour auf der Tara auf jeden Reiseplan. Wem der Spit­zenwert egal ist und wer und nicht un­be­dingt eine Fahrt im Gummiboot braucht: Auch Morača, Mrtvica und Piva haben sich ein­drucks­voll tief in die Berglandschaft ein­graben, der Preis für den spekta­ku­lärs­ten Canyon ge­bührt jedoch der su­per­engen Ko­mar­ni­ca.

Das Durmitor-Gebirge

Montenegro allgemein ziem­lich hü­gelige Landschaft faltet sich am kräf­tigs­ten im Durmitor-Ge­b­irgs­stock in die Höhe. Ein halbes Hundert 2000er-Gipfel nimmt dort gerade einmal etwas mehr als die Grund­flä­che Mün­chens in Anspruch und hat trotz­dem alles, was ein rich­tiges Ge­bir­ge braucht: schrof­fe Fels­wände, Hoch­almen, Tief­täler, Schnee­felder und ein paar Schluch­ten. Das sieht nicht nur endschick aus, son­dern gibt Berg­sport­lern aller Cou­leur beste Be­din­gungen für ihre Ak­ti­vi­tä­ten: Sin­g­le­trail und Down­hill, Klet­tern und Berg­wan­dern, im Winter Skifahren - und das alles ohne den Mas­sen­auf­lauf der ein­schlä­gigen Al­pen­re­gionen.

Der Skadar-See

Für Geologen ist er nicht einfach ein See, sondern eine Krypto­depression. Das ist sachlich korrekt - sein Grund liegt unter­halb des Meersspiegels, der See­spiegel darüber -, klingt aber doch arg nach fieser Krankheit. Romantiker werden sich nicht groß darum scheren, für sie ist der Skandar einzig und allein ein großes, stilles Gewässer inmitten ele­gischer Land­schaften. Doch trotz sei­ner knapp 170 km langen Uferlinie ist es gar nicht so einfach, an den See ran­zu­kommen. Zum Teil weil knapp ein Drittel auf albanischem Staats­gebiet liegt, vor allem jedoch, weil die riesige Was­ser­flä­che tou­ris­tisch fast völlig un­er­schlos­sen ist, was vor allem die Bird­spot­ter- und Anglerfraktion freut. Erstere können in aller Ruhe ihrem reiche Aussichtsbeute verhei­ßenden Geschäft nachgehen, Letztere müssen sich nicht mit planschenden Schwimmern he­rum­är­gern und können beachtliche Men­gen von Karpfen aus dem trink­was­ser­sauberen Wasser ziehen - eine sehr athle­tische en­de­mi­sche Sub­spezies des Fisches übrigens, die ganz und gar nicht tranig schmeckt. Nicht einmal 20 km Luft­linie ent­fernt von den prop­pe­vollen Ständen an der Adria hat man ein Idyll der ers­ten Kategorie fast voll­stän­dig für sich allein. Melancholische An­wand­lungen lassen mit den her­vor­ra­gen­den Weinen aus den frucht­baren Hängen und Flächen am Ufer bekämpfen.

Biogradska Gora

Von den Gebirgsregionen ist der Na­tio­nal­park um den kleinen Hochmoorsee ganz bestimmt die grünste. Ziemlich ge­nau in der Landesmitte wachsen hier die Baumriesen tatsächlich fast bis in den Himmel, und das in einer Dichte, dass dem Nationalpark das Prädikat „Urwald“ verliehen wurde. Weiter oben wird die Vegetation zwar niedriger, aber bis auf Gipfelhöhe sind die Hänge wiesen­grün und strauchbewachsen. Wie auch im Rest der weiten Bergwelt sind Wanderer hier ziemlich allein un­ter­wegs, nur in der kurzen Winter­saison wird es um das Hochplateau der Bjelasica kurz recht voll - dann dreht sich hier die einzige echte Skischaukel Mon­tenegros.

Montenegro Reiseführer Michael Müller Verlag

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