Читать книгу Gefährliche Geschäfte - Adi Waser - Страница 12
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ОглавлениеIm Wohnzimmer getraute sich Carl aus diffusen Gründen nicht, Licht zu machen. Im Halbdunkel goss er sich zitternd einen dreistöckigen Whiskey ein, und leerte diesen in einem Zug. Einen vierundzwanzigjährigen Oban Single-Malt, gelagert und liebevoll gepflegt im Eichenfass, für die momentane Situation aber völlig unbedeutend. Im bequemen Hochlehner einer beigen deSede Leder-Polstergruppe versuchte er, Ordnung in seine Gedanken zu bringen. Er goss nach und warf automatisch einen Blick auf seine Rolex. Und erschrak:
„Was? Das kann doch nicht sein! Es ist halb zwei? Wenn ich mich richtig erinnere, hörte ich doch die elf Uhr Spätnachrichten?“
In beklemmender und angstvoller Stimmungslage versuchte er verzweifelt, sich einen Überblick der vergangenen zweieinhalb Stunden zu verschaffen. Halblaut murmelte er:
„Das heisst im Klartext, ich habe zweieinhalb Stunden gebraucht, um rund drei Kilometer im Auto zurückzulegen? Aber was ist zwischenzeitlich passiert, mal vom Erscheinen dieser Kreatur abgesehen?“
Er ordnete dies mit vielleicht zwanzig Minuten ein, vielleicht auch etwas weniger.
„Und der grosse Rest? Jetzt glaube ich langsam, dass ich tatsächlich so etwas wie Zeit verloren habe? Ja wenn man Zeit überhaupt verlieren kann?“
Diese Erkenntnis liess ihn erschauern. Die verloren geglaubte Zeit war ähnlich einem Loch im Gehirn und nichts, aber auch gar nichts fiel ihm dazu ein.
„Und was hat dieses Monster gesagt? Morgen um eins in der Früh? Nein, nein, das habe ich mir bloss eingebildet. Vermutlich eine Fehlreaktion meines Gehirns. Weiter nichts.“
Carl war sich trotzdem nicht ganz sicher und überlegte weiter:
„Ich könnte flüchten? Ja könnte ich. Morgen. Mit dem Flieger nach London. Sie würden mich sicher nicht finden. Früher oder später vielleicht doch? Und dann? Soll ich vielleicht Tanja vom Vorfall erzählen? Nein, die würde mich auslachen, und ich müsste mir dies jahrelang wieder und wieder anhören. Ein Burnout Syndrom? Nein. Bestenfalls würde sie meinen Hausarzt ins Vertrauen ziehen, und darüber tratschen wie über einen armen Irren. Nein, sie kann ich nicht ins Vertrauen ziehen. Die Sache alleine durchstehen? Ja, durchsitzen, absitzen, wie auch immer. Aber alleine!“
Eine Zigarette später verliess ihn der Mut. Und nach dem Einschenken eines weiteren Single-Malt kam er zum Entschluss, dass er eine Entscheidung für heute vertagen musste:
„Gedanken und Probleme lösen sich manchmal von selbst, man muss nur die nötige Distanz wahren. Ich beende jetzt augenblicklich dieses idiotische Brainstorming, und hau mich in die Pfanne.“
Schlafen konnte er trotz des vielen Alkohols nicht. Seine Gedanken liessen ihn sich hin und her wälzen. Die Dämmerung hatte schon eingesetzt, als er endlich einschlief. Heute sollte sich Carl zum ersten Mal seit langer Zeit verschlafen. Und Tanja war da keine Hilfe.