Читать книгу Gefährliche Geschäfte - Adi Waser - Страница 6
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ОглавлениеDr. Otto Abramowitsch rutschte ächzend in seinem extrabreiten und Ehrfurcht gebietenden Chefsessel von einer Seite zur andern, viele farbige Listen und komplizierte Grafiken in der Hand und auf dem Pult verstreut. Einige hatten bereits Eselsohren, andere waren zerknittert. Sein glatt rasiertes, fettiges Gesicht mit hoher Stirnglatze glänzte schon am frühen Morgen vor Schweiss und üblen Vorahnungen, und sein rotes Borstenhaar stand in allen Richtungen ab. Ständig rückte er an seiner Hornbrille und hoffte, die Zahlen und Tabellen doch noch zu verstehen. Es klopfte.
„Herein“, rief er mit gereizter Stimme.
Carl trat ein und grüsste. Abramowitsch grunzte etwas Unverständliches, ohne ihn anzusehen und kam gleich zur Sache.
„Die Börsen spinnen weltweit, und wenn ich diese Papiere richtig interpretiere, sinken einerseits die Diamanten- und andererseits die Aluminiumpreise. Und dies überflüssiger- und unverständlicherweise! China allein müsste laut seinem Mehrbedarf den Aluminiumpreis mehr als stützen können. Und in der heutigen Wirtschaftslage sind Diamanten eine stabile und kriesenresistente Wertanlage. Andere, vergleichbare Metalle wie Gold, Silber, Wolfram, Industriestahl und so weiter bleiben in der Hausse mit minimalen Schwankungen. Alles bis auf das verdammte Pressstrang-Alu und die Klunker.“
Über den blinkenden Brillenrand hinweg funkelte er Carl jetzt mit zornesrotem Gesicht an und klopfte mit den Fingern hart auf das wehrlose Papier:
„Es wird Ihre Aufgabe sein, Carl , dies herauszufinden. Just haben wir grosse Mengen an Aluminium und Diamanten verschiedener Güteklassen bei uns gebunkert, um sie zu gegebener Zeit auf den Markt werfen zu können. Dies hätte uns ein überdurchschnittliches Jahr beschert. Aber dieses Konzept geht so nicht auf!“
Dann fixierte er ihn durchbohrend:
„Es war übrigens Ihre Idee, das mit dem Bunkern! Eine Idiotenidee, wie Sie jetzt selber feststellen können. Nicht auszudenken, was London dazu meint, da werden vermutlich Köpfe rollen, ja rollen müssen!“
Schnaufend schob er mit beiden Händen einen Wusch Papiere zu Carl hinüber, der sie kleinlaut sortierte und überflog. Ja, daran schien etwas Wahres zu sein, fuhr es Carl jetzt in die Knochen.
Habe ich bei der letzten Sitzung vielleicht bei Ruben Stern oder James Locklear zu viel durchblicken lassen, so eine Art mittelfristiges Konzept ausgeplappert? Die beiden Broker wären sicher fähig, eins und eins zusammenzuzählen, um dann unerkannt mit grossem Profit mitzumischen. Man wusste ja aus Erfahrung, dass Insiderwissen immer nur dann bestraft wird, wenn es auch bewiesen werden konnte. Milde bestraft, wohlgemerkt! Und diese Sippschaft da war sehr verschwiegen, verschwestert und verbrüdert.
Mindestens bei James als einem seiner besten Freunde würde er dies zwar nicht wirklich glauben können, denn dieser war fast so etwas wie ein weisses Schaf in seiner Branche.
Und Ruben Stern? Dieser orthodoxe Jude in seinem pelzverbrämten schwarzen Mantel und Hut und den ölig wirkenden Schläfenlocken? Äusserst geschäftstüchtig würde es aus seinem grau-gelben, ungepflegten Vollbart und seinen gelben Zähnen tönen: „Mister Boromeo, wie lange kennen wir uns schon? Sie wissen doch sicher, Mister Boromeo, dass ich immer loyal zu Ihnen und Ihrer Firma war. Haben Sie doch die grosse Giite, mir zu sagen, wann ich sie habe enttäuscht zum Letzten mal?“
Und schniefend in sein Taschentuch würde er anfügen: „Lassen Sie es mich meine Sorge sein, machen Sie keine fiebrigen Nächte deswegen. Ich kümmere mich um alles und spreche auch mit meinen werten Kollegen. Aber Sie müssten es doch eigentlich wissen, mein lieber Mister Boromeo, alles wendet sich mit Stern zum Guten!“
„Nun was ist?“, platzte Abramowitsch grob in seine Gedankenwelt und trommelte mit den Fäusten auf den Tisch. Zum zweiten Mal an diesem Tag lüfteten sich bei Carl die Nebel. Er schrak auf:
„Ich gehe die Papiere durch, Otto, und telefoniere ein bisschen herum. Bis zum Abend haben Sie Bescheid!“
„Bis Mittag!“, brüllte Abramowitsch und schlug mit der flachen Hand auf den armen Tisch. „Bis Mittag!“
„Es ist unmöglich, gesicherte Abklärungen bis Mittag zu machen“, monierte Carl.
„Das Wort „unmöglich“ gibt es nicht im Wortschatz dieser Firma!“, bellte Abramowitsch. Leck mich doch am Arsch, dachte Carl und ging wortlos hinaus.