Читать книгу Warum ich Jesus folge - Adrian Plass - Страница 8
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Ich folge Jesus,
weil …
Оглавление… er so gut im Judo ist
„Was?“
Das war die erste Reaktion eines Freundes, als ich ihm den Titel dieses Abschnitts nannte. „Ich bin vielleicht nicht der größte Bibelgelehrte der Welt“, fuhr er in ironietriefendem Tonfall fort, „aber ich bin einigermaßen sicher, dass in den Evangelien nichts davon erwähnt wird, Jesus habe seine Feinde über die Schulter geworfen, selbst als die Soldaten ihn aus dem Garten abholen kamen. Oder bin ich einer krassen Fehlinterpretation irgendeiner entscheidenden kleinen Passage aufgesessen, die im griechischen Urtext ein Wort enthält, das starke Konnotationen mit Kung-Fu aufweist?“
Nun, so meine ich das natürlich nicht. Mein Wörterbuch sagt mir, dass die wörtliche Übersetzung des japanischen Wortes Jujutsu „sanfte Kunst“ lautet. Ein Aspekt dieser sanften Kunst ist die Art und Weise, wie ein geschickter Anwender Gewicht, Tempo und Aggressivität eines Gegners benutzen kann, um ihn abzuwehren. Und genau das ist es, worin Jesus so gut war. Seine sanfte Kunst befähigte ihn, das Gewicht der Vorurteile, des Zorns, der Bedürftigkeit, der Einstellung oder des Verlangens andere Menschen zu benutzen, um sie, oft zu ihrer Überraschung und Verwirrung, an Orte zu versetzen, wo er sie haben wollte, obwohl sie selbst nie damit gerechnet hätten, sich dort wiederzufinden. Einige naheliegende Beispiele kommen mir in den Sinn.
Als man die Frau, die beim Ehebruch erwischt worden war, zu ihm brachte, weigerte sich Jesus, seine Zeit damit zu vergeuden, mit den Pharisäern und Anwälten zu streiten, die versuchten, ihn mit ihrer Frage nach der gesetzmäßigen Bestrafung der Frau aufs Glatteis zu führen. Stattdessen lautete seine Antwort, als sie schließlich kam, etwa so: „Ja! Ja, natürlich muss sie gesteinigt werden, so will es das Gesetz. Fangt gleich an. Los, steinigt sie. Einer von euch, der noch nie gesündigt hat, trete jetzt gleich vor und werfe den ersten Stein.“
Und schon hatte er, bildlich gesprochen, die ganze Schar über die Schulter geworfen. Nicht ein Stein wurde geworfen, und die Frau ging fort, um ihr Leben in Ordnung zu bringen.
Diese Geschichte wird im Johannesevangelium berichtet, aber es gibt noch viele andere Beispiele göttlichen Jujutsus quer durch alle vier Evangelien. Lesen Sie einmal im zwanzigsten Kapitel des Lukasevangeliums nach, wie Jesus den Hohepriestern und Ältesten antwortete, als sie seine Autorität in Frage stellten, und ergötzen Sie sich an der Art, wie er im zweiundzwanzigsten Kapitel des Matthäusevangeliums der Frage nach den Steuern für den Kaiser begegnet. Dieselbe sanfte Kunst wandte er auch in vielen seiner Gleichnisse an. Die Geschichte vom barmherzigen Samariter in Lukas 10 zum Beispiel nutzte unmittelbar die natürlichen Sympathien seiner Zuhörer und ihre schiere Freude an Geschichten, um sie zu locken, sich ihre Frage „Wer ist mein Nächster?“ selbst zu beantworten. Wie wir wissen, fiel diese Antwort ganz anders aus, als sie es sich vorgestellt hatten.
Später im Neuen Testament können wir lesen, wie Paulus sich ein Beispiel an seinem Meister nimmt. Als die neugierigen Athener ihn im siebzehnten Kapitel der Apostelgeschichte über den christlichen Glauben befragen und er vor einem heidnischen Altar steht, der „dem unbekannten Gott“ gewidmet ist, kreischt er nicht „New Age! New Age!“, wie es manche unserer modernen Geschwister wohl tun würden. Stattdessen nutzt er die Worte auf diesem Altar als Plattform oder Ausgangspunkt für seine Botschaft über den einzigen wahren Gott. Auch Paulus war ziemlich gut im Judo.
Was mich traurig macht, ist, dass es in unserer Zeit nur noch so wenige Leute gibt, die sich in dieser Kunst üben. Traurig macht mich das deshalb, weil es den Menschen viel leichter fällt, zu Gott umzukehren, wenn ihnen erlaubt wird, die Reise wenigstens auf einer vertrauten Straße zu beginnen. Nur sehr wenige Leute reagieren geistlich positiv darauf, wenn man sie einfach nur ausschimpft, und doch ist es genau das, was wir oft tun, obwohl wir das Beispiel Jesu vor Augen haben. Viele Christen hegen tatsächlich die Befürchtung, ein kreatives Eingehen auf Nichtchristen sei eine Art Mogelei. Doch so kommen sie bestenfalls zu jener blutleeren Art des Evangelisierens, die niemanden anzieht, aber vielleicht viele abstößt.
Neulich zum Beispiel rief mich ein Bekannter namens Robert an, um mich um einen Rat zu bitten. Er war gebeten worden, sechs Beiträge geistlichen Inhalts zu schreiben, die eine Woche lang täglich von seinem lokalen Radiosender ausgestrahlt werden sollten. In der Anweisung seines Produzenten hieß es, diese Gedanken für den Tag sollten kurz, heiter und unterhaltsam sein; sie sollten mindestens einen guten Gedanken klar zum Ausdruck bringen, und sie sollten jeden religiösen Jargon, der für kirchenferne Zuhörer unverständlich sein könnte, meiden.
„Die Sache ist die“, sagte Robert, „ich habe die Texte geschrieben, und ich glaube, sie sind ganz in Ordnung so, aber ich wollte fragen, ob ich vielleicht vorbeikommen und sie dir vorlesen könnte, um zu hören, was du darüber denkst. Du hast so etwas doch schon öfter gemacht, nicht wahr?“
Ich stimmte zu, wenn auch nicht ohne Zittern. Sicher, im Laufe der Jahre hatte ich etliche ähnliche Beiträge verfasst, aber ich hatte auch schon oft die Erfahrung gemacht, dass Leute mich drängten, mich absolut offen zu den Dingen zu äußern, die sie geschrieben hatten, und dann ziemlich verkniffen, in Tränen aufgelöst oder ganz einfach sauer waren, wenn ich sie beim Wort nahm.
„Und du bist wirklich sicher“, sagte ich kurz vor dem Auflegen, „dass ich absolut ehrlich sein soll?“
„Lieber Himmel, natürlich!“, lachte Robert, als hätte ich einen albernen Witz gemacht. „Deshalb komme ich doch zu dir! Was hätte das sonst für einen Sinn?“
Als ich schließlich auflegte, beschwichtigte ich meine Befürchtungen mit dem Gedanken daran, dass Robert ein intelligenter, sensibler Mensch war, der schon viel Schmerz erlebt hatte. Das musste sich doch sicherlich in seinen Texten widerspiegeln?
Wie sich herausstellte, war das bei einigen davon auch der Fall, doch einem der Texte schien es mir etwas an Judo-Geschick zu mangeln. „Könnten wir uns den letzten Text über das Lottospielen noch einmal vornehmen?“, fragte ich.
„Okay!“, nickte Robert.
„Also, in diesem Text sagst du, dies sei eine sehr materialistische Zeit, und statt daran zu denken, wie sie eine Menge Geld gewinnen können, sollten Leute über ihr geistliches Leben nachdenken und erkennen, wie viel Jesus für sie getan hat. Im Grunde machst du ihnen sozusagen Vorwürfe, weil sie Lotto spielen, oder?“
„Na ja, ich bin damit nicht einverstanden.“
„Aber meinst du nicht, du könntest eine etwas positivere Route einschlagen, als einfach zu sagen, dass es schlecht ist – als die Träume der Leute so total und unbarmherzig abzukanzeln?“
„Nun …“
„Warum spielen Leute Lotto?“
„Um reich zu werden.“
„Nun, so kann man es sehen. Man könnte aber auch sagen, dass sie sich danach sehnen, dass in ihrem Leben etwas ganz Wunderbares passiert.“
„Ja, aber Geld ist nicht –“
„Langsam, langsam! So weit sind wir noch nicht. Sie wollen, dass in ihrem Leben etwas Wunderbares geschieht, etwas, wodurch sich alles verändert. Wenn Jesus in ihr Leben käme, dann wäre das etwas Wunderbares, wodurch sich alles verändern würde, stimmt’s?“
„Richtig, und deshalb –“
„Also haben sie eigentlich das richtige Verlangen, nur vielleicht nach den falschen Dingen – einverstanden?“
„Ja, vielleicht, aber es ist doch das Verlangen nach Geld, das falsch ist. Das muss ich ausdrücken.“
„Robert, hast du schon einmal über die Tatsache nachgedacht, dass Jesus mehr als einmal Reichtum als Lohn für die Nachfolge angeboten hat?“
Robert rutschte unbehaglich auf seinem Stuhl herum und schüttelte den Kopf. „Hat er nicht. Er hat gesagt, es sei ziemlich unmöglich für einen reichen Mann, in den Himmel zu kommen.“
„Und was, sagte er, sollen wir im Himmel sammeln?“
„Na ja, Schätze, aber damit meinte er kein Geld, er sprach von –“
„Langsam, langsam! So weit sind wir noch nicht. Er appellierte an den menschlichen Zug, der reich sein möchte, oder? Er sagt uns, dass es okay ist, reich zu sein, solange wir begreifen, was die wichtigste Währung von allen ist. Richtig? Und wenn wir in den Himmel kommen und durch die göttliche Shopping-Zone bummeln, welche Währung wird das sein? Was wird auf dem Bündel himmlischer Banknoten stehen, die uns die Bankschalter-Engel aus dem Konto ausgezahlt haben, das wir während unseres Erdenlebens angespart haben?“
„Liebe?“
„Genau! Die Währung des Himmels ist Liebe, und wenn Jesus in unser Leben kommt, werden wir plötzlich zu Erben eines Vermögens, das wir in der Ewigkeit ausgeben werden. Vielleicht sollten wir zu den Lottospielern lieber sagen:, Prima! Ihr habt genau die richtigen geistlichen Instinkte. Ihr wollt eine echte, bedeutende Veränderung in eurem Leben, und ihr wollt reich sein. Was ihr noch nicht verstanden habt, ist, dass ihr beides bekommen könnt, ohne eine müde Mark einzusetzen, und das bei erheblich besseren Gewinnchancen.‘ Wie findest du das, Robert? Denkst du, dass man so an die Sache herangehen könnte?“
Ich sah ihn hoffnungsvoll an. Er erwiderte meinen Blick wie eine Landratte, die auf einem fadenscheinigen Floß durch einen schweren Sturm treibt. „Also, ich, äh, ich glaube, ich lasse es lieber so, wie es ist.“
Das warf mich um, aber darum geht’s ja schließlich beim Judo, nicht wahr?