Читать книгу Mord an der Limmat - Adriana Weisskopf - Страница 6
Kapitel 2
Оглавление„Hallo? Roman Falk hier. Frau Castioni haben Sie jetzt sofort Zeit um eine Wohnung zu besichtigen?“ Erika nickt und denkt nicht daran, dass Roman Falk dies nicht sehen kann. „Hallo?“ – tönt es wieder aus dem Mobiltelefon. „Ja, selbstverständlich. Bitte entschuldigen Sie“, sagt Erika. Sie notiert sich die Adresse, lässt alles stehen und liegen und eilt aus dem Büro. Roman Falk ist der Immobilienmakler den Erika auf Empfehlung ihrer Freundin Claudia beauftragte, schnell eine Wohnung für sie zu finden.
Eine gute Stunde später steht sie in der Bahnhofstrasse, vor der von Roman Falk genannten Hausnummer. Erika ist gespannt auf ihn. Seine Stimme am Telefon hat sie neugierig auf sein Aussehen gemacht. „Pass auf, wenn du ihn siehst“ – hat Claudia lachend zu Erika gesagt. „Er sieht verdammt scharf aus. Wäre ich nicht glücklich verheiratet… er würde mir gehören.“ Aber wie oft hat Erika schon solche Aussagen von Claudia gehört. Und selten hatten Claudias Worte am Schluss mit der Wirklichkeit viel gemeinsam.
„Hallo. Sie müssen Erika Castioni sein. Ich bin Roman Falk“ – sagt plötzlich die Stimme zu ihr, die sie am Telefon fast schon sprachlos werden liess. Dazu steht ein grosser, eleganter und sehr charmanter Herr vor ihr, der ihre Hand nimmt und während dem Sprechen einen Handkuss andeutet. Ganz, nach alter Schule. Schon diese Geste allein lässt Erika weiche Knie bekommen. „Guten Tag. Ja, ich bin Erika Castioni“, stammelt sie vor sich hin und lässt sich in die sehr grosszügige 3-Zimmer Wohnung in der dritten Etage führen. Erika findet kaum einen Weg aus dem Staunen heraus, so schön ist die Wohnung. Und gross. Ja, richtig gross. Roman gibt sich alle Mühe, selbst alle Kleinigkeiten in der Wohnung anzupreisen und hervor zu heben. Er denkt dabei an die Provision die er kassiert, wenn Erika sich für diese Wohnung entscheidet. Denn diese ist nicht unerheblich. Längst schon überzeugt und sicher, dass sie diese Wohnung möchte, lässt sich Erika trotzdem weiter alles zeigen. Sie möchte in der Nähe dieses Mannes sein und hofft, dass dieser Moment noch lange andauert. Sie ist angetan von ihm und von seiner tiefen, aber sehr weichen Stimme. Nachdem wirklich alles gezeigt und gesagt ist, fragt Roman in beschwingtem Ton: „Was meinen Sie? Das ist doch eine wunderbare Wohnung für eine wunderschöne Frau. Haben Sie sich schon entschieden oder haben Sie vielleicht noch Fragen?“
Erika stösst einen Seufzer aus, fährt mit dem Zeigerfinger über ihre Lippen und schaut ihn lächelnd an. „Wenn du mich Erika nennst und mit mir in den nächsten Tagen Essen gehst, nehme ich die Wohnung. Sie ist einfach ein Traum. Ich bin dir sehr dankbar, dass du mir diese Wohnung gezeigt hast. Auch, dass es so schnell ging. Denn in meiner momentanen Situation eilt es wirklich.“
Roman streckt seine Arme aus, nimmt Erika an ihren Händen und während er sie fast schon zärtlich zu sich hin zieht entgegnet er mit seinem charmanten Lächeln: „Sehr gerne gehe ich mit dir essen. Aber nur, wenn ich dich einladen darf.“ Natürlich, darf er das. Was soll Erika davon abhalten, eine Einladung von diesem Mann anzunehmen?
Nachdem sie sich verabschiedet haben denkt sie nicht daran, ins Büro zurück zu gehen. In Gedanken träumt sie Roman hinterher. Was für ein Mann! Die Angst vor dem Alleine sein, fesselt ihre Gedanken an ihn und an die Vorstellung, mit Roman zusammen zu kommen. Seit langem fühlt sich Erika wieder einmal zufrieden und glücklich. So beschliesst sie, diesen schönen Spätsommertag noch etwas zu geniessen und schlendert der Limmat entlang in Richtung See. Beim Limmatquai sitzt sie in ein Café und hat wenige Minuten später einen Latte Macchiato vor sich. Nach einer Weile im Café geht sie nach Hause. Schliesslich muss jetzt ein Umzug vorbereitet werden. Und dieser soll so schnell wie möglich über die Bühne gehen. Denn inzwischen ist sie sogar etwas froh, dass Gino sie rausgeschmissen hat und sie dem Ganzen endlich ein Ende bereiten.
„Claudia ? Claudia du hattest recht. Was für ein Mann. Ich spreche von Roman. Roman Falk. Er ist einfach… Ich weiss nicht, wie ich das sagen soll“ – rief Erika in das Telefon, als sie am Abend Claudia anruft um ihr alles zu erzählen und sie davon in Kenntnis zu setzen, dass sie eine Wohnung hat und in den nächsten Tagen umziehen wird. Claudia lachte laut in den Hörer hinein. Hat sie doch gewusst, wie Erika auf diesen Mann reagieren wird.
Nachdem alles gesagt ist beenden sie gegen Mitternacht das Gespräch. Nach einem Glas Rotwein schläft Erika auf dem Sofa ein. Und dort erwacht sie auch am nächsten Morgen. Sie ist nachts nicht wach geworden, dass sie hätte ins Bett gehen können. Sie schaut auf die Uhr und stellt mit Schrecken fest, dass es bereits acht Uhr ist. Schnell steht sie auf, denn sie muss zur Arbeit. Einige Besprechungen stehen heute in ihrem Terminkalender, denen sie nicht fernbleiben darf und kann. Das Sofa tat ihren Knochen nicht gut und der Rücken schmerzt auch. Trotzdem muss sie sich beeilen.
„Was soll ich bloss anziehen?“ – murmelt Erika vor sich hin. Bereits der halbe Kleiderschrank ist ausgeräumt und von dort landen die Stücke in Form eines Wäschebergs auf dem Bett. Endlich ein Outfit gefunden und fertig geschminkt macht sie sich auf den Weg ins Niederdorf wo sie sich mit Roman verabredet hat. Nervös und aufgeregt fühlt sie sich - wie ein Teenager beim ersten Date. Aber auch glücklich, dass sie von einem so gutaussehenden und charmanten Mann eingeladen wird.
Der Immobilienmakler hat einen Tisch in einem Restaurant reserviert wo man ihn kennt. Er ist immer wieder mit Kunden nach einem erfolgreichen Geschäftsabschluss dort.
Romans Geste, mit dem Finger auf die leere Flasche Wein zu deuten und zu nicken, fordert den Kellner beim vorbeihuschen auf, noch eine solche zu bringen. Dieser hat die Bestellung verstanden und eilt kurz darauf mit einer weiteren Flasche des sehr teuren Rotwein an den Tisch. Ob alles in Ordnung sei, fragt der aufmerksame und überaus freundliche Kellner, dessen Haare von einer Gelmasse nur so an der Kopfhaut zu kleben scheinen. Beide nicken ihm beiläufig zu und er versteht, dass sie sich in ihrem Gespräch nicht stören lassen wollen. Es ist schon fast Mitternacht, als sie das Restaurant verlassen. Gemütlich schlendern sie ihren Weg entlang, der zu Roman nach Hause führt. In der Dachwohnung angekommen staunte Erika nicht schlecht über diese grosse und luxuriöse Wohnung. Ihr entgleitet nur ein hauchendes „Wow“ über die Lippen. Zu mehr Worten kann es nicht kommen, denn schnell nimmt Roman sie in die Arme und küsst sie. Seine Küsse sind so zärtlich, dass Erika Angst hat, in Ohnmacht zu fallen. Er führt sie küssend in das Schlafzimmer wo sie schnell ihrer Kleidung entledigt wird.
„Guten Morgen“ – flüstert Roman und küsst dabei Erika zärtlich auf die Wange. Erika muss sich zuerst etwas sortieren. Der Wein war gut. Aber es war eindeutig zu viel. Ihr Kopf brummt und sie weiss nicht, ob sie Kopfschmerzen vom Wein oder eine Migräne hat. Doch das tut ihrer Erinnerung an die Nacht keinen Abbruch. Und sie ist sich sicher, dass die vergangene Nacht eine ihrer besten und schönsten war. Erika räkelt sich, flüstert lächelnd ein „Guten Morgen“ und schiebt sich langsam eine Zigarette zwischen die Lippen. Diese angezündet, zieht sie genüsslich daran und lässt danach den Rauch langsam in Kreisen in den Raum entweichen. Am liebsten möchte sie den ganzen Tag im Bett bleiben. „Ich mache uns Frühstück“ – sagt Roman und verschwindet in der Küche.
`Was für ein Mann`, denkt sich Erika erneut. In Gedanken versunken steht sie unter der Dusche und träumt der Nacht hinterher. Plötzlich reist sie der Ruf von Roman aus ihren Gedanken. Das Frühstück ist fertig. Ein Grund, um sich zu beeilen.
„Und? Gehst du heute zur Arbeit?“, fragt Roman. „Nein. Ich denke nicht. Ich werde einige Dinge für die Wohnung besorgen gehen. Aber eigentlich möchte ich lieber wissen, wie es mit uns weiter geht. Was stellst du dir denn vor?“ Natürlich hat Erika eine Vorstellung davon, wie es weiter gehen soll. Ob es wirklich gut ist, sich so schnell nach der Trennung von Gino wieder zu binden, weiss sie nicht. Aber sie hat den Wunsch, mit Roman zusammen zu sein und dem Alleinsein zu entgehen. Allerdings hat sie sich keine Gedanken darüber gemacht, ob Roman überhaupt eine Beziehung möchte. „Was meinst du? Was soll mit uns weiter gehen?“, fragt Roman und greift fast schon gelangweilt zur Tasse. Sein Ton gefällt Erika überhaupt nicht. Er ist nicht mehr so weich und charmant wie sonst. Plötzlich stellt er die Tasse ab und fährt fort:“ Moment mal. Du glaubst aber nicht, dass wir eine Beziehung haben könnten. Oder?“ Erikas Gesichtsausdruck gibt ihm die Antwort ohne dass sie etwas sagt. Sie ist wie vor den Kopf gestossen und im Innersten verletzt und schockiert. „Erika, das kannst du nicht ernsthaft glauben. Die letzte Nacht war schön. Nein, sie war wunderschön. Aber das war eine einmalige Sache. Sorry – aber eine Beziehung gibt es bei mir nicht. Es tut mir leid, wenn du dir etwas anderes vorgestellt und gewünscht hast.“ Sein Ton war scharf und bestimmt. So, dass dieser Erika etwas ängstlich werden lässt. Tränen rollen über ihre Wangen. Sie versucht sie zurück zu halten. Aber es gelingt ihr nicht. Sie weiss nicht, ob es die Enttäuschung oder die Wut ist, was ihre Tränen rollen lässt. Aber wütend ist sie. Das ist sicher. Und wie!
„Wie kannst du nur?“ – schreit Erika. „Wie kannst du nur? Ich habe mich in dich verliebt. Du hast mit mir geschlafen und am nächsten Tag sagst du mir, dass du keine Beziehung möchtest? Spinnst du? Aber warte nur ab. So etwas macht man nicht mit mir.“ Erika verschwindet im Schlafzimmer um sich anzuziehen. Daraufhin nimmt sie ihre Sachen und geht. Roman zuckt am Tisch etwas zusammen als die Tür hinter Erika ins Schloss fällt. Er wollte nicht, dass es so ausartet. Das war nicht seine Absicht und eigentlich dachte er nicht, dass Erika nach einer zwanzigjährigen Ehe, die soeben erst zu Ende ging, schon wieder eine Beziehung möchte. Er kann das nicht verstehen. Aber er will sich nicht mit solch banalen Dingen aufhalten. Es interessiert ihn nicht und Erika ist ja auch nicht die erste Frau, mit der es so gemacht hat. Er schüttelt den Kopf, geht unter die Dusche und lebt wieder seinen Alltag. Für ihn ist diese Sache abgeschlossen.
Wie in Trance geht Erika am Seeufer entlang. Sie kann es immer noch nicht fassen, dass Roman so mit ihr umgeht. Es ist ein schöner, sonniger Herbsttag. Erika setzt sich am See auf eine Bank und hält das Gesicht gegen die Sonne, die nicht mehr viel Kraft zum wärmen hat. Trotzdem tun die Sonnenstrahlen gut. Das Mobiltelefon klingelt und ohne auf das Display zu schauen geht Erika schnell ran. Für sie ist klar, dass sich Roman entschuldigen möchte. „Hallo?“, meldet sie sich und ist sichtlich enttäuscht, als sie die Stimme von Claudia vernimmt. Nachdem sich Claudia eine halbe Stunde lang das Leid anhörte einigen sie sich auf ein Treffen und den Umzug von Erika in Angriff zu nehmen. Schliesslich müssen auch noch einige Gegenstände und Möbelstücke aus dem Haus geholt werden. Und das soll geschehen, wenn Gino nicht zu Hause ist.
Im Eiltempo beauftragen Erika und Claudia eine Umzugsfirma, die schon in zwei Tagen Erikas Sachen in die neue Wohnung transportieren soll. Am Nachmittag waren sie einkaufen, damit sich Erika von Beginn an in der neuen Wohnung wohl fühlen kann.
Den Abend verbringen sie in einem Restaurant an der Limmat. Nach einem ausgiebigen Abendessen und viel Wein, schlendern sie gemeinsam zu Claudia nach Hause, die unweit vom Bellevue wohnt. Erika wird die nächsten Tage bei ihr wohnen, bis sie die Möbel in ihrer Wohnung hat.
Schweigend und etwas angetrunken sitzen sie im Wohnzimmer.
„Ich rufe ihn jetzt an“, sagt Erika und nimmt ihr Mobiltelefon zur Hand.
„Wen, rufst du an?“ Claudia blickt in Richtung Wanduhr.
„Roman, rufe ich an. Verdammt ich will ihn. Und das kann er mit mir nicht machen.“
„Spinnst du?“- ruft Claudia. „Es ist fast Mitternacht. Und wenn er doch nichts von dir will. Und überhaupt…“ Sie holt tief Luft, schüttelt den Kopf „…und überhaupt, Erika. Wie kannst du sagen, dass du dich in Roman verliebt hast wo du doch gerade nach zwanzig Jahren Ehe von Gino rausgeworfen wurdest? Weisst du überhaupt noch, was verliebt sein heisst und wie das ist? Oder hast du einfach nur Angst vor dem alleine sein? Du benimmst dich echt wie ein Teenager. Weisst du das?“
Erika hat keine Lust mehr zu diskutieren. Sie ist müde. Müde, enttäuscht und wütend. Und ständig denkt sie an Roman. An die letzte Nacht und an seine harten Worte am Frühstückstisch. Sie wünscht Claudia eine gute Nacht und geht ins Zimmer. Claudia bringt noch die Gläser in die Küche und tut es ihr gleich.