Читать книгу Mord an der Limmat - Adriana Weisskopf - Страница 7
Kapitel 3
Оглавление„Ich mach dir das Leben zur Hölle“, schreit Gino in das Telefon und legt sofort auf. Erika holte Gegenstände aus dem Haus, die Gino behalten wollte. Dass Gino nicht zu Hause war, bot sich als perfekte Gelegenheit, diese Dinge mitzunehmen. Erika wusste, dass diese ihrem Mann viel bedeuten. Für Erika haben sie keine Bedeutung. Doch sie sind wertvoll und sie ist der Meinung, dass ihr diese Dinge zustehen und liess sie gleich vom Umzugsunternehmen einpacken und mitnehmen. Als Gino am Abend von der Arbeit nach Hause kam, sah er das ganze Ausmass von Erikas Umzug. Am liebsten würde er gleich zu ihr hinfahren und ihr den Kopf umdrehen. Wütend rennt er im Wohnzimmer hin und her und schreit alle Schimpfwörter vor sich hin die er kennt. „Umbringen sollte man sie“, schreit er.
Während sich Gino fürchterlich aufregt, liegt Erika in ihrem neuen zu Hause auf dem Sofa und verspürt einen kleinen Hauch von Genugtuung. Seit Gino das Telefonat so abrupt beendete bekommt sie ihr fieses Lächeln nicht mehr aus ihrem Gesicht. „Zum Wohl, Gino“, flüstert sie vor sich hin, hebt dabei das Weinglas in die Höhe und nimmt einen Schluck Rotwein. Dabei geniesst sie das Gefühl etwas Rache genommen zu haben.
Das Glücksgefühl wird allerdings von den ständigen Gedanken an Roman etwas getrübt. Warum will er nichts von ihr wissen? Warum war er so gemein zu ihr? Erika starrt einfach ins Nichts vor sich hin und bekommt keine Antworten auf ihre Fragen. Sie beschliesst, am nächsten Morgen zu Roman ins Büro zu gehen um mit ihm zu sprechen. Anrufen kann sie ihn nicht. Er weist jeden Anruf von ihr ab und drückt sie weg. Doch Erika gibt nicht auf. Nach zwei weiteren Gläsern Wein schläft sie auf dem Sofa ein.
Mit schmerzenden Gliedern erwacht Erika, als sie vom heftigen Klopfen an der Wohnungstür und dem hartnäckigen Klingeln aus dem Schlaf gerissen wird. Mühsam quält sie sich vom Sofa zur Tür. Sofort stürmt Claudia rein. „Erika was soll das? Kannst du mir bitte sagen, was das soll? Roman hat mich angerufen und gesagt, du würdest ihn nicht in Ruhe lassen. Verdammt Erika. Ich habe euch miteinander bekannt gemacht. Hör auf mit diesem Quatsch.“
„Guten Morgen“ – sagt Erika, wendet sich von Claudia ab und geht zurück in das Wohnzimmer. „Hör auf so zu schreien oder geh wieder. Gott, was habe ich für Kopfschmerzen.“ Ihr wird bewusst, dass sie es am Vorabend eindeutig mit dem Wein übertrieben hat. Schon wieder! Sie streicht mit beiden Händen durch ihr zerzaustes Haar und lässt sich auf das Sofa fallen. Claudia erkennt Erika nicht wieder. ‚Was ist bloss los mit ihr?‘ – fragt sie sich in Gedanken und folgt ihr ins Wohnzimmer. Erika greift zur Zigarettenschachtel und verblüfft damit Claudia erneut. Vor zwei Jahren hat sie mit dem Rauchen aufgehört. Doch seit dem Rausschmiss von Gino ist der Griff zur Zigarette wieder schnell zur Gewohnheit geworden. Bislang hat das Claudia nicht mitbekommen.
Während der Zigarettenrauch langsam aus ihrem Mund in den Raum entweicht dreht Erika den Kopf zu Claudia und faucht:“ Nein. Ich werde Roman nicht in Ruhe lassen. Ich will diesen Mann haben. Hat er nur mit mir gespielt? Hat er dir gesagt, ob er mit mir nur gespielt hat oder ist er jetzt der Meinung, dass er der Arme ist? Das Opfer? Na sag schon, Claudia. Was hat er dir gesagt?“
Claudia ist entsetzt über das Verhalten von Erika. Sie möchte nicht, dass Roman ihre Freundschaft beendet, weil sie ihm Erika vorgestellt hat. Aber mit Erika zu reden oder zu diskutieren hat keinen Sinn. Wütend wendet sie sich von Erika ab und verlässt die Wohnung ohne noch ein Wort zu sagen. Erika wird sich später sowieso noch bei ihr melden – wenn sie wieder ganz nüchtern ist. Davon geht Claudia zumindest aus.
Nachdem Erika noch einmal auf dem Sofa eingeschlafen ist, erwacht sie gegen Mittag und fühlt sich besser als am Morgen. „Hallo? Erika Castioni hier“ – meldet sie sich am Mobiltelefon, als sich dieses mit seinem penetranten Klingelton bemerkbar macht. Sie versäumte es, auf das Display zu schauen um zu sehen, wer anruft.
„Erika, ich will meine Sachen zurück“, hörte sie eine Stimme aus dem Telefon kreischen. Gino! – nicht schon wieder Gino… Sie atmet tief ein, hält ihren Mittelfinger hoch – als könne er es sehen – und legt wortlos auf. Nie hätte Erika gedacht, dass ihr Leben einmal eine solche Wende nehmen wird.
Früher wünschte sie sich nichts sehnlicher als einen liebevollen, gutaussehenden und erfolgreichen Mann zu heiraten. Kinder zu bekommen und einfach nur glücklich zu sein. Sie träumte von einem Familienleben aus dem Bilderbuch. Doch als sie merkte, dass auch sie erfolgreich sein kann und ist, wollte sie nichts mehr von Kindern und Familie wissen. Zu schön ist es, sich in guten finanziellen Verhältnissen zu wissen und damit etwas angeben zu können. Erika liebt es zu zeigen was sie sich leisten kann und was sie alles hat. Warum also, das alles aufgeben? Sie ist überzeugt davon, dass sie sich mit Kindern all das nicht mehr leisten hätte können und diesen Wohlstand nicht mehr hätte. Gerne behandelt sie auch ihre Mitmenschen, die nicht so viel wie sie haben von oben herab. Mit einer Arroganz und einer erniedrigenden Art, die von vielen gehasst und gefürchtet ist. Damit hat sich Erika viele Feinde geschaffen. So wurden es über all die Jahre mehr Feinde als Freunde, die sie heute zu ihrem Bekanntenkreis zählt.
Selbst ihre Eltern konnten irgendwann die selbstherrliche und arrogante Art von Erika nicht mehr ertragen. So kam es, dass sie bereits seit fünf Jahren nicht mehr miteinander sprechen. Allerdings kümmert das Erika wenig. Sie hat schon längst mit ihren Eltern abgeschlossen.