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Bount kam dazu, wie Ringo das Mädchen verprügelte.

Ringo war gut einen Kopf größer als sie und hatte Fäuste, mit denen sich Holzpflöcke in den Boden rammen ließen.

Bount kannte Ringo Costalnez. Der Bursche war ihm so sympathisch wie eine Spinne im Morgenkaffee.

Das Mädchen war blond und gut-gewachsen, nicht älter als einundzwanzig Jahre. Sie trug Schwarz.

Sie kreischte, sie wehrte sich mit Händen und Füßen. Gegen Ringo hatte sie keine Chance.

Er war nicht sehr schnell auf den Beinen. Seine weit hergeholten Schläge wirkten fast bedächtig, aber wenn er traf, gab es blaue Flecken, ungünstigsten falls auch gebrochene Knochen und spuckreife Zähne.

Bount hatte vor drei Jahren Ringos Verhaftung in die Wege geleitet. Der Richterspruch hatte Ringo für achtundvierzig Monate aus dem Verkehr ziehen sollen, aber daraus war nichts geworden. Anscheinend hatte man ihn wegen guter Führung vorzeitig entlassen.

Von dieser im Gefängnis praktizierten Tugend ließ er sich im Augenblick nichts anmerken. Im Gegenteil. Er drosch unbarmherzig auf das Mädchen ein.

Ort des Geschehens: der miserabel beleuchtete Vorplatz eines U-förmig angelegten Garagenkomplexes.

Zeitpunkt des Geschehens: 21.40 Uhr, am 4. November, einem Freitag.

Der Garagenkomplex reichte tief in schmale Gärten hinein, die zwischen zwei Häuserreihen verkümmerten, und für deren Pflege sich offenbar niemand zuständig fühlte.

Block und Zufahrt zweigten von der Clarkson Street in Greenwich Village ab. Keine schlechte Gegend eigentlich, eine Mischung aus Boheme und braver Bürgerlichkeit.

Bount hatte in der Nähe einen Klienten besucht und befand sich auf dem Weg zum St. Lukes Place. Dort parkte sein Mercedes 450 SEL vor Doc Brucks Grillroom. Bount hatte sich vorgenommen, in dem Lokal einen Teller mit gebackenen Shrimps zu verzehren, aber es lag auf der Hand, dass daraus vorerst nichts werden würde.

„Stopp“, sagte er scharf. Ringo Costalnez kannte Bounts Stimme und hatte keinen Grund, sie zu lieben. Das war Bount nur recht.

Ringo wirbelte auf den Absätzen herum. Sein letzter Schwinger war nicht ohne Wirkung geblieben.

Das Mädchen torkelte gegen die Garagenwand und versuchte, sich daran festzuhalten. Es gelang ihr nicht, in ihren Händen war keine Kraft mehr. Sie rutschte langsam an der Wand herab zu Boden, ihre Nägel nahmen dabei etwas bröckelnden Putz mit. Stöhnend blieb sie auf dem schmutzigen Asphalt liegen.

„Bount Reiniger!“, entfuhr es Ringo Costalnez.

In seiner Stimme lagen Überraschung, Hass und grimmige Wut. Bount störte ihn bei der Ausübung einer Tätigkeit, die sich mit seinen Bewährungsauflagen nicht vertrug. Außerdem hatte er noch eine alte Rechnung mit Bount zu begleichen. Wenn Ringo trotzdem nicht gleich auf Bount losging, so hatte das seinen guten Grund. Ringo hatte gelernt, wie riskant es war, sich mit Bount Reiniger anzulegen.

„Diese miese kleine Nutte“, keuchte Ringo. „Sie hat mich beklaut.“

„So, hat sie das“, sagte Bount mit flacher Stimme und fragte sich resigniert, woran es wohl liegen mochte, dass man in dieser Stadt kein Wochenende ohne Zwischenfälle und kriminelle Einlagen beginnen konnte.

Ringo Costalnez schwieg. Er hatte eine Figur wie ein Modellathlet, aber sein verbeultes Gesicht hinderte ihn daran, sich um den Titel eines Mr. Universum zu bewerben. Die breitgeschlagene Nase ließ ihn wie ein Boxprofi erscheinen. Sie war das Ergebnis eines unglücklichen Sturzes, den er erlitten hatte, als er eine Mutprobe absolvieren musste, um einer aktiven Jugendbande beitreten zu können.

Bount warf einen Blick auf das Mädchen.

Sie hatte ihr Gesicht im Winkel des Ellbogens verborgen. Das seidige Blondhaar fiel wie ein Vorhang darüber. Es war anzunehmen, dass Ringo log. Andererseits gab es hier wie überall eine Menge Puppen, die ihre Charmeoffensiven dem Inhalt männlicher Brieftaschen widmeten.

„Okay, ich bin vielleicht etwas zu weit gegangen“, schnaufte Costalnez wie entschuldigend, „aber wenn man an so eine gerät, platzt einem der Kragen, dann sieht man rot.“

„Du kannst verschwinden“, sagte Bount.

Er hatte keine Lust, die Unterhaltung mit Ringo fortzusetzen. Wenn das Mädchen bereit war, Anzeige gegen den Burschen zu erstatten, konnte Bount den Behördenapparat auf Trab bringen, das genügte. Seine gebackenen Shrimps warteten. Es gab nirgendwo bessere.

„He, Detektiv ...“, murmelte Ringo und wusste nicht so recht, ob er erleichtert oder beunruhigt sein sollte. Er wollte noch etwas sagen, aber der Ausdruck von Bounts Augen nahm ihm die Lust dazu. Ringo straffte den Knoten seiner grellvioletten Krawatte, zog die Hose hoch und entfernte sich.

Bount ging auf das Mädchen zu. Er beugte sich über sie und berührte behutsam die runde Schulter. „Sind Sie verletzt?“, fragte er.

Das Mädchen hob den Kopf aus der Beuge des Ellbogens und musterte Bount aus großen, langbewimperten Blauaugen. Sie war ungewöhnlich hübsch. Ihre puppige, stupsnasige Attraktivität machte freilich auch klar, dass das Mädchen niemals sonderliche Anstrengungen zur Entwicklung ihres Intellekts unternommen hatte.

Sie gab keine Antwort.

Bount half ihr auf die Beine. Die schwarze Bluse des Mädchens war aufgerissen und zeigte pralles, weißes Fleisch, das von keinem Wäschestück betreut wurde. Sie kümmerte sich nicht um ihre Blöße.

Bount auch nicht.

„Bount Reiniger, Privatdetektiv“, stellte er sich vor.

Das Mädchen schwieg immer noch.

Bount warf einen Blick über seine Schulter. Costalnez hatte sich aus seinem Gesichtskreis entfernt. Auch sonst war niemand zu sehen.

Es gab in dieser Stadt nicht sehr viele Leute, die sich mit abendlichen Spaziergängen fit zu halten versuchten. So etwas konnte sich leicht ins Gegenteil verkehren.

Bount wandte sich erneut dem Girl zu.

„Er hat Sie geschlagen“, sagte Bount. „Ich kann es bezeugen. Sie müssen Anzeige gegen Ringo erstatten. Wenn Sie wollen, begleite ich Sie zum nächsten Revier.“

Das Mädchen holte tief Luft, dann erklärte sie: „Mich hat niemand geschlagen.“ Ihre Stimme war dunkel metallisch und voll spröder Entschlossenheit. „Hauen Sie ab, Mann!“

Bount durchlebte einen Moment der Frustration.

Er kannte diese Augenblicke. Da bot sich einem die Möglichkeit, einen Akt von Gewalt zu sühnen, aber das Opfer zog nicht mit, es hatte Angst vor den Folgen.

Das Mädchen entspannte sich. Es schien zu spüren, dass es dumm und unfair war, ihren Retter so rüde zu behandeln.

„Ich bin Corral Midgate“, sagte sie widerwillig und nannte Bount ihre Adresse.

Bount prägte sie sich ein und fragte: „Soll ich Sie nach Hause bringen?“

„Danke. Das schaffe ich allein.“

Bount schätzte das Mädchen auf neunzehn Jahre. Er fragte sich, ob er einem Vampir ähnelte oder was wohl sonst an ihm sein mochte, das den Widerwillen des Mädchens erzeugte. Er verspürte keine Lust, der Frage auf den Grund zu gehen. Er machte kehrt und betrat wenig später Doc Brucks Grillroom.

Während des Essens fragte er sich, ob in dem Lokal tatsächlich die besten Shrimps serviert wurden, oder ob es an seiner miesen Laune lag, dass sie ihm nicht schmecken wollten. Er zahlte und ging, setzte sich in seinen Wagen und fuhr zur nahen Broome Street.

Inzwischen war es 22.15 Uhr geworden.

Das Haus, in dem Corral wohnte, hatte zwei Etagen und eine Mansarde. Es war eine jener klassischen Kontinenthauskopien, mit denen kurz nach der Jahrhundertwende versucht worden war, noblen englischen Wohnstil nachzuahmen. Sechs Namensschilder am Eingang verrieten, dass der Vermieter verstanden hatte, seinen Besitz optimal zu nutzen.

Corrals Bleibe befand sich in der ersten Etage. Bount blickte an der verschnörkelten Fassade empor. Hinter Corrals Wohnungsfenstern brannte kein Licht. Die Haustür war unverschlossen. Bount öffnete sie und trat ein.

Aus irgendeinem Grund funktionierte die Hausbeleuchtung nicht. Bount knipste sein Feuerzeug an, ging nach oben und entdeckte, dass Corral Midgates Wohnungstür nur angelehnt war. Er klingelte.

In der Wohnung rührte sich nichts.

Bount knipste das Feuerzeug aus. Er hörte das Krachen von Schüssen. Sie kamen aus einem Lautsprecher. Nachfolgendes Hufgetrappel machte klar, dass irgendwo im Hause ein Western über den Bildschirm flimmerte.

Bount wiederholte das Klingeln.

In seinem Magen spürte er ein seltsames Kribbeln. Er kannte dieses Gefühl und hatte gelernt, damit zu leben. Sobald es auftauchte, war er wie verwandelt. Dann gehorchte er Instinkten und Reflexen, die sich nur schwer mit dem Verstand erfassen ließen.

Er schob die Tür mit dem Fuß zurück, tastete nach dem Lichtschalter und blinzelte, als sein Fingerdruck die kleine Deckenlampe aufflammen ließ.

Die Diele war winzig. Von den knallrot gestrichenen Wänden hoben sich tiefschwarz lackierte Möbel ab. Ein Spiegel mit breitem Rahmen, in dem ein paar bunte Postkarten steckten, eine Kommode und einem Hängeschrank bildeten die Einrichtung. An einem der Garderobenhaken hing ein schwarzer Lederblouson.

Von der Diele zweigten drei Türen ab. Es war leicht zu erkennen, dass sie in Küche, Bad und Wohnschlafzimmer führten. Bount betrat letzteres zuerst, griff nach dem Lichtschalter und betätigte ihn.

Bounts Blick fiel auf eine breite, fellbezogene Couch, der sichtlich die Aufgabe zukam, auch als Bett zu dienen. Der junge Mann, der auf ihr ruhte, hielt seine Augen zwar geschlossen, aber er schlief nicht.

Er war tot.

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