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Bount rührte sich sekundenlang nicht vom Fleck. Er stand einfach da und prägte sich ein, was er sah.

Es war viel und wenig zugleich.

Die Gegenwart des Toten überschattete das andere, das Popgrün der Wände, die schlichten, aber sehr modernen Plastikmöbel, die knalligen Poster an den Wänden, die recht aufwendige Stereoanlage im Turmbau-System, die auf dem Spannteppich liegenden Schallplattenhüllen mit ihren phantastischen Covers, das hölzerne Whiskyfass in der Ecke, auf dem ein paar Flaschen standen und Kneipengemütlichkeit zu vermitteln versuchten.

Es gab keine Kampfspuren.

Der Tote lag sehr friedlich da, wie aufgebahrt.

Seine ausgestreckten Arme ruhten dicht am Körper. Der Tote war mit olivgrünen, engen Cordjeans bekleidet, die aufgekrempelt über derben Fallschirmjägerstiefeln endeten. Sein Hemd war weiß und rot.

Das Rot war kein auf gedrucktes Muster, es war feuchtschillerndes Blut. Es sickerte aus einer Einschuss Wunde, die in der Höhe des Herzens lag.

Ein leises Knacken ließ Bount den Kopf wenden.

Die Skalenbeleuchtung des Stereo- Receivers brannte. Auf dem Plattenteller lag eine LP. Das Knacken kam aus einer der beiden Standboxen. Es war anzunehmen, dass das Mordopfer sich eine Platte angehört hatte. Der automatische Plattenspieler hatte danach den Tonarm zurück in die Ausgangsstellung bewegt.

Bount trat an die Couch heran.

Er schätzte den Toten auf zwanzig Jahre.

Der Mann hatte das schmale, harte Gesicht eines Burschen, den das Leben in den Slums zu ungewollter Askese erzogen hatte.

Bount hörte ein weiteres Geräusch. Einen kaum wahrnehmbaren Quietschlaut. Er kam weder aus den Standboxen noch von dem Plattenspieler. Er kam von draußen.

Bount wirbelte auf den Absätzen herum und erreichte mit wenigen Schritten die Schwelle. Um ein Haar wäre er dabei auf einer der Plattenhüllen ausgeglitten. Er stabilisierte sein Gleichgewicht und sah gerade noch, wie sich jemand aus der Wohnung stahl.

Eine Hand, die vorsichtig die Tür hinter sich zuzog, verschwand im Dunkel des Hausflurs.

Bount rannte los und stieß die Wohnungstür auf.

Vor ihm stürmte jemand die Treppe hinab, jeweils drei bis vier Stufen auf einmal nehmend. Es war klar, dass der Flüchtende sich in dieser Umgebung auskannte. Sein dumpfes, federndes Aufsetzen und Weiterhasten ließen Beweglichkeit und Routine erkennen.

Im Erdgeschoss holte Bount ihn ein.

Vor dem Straßenlampenlicht, das durch die beiden schmalen Mattglasscheiben der Haustür hereinfiel, sah Bount, dass er es mit einem jüngeren Mann zu tun hatte. Er war so groß wie Bount, ungefähr eins achtzig, und hatte stark gekräuseltes Haar.

Bount packte den Burschen am Arm und fühlte harte Muskeln unter grobem Jeansstoff. Er riss den jungen Mann zu sich herum.

Bounts Gegner schlug zu, aus der Drehung heraus. Seine Faust schrammte brutal über Bounts rechtes Ohr und schien darin ein paar Glühfäden zu entzünden.

Bount wuchtete ihm die Rechte in die Magengrube. Es war, als träfe er einen Resonanzboden. „Ugh“, stöhnte der junge Mann und sackte in die Knie.

Bount trat einen Schritt zurück. Er fischte sein Feuerzeug aus der Tasche und bemerkte zu spät, was hinter ihm vor sich ging.

Aus dem Dunkel strebte ein schwerer Knüppel auf seinen Schädel zu. Bount hörte es krachen und registrierte den heftigen Schmerz, der sein Nervensystem traf.

Er fiel um und ging auf Tauchstation.

Als er wieder zu sich kam, hatte er den Geschmack von Blut in seinem Mund. Er kam auf die Beine, lehnte sich gegen die Wand und spürte mit seinen Fingerspitzen behutsam die Stelle auf, wo sich der Prozess der Beulenbildung in seiner ersten Phase befand.

Bount hatte keine Ahnung, wie lange er out gewesen war, aber um mehr als eine Minute konnte es sich nicht gehandelt haben. Er schleppte sich nach oben, in Corral Midgates Bleibe.

Im Wohnzimmer gab es kein Telefon. Bount ging ins Bad und hielt seinen Kopf unter den weit aufgedrehten Kaltwasserhahn. Als er das Wasser abdrehte, sagte eine harte Mädchenstimme hinter ihm: „Wie wär’s, wenn Sie meine Wasserrechnung berappten?“

Bount griff nach einem Frottiertuch, legte es um seinen Kopf und drehte sich um.

Corral Midgate lehnte am Türrahmen. Unter ihrem rechten Arm klemmte die Handtasche. Eine Imitation aus Babykrokodil. Das Mädchen halte offensichtlich gerade die Wohnung betreten. Corral machte nicht den Eindruck, als wüsste sie, welcher Anblick sie im Wohnzimmer erwartete.

Bei Licht besehen sah Corral noch besser aus als auf dem Garagenvorplatz. Daran konnten auch der gelbe Fleck unter ihrem linken Auge und die aufgeplatzte Unterlippe nichts ändern. Das Loch in der Bluse hatte sie provisorisch mit einer Sicherheitsnadel geschlossen.

„Ich hasse Schnüffler“, sagte sie giftig. „Wie sind Sie hereingekommen?“

„Durch die Tür“, erwiderte Bount und rieb sich vorsichtig den Kopf trocken. „Genau wie der Mörder.“

Corral besaß wirklich schöne Augen. Bount beobachtete, wie sich etwas in ihnen veränderte, wie sie starr wurden, von jäher Furcht erfüllt.

„Der Mörder?“, hauchte sie.

Bount warf das Frottiertuch beiseite und kümmerte sich nicht darum, dass das Wasser aus seinem Nackenhaar in den Kragen sickerte. „Machen Sie sich auf einiges gefasst“, warnte er das Mädchen, legte seine rechte Hand unter ihren Ellbogen und geleitete Corral zur offenen Wohnzimmertür.

Er spürte, wie sich das Mädchen in einer bösen Vorahnung straffte. Sie stoppte an der Schwelle. Sie wäre beim Anblick des Toten gefallen, wenn Bount sie nicht in seinen Armen aufgefangen hätte.

Corral verlor das Bewusstsein. Es war klar, dass sie den Toten kannte. Gut kannte. Er war für sie kein Irgendwer, er hatte ihr viel bedeutet.

Bount ließ Corral behutsam zu Boden gleiten und stopfte ihr ein Kissen unter den Kopf. Dann ging er in die Diele und holte aus der Tasche des am Garderobenhaken hängenden Lederblousons eine Plastikhülle mit den Papieren des Toten.

Ronald Finch, 20 Jahre alt.

Das Mädchen stöhnte leise. Bount begab sich zurück ins Wohnzimmer, legte die Ausweispapiere auf den Tisch und wartete. Er war voll nervöser Ungeduld. Es wurde Zeit, dass er das Morddezernat informierte.

Corral schlug die Augen auf. Sie musterte Bount verwirrt, dann setzte schlagartig ihre Erinnerung ein. Sie starrte hinüber zur Couch und schluchzte leise vor sich hin.

„Hat jemand im Haus Telefon?“, fragte Bount.

Er kam sich widerlich vor. Das Mädchen brauchte in diesem Augenblick Trost und das Gefühl menschlicher Anteilnahme, aber dies war nicht der Zeitpunkt, ihr etwas davon zu bieten.

„Die Snyder“, schluchzte Corral. „Genau über mir.“

Bount verließ die Wohnung, stieg die Treppe zum oberen Stockwerk hinauf und klingelte. Das Mädchen, das ihm öffnete, hatte Lockenwickler im Haar, machte mit der spitzen, hässlichen Nase und ihrer großen Brille aber nicht den Eindruck, als ob ein paar aufgedrehte Locken ihr zu größerer Attraktivität verhelfen könnten.

Sie trug einen grünen Bademantel, dessen tiefer Ausschnitt eine betonte Knochenstruktur freilegte und keine Männerblicke zu animieren vermochte.

Bount wies sich aus und bat das Mädchen darum, das Telefon benutzen zu dürfen. Als er im Wohnzimmer fernmündlich durchgab, was geschehen war, ließ sich Miss Snyder mit einem Entsetzensschrei in den Sessel fallen. Bount führte das Gespräch zu Ende, legte auf und schaute das Mädchen an. „Kannten Sie Ronald Finch?“, fragte er.

„Ronny? Aber klar! Er war Corrals Freund!“, erwiderte Miss Snyder mit bebender Stimme.

„Seit wann?“

„Ich habe keine Ahnung. Ich wohne erst seit wenigen Monaten hier. Da gingen sie schon zusammen. Sie arbeiten in der gleichen Fabrik – arbeiteten“, schloss sie lahm.

„Bei wem?“

„Bei Grisby & Peterson.“

Bount hörte den Firmennamen zum ersten Mal. Er war erstaunt. Corral machte nicht den Eindruck eines Mädchens, das in der Fabrik arbeitet. Noch weniger wollte es einleuchten, dass ein Gangster von Ringos Kaliber sich mit einem Fabrikmädchen einließ, auch wenn sie, was nicht zu bestreiten war, eine Menge Sex-Appeal besaß.

Aber darum ging es nicht.

Mord passte zu gewissen Kreisen. Fabrikarbeiterinnen spielten in diesen Kategorien keine Rolle.

Offenbar gab es Ausnahmen. Ronny zum Beispiel. Bount bedankte sich und ging.

Corral saß in der Küche ihrer Wohnung. Sie weinte nicht mehr, aber auf ihren Wangen glänzte noch das Nass der vergossenen Tränen.

Sie hatte einen Kessel mit Kaffeewasser auf den Elektroherd gesetzt und zitterte, als litte sie unter einem starken Grippeanfall.

„Also los“, sagte Bount und lehnte sich gegen den Kühlschrank. „Packen Sie aus.“

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