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Freitag

Ich liebe den großen Saal der Ballettschule, die hohen Fenster und die Sonnenstrahlen, in denen Staubkörnchen immer paarweise ein filigranes Pas de deux tanzen, aufgescheucht von einem Dutzend trappelnder Füße auf dem alten Parkett, das manchmal unter springenden Körpern müde ächzt und stöhnt.

»Langsamer, Martha, langsamer.« Catherine Frechat kräuselt ihre ohnehin schon spitze Nase missbilligend in meine Richtung und schlägt mit dem dünnen Stock in ihre Handfläche.

Ich nicke ihr zu, während ich meine Finger bedächtiger über die Tasten schicke. Wieder Chopin. Wieder der Walzer Opus 64, No 2. Jede Note ist so vertraut, dass ihr Anschlag mein Gemüt schmerzt. Ich kann nicht sagen, dass ich diesen Job gern mag, aber an vielen Tagen ist er mir lieber, als all die Klavierschüler, die sich in den Abendstunden die Klinke meiner kleinen Wohnung in die Hand geben.

»Alors! Demi plie, s’il vous plaît. Colette, die Schultern zurück und Geraldine, mehr Spannung! Lydia, bist du ein Mehlsack? Das ist doch kein Ballett, was du da veranstaltest!«

Im Augenwinkel sehe ich, wie Catherine beginnt, die sich an der Stange biegenden Mädchen abzuschreiten, hier und da mit dem dünnen Stock ein Knie antippt oder eine Hand. »Lange Finger!«, ruft sie oder »Nein, nein, nein, den Kopf nach oben!«.

Ich kenne jeden ihrer Rufe nach fast vier Jahren als Korrepetitorin an der »Académie Ballett Agnès Blanchard«. Ihre Rufe und auch die aller anderen Lehrer, die sich nur durch die Stimmen unterscheiden. Die Worte sind ein ewig wiegender Singsang der immer selben Phrasen, mal lauter, mal leiser, mal zu Tschaikowsky, mal zu Chopin, mal gelangweilt und mal streng.

Catherine ist von allen Lehrern hier an der Ballettschule als Primaballerina sicherlich einmal die beste Tänzerin gewesen. Zu einer guten Lehrerin macht sie das jedoch nicht, denke ich und mustere sie über den Flügel hinweg.

Keines der Mädchen kann es ihr recht machen, keine noch so sorgsame Pirouette findet ihre Gnade, keine kunstvolle Arabesque wird mit lobenden Worten bedacht. Ein leises »bien« ist das höchste der Gefühle und auch das höre ich sehr selten. Meist rümpft sie wortlos nur ein-, zweimal ihre Nase. Es muss schwer sein, denke ich. Gestern noch Primaballerina und am nächsten Tag eine fleischige Masse im Krankenhaus. Ein Autounfall, mehr weiß ich nicht, und der Rest ist Klatsch und Tratsch, auf den ich nicht viel gebe. Je nachdem, wer ihre Geschichte erzählt, reicht die Bandbreite von einer eifersüchtigen Ballerina am Staatsballett, die die Bremsen des Autos ihrer Konkurrentin manipulierte, bis zu einer ewig betrunkenen Catherine, die ihren Erfolg mit viel Champagner feierte und den vom täglichen Training geschundenen Körper mit ein paar Gläsern Calvados beruhigte. Die Einzige, die immer dazu schweigt, ist Catherine selbst, und das kann ich gut verstehen. Gefragt habe ich sie nie. Was würde das auch ändern? Ich würde weiterhin für ihre Proben Klavier spielen und sie würde weiterhin in den Momenten, in denen sie sich unbeobachtet glaubt, das Gesicht verziehen und sich ihren Rücken reiben.

Die Uhr über der Tür tickt sich für mein Empfinden sehr langsam in die nächste Stunde. Noch dreißig Minuten, dann werde ich meine Tasche greifen, das alte Haus verlassen, im Café an der Ecke einen Espresso zum Mitnehmen bestellen, ihn im Laufen hinunterstürzen, nur, um es rechtzeitig nach Hause zu meinem Klavierschüler zu schaffen. Vielleicht bin ich keine gute Klavierlehrerin, aber zumindest bin ich zu meinen kleinen Schülern freundlicher als Catherine zu ihren Ballettelevinnen.

Es dauert einen Moment, bis das Klingeln meines Smartphones durch die Läufe des Walzers in meine Gedanken dringt und eigentlich merke ich auch erst an den irritierten Gesichtern der Tänzerinnen, dass etwas nicht stimmt.

Catherines Blick ist nicht mehr nur missbilligend, sondern wütend. Zweimal schlägt sie mit ihrem Stock kräftig auf das Holz des Flügels, während ich hastig den Geräuschverursacher aus meiner Hosentasche ziehe.

»Luc ruft an«, steht auf dem Display.

»Catherine, ich ...«

Genervt wedelt sie mit dem Stock in Richtung Ausgang. Noch im Gehen flüstere ich: »Luc, du weißt doch ganz genau, dass ich arbeite.« Leise ziehe ich den Flügel der Doppeltür hinter mir ins Schloss und lehne mich an die Wand daneben.

»Ja, ja, Martha, aber es ist einfach eine Katastrophe!« Luc klingt fast ein wenig weinerlich.

»Was?«, frage ich streng.

»Ich kann das weiße Hemd nicht finden. Du weißt schon, Martha, das Hemd, das am besten zu dem schwarzen Anzug passt. Das Reinweiße mit dem kleinen Kragen, nicht das Beigeweiße. Das Beigeweiße ist zu kurz, es rutscht immer aus der Hose. Morgen, morgen zur Probe brauche ich das Reinweiße. Dring-gend!«

Ich atme einmal tief durch. »Luc, ich habe dir gesagt, dass ich es Elvira für die Wäscherei herausgelegt habe. Der Kragen war schon ganz grau ...«

»Wann?« Seine Stimme klingt dumpf und verständnislos.

»Letzten Montag.«

»Ha!«, ruft er so laut, dass ich das Smartphone ein Stück vom Ohr weghalte. »Ha! Letzten Montag war ich gar nicht zu Hause.«

»Nein, natürlich nicht, ich komme doch nur, wenn du nicht zu Hause bist.«

»Nein, nein, ich meine nicht, wann du das dusselige Hemd in die Reinigung gebracht hast, sondern wann du es mir gesagt haben willst, denn ich bin mir sicher, du hast gar nichts gesagt. Wir haben ja gar nicht miteinander gesprochen! Warum tust du das, Martha?«

Ja, das frage ich mich in Momenten wie diesen ebenfalls. Ich kenne Luc schon so lange, dass ich genau weiß, es macht keinen Sinn, ihm jetzt zu sagen, dass ich mit ihm am Montagabend telefoniert habe. Ich weiß, dass er nicht in der Stimmung ist, meinen Erklärungen zu folgen. Also schweige ich und ein paar Sekunden lang atmen wir gemeinsam in unsere Smartphones.

»Martha«, sagt Luc schließlich leise.

Ich habe immer gemocht, dass er meinen Namen so deutsch ausspricht, wie ich eben Deutsch bin.

»Martha, begreifst du nicht? Alles wäre einfacher, wenn du zu mir zurückkommen würdest.«

Aus dem Saal dringt dumpf das Hüpfen der Mädchen und Catherines stoisches Zählen. Ich lege den Kopf in den Nacken und reibe mir den Hals.

»Bonjour, Madame Pelletier.« Blanche trippelt eilig in ihren Spitzenschuhen an mir vorbei und ich zwinkere ihr zu, flüstere, während ich mit einer Hand das Smartphone bedecke: »Warte.« Ich deute auf die Tür und schneide eine Grimasse. Blanche hält inne und wir lauschen beide angestrengt. Catherines Stimme entfernt sich wieder. Ich nicke Blanche zu und sie zwinkert lächelnd zurück, bevor sie durch einen winzigen Türspalt in den Saal schlüpft.

»Martha, wer war das?«, fragt Luc.

»Niemand«, seufze ich und dann fällt mir etwas ein. »Luc, du denkst doch bitte an den Tischler, der nachher zu mir kommt und sich das zugige Küchenfenster anschaut? Meine Wohnungsschlüssel habe ich dir auf den Küchentisch gelegt.«

»Was? Ach ja, ich denke daran. Um elf?«

»Halb elf«, korrigiere ich sanft und bereue es jetzt schon, ihm meine Schlüssel gegeben zu haben. Aber wen hätte ich bitten sollen? Einen Haumeister gibt es schon lange nicht mehr und die meisten meiner Nachbarn arbeiten auch.

»Ja, ja, dann eben halb elf. Viel wichtiger ist aber: Ich kann ohne dich nicht leben.« Lucs Stimme wird leiser: »Komm zu mir zurück.«

Ich kann Luc vor mir sehen. Er wird im Türrahmen zur Küche lehnen. Um diese Zeit hat er gerade geduscht und sich jetzt ein Handtuch um die Hüften geschlungen. Sein dunkelblondes Haar ist noch feucht und zerzaust. Er wird es mit einer Hand aus seiner Stirn schieben. Unzählige Male hat er in den fünf Jahren unserer Ehe so dagestanden und mit irgendjemandem telefoniert. Er hat gelächelt, wenn ich mich an ihm vorbei in die Küche drängeln wollte. Er hat gelächelt, mich an der Hüfte gepackt und zu sich herangezogen. Erst nach einem geräuschlosen Kuss durfte ich weitergehen.

Ich schließe die Augen. »Luc, ich kann nicht. Es tut noch immer weh.« Vor allem in Momenten wie diesem. Ich muss an das lange Haar der Frau denken. Ein helles Braun, leicht gewellt. Fliegende Strähnen tanzten um ihren Kopf, während sie die Hüften auf und ab bewegte. In unserem Bett. In Lucs und meinem Bett. Auf Luc.

»Ich werde warten«, sagt Luc und schluckt. »Dass du dich noch immer um mich kümmerst und mich mit all meinen Unzulänglichkeiten nicht allein lässt, ist mir Liebesbeweis genug. Ich werde warten, bis du mir verzeihst, egal, wie lange es dauert.«

Dann legt er auf und ich schließe die Augen. Es gibt Tage, an denen bin ich fast bereit dazu. Zum Beispiel, wenn ich Lucs Sachen in unserer alten Wohnung ordne, neue Termine in seinen Kalender eintrage, seine Sachen für die Reinigung zusammensuche und Elvira, Lucs Haushaltshilfe, einen Einkaufzettel schreibe. Dann fühlt sich alles an wie früher.

Das sind Tage, an denen ich vor dem Fenster im Wohnzimmer stehenbleibe und auf das Gluckern der Heizkörper lausche und mir wünschte, Luc würde zur Tür hereinkommen. Müde, aber euphorisch von einer Orchesterprobe, die er sich angehört hat. Er würde mich an dieser kleinen Stelle hinter dem Ohr küssen, die mich wahnsinnig macht. Da, wo meine Haut gleichzeitig schmerzt und kitzelt, wenn seine Bartstoppeln darüberkratzen. Aber immer bleibt die Wohnung leer und still. Und das Gefühl verfliegt, wenn ich den großen Schlüssel im Schloss außen drehe.

Erneut vibriert das Telefon in meiner Hand.

»Luc?«, frage ich seufzend und halte es wieder ans Ohr.

»Ich habe kein Notenpapier mehr.«

»Doch, hast du. Ich habe es in die oberste Schublade des alten Sekretärs gelegt. Da liegt es doch immer.«

»Martha, das ist Quatsch. In die oberste Schublade kommen nur alte Rechnungen. Schon immer.«

»Wie du meinst. Jedenfalls findest du dort das Papier. Ich muss aufhören, ich muss wieder in die Probe.«

»Jetzt lass doch mal deine Hupfdohlen, Martha. Komm zu mir. Ich koche uns etwas und wir trinken ein Glas Wein dazu, wie klingt das?«

»Au revoir, Luc.«

»Nein, warte! Du musst dich nicht an der Ballettschule quälen, nicht jeden Schüler nehmen. Lass mich für dich sorgen, wie es ich es damals versprochen habe.«

»Ich habe genug Geld bei der Scheidung bekommen.«

»Ja, und davon hast du diese lächerlich alte Hinterhauswohnung gekauft. Ein Loch ist das. Zugig und kalt. Komm zurück in unser Zuhause, komm zurück zu mir. Da, wo du hingehörst.«

»Au revoir, Luc.«

»Martha ...«

Ich lege auf und warte noch einen Moment, aber leider fehlt mir die in vielen Jahren Ballettunterricht gestählte, lautlose Eleganz von Blanche. Natürlich trifft mich also erneut einer dieser pieksigen Blicke von Catherine, die sich eben wieder zur Tür umdreht, als ich quer durch den Raum eile. Mit gesenktem Kopf verschwinde ich hinter dem Flügel und spiele eine weitere halbe Stunde Chopin. Vielleicht hat Luc ja recht, vielleicht ist meine Unfähigkeit, ihn selbst vier Jahre nach der Scheidung seinem Chaos zu überlassen, tatsächlich ein Liebesbeweis. Auf der anderen Seite glaube ich aber, dass ich es einfach der Welt schuldig bin, einen so talentierten Komponisten wie Luc nicht sich selbst zu überlassen. Niemand außer mir würde doch seine Notenblätter ordnen, seine Kompositionen überblicken, ihm sagen, wo er sich mit einem Thema versteigt und wo er einen Nerv genau trifft. Wer, wenn nicht ich?

***

Julien, mein »Freitag-fünf-Uhr-Nachmittag-Schüler«, sitzt bereits auf der Treppe im vierten Stock neben meiner Wohnungstür. Den blonden Schopf hat er so tief über ein Buch gebeugt, dass die Haarspitzen die Seiten berühren. Er hält einen Stift so fest in der Hand, dass die Haut seines knubbeligen Zeigefingers ganz fahl ist. Emsig kritzelt er etwas auf einen kleinen Zettel.

»Guten Tag, Julien, wartest du schon lange?«

Er sieht auf und verzieht das Gesicht zu einem schiefen Lächeln. »Nein, Madame Pelletier.«

»Gut. Hast du geübt?«

Sein Grinsen wird breiter, aber die Mundwinkel zittern verdächtig unsicher und er senkt den Kopf wieder. Er hat ein hübsches Gesicht, denke ich. Noch ist es kindlich, in ein paar Jahren wird sein Lächeln Scharen von Mädchen bezaubern.

»Also nein«, konstatiere ich und er nickt fast unmerklich. Ich seufze. So ist es meist. »Komm.«

Die alte Holztür klemmt immer ein bisschen und an feuchten Tagen, so wie heute, muss ich mich dagegenwerfen.

Julien hebt den Rucksack mit seinen Schulsachen vom Boden auf und geht geradeaus durch meinen kleinen Flur ins Wohnzimmer. Seine Schritte werden langsamer, je näher er dem Flügel kommt. Der arme Junge, denke ich. Klavierunterricht ist für ihn und für mich Lebenszeitverschwendung. Julien verfügt weder über Talent noch Hingabe, sondern nur über ehrgeizige Eltern.

Rasch werfe ich meinen Mantel über den Garderobenhaken und schlüpfe aus den Pumps.

»Kakao?«, rufe ich ihm aus der Küche zu.

Luc muss es tatsächlich geschafft haben, den Tischler zu beaufsichtigen, denn die Rechnung liegt auf dem alten, weißen Buffetschrank. Vielleicht ist es gut, dass er einen Schlüssel hat. Er wird es nicht wagen, hier einfach so hereinzuplatzen, hoffe ich zumindest. Bei Gelegenheit nehme ich ihm den Schlüssel trotzdem wieder ab. Ich muss daran denken, aber nicht jetzt.

»Ja, danke, Madame Pelletier.«

Als ich Julien wenig später die Tasse mit der dampfenden Flüssigkeit hinhalte, in der Marshmallows wie dicke Enten auf einem See ihre Kreise ziehen, greift er dankbar zu und legt das Buch auf seinen Rucksack.

»Was lernst du?«

Juliens Blick verfinstert sich. »Französisch. Wir schreiben morgen einen Test.« Mit dicken Backen pustet er auf das braune Gebräu.

Ich reibe nachdenklich meine schmerzenden Handgelenke. »Kann ich dir helfen?«

»Wirklich?« Er sieht mich fragend an und in seinen elfjährigen Augen liegt noch eine kindliche Ernsthaftigkeit, die mich wehmütig stimmt.

»Komm, wir setzen uns an den Tisch.«

»Und der Klavierunterricht?« Unsicher huscht sein Blick über den Flügel und ich muss lächeln.

»Nächstes Mal. Wenn du geübt hast.«

Also eigentlich nie, füge ich in Gedanken hinzu.

Nach Julien geben sich noch die blasse, dünne Valerie und der behäbige Antoine die Klinke in die Hand. Keiner der beiden ist mit Spaß bei der Sache. Sie sitzen und spielen herunter, was sie nicht wirklich geübt haben. Wenige Minuten vor dem Ende der Stunde schauen sie immer wieder verstohlen auf die kleine Uhr, die auf dem Notenschränkchen steht, bis ich sie schließlich mit einem Nicken entlasse.

Als ich um halb acht den Flügel leise zuklappe und mich in der Küche an den Tisch setze, lege ich den Kopf auf die Arme und warte. Es dauert nicht lange, dann vibriert das Telefon tanzend über den kerbigen Holztisch.

Müde drücke ich auf das Display. »Was hat der Tischler gesagt?«

»Was für ein Tischler?«, fragt Luc verdutzt.

»Egal. Hast du das Notenpapier gefunden?« Den Tischler kann ich selbst anrufen, denke ich. Morgen vielleicht.

»Was? Welches Notenpapier?«

»Nicht wichtig, Luc.«

»Martha, du musst morgen früh meinen Zahnarzttermin absagen. Bertrand hat angerufen. Er will sich mit mir treffen.«

Mit einem Schlag bin ich hellwach. »Wirklich?«

»Ja, stell dir vor, er will meine Oper ›Les deux Enfants‹ konzertant aufführen. Ist das nicht großartig?«

»Allerdings!« Ich richte mich auf und kreise mit den Schultern. »Luc, das ist ein Riesenerfolg!«

»Martha, du könntest mit mir feiern.« Seine Stimme hört sich tief und ein wenig heiser an. Er klingt, als hätte er schon allein mit mindestens einem Glas Merlot begonnen. »Wir könnten es uns vor dem Kamin gemütlich machen. Wir könnten uns auf den Teppich davor legen, uns gegenseitig ausziehen und die prasselnde Hitze des Feuers auf unseren nackten Körper spüren. Dein dunkles Haar. Ich weiß es noch. Es leuchtet mahagonifarben im Schein der Flammen. Und ich mag die schwarzen Schatten, die über deine weiße Haut tanzen, so, wie deine Finger über die Tasten des Klavier perlen.« Er hält kurz inne. »Du würdest meinen heißen Atem auf deiner Haut spüren, wenn ich mich vorbeuge und mit meinen Lippen deinen Hals hinunterwandere. Deine schweren, vollen Brüste würde ich in meinen Händen halten, sie darin wiegen und nur für sie ein Schlaflied komponieren ...«

Meine Gedanken ertränken seine Stimme. Ich weiß sehr gut, wie es war, wenn wir uns ganz langsam vor dem offenen Feuer geliebt haben. Ich erinnere mich an Lucs Lächeln, mit dem er mich jedes Mal bedachte, bevor er den Kopf zwischen meinen Schenkeln vergrub und in mich hineintauchte. Ein kleiner Schauer läuft mir über den Rücken und ich gleite an der Lehne des Stuhls ein Stück hinunter, strecke die Beine aus und lege den Kopf in den Nacken. Jetzt in diesem Augenblick vermisse ich Luc so sehr, dass das Begehren, das in meinem Schoß erwacht, mich schmerzt und vor allem aber an Solange erinnert. Hat sie auch dieses Prickeln in ihrem Venushügel gefühlt, als sie auf Lucs Schoß saß?

Erst haben mich die beiden gar nicht bemerkt, so versunken waren sie in ihr Tun und ineinander gewesen. Solange, die Cellistin. Ihr gerader Rücken, ihre schmale Taille und ein perfekter birnenförmiger Po. Im Grunde sah sie von hinten selbst aus wie ein Cello. Sonnenlicht malte mit den Vorhängen kleine Punkte und Kreise auf ihre gebräunte Haut. Ein schöner Anblick. Verstörend schön. Ein Anblick, dem ich mich nicht entziehen konnte, ein Moment, den ich trotz aller Entrüstung nicht wagte zu unterbrechen. Ich kann sie noch sehen, die Schweißtropfen auf ihrer Haut, einer, der über ihr Schulterblatt rollte, dann auf die Hüfte tropfte. Ich weiß noch, wie sie sich ihr Haar mit einer achtlosen Bewegung aus dem Nacken schob. Lucs Stöhnen hat sich mir ins Gedächtnis gebrannt. Mit mir wurde er selten laut, mit Solange dagegen schien es leichter für ihn zu sein, sich fallenzulassen. Ein gurgelndes Stöhnen aus seiner Kehle und seine Hände auf ihren Hüften. Hier dirigierte er sein eigenes Werk, seinen eigenen Rhythmus und seine Egozentrik. Solange, ganz die erfahrene Orchestermusikerin, gab sich dem Maestro hin. Sie mag obenauf gesessen haben, aber den Taktstock hatte er tief in sie versenkt. Hier mit ihr hatte er nichts mehr von dem verwöhnten französischen Landadligen, den er mir gern gab. Bisweilen kam es mir so vor, als müsste ich erahnen, was ihm im Bett gefiele. Mit Luc zu schlafen, war immer mehr zu einer Anstrengung geworden. Selten, nur ganz selten einmal, nahm er mit mir das Heft in die Hand. Im Grunde musste ich alles tun, alles leisten. Seinen Höhepunkt und meinen eigenen. Vielleicht hatte er immer so jemanden wie Solange gewollt, jemand, der Wachs in seinen Händen war. Vielleicht hat er mir alles zugeschoben, weil ich mich nicht nur willig hingab, sondern mir auch nahm, was ich wollte. Vielleicht hat ihn das abgestoßen, vielleicht wollte er im Bett lieber eine Frau wie Solange, eine Frau, die gern die zweite Geige spielte.

Er war mit seinen Händen an ihren Hüften hinaufgeglitten, bedeckte ihre Brüste und rief ihren Namen. Keuchend holte sie Luft, stieß Worte hervor, die ich nicht verstand oder verstehen wollte.

Unfähig, mich zu bewegen oder auch etwas zu sagen, war ich damals in der Tür stehengeblieben, verwurzelt mit dem Holz der Schwelle. Ich hätte nicht sagen können, wo ich aufhörte und das Holz begann.

Ihr Höhepunkt kam zuerst, erstaunlicherweise. Ich konnte es gut sehen. Ihr Innehalten, das feine Zittern ihrer Pobacken, dann legte sie den Kopf in den Nacken und zwei spitze kleine Schreie entfuhren ihr. Lächerlich, dachte ich damals, lächerlich.

Lucs Höhepunkt begann, wie er immer begann, mit wackelnden Zehen und einem dumpfen Grollen im Hals, das mich in diesem Augenblick körperlich schmerzte.

Nur wenig später hob Solange elegant ein Bein, ließ Lucs zuckenden Schwanz aus sich herausgleiten und gab damit den Blick frei auf mich im Türrahmen.

Dann kam das, was immer kommt. Schreien, Weinen, Fluchen, wüste Beschimpfungen und schließlich meine Trennung von Luc.

Wie kann ich ihm diese Zweisamkeit verzeihen, diese Verschlungenheit? Wie kann ich ihm seine geschlossenen Augen verzeihen und sein Stöhnen, sein heiseres Flüstern: »Solange ... Solange ...«

Was Luc und ich hatten, war immer mehr als das, hatte ich zumindest geglaubt. Erschreckend naiv.

»... immer und immer wieder, bis du dich unter mir aufbäumst und ...«

»Gute Nacht, Luc«, sage ich leise und schalte das Telefon aus.

Marthas Liebschaften | Erotischer Roman

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