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2.3 Zum Einfluss von Persönlichkeitsmerkmalen auf die Wahl eines Lehramtsstudiums, auf berufliches Befinden und auf den Erfolg von Lehrkräften

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Inwieweit hängen das Handeln von Lehramtsstudierenden und Lehrkräften, ihr beruflicher Erfolg und ihr Befinden von persönlichen Eigenschaften ab, die als weitgehend stabil anzusehen sind? Für eine Antwort auf diese Fragen wird gegenwärtig vor allem auf eine Theorie zurückgegriffen, wonach sich Persönlichkeit allgemein mithilfe von fünf Dimensionen, den sogenannten Big Five, beschreiben lässt: Neurotizismus (u. a. innere Unruhe, Ängstlichkeit, Reizbarkeit); Extraversion (Geselligkeit, Durchsetzbarkeit, Herzlichkeit); Offenheit (für Ideen, kreative Ansätze, durch Kunst evozierte Erfahrungen); Verträglichkeit (Wärme, Hilfsbereitschaft, Vertrauen); Gewissenhaftigkeit (Ordnungsliebe, Beharrlichkeit, Leistungsstreben). Es gibt eine Reihe von sehr umfangreichen, aber auch kurzen Fragebögen, die der Erfassung der Big Five und ihrer Facetten dienen (vgl. Rammstedt & Danner, 2016). Am bekanntesten ist das NEO-Fünf-Faktoren-Inventar (NEO-FFI), die deutschsprachige Fassung einer ursprünglich englischsprachigen Version (Borkenau & Ostendorf, 2008). Hier sind 60 Items zu beantworten, und zwar jeweils auf einer fünfstufigen Antwortskala von »starke Ablehnung« bis starke Zustimmung«. Einige Beispiele:

• Extraversion: Ich habe gern viele Leute um mich herum. – Ich ziehe es gewöhnlich vor, Dinge allein zu tun.

• Verträglichkeit: Ich versuche zu jedem, dem ich begegne, freundlich zu sein. – Wenn ich Menschen nicht mag, so zeige ich ihnen das auch offen.

• Gewissenhaftigkeit: Ich versuche, alle mir übertragenen Aufgaben sehr gewissenhaft zu erledigen. – Ich werde wohl niemals fähig sein, Ordnung in mein Leben zu bringen.

• Neurotizismus (bzw. als Gegenpol: emotionale Stabilität): Ich empfinde selten Furcht oder Angst. – Wenn ich unter starkem Stress stehe, fühle ich mich manchmal, als ob ich zusammenbräche.

• Offenheit für Erfahrungen: Mich begeistern die Motive, die ich in der Kunst und in der Natur finde. – Ich finde philosophische Diskussionen langweilig.

Rammstedt & Danner (2016) werteten Daten aus Befragungen zu den Big Five (u. a. mithilfe des NEO-FFI) und ihrer Facetten aus, und zwar von drei Stichproben, darunter einer aus Studierenden (n = 453) und einer, die für die erwachsene Bevölkerung repräsentativ war (n = 1431). Es zeigte sich, dass das Alter positiv mit Verträglichkeit und Gewissenhaftigkeit und negativ mit Extraversion korrelierte.2 Frauen hatten im Mittel höhere Werte bei Verträglichkeit und emotionaler Stabilität. Mit dem Bildungsniveau der Befragten (von »ohne Abschluss« bis »abgeschlossenes Studium«) korrelierten Extraversion und vor allem Offenheit (ebd., S. 78f.).

Allein auf Studierende zielte eine Metaanalyse von Trapmann, Hell, Hirn & Schuler (2007). Sie werteten 58 englisch- und deutschsprachige Studien aus und fanden heraus, dass nur der Faktor Gewissenhaftigkeit zur Aufklärung von Unterschieden bei den Studiennoten beitrug, wenn auch nur in geringem Maß (7 %) (ebd., S. 145).

Klusmann et al. (2009) befragten in Baden-Württemberg zunächst (»prospektiv«) Gymnasiastinnen und Gymnasiasten im letzten Schuljahr mit dem NEO-FFI und zwei Jahre später ermittelten sie diejenigen aus dieser Stichprobe, die nun an Pädagogischen Hochschulen und Universitäten ein Lehramts- oder ein anderes Studium aufgenommen hatten. Bei keinem Persönlichkeitsmerkmal waren Unterschiede zwischen Studierenden, die ein Lehramt an Gymnasien anstrebten, und anderen an Universitäten Studierenden auszumachen. Differenzen zeigten sich allerdings zwischen den »Fraktionen« der Lehramtsstudierenden. Die an Pädagogischen Hochschulen Studierenden, die Lehrämter an Grund-, Haupt-, Real- und Sonderschulen anstrebten, schrieben sich selbst weniger Offenheit für neue Erfahrungen zu als die Gymnasialen (d =0.62), aber mehr soziale Verträglichkeit (d =0.3) (ebd., S. 273).

Auf das Fach Mathematik war eine Untersuchung von Klusmann, Kunter, Voss & Baumert (2012) bezogen. Im Rahmen der Studie COACTIV-Referendariat befragten sie mit dem NEO-FFI insgesamt 551 Personen – und zwar zwei Kohorten von angehenden Mathematik-Lehrkräften jeweils zeitgleich zweimal, die eine Kohorte zu Beginn (Zeitraum 1) und am Ende des ersten Ausbildungsjahres (Zeitraum 2), die zweite am Anfang (Zeitraum 1) und am Ende des zweiten Jahres (Zeitraum 2). Untersucht wurde u. a., ob bzw. wie sich die Big Five auf die emotionale Erschöpfung und die berufliche Zufriedenheit auswirkten. Es zeigte sich, dass zu beiden Messzeitpunkten vor allem geringerer Neurotizismus, also erhöhte emotionale Stabilität, in geringerem Maß auch Gewissenhaftigkeit und Extraversion mit weniger emotionaler Erschöpfung und höherer beruflicher Zufriedenheit einhergingen (ebd., S. 283). Zum ersten Messzeitpunkt trugen nur höherer Neurotizismus und geringere Gewissenhaftigkeit statistisch signifikant zur Erklärung von emotionaler Erschöpfung bei und die berufliche Zufriedenheit konnte – analog – durch niedrigere emotionale Stabilität und größere Gewissenhaftigkeit vorhergesagt werden. Längsschnittliche Analysen ergaben, dass Unterschiede bei der emotionalen Erschöpfung und bei der Berufszufriedenheit zum zweiten Messzeitpunkt wiederum durch eine Tendenz zu negativen Emotionen und Labilität (Neurotizismus) vorhergesagt werden konnten, in geringerem Maß aber auch durch das Persönlichkeitsmerkmal Offenheit für neue Erfahrungen. »Lehramtskandidaten mit einer höheren Offenheit für neue Erfahrungen berichten am Ende des Schuljahres sowohl höhere emotionale Erschöpfung als auch geringere Berufszufriedenheit.« (ebd., S. 286) Dieser Befund lädt zu Spekulationen ein. Womöglich spielt hier die Enttäuschung darüber eine Rolle, dass in der Institution Schule der Spielraum für die Erprobung von »Neuem« sehr begrenzt ist.

Mayr (2014, S. 205) resümierte die Ergebnisse einiger u. a. von ihm selbst verantworteter Studien, an denen in Österreich (angehende) Grundschul-, Hauptschul- und Sonderschulpädagoginnen und -pädagogen teilgenommen hatten. Es zeigte sich, dass Gewissenhaftigkeit die Aneignung von Theorien im Studium begünstigte, allerdings nicht das später erhobene pädagogische Können.

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