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Kapitel 1


MENTALE EVOLUTION UND DER WEG ZU

MENSCHLICHEM VERHALTEN.


1. Von der materialen- zur mentalen Evolution.

Evolution beginnt mit der Verwandlung von Masse in Energie und ist eine materiale Evolution. Aus Masse wird Energie und der Physiker Einstein wird dafür seine Äquivalenzformel E = m x c2 finden. Ein Urknall vor 13,7 Milliarden Jahren macht den Anfang und verwandelt Masse in Energie: Expansion und Retraktion, Fliehkraft und Anziehung entstehen. Zwei äquivalente Qualitäten Masse und Energie schaffen eine neue Ordnung: Ein immerwährendes Gesetz der Kausalität entsteht. Energie ist Masse und Masse ist Energie und beide bilden eine Struktur. Im Atom expandieren die Elektronen und werden durch die Anziehung des Atomkerns in eine Umlaufbahn gezwungen. Expansion und Retraktion bilden ein Atom und begründen das Gesetz der Kausalität. Was im Mikrokosmos passiert setzt sich im Weltraum fort. Die Sonne schleudert Teile ins All die als Planeten in eine Umlaufbahn gezwungen werden. Wärme verwandelt Eis zu Wasser und macht daraus bei 100 Grad Celsius Wasserdampf. Feste, flüssige und verdampfende Materialien entstehen. Im flüssigen Erdkern wird das Zusammenwirken von Wärme und Druck das Erdgestein formen. Aus einem Erdkern aus Nickel und Eisen wird bei nachlassendem Druck eine flüssige Schicht, aus welcher wiederum festes Gestein aus Silikat hervorgeht. Dieses verflüchtigt sich in eine Erdatmosphäre und neue Abhängigkeiten entstehen. Aus zwei Qualitäten wie Masse und Energie sind Wärme und Druck, dann Erdgesteine und Materialien mit unterschiedlichen Funktionen geworden. Aus der Interaktion von Masse und Energie wird die materiale Vielfalt des Alls schließlich vor etwa fünf Milliarden Jahren eine neue Form von Evolution, eine biologische Evolution möglich machen.

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Auch die biologische Evolution wird vom Gesetz der Kausalität bestimmt. Was immer an neuen Strukturen, Formen und Funktionen entsteht hat eine Ursache, schafft eine neue Abhängigkeit und bringt schließlich jene biologische Vielfalt hervor, die wir bewundern und bestaunen. Wie Vielfalt im evolutionären Prozess der Biologie möglich wird hat erstmals Charles Darwin beschrieben: In „Origin of Species“ formuliert er 1859, dass Organismen eine gemeinsame Abstammung haben, dass Evolution die Aufspaltung einer vorbestehenden Art in zwei neue Arten bedeutet, dass dieser Prozess langsam und kontinuierlich abläuft und vom Umfeld kontrolliert wird7, 8, 9, 10,. Das dem Umfeld angepasste biologische Wesen überlebt und pflanzt sich fort. Was Darwin noch nicht wissen konnte war, wer oder was die Aufspaltung zu unterschiedlichen Arten einleitet. Dazu brauchte es das in der zweiten Hälfte des vergangenen Jahrhunderts erarbeitete Wissen einer genetischen Steuerung aller biologischen Strukturen, Formen und Funktionen. Aus Darwins Abstammungs-lehre wurde eine genetisch gesteuerte biologische Evolution.

Die biologische Vielfalt einer genetisch gesteuerten Evolution hat wiederum zwei Gründe, die Evolution möglich machen: Eine genetische Mutation lässt eine neue Art entstehen und das Umfeld entscheidet, ob diese überleben und sich fortpflanzen kann. Wem die Einpassung nicht gelingt wird zugrunde gehen und ver-schwinden. Drei Phänomene charakterisieren das ziellose Spiel der Evolution:

° In der belebten Natur gilt das Prinzip von Zugehörigkeit. Jedes Lebewesen entsteht als Reproduktion des vorher Bestehenden und pflanzt sich wiederum durch Selbstreproduktion fort. Das Junge entsteht, das Alte stirbt. In einer „Wiederkehr des Gleichen“ existiert das jugendlich Kraftvolle neben schon Verbrauchtem und Abgängigem. Kinder und Greise leben zusammen, aber auch Geschöpfe aus Milliarden Jahren der Evolution. Alt und Jung, Jahrmillionen alte Geschöpfe der Evolution existieren neben Mutanten aus jüngster Zeit. Alle sind Glieder einer Art und reproduzieren sich selbst. Reproduktion gewährleistet den Erhalt der Art und auch des Lebens.

° Neben einer Wiederkehr des Gleichen wird die Evolution durch Abgrenzung, durch Distanzierung und durch Veränderung bestimmt. Zufällig ausgelöste genetische Mutationen schaffen Neues und bewirken Veränderung. Differenzierung und Spezialisierung eröffnen neue Wege. Distanzierung und Veränderung werden zum Motor des Wandels in der Evolution und schaffen die Vielfalt des Lebendigen.

° Allerdings nur dann, wenn die „Einpassung“ gelingt und sich eine ökologische Nische für das Neue findet oder das Neue die Überlebens-sicherung verbessert. Überlebensvorteile in einem gegebenen Umfeld sorgen für die Fortentwicklung des Neuen. Was bisher Bestand hatte wird vom Besseren ersetzt. Der Fortpflanzungsvorteil entscheidet über die Geschwindigkeit des evolutionären Prozesses.


Biologisch-genetisch veranlasste Entwicklungsschritte entstehen aus einer Abfolge von Distinktion und Integration, von Unter-scheidung und Akzeptanz. Das Neue muss integriert werden, wenn es nachhaltig sein soll. Biologische Evolution ist ein dialektischer Prozess zwischen Distanzierung und Reproduktion, zwischen Andersartigkeit und Gleichheit. Nur was Überleben möglich macht wird akzeptiert und durch Reproduktion weiter gereicht. Weil das Umfeld sich laufend verändert muss auch der Anpassungsprozess sich kontinuierlich fortsetzen. Genetische Mutationen biologischer Individuen und Veränderungen in ihrem Lebensumfeld sind schließlich die Determinanten einer fort-währenden biologischen Evolution. Beide Veränderungen sind nicht geplant. Die biologische Evolution ist ein Prozess ohne Ziel.

Darwins Theorie beschreibt einen Prozess der Evolution, der in Individuen beginnt: Ein Vorteil im Überlebenskampf wird deren Reproduktionsfähigkeit verbessern. Darwins Theorie formuliert, wie dieser Prozess abläuft. Obwohl er die Mendel-Gesetze der Vererbung noch nicht kannte und genetisches Wissen noch fern war hat sein vergleichendes Genie erschlossen: Vergangenes ist stets die Ausgangsbasis für das, was wir heute vorfinden. Die Evolution kennt zwar keine Ziele, doch baut sie auf Geschichte. Sie lässt Vergangenes nicht verschwinden. Das Vergangene ist in der Embryogenese erkennbar. Sie dokumentiert, wo wir herkommen. Aus Fischen werden Landtiere, aus Fischflossen werden Extremitäten oder die Flügel der Vögel. Im biologischen Phänomen der Metamorphose wird Embryogenese sichtbar. Sie demonstriert, wie Neues aus Vorbestehendem hervorgeht. In der Metamorphose von Tieren ist der Ausgang bereits eine biologische Art. Unter unseren Augen vollzieht sich Evolution: Eine „Lebenszeituhr“ lässt Arten nicht nur wachsen. Sie verwandelt diese in zwei ungleiche Wesen. Aus einer im Wasser lebenden Kaulquappe wird ein Frosch als Landbewohner. Aus einer am Boden kriechenden Larve wird ein fliegender Schmetterling. Nicht nur Größe und Gestalt, auch Funktionen verändern sich und verbessern die Lebenschancen. Aus Jahrmillionen als Larven existierenden Tieren werden schließlich Larven, die sich in Schmetterlinge verwandeln. Tatsächlich ist die in der Metamorphose von Tieren erkennbare Evolution eine Sonderform der Evolution an sich: Was sich in der Embryogenese verbirgt entfaltet sich in der Meta-morphose vor unseren Augen. Die Vielfalt des Lebens, wo Jahrmillionen alte Geschöpfe neben im Evolutionsprozess jungen Geschöpfen existieren, die Entdeckungen der Embryogenese und schließlich das Phänomen der Metamorphose dokumentieren die biologische Evolution, wie sie Darwin beschreibt: Alle Organismen haben einen gemeinsamen Ursprung.

In der materialen- oder vorbiologischen Evolution sind Masse und Energie die unbelebten Akteure. Energie verändert Masse und diese wiederum die Energie. Ein Gleichgewicht bleibt erhalten und bestimmt die Welt, in der wir leben. Auch die biologische Evolution kennt zwei Akteure. Das Veränderungen unterworfene Umfeld legt fest, welche Organismen überleben. Die biologische Welt der Pflanzen und Tiere muss durch Wandlung Überleben ermöglichen. Wird die materiale Welt von physikalischen Gesetzen gesteuert, so unterliegt die biologische Welt einer genetischen Steuerung. Ein im Zeitablauf regel-mäßiges Aufkommen von genetischen Veränderungen oder Mutationen schafft neue Pflanzen und Tiere die ihren Platz im Umfeld finden müssen oder untergehen. Die biologische Vielfalt demonstriert, wie eine genetische Steuerung sehr unterschiedliche Verfahren der Lebens-sicherung im Umfeld findet. Die Genetik entwirft einen Überschuss oder ein zu Viel an Möglichkeiten der Entfaltung, die vom zweiten Akteur Umfeld zum Teil verworfen oder akzeptiert werden.

Umfeld und Genetik entscheiden, welche biologischen Geschöpfe überleben. Alle müssen sich ernähren, um leben oder wachsen zu können. Dafür ersinnt die biologische Evolution zwei Möglichkeiten. Verortung und Wurzeln lassen Pflanzen und Bäume überleben. Ortsverlagerung oder Beweglichkeit erlauben den Tieren jene Nahrung zu suchen, die sie mögen oder brauchen. Auf diese Weise entstehen nach den Pflanzen auch Tiere. Unter den Pflanzen unterscheidet man wiederum die langsam wachsenden, tief verwurzelten, stämmigen und großen Bäume von Blumen oder Gräsern, die schnell wachsend und flexibel, aber auch dem jahreszeitlichen Wechsel unterworfen und verletzlich sind. Jagende Tiere sind klein, sind schnell und zum Springen ausgerüstet. Der Pflanzen fressende Elefant bewegt sich langsam und gemächlich. Er hat Zeit seine Pflanzen zu finden. Weil er auch kräftig ist, muss er Feinde nicht fürchten. In der belebten Natur sind Verwurzelung, langsames Wachstum, Standfestigkeit, Ausdauer und Kraft eine Möglichkeit des Überlebens. Ortsverlagerung, Wendigkeit, Flexibilität und rasches Wachstum sind das Kontrastprogramm. Beide Muster einer Überlebenssicherung sind in der Vielfalt des Lebendigen auf Kompromisse angewiesen. Sie werden in der Evolution vielfach entwickelt. Auch der Kompromiss ist eine Erfindung der Evolution.

Wer in der biologischen Welt überleben will muss reagieren können. Er muss auf Gefahren adäquat und angepasst antworten. In etwas mehr als fünf Milliarden Jahren entwickelt die biologische Evolution eine unbegrenzte Zahl von angepassten Reaktionen, die ein Individuum oder eine Art so lange zum Überlebenden macht, bis neue Formen des Reagierens einen besser Angepassten hervorbringen. In der biologischen Evolution sind die eine Art schützenden Reaktionen festgelegt oder, wie intelligentere Wesen später definierten, „instinktiv“ verankert. Auch Instinkte enthalten im Fortgang der Evolution bereits ein Verhaltensmuster aus Warnung vor Gefahr, aus Rückzug oder Angriff, aus individueller- oder Rudelstrategie. Noch immer aber sind instinktgeleitete Verhaltensweisen biologisch festgelegte Algorithmen und sind angeboren. Über das angelegte Muster der Instinkthandlung hinaus sind Variationen im Umgang mit Bedrohung oder eine Strategiewahl nicht möglich.

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Dies ändert sich mit der mentalen Evolution, die mit der Entwicklungsstufe der Primaten vor allem beginnt und schließlich die Entwicklung der Hominiden lenkt. Mentalität beschreibt, wie ich als Subjekt auf ein Geschehen blicke, auf mein Umfeld reagiere und dieses zum Objekt meines Handelns mache. An der Mentalität sind Sensorik, sind Neugier und Aufmerksamkeit, Gedächtnis und Erinnerung, sind Fühlen und Denken und unbewusst gewordene- oder bewusste Erfahrungen beteiligt. Die Zusammenarbeit dieser unterschiedlichen Funktionen bestimmt das Verhalten eines Individuums in der Auseinandersetzung mit seinem Umfeld und wird im Begriff „Mentalität“ zusammengefasst. Mentalität beschreibt eine bewusste und auch unbewusste Steuerung des Primatenverhaltens. Sie orientiert sich an subjektiv festgelegten Zielen, führt zu ausgewählten Entscheidungen und variablen Intentionen. Wo Tiere von unbewussten Instinkthandlungen geleitet werden, lenkt Mentalität das Verhalten der nicht-menschlichen Primaten und schließlich der Hominiden. Wo in der biologischen Evolution der Übergang zwischen Instinkt-handlungen oder mental gesteuertem Verhalten anzusetzen ist oder wo und wie dieser Übergang zu definieren ist, wird in der Verhaltensforschung mit Primaten noch immer diskutiert. Evolution ist ein langsamer-, aber kontinuierlicher Prozess, dessen Ergebnis sich erst in der Rückschau als neue Art oder neue Gruppe zu erkennen gibt. In der Entwicklung vom Instinkt zur bewusst gesteuerten Mentalität sind sehr komplexe Funktionen beteiligt. Eine naturwissenschaftlich begründbare Unterscheidung wo Instinkte enden und Mentalität beginnt wird kaum gelingen. Wird diese Unterscheidung trotzdem versucht, so gelingt dies nur mit abstrakter Definition.

Auch mentale Evolution ist eine biologische Evolution und unterscheidet sich von dieser durch den Wechsel von einem instinktgesteuerten- in ein auch bewusst gesteuertes Verhalten von Individuen. Mentales Verhalten ist nicht mehr festgelegt. Es wird, von den subjektiven Zielen eines Individuums gesteuert und variiert. Ein unterschiedliches Bewusstsein verschafft den nichtmenschlichen Primaten, dann den Hominiden und schließlich dem Homo sapiens jenen Vorteil, der ihnen eine Überlegenheit gegenüber ihren Vorfahren sichert. Die organische Basis der mentalen Evolution oder eines Bewusstseins der Primaten ist eine Vergrößerung des Gehirns als neuronales Steuerungssystem. Neuronale Steuerung aber ist in der biologischen Evolution ein sehr früh entstandenes Prinzip der Daseinsvorsorge tierischer Geschöpfe. Neuronale Schaltkreise steuern Organe, steuern Beweglichkeit und Instinktverhalten. Dazu braucht es kein Bewusstsein. In der Primatenreihe und v.a. bei den Hominiden führt eine neuronale Fortentwicklung zu einer Hirnvergrößerung, zu einem im Überlebenskampf variablen und auf Herausforderungen reagierenden Verhalten und schließlich auch zu Bewusstsein. Die Fortentwicklung zum Menschen aus der Primatenreihe ist eine neuronale Fortentwicklung mit Entstehung eines Bewusstseins. Aus Instinktverhalten wird ein vom Bewusstsein koordiniertes mentales Verhalten. Allein diese mentale Entwicklung unterscheidet den Menschen von seinen tierischen Vorfahren. Biologisch gelten für den Menschen Gesetze, wie sie mit Variation im Tierreich nachweisbar sind. „Biologisch sind wir zwar auch Steinzeitmenschen“11, doch ist der Mensch biologisch betrachtet eher ein aufrechter Primat oder ein Säuger auf zwei Beinen. Der Steinzeitmensch ist v.a. mental an der menschlichen Entwicklung beteiligt.

Mentales Verhalten ist jedoch nicht auf einmal oder plötzlich entstanden. Auch mentales Verhalten unterliegt einer Entwicklung, für die ich den Ausdruck „mentale Evolution“ wähle. Sie macht aus einer artspezifischen Fremdbestimmung durch das Umfeld eine neue Form der Selbstbestimmung durch eine mentale Variation des Verhaltens. Auch die mentale Evolution vollzieht sich in Schritten und begleitet die anthropologische Evolution, wie sie in aller Kürze etwa so zu beschreiben ist:

Mit den Australopithecinen kommt vor ca. 5 - 6 Millionen Jahren der „aufrechte Gang“ ins Spiel welcher den noch kleinhirnigen Primaten in ein aufgerichtetes Wesen, in ein Wesen zwischen Affe und Mensch verändert. Arme und Hände bekommen eine Greif- und Haltefunktion. Der erste Hominide hat als Homo habilis vor 1.8 bis 2 Millionen Jahren bereits eine Hirngröße von 500 bis 800 cm3. Der Homo erectus als nächster Nachfahre ist 1.5 Millionen Jahre alt mit einem Hirnvolumen von 700 bis 1300 cm3. Er verlässt vor ca. einer Million Jahren erstmals Afrika, taucht als Java-Mensch in Asien auf, kommt als Homo heidelbergensis nach Europa und entwickelt sich als Neandertal-Mensch zum europäischen Homo erectus mit einem Hirnvolumen von bis zu 1500 cm3. Das Hirnvolumen des Neandertal-Menschen ist größer als das des späteren Sapiens-Menschen. Trotzdem verschwindet der Neandertal-Mensch auf bisher nicht geklärte Weise vor ca. 30 000 Jahren aus Europa. Er wird vom neuen-, vor etwa 200 000 Jahren in Afrika auftauchenden, Menschentyp, dem Homo sapiens abgelöst oder verdrängt. Dieser besiedelt in den letzten 40 000 bis 50 000 Jahren allein die gesamte Erde.


In einer evolutionär kurzen Zeit von weniger als 2 Millionen Jahren entwickelt sich aus dem Primatengehirn der Australopithecinen mit einem Volumen von 400 bis 500 cm3 ein Gehirn von der Größe des heutigen Menschen. Die Hirngrößenzunahme ist die organische Basis der mentalen Evolution zum Menschen. Im Gehirn wird Mentalität erzeugt. Sie v.a. interessiert. Zum Menschen wurden wir durch ein mental gesteuertes Handeln das sowohl emotionale Zugehörigkeit zu unserem Umfeld wie auch gedankliche Abstraktion und Planung von Zukunft bedeutet. Diese divergent ausgerichtete Mentalität ist das bereits angesprochene duale Prinzip, das den Menschen auch dann lenkt, wenn er zum Akteur seiner Geschichte wird. Wie dieses mentale Erbe sich entwickeln wird, soll uns jetzt beschäftigen.

2. Mentale Evolution: Vom nichtmenschlichen

Primaten zum Homo sapiens.

In einer früheren Publikation7 ist die mentale Evolution in aller Ausführlichkeit beschrieben, sodass ich mich an dieser Stelle mit einer Kurzfassung beschränke. Mentale Evolution ist eine Entwicklung unter Primaten und geht aus von der Intelligenz nichtmenschlicher Primaten. Aus einer artspezifischen Fremdbestimmung durch das Umfeld wird bei den Primaten eine neue Art der Selbstbe-stimmung durch mentale Variation des Verhaltens. Konsequenz ist eine durch biologische Evolution möglich gewordene zweite- oder mental gesteuerte kulturelle Evolution des Menschen, die nicht mehr von Generation zu Generation sondern direkt von Mensch zu Mensch weiter gegeben wird. Nachahmung, Übung und Lernen, dann Anleitung und Lehre und schließlich Zusammenarbeit12, 13 prägen diese kulturelle Evolution, während genetische Mutationen und deren Akzeptanz im Umfeld auch weiterhin die biologische Evolution leiten. Mit Abgrenzung, Distanzierung und Veränderung wird sowohl die biologische-, wie auch die kulturelle Evolution angestoßen und eine ewige Wiederkehr des Gleichen verhindert. Biologische Evolution und kulturelle Entwicklung sind beide ein dialektisches Spiel von Reproduktion und Distanzierung oder Akzeptanz und Ablehnung. Sie unterscheiden sich allein durch die Schnelligkeit von Entwicklung.

Komplexe Phänomene wie Bewusstsein, wie Verhalten, Intelligenz oder Gedächtnis machen viele Entwicklungs-schritte notwendig. Sie werden erst dann das Verhalten einer Gruppe lenken, wenn sie in der Mehrheit der eine Gruppe bildenden Individuen verankert sind. Die Zahl der dafür notwendigen Generationen ist unterschiedlich, wird vom Fortpflanzungsnutzen einer neuen Erwerbung bestimmt, erklärt die Langsamkeit der biologischen Evolution und auch die oft lange Latenz zwischen einer genetischen Mutation in einem Individuum und dem nach Generationen sich einstellenden Wandel einer Gesell-schaft. Evolution beginnt immer mit einer Mutation im Erbgut eines Individuums. Sie bestimmt, so sie Vorteile verschafft, nach vielen Generationen das Verhalten einer Gesellschaft.

Das menschliche Erbe von nichtmenschlichen Primaten.

Ausgangspunkt der mentalen Evolution der Hominiden sind mentale Fähigkeiten nichtmenschlicher Primaten, wie sie von vielen Verhaltensforscher14,15, 16, 17, 18, 19, 20, ermittelt wurden und weiter ermittelt werden. Menschenaffen zeigen Eigennutz, Machtgehabe, Aggressivität, auch Gewalt und Unterwürfigkeit. Sie suchen Verbündete und schaffen Verlierer. Sie ahmen nach, sind lernfähig und lernen von Eltern und Geschwistern. Sie sind ängstlich und erschrecken, aber lassen auch Freude und Zufriedenheit erkennen. Sie zeigen Emotionen, die wiederum von anderen miterlitten oder mitbejubelt werden. Menschen-affen reagieren empathisch und zeigen Sympathie. Sie trösten Besiegte und Unterlegene. Sie teilen, indem sie Andere am Verzehr teilhaben lassen und aktiv abgeben. Sie handeln altruistisch. Sie warnen ihre Gruppenmitglieder vor Gefahren. Wer tröstet, Andere beteiligt oder sie vor Gefahren warnt beabsichtigt etwas. Er handelt „intentional“19. Sexualität ist bei Bonobos nicht mehr nur biologisch geregelt. Sie ist auch eine Form von Zuneigung. „Nichts von dem, was wir (moderne Menschen) tun, ist wahrhaftig einzigartig“ schreibt Frans de Waal und bestätigt, was Charles Darwin bereits 1874 in „Abstammung des Menschen“ feststellt: „Ich beabsichtige... zu zeigen, dass zwischen den Menschen und den höheren Säugetieren (nichtmenschliche Primaten) kein fundamentaler Unterschied in Bezug auf ihre geistige Fähigkeit besteht“7.

Für die Weitergabe von Fähigkeiten nichtmenschlicher Primaten an die Hominiden sind Entwicklungstrends innerhalb der Primatengruppen vom ältesten Orang-Utan über Gorillas bis zu evolutionär jüngeren Schimpansen und Bonobos von Interesse. Sie v.a. werden an Hominiden weitergegeben. Solche Entwicklungstrends der Primaten sind:

1 Die Primaten entwickeln sich von einem im Wald und auf den Bäumen lebenden Einzelgänger wie dem Orang-Utan zu sozialen Wesen welche zunächst in Familien zusammen leben und schließlich Gruppen aus mehreren Familien bilden.

2 Von anderen Gruppen grenzen sich Primatengruppen ab. Sie bekämpfen sich, wenn der gruppeneigene Lebensraum nicht respektiert wird. Einzig Bonobos agieren auch gruppenübergreifend.

3 Bei Menschenaffen nehmen von den Orang-Utans über Gorillas, über Schimpansen bis zu den Bonobos die Gruppengröße und deren verwandtschaftliche Heterogenität zu. Aus verwandtschaftlicher Identität wird eine Gruppenidentität und bei Bonobos sogar eine Art von gruppenübergreifender Identität.

4 Innerhalb der Gruppen reduzieren sich hierarchische Strukturen von den Gorillas über die Schimpansen zu den Bonobos. Hierarchische Strukturen werden durchlässiger, wenn die Gruppengröße zunimmt und die Gruppenstruktur wird egalitärer.

5 Die geschlechtliche Differenzierung zwischen Männern und Frauen nimmt von den Orang-Utans über Gorillas, Schimpansen und Bonobos kontinuierlich ab, sowohl die körperliche Größendifferenz betreffend, wie auch beim Geschlechterverhalten in der Gruppe. Bonobofrauen haben schließlich ein hohes Maß an Gleichstellung erreicht.


Diese Entwicklungstendenzen der Primatenfamilie werden sich bei den Hominiden fortsetzen, denn sie überleben als Spezies und verbreiten sich über weite Regionen unserer Erde.

Der Steinzeitmensch und seine Gefühle.

Von nichtmenschlichen Primaten übernehmen die Hominiden, zuerst der Homo habilis vor 1,8 bis 2 Millionen Jahren aufkommend und der vor etwa 1,5 Millionen Jahren folgende Homo erectus, das Zusammenleben in der Gruppe. Ohne den Schutz durch die Gruppe hätten allein lebende Hominiden wohl kaum überleben oder gar die Erde bevölkern können. Der älteste nichtmenschliche Primat Orang-Utan ist ein Einzelgänger und heute vom Aussterben bedroht. Die später folgenden Gorillas, Schimpansen oder Bonobos leben schon in größer werdenden Gruppen, ein Trend, der sich offenbar bei den Hominiden fort-setzt. Die Forschungsgruppe um Robin Dunbar beschreibt eine enge Beziehung zwischen der mittleren Zahl von Individuen einer Gruppe unter-schiedlicher Primaten und der relativen Größe ihres Neocortex zum Gesamthirn. Das Zusammenleben in der Gruppe erfordert eine neue Intelligenz: „Der Strudel des sozialen Lebens“ bedeutet Evolutionsdruck. Zusammen-halt in der Gruppe wird zum Überlebensvorteil. Wird die angesprochene Beziehung zwischen Gruppengröße und Neocortex-Entfaltung auf den Menschen extrapoliert, so bestünde eine den nichtmenschlichen Primaten vergleichbare Gruppe von Hominiden aus ca. 150 Personen, eine Zahl, welche als „Dunbar number“ bekannt wurde. In weltweit verstreuten indigenen Volksgruppen, Clans oder „domestic groups“, so der Ethnologe Sahlins21, wurden Gruppengrößen zwischen 50 bis 350 Menschen beschrieben. Sie leben zusammen ohne persönlichen Besitz, ohne Formen von Organisation. Interpersonaler Austausch allein festigt den Zusammenhalt. Die Gruppengrößen von Homo habilis oder Homo erectus kennen wir nicht, doch dürfte ihre Gruppengröße sich in zwei Millionen Jahren jener noch heute lebender indigener Gruppen angenähert haben.

Die Zunahme der Gruppengröße von den Orang-Utans zu den Bonobos macht aus Familien eine verwandtschaftliche Heterogenität und führt bei den Bonobos in eine den familiären Zusammenhalt übergreifende Gruppen-identität. In Primatengruppen wird ein andere Gruppen ausschließendes, aber innerhalb der Gruppe inklusives Verhalten beobachtet. Der Kontakt mit fremden Gruppen wird gemieden. Die eigene Gruppe wird gestärkt. Dass Menschenaffen bereits Sozialverhalten, Solidarität und Empathie erkennen lassen ist bekannt. Wo familiäre Verwandtschaft weniger wird muss Empathie oder Sympathie die Gruppe zusammen halten. Gegenseitige von Sympathie geleitete Hilfen werden in einer größer werdenden Gruppe wichtiger als Kraft und Größe. Die amerikanische Anthropologin Sarah Bluffer Hrdy22 sieht in der Mithilfe von „Allomüttern“ –Großmutter, Vater, Tante, Onkel, Freunde- bei der Kinderaufzucht ein wesentliches Element der Überlebenssicherung früher Hominiden. Die bei Gorillas und Schimpansen noch intensive biologische Bindung der Kinder an die Mutter wird für das Kind gefährlich, wenn die Mutter stirbt. Wird eine natürliche- oder hormonell gesteuerte Bindung durch eine neue-, eine emotionale Bindung ergänzt, so kann auch eine länger werdende Aufzucht der Kinder geleistet werden. Die Überlebenswahrscheinlichkeit der Kinder beim Tod der Mutter wird verbessert. Gruppenzusammenhalt durch Empathie und von Sympathie gesteuerte Allomütter-Bereitschaft werden für die Hominiden zu Eigenschaften, die ihr Überleben fördern. Auch in der Sexualwahl werden Empathie oder Sympathie Vorteile bedeuten und durch Fortpflanzung zu einer Gruppeneigenschaft der Hominiden werden.

Sympathie ist eine erste Emotion der Hominiden, welche den Zusammenhalt stärkt und Gruppenidentität bewirkt. Emotionen werden schließlich zu bewussten Gefühlen, die das Handeln der Hominiden lenken. Für den amerikanischen Hirnforscher A.R. Damasio sind Emotionen eine noch unbewusste Vorstufe bewusst erlebter Gefühle23, 24. Emotionen sind unbewusst bleibende aber variable Reaktionen der Primatenfamilie auf Herausforderungen oder Irritationen. Im evolutions-biologischen Geschehen sind sie eine Fortentwicklung tierischer Instinkte und unterscheiden sich von diesen durch ihre an Herausforderungen angepasste Variabilität. Wo Instinkte genetisch programmiert sind, reagieren Primaten mit ihren Emotionen variabel. Emotionen sind im menschlichen Hirnstamm entstehende physiologische Aktionen, welche die Homöostase eines Organismus bei Irritationen durch Umweltreize aufrecht erhalten. Sie spiegeln die körperliche Verfassung eines Individuums in der Auseinandersetzung mit dem Umfeld. Jeder sinnliche Kontakt ist entweder angenehm oder störend. Das Individuum fühlt sich wohl und genießt oder es fühlt sich bedrängt und wehrt ab. Ein empathisches Gegenüber nimmt diese Emotionen wahr und erkennt, wie der Andere reagiert. Es hat die Fähigkeit des „emotionalen Ver-stehens“ entwickelt. Empathisches Verhalten wird sich bei den Hominiden zuerst in ein „emotionales-, dann in ein „intentionales Verstehen“ weiter entwickeln, wenn aus noch unbewussten Emotionen bewusste Emotionen oder Gefühle werden und gedankliche Erwägungen hinzu kommen. Wie Emotionen offenbaren auch unsere Gefühle einen Gegensatz von Akzeptanz oder Abwehr, von Lust oder Unlust, von Wohlsein oder Sorge und sind ein wichtiger Teil des mentalen Erbes des Menschen. Der moderne Mensch unterscheidet die wohltuenden Gefühle wie Freude, Lust, Liebe, Hoffnung, Zuversicht, Geborgen-heit von einer Ablehnung demonstrierenden Gruppe wie Angst, Wut, Zorn, Hass, Scham oder Ekel. Zwei Gruppen noch unbewusster Emotionen oder bewusster Gefühle, deren gegenseitiges Verstehen und ein von Emotionen oder Gefühlen gelenktes Handeln schaffen eine erste, eine „emotionale Intelligenz“25, 26 des Menschen. Sie ist eine wichtige Form menschlicher Intelligenz und ein von Steinzeit-menschen oder Hominiden geprägtes Erbe. Irgendwann wurden in den zwei Millionen Jahren der mentalen Entwicklung von Hominiden aus unbewussten Emotionen bewusste Gefühle und schaffen ein „Primäres Bewusstsein“, das der Neurologe Damasio vom später aufkommenden „erweiterten Bewusstsein abgrenzt24. Das „primäre Bewusstsein“ ist auf direkten und inter-personalen Austausch ausgerichtet. Es stärkt den Zusammenhalt in der Gruppe und die Zugehörigkeit zur Gruppe, ist aber irritiert und verunsichert, so Fremdes oder Ungewohntes auftaucht. Das Gruppeninteresse ist für die Hominiden wichtiger als ein Individualinteresse und wird bei den afrikanischen Xhosa noch immer betont: „Ubuntu“ ist für sie eine wichtige Weisheit und bedeutet: „Ich bin, weil wir sind“. Das primäre Bewusstsein fördert auch heute noch den persönlichen Zusammenhalt von Familien, Freunden und Vereinen und hält Gruppen zusammen, die sich eine eigene-, eine besondere Identität zuschreiben. Das primäre Bewusstsein hat uns modernen Menschen aber auch eine Irritation in der Begegnung mit Fremdem und Ungewohntem hinterlassen. Moderne Fremdenfeindlichkeit ist ein frühes mentales Erbe des Menschen.

Gefühle prägen das „primäre Bewusstsein“ der Hominiden. Sie sind in der mentalen Evolution des Menschen eine erste bewusste Reaktion auf vom Umfeld ausgelöste Irritationen. Gefühle sind in der Positronen-Emissions-Topographie (PET) in der menschlichen Großhirnrinde lokalisiert. Sie sind den Wahrnehmungszentren für Sehen, für Hören oder Fühlen benachbart. Diese hirnstrukturelle Nähe der Gefühlszentren zu sensorischen Wahrnehmungs-zentren belegt, wie in der mentalen Evolution zum Menschen Gefühle als Reaktion auf sensorische Wahr-nehmungen entstehen und als erste seelische Funktion bewusst werden. Ein von Gefühlen bestimmtes „primäres Bewusstsein“ lenkt für fast zwei Millionen Jahre das Verhalten der Hominiden: Sie leben in Gruppen und pflegen den persönlichen Kontakt. Diese Interaktion ist eine Mischung aus von nicht-menschlichen Primaten übernommener Körperlichkeit oder „social grooming“, aus Mimik, aus Gesten, aus Lauten und wohl auch einzelnen Worten. Mimik spielt in einem von Gefühlen geprägten Verhalten eine große Rolle. Sie demonstriert dem empathischen Gegenüber was in einem vorgeht. Die Gestik in Form von ironischen- oder Zeigegesten beflügelt Nachahmung, stärkt das Miteinander und begleitet auch heute noch jede Ansprache. Zu lautlichen Warn- oder Weckrufen waren die Hominiden in der Lage, wohl auch zu einzelnen Worten, zumal der menschliche Sprechapparat mit den Hominiden in der menschlichen Evolution entstand28. Ob die Hominiden oder der Neandertaler als europäischer Homo erectus bereits eine Art Sprache kannten, wird in der anthropologischen Forschung diskutiert. Da das Sprechen wie jede Form von Kommunikation als emotionale Mitreaktion beginnt ist anzunehmen, dass sie eine eigene Form von Sprache oder Unterhaltung kannten.

Ein von Gefühlen gelenktes „primäres Bewusstsein“ ist nicht schöpferisch. Es reagiert nur und verzichtet auf Wandel. Man ahmt nach was Alte oder Erfahrene vorleben. Man ist Jäger und Sammler und richtet seine Bedürfnisse auf das Erreichbare oder Jagdbare aus. Alle beteiligen sich. Vorsorge wird nicht betrieben, weil eine Vorstellung von Zukunft in ihrem Bewusstsein nicht existiert. Die Gegenwart bestimmt das Handeln. „Jäger und Sammler sind Nichtökonomen“ schreibt Sahlins21: „Ihre Bedürfnisse richten sich an die zur Verfügung stehenden Mittel..., sie sammeln was sie brauchen“. Wenn Nahrungsressourcen erschöpft sind wandert die Gruppe weiter und die Heimat zieht mit. Verlegen sie ihren Lebensmittelpunkt nur um 10 Meter pro Jahr, so tauchen ihre Nachfahren eine Million Jahre später in 10 000 km Abstand vom afrikanischen Ursprung in China, in Europa auf. Ein erster Exodus der Hominiden aus Afrika fand vor etwa einer Million Jahren statt. Der China-Mensch war ein Homo erectus, wie später auch der Neandertaler.

Zwei Millionen Jahre Evolution der Hominiden oder Steinzeitmenschen werden von der Anthropologie an Hand von gefundenen Steinwerkzeugen in ein Altpaläolithicum (2 500 000 – 200 000 Jahre), in ein Mittelpaläolithicum (200 000 – 40 000 Jahre) und ein Jungpaläolithicum (40 000 – 10 000 Jahre) eingeteilt28. Im Alt- und Mittelpaläolithicum verwenden die Hominiden Faustkeulen, die vor 1,7 Millionen Jahren erstmals auftauchen und dann über 1,5 Millionen Jahre allenfalls marginale Veränderungen zeigen. In 180 000 Jahre alten archäologischen Fundstätten in Ostafrika werden noch immer die früheren Faustkeulen gefunden. Sie sind scharfkantig, stabil und griffig. Wurden sie nur gefunden und aufgelesen oder wurden sie produziert oder zugerichtet? Eine planerische- oder kreative Fähigkeit kann ich an diesen Faustkeulen nicht erkennen und finde eine Bestätigung beim Entdecker der Evolution: Charles Darwin schreibt: „Mir scheint viel Wahres (darin) zu liegen, dass, als die Urmenschen zuerst Feuersteine zu irgend welchen Zwecken benutzten, sie diese zufällig zerschlagen und dann die scharfen Bruchstücke benutzt haben werden... . Indessen dürfte der letzte Fortschritt sehr lange Zeit bedurft haben... , welche verging, ehe ein Mensch... begann, seine Werkzeuge zu schleifen und zu polieren“7.

Ein von Gefühlen bestimmtes „primäres Bewusstsein“ ist nicht schöpferisch, doch half es den Hominiden zu überleben. Ein von Gefühlen bestimmtes „primäres Bewusstsein“ sicherte ihr Überleben und bedeutet für uns moderne Menschen noch immer so etwas wie Heimat, Familie, Freundschaft. Auch ohne schöpferische Kreativität konnten sie sich als Gruppe über die Erde ausbreiten. Ihre Bedürfnislosigkeit bot die Chance zu Überleben. Was dieses von Hominiden stammende frühe mentale Erbe für uns heute bedeutet, lässt sich in etwa so zusammen-fassen:

° Zusammenhalt braucht persönliche Beziehung,

gestützt auf Kommunikation in Form körperlicher

Zuwendung, Mimik und Gestik. Zusammenhalt braucht

Empathie und Gefühle, braucht emotionale Intentionen und

emotionale Intelligenz.

° Zugehörigkeit zu einer Gruppe, der man vertraut, ist

ein von den Hominiden überkommenes

menschliches Bedürfnis.

° Menschliche Bedürfnisse sind steuerbar durch das,

was das Umfeld bieten kann. Bedürfnisse können

gelenkt werden und sich anpassen.

° Gleichberechtigte Teilhabe des Menschen als

moderne Forderung ist ein von Hominiden

erarbeitetes Erbe.

° In der Natur, mit ihr und von ihr zu leben, dieses

menschliche Bedürfnis ist ein uns von Hominiden

hinterlassenes Erbe.


Über zwei Millionen Jahre entwickeln die Hominiden eine auf personalen Austausch und emotionaler Intelligenz gegründete Gruppenidentität und begnügen sich mit dem was das Umfeld beim Sammeln und Jagen hergibt. Sie überleben, verlassen Afrika entlang den Küsten und kommen schließlich nach Europa und in Asien bis nach China. Zu ergründen wie sie lebten oder wie sie sich fühlten aber bleibt ein gedankliches Experiment, durch welches sich die beschriebene emotionale Intelligenz oder ein primäres Bewusstsein der Hominiden erschließen lässt.

Von der Verhaltensforschung an nichtmenschlichen Primaten erfahren wir, was Hominiden übernehmen konnten und von Ethnologen lernen wir, was sie an noch existierende indigene Gruppen weitergaben.

Wir und die Anderen

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