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4. Mens sana in corpore sano

Trotz seiner Pension ersann sich Zeta innovative Arten des Bettelns. Je nach Laune startete er beispielsweise den Morgen mit einer Runde Morgengymnastik: Er lauerte den Passanten in der Unterführung auf. Dem unvermittelten Recken oder Strecken folgte die Frage der Fragen. Dabei unterschied er nicht nach jung oder alt, groß oder klein, mittellos oder behangen. Und ob die Passanten das zur Schau Gestellte interessierte, sie es gar goutierten, erst recht nicht. So auch an jenem Morgen.

Längst aufgewärmt sah Zeta eine neue Chance in Form einer Frau in die Unterführung schreiten. Taktisch vorteilhaft glitt sie nah des Geländers entlang und fixierte ihr Smartphone, auf dem sie zweidäumig einen fernen Adressaten betextete. Indem Zeta erst langsam um eine Beinlänge von ihr versetzt in dieselbe Richtung wie sie zu gehen vorgaukelte, begann er sein Manöver.

In einer abgepassten Drehbewegung, knapp vor dem beginnenden Vorbeiziehen der Frau an Zeta, hob er sein Bein schwungvoll hoch und setzte seine Ferse auf der Handführung des Geländers ab. Des Weges beraubt dotzte die Frau gegen die menschliche Schranke und schreckte in den Stillstand auf.

„Haste mal ’nen Euro?“, hielt Zeta der Frau charmant einen Becher entgegen und begann seinen Wadenstrecker zu dehnen. Die Frau schüttelte, ihre Wünschelrute umklammert, hastig den Kopf und umging Zeta. Zeta stellte den leeren Becher nah von sich auf der Handführung ab und umfasste seine ausgestreckte Fußspitze beidhändig. Atemzug für Atemzug intensivierte er seine Dehnung.

„Ungewöhnliche Methoden!“, sagte ein Mann mit Rastalocken anerkennend. „Bettelst du häufig?“

„Ich battle mich schon lange nicht mehr“, antwortete Zeta und hielt seine Dehnung.

„Nein“, sagte der Mann und drängte sich Zeta auf, „bist du häufig am Schnorren, am Abpumpen?“

„Haste mal ’nen Euro?“, fragte Zeta den Mann übellaunig.

„Und?“, erkundigte sich der Mann, „bist du erfolgreich?“

„Zieh Leine, ich bin am Arbeiten!“, lockerte Zeta die Dehnung.

Der Mann beugte sich über Zetas Bein und lunste in den Becher: „Sieht nicht gut aus!“

„Gott, machst du mich fertig“, beschwerte sich Zeta, „so kann ich nicht arbeiten!“

Zeta entwand sich aus der Verschränkung mit dem Mann und schritt samt Becher von Geländer und Rastamann fort. Der griff aus seiner Jacke sein Portemonnaie und folgte ihm.

„Hier“, sagte er und öffnete das Münzfach, „ich habe nicht einen Euro für dich, sondern zwei!“, und ploppte eine 2-Euro-Münze in Zetas Becher.

„Danke, der Herr! Sehr gnädig, der Herr!“, bedankte sich Zeta unter Ausführung einer formvollendeten Verbeugung.

„Nenn mich Peter!“, sagte der Mann. „Und wie heißt du?“

„Mensch, du penetrante Sacklaus“, gab Zeta genervt zu Protokoll, „bin ich hier etwa zum Socializen?“

„Okay, okay“, beschwichtigte Peter, „wir haben uns definitiv auf dem falschen Fuß erwischt! Darf ich mich noch mal vorstellen?“

Zeta zuckte desinteressiert mit den Schultern.

„Guten Morgen, mein Name ist Peter. Ich bin dein neuer Sozialarbeiter!“

„Gottverdammte Labertasche! Und ich bin Krösus!“

„Hier“, wedelte Peter sein Portemonnaie vor Zetas Augen, „hier ist mein Dienstausweis, frisch vom Magistrat der Stadt Frankfurt. Ich zeige ihn dir!“

„Lass stecken! Schwirr ab!“

Der Sozialarbeiter ging zum Startpunkt seiner Avancen zurück und fasste sich bedächtig ans Kinn.

„Sorry, Mann“, sagte er, „seit kurzem erst bin ich Case-Worker und checke die Lage nicht! Den richtigen Ton muss ich noch finden.“

Zeta dachte nach: „Lust auf ein Bierchen?“

„Was? Nein, es ist nicht mal acht!“

„Langweiler! Spießer!“

„Hast du schon was gegessen?“

„Sehe ich so aus?“

„Komm, ich lade dich ein, aber erzähl mir von dir!“

„Heiliger Bembel, was habe ich mir da eingebrockt!“

Die Frechheit nehm ich mir!

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