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IV.
Der Artillerist von Croix-Rouge
ОглавлениеNach dem Baron von Marsilly verließen der König, die Königin und Madame Elisabeth das Zimmer. Alle drei gingen, um ihren Verteidigern einen Besuch abzustatten. Bei jedem Posten blieb der König stehen, um den Personen, aus, welchen er bestand, einige ermutigende Worte zu sagen. Die Königin wollte ihn nachahmen, allein sie vermochte es nicht; so wie sie zu sprechen begann, erstickte Schluchzen ihre Stimme. In der Tat war auch der Anblick, welchen die Tuilerien darboten, wenig erhebend. Die Schweizer und die französischen Garden standen an ihren Posten, bereit für ihren König zu sterben, aber in den Reihen der Nationalgarde herrschte Streit. Die Bataillone von Petits-Peres, von der Butte des Moulins und von Filles Saint-Thomas waren treu geblieben und standen fest in dem Hofe der Schweizer und in dem Hofe der Prinzen; allein die Bataillone der Thermes de Julien und die Artilleristen von Croix-Rouge, von Finis tére und des Pantheons hatten schon ihre Kanonen gegen die Tuilerien gerichtet. Der König ging mit gebrochenem Herzen zurück. Die Königin und Madame Elisabeth hatten jede Hoffnung verloren; im Schloss schlief Niemand außer dem Dauphin.
Um sechs Uhr morgens hörte man ein großes Geräusch, es war die Avantgarde der Vorstädte, welche auf dem Carrouselplatz debouchirte. Zu derselben Zeit sah man den König, die Königin und den Dauphin die große Treppe hinabsteigen. Die Königin trug das erlauchte Kind in ihren Armen; alle drei begaben sich in die Versammlung.
Im Vorübergehen warf der König einen Blick auf den Baron Marsilly, welcher, den Degen in seiner Hand, an der Spitze seiner fünfzig Mann unter dem großen Tore stand. Zwei Kanonen zeigten an dem Thore ihren ehernen Schlund; die Kanoniere standen hinter ihnen mit brennenden Lunten.
Der Dauphin winkte mit der Hand seinen Verteidigern zu, und der Ruf: »es lebe der König,« ertönte einstimmig von dieser kleinen Truppe.
Aber es war nicht so, als sich der König der Terrasse des Feuillants, welche mit Menschen bedeckt war, nahte; hier empfingen ihn schreckliche Verwünschungen. Ein Sapeur überhäufte die Königin mit Beleidigungen und riß ihr den Dauphin aus den Armen.
Von diesem Menschen getragen, kam das königliche Kind in die Versammlung.
Zu demselben Augenblicke ertönten die ersten Kanonenschüsse.
Bei diesem Lärm erinnerte sich die Baroness an das, was ihr ihr Mann gesagt hatte, und sie flüchtete sich in das ihr bezeichnete Kabinett. Drei oder vier Frauen der Königin folgten ihr dahin.
Mit jedem Augenblicke verdoppelte sich der Donner der Kanonen, und in den Zwischenräumen hörte man das Knattern des Gewehrfeuers. Bei jeder Salve erzitterte das Schloss von oben bis unten. Die zerschmetterten Fliesen fielen in die Zimmer, die Kugeln schlugen in das Getäfel. Bald vernahm man ein Geschrei. Dieses Geschrei nahte sich, es war das der Schweizer und der Nationalgardisten, welche man auf den Treppen niedermetzelte. Sie hatten aus der Versammlung eine Depesche des Königs erhalten, welche ihnen befahl, das Feuer einzustellen und zu kapitulieren. Zum Kapitulieren war es zu spät, das Schloss war mit Sturm genommen.
Die Schritte der Fliehenden widerhallten in den Zimmern, und der Kampf, welcher bis jetzt auf den Treppen statt gehabt hatte, erneuerte sich von Zimmer zu Zimmer. Die Baroness legte das Ohr an die Thüre des Kabinetts, sie hörte den Lärmen sich nahen, und in jedem Schrei, den sie vernahm, glaubte sie den letztem Ruf ihres Mannes zu hören. Plötzlich gab die Türe, durch einen heftigen Stoß gesprengt, nach. Drei Nationalgarden von der Butte des Moulins stürzten in das Kabinett und flehten um Hilfe. Sie fanden die Baroness und ihre Begleiterin ganz außer sich. Die Baroness fragte um Nachrichten von ihrem Manne, vergaß sich selbst und dachte nur an ihn; allein keiner von ihnen kannte ihn, und sie konnte daher nichts vernehmen.
Bei dem Anblicke dieser Männer, deren Kleider zerfetzt und mit Blut bedeckt waren, bemächtigte sich das Entsetzen der armen Frauen. Das Kabinett hatte eine Türe, welche in einen Korridor führte, und aus diesem gelangte man mittelst einer geheimen Treppe in die unteren Gemächer. Eine der Frauen schlug diesen Weg der Rettung vor, und er wurde um so mehr angenommen, als man die Flintenschüsse und den Schmerzruf der Sterbenden bereits aus dem Zimmer vernahm, welches vor der Bibliothek lag. Männer und Frauen stürzten sich durcheinander in den Korridor, dann auf die Treppe, welche man hinabeilte. Die Baroness allein war in dem Augenblicke, in welchen sie ihnen folgen wollte, bei dem ersten Schritte stehen geblieben. Ihr Mann hatte ihr geheißen, hier auf ihn zu warten, und diese Worte waren ihr in Mitte dieses Entsetzens in das Gedächtnis zurückgekehrt, hatten sie auf ihren Platz gefesselt.
Einen Augenblick lang glaubte sie ihre Gefährtinnen gerettet. Auf das Geländer gelehnt, folgte sie ihnen mit den Augen und mit den Ohren auf dem Korridor und auf der Treppe. Das Geräusch ihrer Tritte verhallte, allein bald hörte man drei oder vier Flintenschüsse, dann ein Geschrei, und nun folgte ein Lärm, den fünf oder sechs fliehende Personen verursachten; es waren die Gefährtinnen der Baroness und die Nationalgardisten, welche am Ende des Korridors auf eine Bande Marseiller gestoßen waren, sich nun flüchteten, und zurückkehrten, um ein Asyl in dem Kabinette zu suchen, in welchem die Baroness noch immer wartete.
Auf der Treppe stürzte einer der Nationalgardisten; er hatte bei der letzten Decharge eine Kugel in den Leib erhalten, und die Frauen waren gezwungen, über seinen Leichnam hinweg zu steigen.
Nun nahte sich der Mord von zwei Seiten.
Es war nicht mehr möglich, in dem Kabinette zu bleiben, man hörte die Marseiller bereits im Korridor toben.
Es war auch keine Hoffnung, durch die Bibliothek zu entfliehen, denn dort erwürgte man sich.
Die Frauen fielen auf die Knie nieder und die Männer bemächtigten sich der Stühle, um wenigstens nicht zu sterben, ohne sich zu verteidigen.
In diesem Augenblick schwang sich durch ein rundes Fenster, welches zu einem abgelegenen kleinen Zimmer gehörte, ein Mann in der Uniform der Kanoniere von Croix-Rouge herum und fiel zwischen den Frauen nieder. Diese stießen einen Schrei des Entsetzens aus und die Nationalgarden schickten sich an, ihm den Kopf mit ihren Stühlen zu zerschmettern, als plötzlich die Baroness einen Schrei ausstieß und ihre beiden Hände nach diesem Manne ausstreckte; es war der Baron.
In einem Augenblicke erkannten ihn die Frauen, und die beiden Nationalgardisten wußten, daß sie es mit einem Freunde zu tun hatten.
Mit wenigen Worten setzte sie der Baron von dem Vorgefallenen in Kenntnis; von seinem Posten vertrieben, von Zimmer zu Zimmer verfolgt, fand er an der Türe des anstoßenden Kabinetts den Leichnam eines Artilleristen von Croix-Rouge; er schleppte denselben in das Kabinett, zog seine Kleider an und durch das kleine Fenster, welches, wie er wußte, in Verbindung mit der Bibliothek stand, hatte er sich mit seiner Frau wieder vereinigt.
Kaum hatte er diese Erklärung gegeben, als die Marseiller, welche die Flüchtlinge aus dem Gesicht verloren hatten, aber den Blutspuren gefolgt waren, die Treppe heraufstürzten.
Der Baron ergriff einen schnellen, raschen und angemessenen Entschluss, und eilte ihnen entgegen.
»Hierher Kameraden!« rief er. »Hierher!«
»Kanonier von Croix-Rouge?«riefen die Marseiller.
»Ja, Kameraden, wir waren gefangen gehalten. Diese beiden braven Nationalgardisten und ich sollten erdrosselt werden, da verbargen uns diese Frauen in diesem Kabinette hier. Das Leben für sie; denn sie haben uns das Leben gerettet!«
»Wohl an, wenn sie rufen: »es lebe die Nation!«
Die armen Frauen riefen Alles, was sie wollten.
Dann zerstreuten sich die Marseiller in die Zimmer, indem sie die beiden Nationalgardisten mit sich führten.
»Und diese armen Frauen, die uns gerettet haben,« rief der Baron, »wollt Ihr Andern überlassen, die sie vielleicht erwürgen werden, indem sie nicht wissen, welche Dienste sie uns geleistet haben?«
»Nein,« antworteten die Marseiller, indem sie umkehrten; »aber was willst Du, daß wir mit ihnen machen sollen?«
»Ich verlange, daß man sie nach Hause bringe, und daß ihre Aufopferung belohnt werde.«
»Dann sollen sie unsern Arm nehmen und uns sagen, wo sie wohnen.«
»Wo wohnst Du, Bürgerin?.«fragte der Baron seine Frau.
»Straße Verneuil No. 6,« erwiderte Frau von Marsilly.«
»Kamerad!« sagte der Baron zu jenem der Marseiller, der ihm das gutmütigste Gesicht zu haben schien.
»Ich empfehle Dir diese da. Sie hat am meisten für mich Sorge getragen, und sie wohnt da in der Nähe, Du hast nur über die Seine zu gehen.«
»Sei ruhig,« sagte der Marseiller,« sie wird sicher nach Hause gelangen; ich stehe Dir gut dafür!«
»Aber Du, Bürger,« schrie die arme Frau, indem sie sich an den Arm ihres Mannes anklammerte, »was willst Du beginnen?«
»Ich?«sagte der Baron, indem er die Sprache und die Haltung annahm, die mit seiner jetzigen Kleidung übereinstimmte, »ich will ein wenig sehen, was aus dem König geworden ist.«
Die Baroness stieß einen Seufzer aus, ließ den Arm ihres Mannes los und entfernte sich am Arme ihres Beschützers.
Der Baron stieg durch das kleine Fenster in das benachbarte Kabinett, zog seine Uniform wieder an, die er nur auf einen Augenblick und in der Hoffnung abgelegt hatte, daß er mittelst dieser Verkleidung seine Frau retten könne.
Die Baroness erwartete vergebens ihren Mann den ganzen Tag hindurch am 10. und 11.
Am 11. Abends erkannte ein Portier, als man die Leichnam vom Hofe der Schweizer wegnahm und er half, sie auf den Karren werfen, den Baron, ließ den Leichnam in seine Loge tragen, und setzte die Frau von Marsilly, welche wohlbehalten nach Hause gekommen war, davon in Kenntnis, daß ihr Mann unter den Toten wieder erkannt worden sei.