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Erster Band
Prolog
II.
Worin erklärt ist, warum es, wenn's am St. Medardustag regnet, vierzig Tage später regnet
ОглавлениеWir haben es im vorstehenden Capitel gesagt, er war Hugenott und hatte erklärt, daß es regnen würde.
Die Sache war ganz einfach, wie ihr sehen werdet, und ging folgendermaßen zu.
Der junges Blondin, der einen Freund oder eine Freundin zu erwarten schien, ging am Ufer hin spazieren. Von Zeit zu Zeit blieb er stehen und schaute ins Wasser; dann, als er das Wasser lange genug angeschaut hatte, schaute er auf den Rasen; endlich, nachdem er den Rasen zur Genüge betrachtet, schlug er die Augen auf und sah zum Himmel empor.
Man kann allerdings finden, daß dieß eine einthönige Beschäftigung war, aber man wird gestehen müssen, daß sie harmlos war. Gleichwohl stießen sich einige der Personen, welche das Landifest nach ihrer Weise feierten, daran, daß dieser junge Mann es nach der seinigen feierte. Seit ungefähr einer halben Stunde hatten mehrere Spießbürger, vermischt mit Studenten und Handwerkern, deutlich genug verrathen, daß sie sich über die dreifacher, Betrachtungen des jungen Mannes ärgerten; sie ärgerten sich um so mehr, als dieser selbe junge Mann ihnen nicht die mindeste Beachtung zu schenken schien.
»Ah,« sagte eine Mädchenstimme, »ich bin nicht neugierig, aber ich möchte doch gerne wissen. warum dieser junge Mensch so hartnäckig zuerst das Wasser, dann die Erde und dann den Himmel ansieht.«
»Du willst es wissen? meine Herzensperrette?« fragte ein junger Spießbürger, welcher galant den Wein aus dem Glas der Dame und die Liebe aus ihren Augen trank.
»Ja, Landry, und ich werde demjenigen, der mirs sagt, einen tüchtigen Kuß geben.«
»Ach, Perrette. ich wollte, daß Du für einen so süßen Lohn etwas Schwierigeres fordertest.«
»Ich will mich mit dem begnügen.«
»Versprich mirs noch einmal.«
»Da hast Du meine Hand.«
Der junge Spießbürger küßte die Hand des jungen Mädchens und erhob sich mit den Worten:
»Du sollst es sogleich erfahren.«
Sofort schritt er auf den einsamen und stummen Betrachter zu.
»He da, junger Mann,« redete er ihn an, »ohne Euch befohlen zu wollen, warum schaut Ihr denn den Rasen so an? Habt Ihr Etwas verloren?«
Als der junge Mann bemerkte, daß. man ihn Meinte, drehte er sich um, nahm höflich seinen Hut ab und antwortete mit der größten Freundlichkeit: »Ihr täuscht Euch, mein Herr, ich sah nicht auf den Rasen sondern in den Fluß.«
Nach diesen wenigen Worten drehte er sich wieder auf die andere Seite. Meister Landry war ein wenig verblüfft; er hatte keine so höfliche Antwort erwartet. Diese Höflichkeit rührte ihn. Er kehrte zu seiner Gesellschaft zurück und kratzte sich hinter dem Ohr.
»Nun wohl?« fragte ihn Perrette.
»Nun wohl, wir täuschten uns,« sagte Landry in ziemlich kläglichem Tone, »er sah nicht den Rasen an.«
»Was denn?«
»Den Fluß.«
Man lachte dem Boten unter die Nase, so daß ihm die Schamröthe ins Gesicht stieg.
»Und Ihr habt ihn nicht gefragt, warum er in den Fluß schaue?« fragte Perrette.
»Nein,« antwortete Landry; »er war so höflich, daß ich dachte, es wäre unbescheiden noch eine zweite Frage an ihn zu richten.«
»Zwei Küsse Jedem, der ihn fragt, warum er in den Fluß schaue?« sagte Perrette.
Drei oder vier Liebhaber erhoben sich.
Aber Landry gab durch ein Zeichen zu verstehen, daß er die Sache einmal angefangen habe und folglich auch zu Ende bringen müsse.«
Man gab die Richtigkeit seiner Forderung zu.«
Er wandte sich also von Neuem gegen den jungen Blondin und redete ihn zum zweiten Mal an.
»He da, junger Mann,« fragte er ihn, »he da junger Mann, warum seht Ihr denn so in den Fluß hinein?«
Die vorige Scene erneuerte sich wieder. Der junge Mann drehte sich um, nahm seinen Hut ab und antwortete fortwährend höflich:
»Entschuldigen Sie mich, mein Herr, ich sah nicht den Fluß an, sondern den Himmel.«
Nach diesen Worten salutirte der junge Mann und begab sich auf die andere Seite.
Aber Landry, der schon durch diese zweite Antwort aus seiner Fassung gebracht worden war, wie vorher durch die erste, glaubte seine Ehre im Spiel, und da er seine Gesellschaft laut lachen hörte, so faßte er Muth, nahm den Studenten an seinem Mantel und sagte dringend zu ihm:
»Dann junger Mann, wollt Ihr mir vielleicht gefälligst sagen, warum Ihr den Himmel ansehet?«
»Mein Herr,« antwortete der junge Mann, »wollt Ihr mir gütigst sagen, warum Ihr mich das fraget?«
»Nun wohl, ich will mich offen gegen Euch erklären, junger Mann.«
»Das soll mich freuen, mein Herr.«
»Ich frage es Euch, weil meine Gesellschaft sich darüber ärgert, daß Ihr seit einer Stunde unbeweglich wie ein Klotz dastehet und immer die gleichen Bewegungen machet.«
»Mein Herr,« antwortete der Student, »ich bin unbeweglich, weil ich einen Freund erwarte. Ich bleibe stehen, weil ich ihn beim Stehen aus größerer Ferne kommen sehe. Da er nun nicht kommt und das Warten mich langeweilt, da ferner die Langeweile mich zum Gehen veranlaßt, so sehe ich auf den Boden, um meine Schuhe nicht an den Scherben zu zerreißen, womit der Rasen übersäet ist; wenn ich dann lang genug auf den Boden gesehen habe, so sehe ich in den Fluß; endlich, wenn ich lang genug in den Fluß gesehen habe, so sehe ich zum Himmel hinauf.«
Der Spießbürger nahm diese Erklärung nicht für Das was sie war, nämlich für die reine und einfache Wahrheit, sondern glaubte sich mystifcrirt und wurde roth wie die Klatschrosen, die man von Ferne in den Klee und Kornfeldern schimmern sah.
»Und gedenket Ihr, junger Mann,« fragte er, indem er sich herausfordernd auf seine linke Hüfte stützte und gewaltig in die Brust warf, »gedenket Ihr diese langweilige Beschäftigung noch lange zu treiben?«
»Ich gedachte sie noch bis zu dem Augenblick zu treiben, wo mein Freund zu mir kommen würde, mein Herr, aber« – der junge Mann schaute zum Himmel empor – »ich glaube nicht, daß ich warten kann, bis es ihm gefällig ist. . .«
»Und warum wollt Ihr nicht auf ihn warten?«
»Weil es dergestalt regnen wird, mein Herr, daß weder Sie, noch ich, noch sonst Jemand in einer Viertelstunde noch im Freien bleiben können.«
»Ihr sagt, es werde regnen?« fragte der Spießbürger mit der Miene eines Menschen, welcher glaubt, daß man sich über ihn lustig mache.
»Ja,« und zwar tüchtig, mein Herr, antwortete der junge Mann ruhig.
»Ihr wollt ohne Zweifel spaßen, junger Mann?«
»Ich schwere Euch, daß ich nicht die geringste Lust dazu habe.«
»Dann wollt Ihr Euch über mich lustig machen?« fragte der Spießbürger erbittert.
»Mein Herr, ich gebe Euch mein Wort, daß ich dazu eben so wenig Lust habe als zu einem Spasse.«
»Warum sagt Ihr mir dann, es werde regnen, während das Wetter doch herrlich ist?« heulte Landry, der immer hitziger wurde.
»Ich sage aus drei Gründen, daß es demnächst regnen werde.«
»Kenntet Ihr mir diese drei Gründe anführen?«
»Allerdings, wenn es Euch Freude macht.«
»Es macht mir Freude.«
Der junge Mann salutirte höflich und mit einer Miene, welche besagen wollte: »Ihr seid so liebenswürdig mein Herr, daß ich Euch Nichts abschlagen kann.«
»Ich erwarte Eure drei Gründe,« sagte Landry mit geballten Fäusten und zähneknirschend.
»Der erste, mein Herr,« sprach der junge Mann, »besteht darin: Da es gestern nicht geregnet hat, so ist dieß ein Grund, daß es heute regnen wird.«
»Ihr verhöhnt mich, mein Herr?«
»Ganz und gar nicht.«
»Nun denn, laßt den zweiten hören.«
»Der zweite besteht darin, daß der Himmel die ganze Nacht wie auch den ganzen Morgen überzogen war und es noch in diesem Augenblick ist.«
»Weil der Himmel überzogen ist, so ist das noch kein Grund, daß es regnen wird, versteht Ihr mich?«
»Es ist wenigstens eine Wahrscheinlichkeit.«
»Gebt jetzt Euren dritten Grund zum Besten: nur sage ich Euch zum Voraus, wenn er nicht besser ist als die zwei ersten, so werde ich böse.«
»Wenn Ihr böse würdet, mein Herr, so müßtet Ihr einen abscheulichen Character haben.«
»Ah! Ihr sagt, ich habe einen abscheulichen Character?«
»Mein Herr, ich spreche in der bedingten Zeit und nicht im Präsens.«
»Der dritte Grund, mein Herr? Der dritte Grund?«
»Der dritte Grund zum Regnen ist, das es regnet, mein Herr.«
»Ihr behauptet, daß es regne?«
»Ich behaupte es nicht blos, sondern ich versichere es.«
»Nein, das ist unerträglich!« sagte der Spießbürger außer sich.
»Es wird sogleich noch unerträglicher werden.« sagte der junge Mann.
»Und Ihr glaubt, daß ich mir das gefallen lasse?« rief der Spießbürger scharlachroth vor Wuth.
»Ich glaube, daß Ihre Euch so gut gefallen lassen müßt wie ich,« sagte der Student, »und wenn ich Euch einen Rath ertheilen darf, so machet es wie ich: suchet eine Unterkunft.«
»Ha, das ist zu stark!« heulte der Spießbürger, indem er sich gegen seine Gesellschaft zurückwandte.
Dann rief er denjenigen, die im Bereich seiner Stimme waren, zu:
»Komm Alle hierher! kommt, kommt!«
Er schien so wüthend, daß Jedermann auf seinen Ruf herbeieilte.
»Was gibt es?« fragten die Frauenzimmer mit gellenden Stimmen.
»Was ist los?« fragten die Männer mit heiseren Stimmen.
»Was es gibt?« sagte Landry, als er sich unterstützt sah, »es gehen da ganz unglaubliche Sachen vor.«
»Was denn?«
»Dieser Herr will mich ganz einfach am hellen Mittag die Sterne sehen lassen.«
»Ich bitte um Verzeihung, mein Herr,« versetzte der junge Mann »mit der größten Sanftmuth »ich habe Euch im Gegentheil gesagt, der Himmel sei schrecklich überzogen.«
»Das ist eine Figur, Herr Student,« versetzte Landry, »versteht Ihr mich, das ist eine Figur.«
»In diesem Fall ist es eine schlechte Figur.«
»Ihr sagt, daß ich eine schlechte Figur mache!« heulte der Spießbürger, dem das Blut zu den Ohren drang, so daß er absichtlich oder unwillkürlich schlecht hörte. »Ha, das ist zu stark, meine Herrn Ihr sehet ganz deutlich, daß dieser Schlingel da sich über uns lustig macht.«
»Daß er sich über Euch lustig macht,« sagte eine Stimme, »nun ja, das ist möglich.«
»Ueber mich wie über Euch und uns Alle; er ist ein Witzbold, der blos Possen im Kopf hat und Euch zum Schabernack einen Regen herbeiwünscht.«
»Mein Herr, ich schwöre Euch, daß ich keinen Regen wünsche, da ich sonst eben so naß werde wie Ihr, ja sogar noch nässer, weil ich drei oder vier Zoll mehr habe als Ihr.«
»Ihr wollt also sagen, daß ich ein Knirps sei?«
»Das ist mir nicht eingefallen, mein Herr.«
»Ein Zwerg?«
»Das wäre eine ungerechtfertigte Beleidigung. Ihr habt beinahe fünf Fuß, mein Herr.«
»Ich weiß nicht, warum ich Dich nicht ins Wasser werfe!« ruft Landry.
»Ach ja, ins Wasser! ins Wasser! sagten mehrere Stimmen.
»Wenn Ihr mich ins Wasser werfet, mein Herrn,« sagte der junge Mann mit seiner gewöhnlichen Höflichkeit, »so würdet Ihr nichtsdestoweniger naß werden.«
Da der junge Mann durchs diese Antwort bewiesen hatte, daß er für sich allein mehr Geist besaß als alle Andern, so kehrten sich alle Andern gegen ihn. Ein großer Kerl trat heran und sagte halb spöttisch, halb drohend zu ihm:
»Sag einmal, Du Spitzbube, warum behauptest Du, daß es in diesem Augenblick regne?«
»Weil ich Tropfen gespürt habe.«
»Tropfen!« rief Landry. »Wenn es Tropfen regnet, so ist Dieß noch kein starker Regen, und er hat ausdrücklich gesagt, daß es tüchtig regnen werde.«
»Du stehst also mit einem Astrologen in Verbindung?« sagte der große Kerl.«
»Ich stehe mit Niemand in Verbindung, mein Herr,« antwortete der junge Mann, der sich zu ärgern anfing, »nicht einmal mit Euch; der ihr mich dutzet.«
»Ins Wasser! ins Wasser!« riefen Mehrere Stimmen.
In diesem Augenblick war es, daß der Student, als er den Sturm heftiger werden sah, seine Fäuste ballte und sich zum Kampf vorbereitete. Der Kreis um ihn herum begann sich zu verdichten.
»Ei, sieh da,« sagte Einer der neu Angekommen, »es ist Medardus.«
»Was ist mit Medardus?« fragten mehrere Stimmen.
»Dieß ist der Heilige, dessen Fest wir heute feiern,« versetzte ein Spaßvogel.
»Schon gut,« sagte derjenige, der den jungen Mann erkannt hatte, »dieser da ist kein Heiliger, sondern vielmehr ein Ketzer.«
»Ins Wasser mit dem Ketzer!« rief die Menge, »ins Wasser mit dem Ketzer! ins Wasser mit dem Gottlosen! ins Wasser mit dem Albigenser! Ins Wasser mit dem Hugenotten!«
Und alle Stimmen wiederholten im Chor:
»Ins Wasser! ins Wasser! ins Wasser!«
Dieses Geschrei war es, wodurch das Fest unterbrochen wurde, mit dessen Beschreibung mir im besten Zug waren.
Aber just in diesem Augenblick, wie wenn die Vorsehung dem jungen Mann die Hilfe zusenden wollte, deren er so bedürftig schien, kam der erwartete Freund – ein schöner Cavalier, von zwei bis dreiundzwanzig Jahren, dessen vornehme Miene den Edelmann und dessen ganze Turnüre den Fremden verrieth – der erwartete Freund sagen wir, kam herbeigelaufen, durchbrach die Menge und hatte sich bis auf zwanzig Schritte von seinen Freund vorangearbeitet, als dieser von vorn, von hinten, an den Füßen und am Kopfe zugleich gepackt wie ein Rasender um sich schlug.
»Vertheidige Dich, Medardus!« rief der neue Ankömmling, »vertheidige Dich!«
»Ihr sehet, daß es wirklich Medardus ist!« rief derjenige, der ihn mit diesem Namen begrüßt hatte.
Und als ob die Führung dieses Namens ein Verbrechen wäre, schrie die ganze Menge:
»Ja, es ist Medardus! ja, es ist Medardus! Ins Wasser mit dem Ketzer! ins Wasser mit dem Hugenotten!«
»Wie kann ein Ketzer die Frechheit haben den Namen eines so großen Heiligen zu führen?« rief Perrette.
»Ins Wasser mit dem Gottlosen!«
Und die Leute, die den armen Medardus ergriffen hatten, schleppten ihn nach dem abschüssigen Rand.
»Hierher, Robert!« rief der junge Mann, welcher sah, daß er dieser Masse nicht zu widerstehen vermochte, und daß dieser Spaß leicht mit seinem Tod endigen kannte.
»Ins Wasser!« heulten die Weiber, die im Haß wie in der Liebe wüthend sind.
»Vertheidige Dich, Medardus!« rief der Fremde zum zweiten Mal, indem er den Degen zog, »vertheidige Dich, ich bin da.«
Dann begann er mit der flachen Klinge rechts und links einzuhauen und wälzte sich wie eine Lawine nach der Böschung hin. Aber es kam ein Augenblick, wo diese Menge so dicht war, daß sie beim besten Willen nicht auseinander zugehen vermochte. Sie empfing die Hiebe, heulte vor Schmerz; ging aber nicht auseinander. Nachdem sie vor Schmerz geheult hatte, heulte sie vor Wuth.
Der neue Ankömmling, den man an seinem ausländischen Accent leicht als einen Schotten erkannte, schlug beständig darauf los, kam aber nicht vorwärts oder gewann doch so langsam sein Terrain, daß man wohl sah, sein Freund würde im Wasser liegen, bevor er zu ihm gelangen könnte. Etwa zwanzig Bauern, die da waren, und fünf oder sechs Schiffsleute mischten sich in die Sache. Vergebens klamrnerte sich der arme Medardus mit den Händen fest, vergebens stieß er mit den Füßen, vergebens biß er um sich, jede Secunde brachte ihn dem Uferrand näher.
Der Schotte hörte nur noch sein Geschrei, und dieses näherte sich dem Wasser immer näher. Er selbst schrie nicht mehr, sondern brüllte, und bei jedem Gebrüll fiel seine flache Klinge oder sein Degenknopf auf einen Kopf. Auf einmal wurde das Geschrei noch heftiger, dann verstummte es und dann hörte man das Geräusch eines schweren Körpers, der ins Wasser fällt.
»Ha, ihr Halunken! ha, ihr Mörder! ha, ihr Meuchler!« heulte der junge Mann indem er auch dem Fluß voranzudringen versuchte, um seinen Freund zu retten oder mit ihm zu sterben.
Aber es war unmöglich. Eben so leicht hätte er eine Granitwand umgeworfen, als diese lebendige Mauer. Gänzlich abgehetzt, zähneknirschend, mit Schaum vor dem Mund und schweißtriefender Stirne wich er zurück, Er wich bis auf die Höhe der Böschung zurück, um zu sehen, ob er nicht über diese Menge hinweg den Kopf des armen Medardus bemerken könne, der etwa wieder über das Wasser emporkäme. So stand er auf seinen Degen gestützt, oben auf der Böschung, aber als er Nichts zum Vorschein kommen sah, da senkte er seine Augen auf diese müthende Menge herab und sah voll Eckel diese Menschenmeute an.
Indem er ganz allein, bleich und in seinem schwarzen Costüm so dastand glich er dem Würgengel, der mit ein gezogenen Flügeln einen Augenblick ausruhte Aber nach diesem Augenblick stieg die Wuth, die in seiner Brust kochte wie die Lava in einem Vulkan, brennend auf seine Lippen.
»Ihr seid sammt und sonders Halunken,« sagte er, »Ihr seid sammt und sonders Meuchelmörder, und Schandbuben! Ihr habt Euch zu vierzig zusammengerottet, um einen armen Jungen, der Euch Nichte zu Leide gethan hatte, zu ermorden, ins Wasser zu werfen und zu ersäufen. Ich biete Euch allen zusammen den Kampf an. Ihr seid vierzig, kommt und ich werde Euch alle vierzig Einen um den Andern wie Hunde todtschlagen, denn Hunde seid Ihr.«
Die Bauern, Spießbürger und Studenten, an welche diese Einladung zum Sterben erging, bezeugten ganz und gar keine Lust den Kampf mit blanker Waffe gegen einen Mann auszunehmen, der seinen Degen so sieghaft zu führen schien. Als der Schotte Dieß sah, steckte er verachtungsvoll sein Schwert wieder in die Scheide.
»Ihr seid eben so feig als gemein, niederträchtige Schufte!« fuhr er fort, indem er seine Hand über alle Köpfe ausbreitete, »aber ich werde diesen Tod an Leuten rächen, die weniger erbärmlich sind als Ihr denn Ihr seid des Degens eines Edelmanns nicht würdig. Zurück also ihr elende Bauern, und möge Regen und Hagel eure Weinberge Verwüsten und eure Ernten zu Boden schlagen, und zwar so viele Tage lang, so viel Leute Ihr waret, um einen einzigen Menschen zu tödten!«
Aber da es nicht gerecht gewesen wäre diesen Mord ganz ungestraft zu lassen, und da das Blut wiederum Blut fordert, so machte er eine große Pistole von seinem Gürtel los und schoß, ohne zu zielen, mitten unter die Menge.
»Wie es Gott gefällt,« sagte er.
Der Schuß ging los, die Kugel pfiff, und einer der Bursche, die so eben den jungen Mann ins Wasser geworfen hatten, stieß einen Schrei aus, fuhr mit der Hand an seine Brust und sank tödtlich getroffen nieder.
»Und jetzt adieu!« rief er. »Ihr sollt noch öfter von mir hören. Ich heiße Robert Stuart.«
Als er diese Worte sprach, platzten die Wolken, die sich seit gestern am Himmel gesammelt hatten, plötzlich los, und wie der unglückliche Medardus vorausgesagt, fiel einer jener wolkenbruchartigen Regen, wie sie in den Regenzeiten niemals fallen.
Der junge Mann zog sich langsam zurück.
Die Bauern würden ihm unfehlbar nachgelaufen sein, als sie sahen, daß seine Flüche augenblicklich ihre Wirkung hervorbrachten, aber das Donnergrollen, das ihnen den jüngsten Tag anzukündigen schien, der strömende Regen, die Blitze, die ihre Augen blendeten, beschäftigten sie unendlich mehr als der Gedanke an Rache, und von diesem Augenblick an entstand eine allgemeine wilde Flucht.
Das Ufer das so eben noch von fünf bis sechstausend Personen bedeckt gewesen, war jetzt so verlassen wie der Strand eines jener Flüsse der neuen Welt, die der genuesische Schiffer in der letzten Zeit entdeckt hatte.
Der Regen strömte vierzig Tage lang unausgesetzt fort.
Und deßhalb, wir glauben es wenigstens, liebe Leser, deßhalb regnet es, wenn es am St. Medardustag geregnet hat, vierzig Tage später