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II

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Das Haus des Vaters

Das Innere des Hauses bestand aus einer großen Stube und einem Cabinet.

Diese Stube wurde durch einen ungeheuren Kamin geheizt.

Dieser Kamin war geschmückt mit einer Pendeluhr mit einer Zwiebel in der Mitte; auf jeder Seite dieser Pendeluhr, und die Augen auf sie geheftet, bockten zwei Löwen von Tannenholz mit krausen Mähnen, Troddelschweifen, und einen angenehmen Harzgeruch um sich her verbreitend. Ein wenig davon entfernt, – die Pendeluhr war immer der Mittelpunkt dieser Schmückung, – erhoben sich zwei messingene Leuchter, glänzend wie Spiegel, und in diesen Leuchtern waren zwei Kerzen, welche nur ein einziges Mal angezündet gesehen zu haben das Kind sich erinnert; wir werden sagen, bei welcher Veranlassung. Die Garnitur wurde vervollständigt durch eine Flasche und eine kleine chinesische Vase.

Alles Feuergeräth war von Eisen und glänzte wie der Lauf des Carabiners und der Pistolen des Vaters; das Feuergitter war ein Viertelsreif der einst als Beschläge an einem Rade gedient hatte; der Schlosser hatte ihn in der Schmiede neu bearbeitet, die Löcher durch Hammerschläge verstopft, und ihn, seine gewölbte Form beibehaltend, damit er allein stehen konnte, polirt.

Ein ungeheures Bett von Eichenholz hob sich, von der Thürschwelle aus, in der Perspective gesehen, mit seinen grünen Sarschevorhängen von einer Wand ab, welche nie mit einer Tapete bedeckt gewesen und nur mit Sand und Kalk getüncht war. Von Zeit zu Zeit zog eine kleine Muschel, ein Ueberrest von einer erloschenen Welt, die einst diesen Sand bewohnt hatte, das Auge der Kinder an, und diese belustigten sich damit, daß sie dieselbe mit der Spitze eines Messers aus der Wand ausgruben und vertilgten.

In der andern Ecke, parallel mit dem großen Bette, war das schmälere und besonders kürzere Bett der zwei Kinder, welche beisammen schliefen.

Ein großer Tisch von massivem Mahagoniholz stand mitten in der Stube; er war umgeben von Strohstühlen mit blau-grau angemaltem Gestell. Zwölf Stühle waren unveränderlich aufgestellt: drei um den Tisch; sieben längs der Wand, einer vor einem Secretär, an welchem der Vater seine Berichte schrieb, und einer beim Kamin, einem hölzernen Bänkchen gegenüber.

Wurden diese Stühle aus irgend einem Grunde, wegen eines Besuches, eines Frühstücks, eines Mittagsmahles oder einer einfachen Erfrischung, verrückt und der Grund war verschwunden, so nahmen die Stühle unveränderlich wieder den gewohnten Posten ein, und man hätte glauben sollen, sie kehren, wie in den Zauberstücken, von selbst an ihren Platz zurück.

Vier Rahmen von schwarzem Holze, welche vier Stiche, die Vier Jahreszeiten vorstellend, enthielten,« bildeten die artistische Zierrat der vier Wände.

Die militärische Zierath bildete eine Trophäe aus dem Carabiner, den Pistolen und dem Säbel des Vaters bestehend.

Ein großer eichener Schrank vervollständigte das Mobiliar.

Als die Mutter gestorben war, – ihr Tod mußte sich im Jahre 1811 ereignen, – als die Mutter gestorben war und der Vater den Dienst auf der Küste bekam, schloß man das Haus, und die zwei Kinder wurden in Pension zu zwei Demoiselles gegeben, welche eine Schule in Caen hatten: man nannte sie Mademoiselle Meulan und Mademoiselle Poupinette.

Die zwei Kinder, welche hinzukamen, schliefen in einem Zimmer mit den zwei alten Jungfern.

Doch, wie gesagt, diese Abwesenheiten hörten mit dem Kaiserreiche auf. Der Friede erlaubte den Küsten, sich ganz allein zu bewachen, oder wenigstens, sich mit ihren gewöhnlichen Wachen zu begnügen, und die längsten Dienstrunden dauerten nur vierundzwanzig, achtundvierzig, höchstens zweiundsiebzig Stunden.

Während dieser Stunden brachten die Kinder den ganzen Tag bei den zwei Schullehrerinnen zu: aber man führte sie am Abend zurück, und sie schliefen in dem großen Bette, was ein Fest für sie war.

Oft kam der Vater bei Nacht nach Hauses doch halb vermöge des guten Schlafes, der der Wiederherstellungsengel der Kräfte der Kindheit ist, halb vermöge der Vorsichtsmaßregeln, die der alte Soldat, zärtlich wie eine Mutter, nahm, um seine zwei Söhne nicht aufzuwecken, bemerkten diese die Rückkehr des Vaters erst am andern Morgen, wenn sie auf dem Boden die kothige Verlassenschaft des Douanier sahen; auf dem Mahagonitische gewahrten sie seinen Säbel, seinen Carabiner, seine Pistolen, und im Bette der Kinder den Douanier selbst, dessen auf einen Stuhl gelegten Beine um anderthalb Fuß über die Matratze hinausgingen und ihnen durch die Vergleichung noch viel größer schienen.

Und dann erhoben sich die Kinder halb nackt, stiegen geräuschlos aus dem großen Bette, näherten sich dem kleinen und betrachteten mit großen Augen den republikanischen Riesen, erstaunt, wie jene Bauern von Virgil beim Anblick der gewaltigen Knochen, die die Pflugschaar aus den fruchtbaren Ebenen zog, welche Schlachtfelder gewesen waren.

Der Vater war für sich selbst indevot: er nannte die Priester Pfaffen und die Mysterien der Religion Albernheiten. Er fing indessen zuweilen in die militärische Messe und schickte regelmäßig die Kinder zum Hochamt. Die Kinder verfehlten nicht, ein Stück geweihtes Brod daraus zurückzubringen. Der Vater legte sodann seine Pfeife aus den Mahagonitisch oder auf den Secretär, nahm das Brod zart zwischen den Zeigefinger und den Daumen der rechten Hand, zog mit der linken Hand seine Polizeimütze oder seinen Hut ab, machte das Zeichen des Kreuzes mit dem geweihten Brode. Schob es in seinen Mund und verschluckte es, indem er es so wenig als möglich zermalmte.

Alles dies geschah in drei Tempi auf militärische Weise.

Doch schon waren die Kinder herangewachsen und aus den Händen der zwei alten Jungfern in die eines ehemaligen Unterofficiers übergegangen, der, da er die Tochter eines Professors geheirathet, eine Schule gegründet hatte, wo der Schwiegervater das Lateinische und das Französische lehrte, während der Schwiegersohn Lectionen in der Geographie und in der Mathematik gab.

An den Abenden, wo der Vater nicht im Dienste war, gingen Vater und Kinder um acht Uhr im Winter und um neun Uhr im Sommer zu Bette, und Alles schlief bis zum Tage, der gewöhnlich mit seinem ersten Strahle die Augen von Jedermann wieder öffnete.

An den Tagen oder vielmehr in den Nächten, wo der Vater wachte, machten ihm gewöhnlich die Kinder einen Besuch in der Wachstube, welche am Ufer des Flusses lag.

Um zehn Uhr, manchmal um elf Uhr, – und sogar um Mitternacht, aus besonderer Gnade und wenn die Douaniers, die Kameraden des Vaters, sich an dem Geplauder der zwei Kinder belustigten, – schickte man sie zum Schlafengehen nach dem Hause, dessen Schlüssel man ihnen anvertraute unter der Bedingung, daß sie weder Feuer, noch Licht anzünden würden.

Die Kinder entfernten sich sodann, jedoch mit einem sichtbaren Widerwillen; sie baten, in der Wachstube bleiben und aus dem Feldbette schlafen zu dürfen, eine Bitte, die ihnen unbarmherzig abgeschlagen wurde.

Der Vater führte sie bis zur Thüre zurück und sagte zu ihnen: »Geht!« Die Kinder gingen, ohne das weiter zu widerstreben wagten, und der Vater schloß die Thüre hinter ihnen.

Sie marschirten Anfangs sachte, flüsterten leise, und suchten in den dunklen, nebeligen Nächten eine unentschiedene Form, die sich am Himmel zeichnete, – in den vom Monde erleuchteten Nächten, hatten sie nicht nöthig, etwas zu suchen, – diese Form hob sich kräftig oder klar, je nachdem sie im Schatten oder im Lichte war, vom gestirnten Azur des Firmamentes ab.

Diese Form war die eines hohen Thurms, und es geschah zuweilen, daß die zwei Fenster seiner Spitze, von einem röthlichen Feuer erleuchtet, wie Wehrwolfsaugen glänzten

Die Kinder waren genöthigt, am Fuße dieses Thurmes vorbeizugehen.

Wenn sie nur noch zwanzig Schritte vom Granitriesen, der in der Dunkelheit mit der Majestät der unbeweglichen Dinge emporragte, entfernt waren, nahmen sie sich bei der Hand und liefen, ohne ein Wort, ohne ein anderes Geräusch, als das, welchen ihrer keuchenden Brust entschlüpfte, unaufhaltsam bis sie am Hause angekommen waren. Hier erst blieben sie stehen; derjenige welcher den Schlüssel hatte, steckte ihn mit einer zitternden Hand ins Schloß, der Schlüssel drehte sich den Riegel ergreifend, die Thüre öffnete sich, die Knaben traten rasch ein, und der Muthigere, das heißt der Aeltere schloß die Thüre wieder.

Dann kleidete man sich rasch aus, man legte sich in einem Nu zu Bette, man schwatzte noch einen Augenblick leise; bald aber erlosch das Geplauder und es Folgte darauf ein doppeltes Athmen, sanft und rein, wie das von zwei entschlummerten Tauben.

Warum machte nun dieser Thurm den Kindern so sehr bange? Was hatte dieser Thurm Erschrecklicheres, als jeden andere Gebäude? Woher kam es, daß die zwei Kinder, welche doch sonst nicht furchtsam waren, so stark zitterten und so schnell liefen, wenn sie am Fuße dieses Thurmes vorbeigehen mußten?

Wir wollen es sagen.

Dieser Thurm hieß der Thurm des Amphiteaters; in diesem Thurme versammelten sich, um die Todten der Hospitäler von Caen zu seciren, die Studenten der Medicin. Die Tradition versicherte, diese glühenden Schüler der Wissenschaft studiren nicht nur in anima vili, sondern es liefern ihnen auch Entheiliger der Kirchhöfe Todte, die an Krankheiten verschieden, welche aristokratischer als die, die den Armen zu treffen pflegen und in den Hospitälern herrschen.

Die zwei glänzenden Augen des Thurmes waren entflammt durch das innere Licht, bei dessen Helle die Studenten arbeiteten.

Die schwarzen, krächzenden Raben, die sich vom Morgen bis zum Abend in einem unheimlichen Wirbel um die Spitze des Thurmes drehten, was suchten sie hier? was forderten sie mit heftigem Geschrei, wenn man sie warten ließ? Die Fetzen Menschenfleisch, die ihnen so reichlich Nahrung lieferten, daß sie, wenn sie ihre Tafel auf der Spitze des Thurmes halten, ihr Futter nicht anderswo zu suchen brauchten.

Das war es, was den Kindern bange machte, wenn sie am Fuße dieses Thurmes vorüberkamen; das ließ sie bleicher werden; das machte reichlicher den Schweiß von ihren eiskalten Stirnen fließen, besonders wenn sie auf ihren Wege einem verspäteten Arbeiter begegneten, der eine Last trug; denn sie hielten diesen Arbeiter für einen Todtendieb! denn sie hielten diese Last für eine Leiche!

Ein Lied der Leute vom Hafen, ein Lied so häßlich, so erschrecklich als die Sache, auf die es sich bezog, bestätigte die Tradition und erhob sie zum Range der Legende

Dieses Lied heißt:

C’est à l’Amphitéâtre

Qu’y a des écorheux,

Tant mieux!


Qu’ecochent les bell’ dames

Ainsi que les beaux messieux,

Tant mieux!1


Wie der Vater Tag und Nacht die Marsellaise trällerte, so erwachte dieses unglückliche Lied der Ecorcheux mit dem Schimmer der ersten Sterne im Geiste der Kinder, die es, wenn sie es nicht trällerten, wenigstens beständig im Gedächtniß gegenwärtig hatten.

Der Aeltere von den Knaben hatte indessen sein zwölftes Jahr erreicht und der Jüngere sollte sein zehntes erreichen, als dieser eines Abends sich über heftiges Kopfweh beklagte und sich früher als gewöhnlich zu Bette legte.

Man hielt dieses Kopfweh für eine Unpäßlichkeit ohne Folge, und man schenkte diesem Umstande keine große Aufmerksamkeit.

Am andern Tage wollte Adolphe aufstehen: man ließ ihn gewähren; doch er konnte nur eine Stunde aufbleiben.

Nach einer Stunde ging er ganz schwankend wieder zu Bette. Fünf Minuten nachher klapperten seine Zähne; er hatte das Fieber. In der darauf folgenden Nacht sang er das Lied der Ecorcheux. Er hatte das Delirium.

Man ließ den Arzt kommen. Der Knabe war von einer Hirnentzündung befallen.

Was auch der Mann der Wissenschaft that, es war zu spät. Am fünften Tage der Krankheit erklärte er dem Vater, jede Hoffnung, das Kind zu retten, sei verloren.

Der Vater beugte unter diesem Worte einen Kopf, der sich nie unter dem Pfeifen der Kugeln gebeugt hatte, wischte eine Thräne ab, die einzige, die ihn der kleine Etienne hatte vergießen sehen, wandte sich gegen die Frau um, welche die zwei Kinder an das Bett ihrer Mutter in jener Nacht gestellt, wo die Mutter selbst das Delirium gehabt hatte, und sagte:

»Holt den Priester.«

Die Frau ging hinaus.

Eine Stunde nachher ertönte das Glöckchen der letzten Oelung in der Rue des Carmes, die Thüre der großen Stube öffnete sich und entblößte das kleine Bett der Kinder, beleuchtet durch die zwei jungfräulichen Kerzen vom Kantine, welche die eine am Haupte, die andere am Fuße des Bettes in ihren großen messingenen Leuchtern, von denen jeder auf einem Stuhle stand, brannten.

Es war Abends neun Uhr; das Fieber hatte das Kind verlassen und dieses schien eingeschlafen zu sein.

Der Priester trat ein, gefolgt von zwei Chorknaben, welche Kerzen trugen, und vom Kirchendiener, der das Kreuz trug.

Hinter ihnen ging jener fromme Theil der Einwohnerschaft, der immer bereit ist, seine Gebete ans Bett der Sterbenden zu bringen.

Der Vater nahm seine Mütze ab, als er den Priester, die Chorknaben und den Kirchendiener erblickte, kniete nieder und ließ Etienne an seine Seite knieen.

Die heilige Ceremonie ging in Erfüllung; die Füße und die Stirne des Sterbenden wurden mit dem Chrisam gesalbt; hiernach entfernte sich der Priester, wie er eingetreten war, gefolgt von den Chorknaben und den zwölf bis fünfzehn Gläubigen, welche für das Kind um einen glücklichen und leichten Uebergang von dieser Welt in jene gebetet hatten.

Die Thüre schloß sich wieder hinter dem Letzten von ihnen. Der Vater und der Bruder blieben allein bei dem Sterbenden.

Der Vater stand sodann auf, löschte die zwei Kerzen aus, stellte die Leuchter wieder auf den Kamin an ihren gewöhnlichen Plan, und setzte sich auf das Bänkchen dem Feuer gegenüber, das allein noch die Stube erleuchtete.

Der kleine Etienne setzte sich zu seinem Vater.

Der Vater stützte seine Ellenbogen auf seine Kniee und versenkte seinen Kopf in seine Hände; sein Gesicht war verschleiert wie das von Agamemnon.

Das Kind saß, die Hände auf seinem Schooße ausgestreckt, da.

Der Wiederschein des Herdes beleuchtete diese zwei wie Statuen unbeweglichen Gestalten und spielte zitternd an der Wand gegenüber.

Nur dehnte er sich nicht weit genug aus, um die Finsterniß der Ecke zu zerstreuen, in der das Bett des Kindes stand.

Alles schwieg in der Stube, wo der doppelte Schmerz wachte.

Man fühlte, daß der Tod nicht mehr fern war.

Plötzlich unter dieser unheimlichen Stille, erhob sich ein sanftes, liebkosendes, klares Stimmchen, vom Bette herkommend.

Es war die Stimme des Kindes.

»Vater,« sagte sie mit einem Ausdrucke der Angst, der sich nicht schildern läßt, »sprich, die Schinder vom Amphitheater, welche die schönen Herren und die schönen Damen schinden, schinden sie auch die kleinen Knaben wie mich?«

Etienne schauerte und fing an zu weinen.

Der Vater stand auf, und die Hand an der Kehle, als hätte er eine unsichtbare Zange davon entfernen wollen, sank er auf das Bett des Kindes und erwiederte:

»Nein, nein, mein Kind, sei ruhig! überdies wache ich über Dich.«

»Ich danke, Vater,« sagte die sanfte Stimme des Kindes.

Das waren die letzten Worte, die Etienne seinen Bruder sprechen hörte.

Eine Stunde nachher fing der Sterbende an zu röcheln.

»Geh zur Tante,« sagte zu Etienne der Vater der nicht wollte, daß er Zeuge vom Todeskampfe und vom Tode seines Bruders sein sollte.

Das Kind gehorchte, ohne ein Wort zu erwiedern.

Zum Glück brauchte man, um zur Tante zu gehen, nicht am Fuße des Thurmes zu passiren.

Nach dem, was Etienne seinen Bruder hatte sagen hören, würde er eher die Nacht auf der Thürschwelle zugebracht, als dem Granitriesen getrotzt haben.

Er lief zu seiner Tante und erzählte- was vorgefallen war.

Der Vater war beim Kinde geblieben.

Gott allein wohnte als Dritter dem Todeskampfe bei.

Um andern Tage, gegen Mittag, wurde die Thüre der Tante geöffnet.

Der Vater erschien auf der Schwelle.

Er war bleich und stumm.

Er schloß langsam und leise die Thüre; dann setzte er sich immer still, in einen Winkel.

Niemand wagte es, ihn zu fragen.

Endlich wandte sich der kleine Etienne gegen ihn und sagte:

»Vater, wie geht es meinem Bruder?«

»Besser,« antwortete der alte Soldat mit einer Stimme, deren Ausdruck sich nicht beschreiben läßt.

Das Kind war todt.

Am zweiten Tage fand die Beerdigung auf einem kleinen äußeren Friedhofe statt, der viel mehr zur Bannmeile, als zur Stadt selbst gehörte

Es waren wenig Leute da. Der Vater, der Bruder, die Tante und drei bis vier gute Seelen, deren Gebete sich allen Schmerzen weihen, sodann die Douauiers, die Kameraden des Vaters.

Die Priester, die zwei Chorknaben und der Kirchendiener, welche zwei Tage vorher dem Kinde die letzte Oelung gebracht hatten, gingen an der Spitze des Zuges.

Man weiß, mit welcher Geschwindigkeit die Gebete auf dem Grabe der armen Leute gesprochen werden.

Der Priester sprach diese Gebete, sprengte mit dem Wedel ein paar Tropfen Weihwasser auf den Sarg, gab den Wedel den Umstehenden und entfernte sich mit den Chorknaben und dem Kirchendiener.

Die Anwesenden defilirten längs dem Grabe, reichten sich nach und nach den Wedel und schüttelten ihn Einer nach dem Andern.

Gegen die Gewohnheit blieb der Vater bis zuletzt.

Der kleine Etienne wollte bei ihm bleiben; doch der Vater sagte ein paar Worte leise zu einem Douanier, und dieser führte ihn fort.

Es war auf dem Friedhofe nur noch der in die Tiefe des Grabes gelegte Leichnam und auf beiden Seiten des Loches der Vater und der Todtengräber.

Der Todtengräber schickte sich an, die erste Schaufel voll Erde auf den Sarg rollen zu lassen.

Der Vater hielt ihn zurück.

»Was gibt es?« fragte der Todtengräber.

»Es ist eine letzte Vorsichtsmaßregel zu treffen.«

»Welche?«

»Steige ins Grab hinab, hebe den Deckel vom Sarge auf.«

»Aber, Herr . . .«

»Thu, was ich Dir sage.«

Der Todtengräber glaubte, dieser Vater, der seine Frau und sein Kind verloren, wolle sein Kind zum letzten Male sehen.

Er stieg ins Grab hinab, hob den Deckel vom Sarge auf und schob das Leichentuch auf die Seite.

Das Kind war weiß wie Alabaster.

»Oeffne nun die Brust des Kindes mit Deinem Messer.«

Der Todtengräber schaute ganz erschrocken empor.

»Thu, was ich Dir sage,« wiederholte der Vater mit einem immer mehr gebieterischen Tone.

Der Todtengräber gehorchte. Eine lange Wunde war bald vom Brustbein bis zum Nabel geöffnet.

»Nun?« fragte der Todtengräber.

»Nun,« erwiederte der Vater, indem er eine Flasche aus jeder von seinen Taschen zog, »nun leere in die Brust diese zwei Flaschen Vitriol. Ich habe keine Lust, den Körper meines Sohnes von den Leichendieben, um ihn an die Schinder zu verkaufen, stehlen zu lassen.«

Der Todtengräber nahm die zwei Flaschen und leerte sie in die Brust des Kindes; er überließ es sodann der ätzenden Flüssigkeit, ihr Zerstörungswerk zu vollbringen, und schickte sich an, das Grab zu füllen.

Doch der Vater hielt schon den Spaten, schob den Todtengräber mit der Hand zurück und sagte:

»Das ist meine Sache.«

Und er füllte das Grab, auf dem er herumtrat, bis es zum Niveau des Bodens geebnet war.

Sodann entfernte er sich mit gesenktem Kopfe und die Arme gekreuzt, ohne ein Wort zu sagen.«

Einen Monat lang wachten die Douaniers der Brigade der Reihe nach auf dem Friedhofe, ans Furcht, die Leichendiebe könnten den Leib des Kindes stehlen, um ihn an die Schinder zu verkaufen.

1

Im Amphitheater gibt es Schinder, desto besser!

welche die schönen Damen schinden, sowie die schönen Herren, desto besser!

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