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IV

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Taufe und Weihe von Etienne

Man vernehme, was sich am vorhergehenden Tage ereignet hatte.

Am Tage vorher, – als er müßig herumschlenderte. – wir haben zugestanden, daß der junge Etienne viel herumschlenderte, – als er am Tage vorher auf dem Komödienplatze herumschlenderte, von fern das Monument, von nahe die Anschlagzettel anschaute, sah sich der Zögling von Herrn Odelli vor einem Gäßchen, das zwischen einer von den Seitenfacen des Theaters und einem Klumpen Häuser durchlief.

Er trat in das Gäßchen ein; Alles dies, begreifen Sie wohl? einzig und allein in Absicht, sich an, Steinen zu reiben, welche Komödie spielen hörten.

Sie kennen das Sprichwort: »Die Wände haben Ohren.«

Links fand der junge Etienne einen Eingang so düster wie der der Höhle von Ali Baba.

Schlüpfriger Boden, feuchte Wände, Wassertropfen diamantene Rinnen die Mauern entlang ziehend nichts fehlte.

Der Hausmeister. der sich gewöhnlich hier aufhielt, war nicht da.

Der schwarze Rachen der Höhle schien ihn verschlungen zu halten.

Der junge Mann wagte es, drei Stufen hinabzusteigen, dann zwanzig hinauf, wobei er das Licht hinter sich ließ und sich bei jedem Schritte, den er machte immer mehr in die dichteste Finsternis vertiefte.

Oben auf der Treppe drückte er eine Thüre auf: diese Thüre ging auf die Eingeweide des Ungeheuers.

Nie warf Jonas im Bauche des Wallfisches einen so erstaunten Blick auf den Rückgrath, auf die Rippen, ans die Blase, welche so groß wie ein Ballen Godard, und auf die fünfhundert Fuß dünner Gedärme, als dies unser junger Mann, das Lampengestell, die Träger mit den eisernen Sprossen, die vom Plafond herabgebenden zahllosen Fäden und die Riesenthüre, durch welche die Coulissenrahmen herein kommen, anschauend that.

Er ging Schritt für Schritt in dieser Finsternis und in dieser Einsamkeit und trat so leicht, als er konnte, auf, um kein Geräusch zu erregen, als er fühlte, wie sich eine breite, mächtige Hand auf seine Schulter legte.

Er glaubte unter die Klauen eines Riesen gefallen zu sein.

Erschrocken wandte er sich um; dann gab er plötzlich einen Schrei des Erstaunens, an dem die Freude ihren guten Theil hatte, von sich und rief:

»Sie da, Herr Aubin der Aeltere!«

So nannte man, um ihn von seinem jüngeren Bruder zu unterscheiden, den älteren von den Söhnen eines Bildhauers, der sein Magazin auf dem Komödienplatze hatte.

»Nun, ja.« antwortete Aubin, »ich bin es . . . was dann?«

»Was dann? Es freut mich sehr, daß Sie es sind.«

»Warum?«

.Weil Sie mich nicht vor die Thüre werfen werden.«

»Vor welche Thüre?«

»Vor die Thüre des Theaters.«

»Du hattest bange, man könnte Dich vor die Thüre werfen?«

»Gewiß.«

»Interessirt es Dich, ein Theater zu sehen?«

»Im höchsten Grade. Seit ungeheuer langer Zeit gelüstet es mich hiernach.«

»Du möchtest gern Schauspieler sein?«

»Ah! Herr Aubin, ich glaube wohl, daß ich das sein möchte.«

»Wer hält Dich davon ab?«

»Der Vater! Wenn Sie wüßten, wie er mich geprügelt hat, als er hörte, ich habe in der Pantomime von Gringalet von Rouen gespielt!«

»Und trotz der Schläge hast Du den Beruf behalten.«

»Meine Neigung ist stärker als je. Ich glaube, ich werde rasend, wenn ich nicht eines Tags Schauspieler bin.«

»So komm hierher. «

»Hier bin ich, Herr Aubin.«

»Knie’ nieder.«

»Wozu?«

»Knie’ nieder.-«

»Ich kniee.«

»Warte.«

Er nahm einen Tümmler voll Oel.

»Im Namen von Talma, Garrick und Roscins taufe ich Dich zum Schauspieler,« sprach er zu dem jungen Mann.

Und er goß ihm den Tümmler Oel auf den Kopf.

»Ah! was machen Sie denn, Herr Auhin?«

»Es ist nun nicht mehr zu widerrufen: Du bist zum Schauspieler getauft; Du wirst unter jeder Bedingung Schauspieler sein.«

Er war mehr als getauft, er war geweiht.

Das hatte sich am vorhergehenden Tage ereignet; das war die sibyllinische Wahrsagung, die dem Schüler von Herrn Odelli den Muth gab, sich von seinem Bildschnitzer wegjagen zu lassen.

Am andern Tage, gegen neun Uhr Morgens, hieß man ihn zwei geschnitzte Tauben zum Tischler tragen.

Reichlich berechnet, brauchte man eine Viertelstunde, um hin- und herzugehen.

Etienne blieb heldenmüthig drei und eine halbe Stunde aus.

Er kam Mittags um drei Viertel auf ein Uhr zurück.

»Woher kommst Du, Faulenzer ’s« fragte der Meister.

»Woher ich komme?«

»Ja, das frage ich Dich.«

»Ich komme, woher es mir beliebt.«

»Wie, woher es Dir beliebt?«

»Nicht anders!«

»Ah! so antwortest Du mir?«

»Sie mußten mich nicht fragen, dann hätte ich Ihnen auch nicht geantwortet.«

Hätte der Meister einen Spiegel vor sich gehabt, so würde er sich darin angeschaut haben, um zu sehen, ob er wohl wache.

»Du willst also vor die Thüre gesetzt werden?«

»Oh! man braucht mich nicht vor die Thüre zu setzen; ich werde mich allein davor setzen.«

»Warte, warte, kleiner Schlingel!«

»Vor Allem heiße ich nicht kleiner Schlingel, sondern Etienne Marin.«

»Du unterstehst Dich, so zu reden, Schuft?« rief der Meister.

Und er hob zwei angefangene Tauben auf, um sie dem Knaben an den Kopf zu werfen.

Der Knabe flüchtete sich über einen Werktisch und war in einem Nu vor der Thüre.

»Ah! das soll Dein Vater erfahren . . . »Warte! Warte!«

Hiernach setzte der Bildschnitzer seine Mütze auf, zog seine Schürze aus, schlüpfte in seinen Rock und schlug in Geschwindschritt den Weg nach der Rue des Carmes ein.

Da half kein Widerruf. Die Prügeleinnahme war sicher, es handelte sich nur um das Mehr oder Weniger.

So stoisch der Schüler von Herrn Odelli auch sein mochte, es war doch ganz einfach, – angenommen, daß eine Wahl zu treffen und Freiheit in der Wahl war. – es war einfach, daß er das Minder zum Nachtheil des Mehr wählte.

Der Vater hatte eine Nachtrunde zu machen. Gewöhnlich ging der Vater zu seiner Nachtrunde um sieben Uhr Abends aus und ließ den Schlüssel unter der Thüre, damit ihn der Knabe, von Herrn Odelli zurückkehrend, finden könnte.

Die ganze Frage war, die Rückkehr erst nach acht Uhr zu versuchen; der Vater würde seit einer Stunde weggegangen sein; der Säumige hätte die ganze Nacht vor sich.

Etienne ging bis um acht Uhr spazieren.

Um acht Uhr wandelte er nach der Rue des Carmes.

In dein Augenblick, wo er, an den Mauern hinschleichend, die Thüre erreichte, öffnete sich diese, und der Vater erschien, den Carabiner auf der Schulter, die Pistolen im Gürtel, den Säbel an der Seite und die Marsellaise trällernd.

Der junge Mann blieb verdutzt und gleichsam an die Wand geklebt stehen.

Nachdem er zwei Schritte gemacht, erblickte ihn der Vater, er zog seinen Säbel und schrie:

»Ha! Schuft, Du bist da!«

Der Knabe stürzte in den Gang, doch der Vater stürzte ihm nach.

Auf der ersten Stufe der Treppe holte er ihn ein, und er schlug auf ihn mit dem flachen Säbel.

Er geleitete ihn so immer schlagend bis zum dritten Stocke.

Es war nicht möglich, weiter zu gehen: hier endigte die Treppe.

Der arme Geschlagene sah sich genöthigt, anzuhalten und sich seiner Strafe zu unterziehen.

Sie war lang und streng

Am andern Tage, Morgens um acht Uhr, kam Etienne bleich und ganz gerädert von Schlagen bei Herrn Odelli an.

Herr Odelli brauchte keinen Blick auf ihn zu werfen, um zu begreifen, was vorgefallen.

»Ah!« sagte er, »es scheint, es ist vorbei!«

»Ja, mein Herr,« antwortete mit kläglichem Tone der Schüler.

Es war von nichts mehr die Rede.

Ein ganzes Jahr lang blieb der junge Mensch noch die Sculptur studirend bei Herrn Odelli; er schwänzte aber immer wieder die Schule den Theatern, den Kunstreitern und den Seiltänzern zu Liebe.

Was ihm eine so unberechenbare Anzahl Prügel von seinem Vater eintrug, daß er, um welchen Preis es auch sein möchte, in der Hauptstadt Kunst zu treiben beschloß.

Haben die Menschen ihren Platz in der Zukunft bezeichnet, so ist immer eine Vorsehung da, welche im gegebenen Augenblick einen Menschennamen entlehnt, den Auserwählten bei der Hand nimmt und führt, wohin er gehen will.

Die Vorsehung des jungen Mannes nahm den Namen Herr Lair an.

Herr Pierre Aimé Lair war Präfecturrath. Er war einer von den Männern, welche so kostbar für die Provinzstädte zweiten Ranges, weil sie sich an die Spitze des Fortschrittes stellen und allen Verbesserungen die Hand bieten.

Sagen wir, was in physischer und moralischer Hinsicht Herr Pierre Aimé Lair war, den die Stadt Caen vor zwei Jahren zu verlieren das Unglück gehabt hat.

In physischer Hinsicht war er ein Mann von mittlerem Wachse, braun, mager, blatternarbig, immer sehr gut rasirt, was den unteren Theil seines Gesichtes kobaltblau machte, seine Tracht war die eines zurückgebliebenen Provinzbewohners, wodurch indessen seiner großen natürlichen Distinction durchaus kein Abbruch geschah: er trug gewöhnlich einen blauen Rock, eine weiße Weste, Nankinbeinkleider im Sommer, eine Tuchhose im Winters er zog selten Stiefel an, und wenn er keine hatte, so trug er, von welcher Farbe auch seine Beinkleider sein mochten, unabänderlich blaue Strümpfe.

In moralischer Hinsicht war er ein Mann von so vollkommener Freundlichkeit und Höflichkeit, daß er in seinen Manieren etwas vom Prälaten hatte. Diese außerordentliche Einigkeit diente bei ihm als Hülle für eine mächtige Energie.

Eines Tags, als er bekleidet mit dem königsblauen und hellblau gestickten Fracke eines Präfecturrathes, mit seinen Nankinhosen, seinen blauen Strümpfe, das Kinn frisch rasirt und umrahmt von einer weißen Halsbinde, der Ziehung der Conscription beiwohnte, zog ein armer normannischer junger Mensch die Nummer 1. Der junge Mann hatte keinen Befreiungsgrund und es war also sehr wahrscheinlich, daß er abgehen mußte; seine Mutter, die sich in einem Winkel vom Saale des Rathhauses befand, erhob auch ein gewaltiges Geschrei.

Dieses Geschrei berührte unangenehm das Trommelfell des bei der Ziehung anwesenden Generals.

»Laßt die Schreierin abtreten!« rief er mit lauter Stimme.

Eine solche Brutalität empörte Herrn Lair, und er sagte mit seinem sanftesten, artigsten Tone:

»Ah! General, ehren Sie den Schmerz einer Mutter.«

Ein Gemurmel des Beifalls folgte auf die Worte von Herrn Lair mit der eisigen Stille contrastirend, welche auf die des Generals gefolgt war.

Die von Seiten von Herrn Lair höfiche Lection war streng von Seiten des Publicums geworden.

Der General, der sich nicht an das Publikum halten konnte, hielt sich an Herrn Lair.

Er warf seinen Kopf an die Lehne seines Stuhles zurück, um mit seinem hinter ihm sitzenden Adjutanten sprechen zu können, und fragte ihn, laut genug, um von allen denen, welche ihn umgaben, und folglich auch von Herrn Lair selbst gehört zu werden:

»Sagen Sie doch, mein Lieber, wissen Sie den Namen von diesem Herrn mit seinem blauen Kinn, seinem blauen, blau gestickten Rocke und seinen blauen Strümpfen?«

Der Adjutant lachte auf eine sehr angenehme Weise über diesen Witz seines Generals.

Herr Lair veränderte sein Gesicht nicht im Mindesten. Jedermann wandte sich gegen ihn um: er allein schien nicht gehört zu haben.

Nur, als die Ziehung vorüber war, näherte er sich dem General und sagte zu ihm mit der Höflichkeit, von der er, selbst wenn er gewollt hätte, nicht abzulassen im Stande gewesen wäre:

»Mein Herr, Sie wünschten, wie es schien, meinen Namen zu wissen, da Sie Ihren Herrn Adjutanten gefragt haben, der Ihnen denselben nicht nennen konnte. Ich will dies thun: ich heiße Pierre Aimé Lair.«

»Sehr erfreut,« erwiederte der General.

»Was nun die Revue betrifft, die Sie meine Person und meine Tracht passiren zu lassen mir die Ehre erwiesen, so ist sie vollkommen genau, jedoch Eines ausgenommen.«

»Was, mein Herr?«

»Ei! den Degen, den ich an der Seite trage, und dessen Spitze ich Sie fühlen zu lassen hoffe, wo und wann es Ihnen beliebt, General, damit Sie denselben ein andermal nicht vergessen.«

So leise sie auch gesagt war, die Herausforderung wurde gehört; man legte sich ins Mittel. Es war ein Zu schlechtes Beispiel, einen General und einen Präfecturrath sich schlagen zu sehen. Das Duell fand nicht statt.

Zehn Jahre später, in einem Alter von fünfzig Jahren, hatte Herr Lair die Idee, eine Reise durch Frankreich zu machen. Er war eines der ausgezeichnetsten Mitglieder der Gesellschaft der Alterthumsfreunde der Normandie, und die Reise, die er unternahm, hatte besonders archäologische Studien zum Zwecke. An einem schönen Morgen ging er zu Fuß ab, er macht seinen Stock mit dem goldenen Knopfe in der Hand sechs, acht bis zehn Meilen am Tage und reiste so ein Jahr oder achtzehn Monate.

Zum Glück für den Schüler von Herrn Odelli, war er aber im Jahre der Gnade 1826 nicht auf der Reise.

Er besuchte oft die Zeichenschule, plauderte liebevoll mit den Zöglingen, besonders mit denjenigen welche Hoffnungen gaben, und unter diesem Titel war er mehrere Muse vor dem jungen Etienne stehen geblieben und hatte verschiedene Fragen über seine Hoffnungen und Wünsche an ihn gerichtet.

Der junge Mensch hatte hingesagt, seine Hoffnungen und seine Wünsche vereinigen sich in einem Trachten: nach Paris gehen.

Herr Lair vermuthete wohl, eines der Hindernisse der Reise sei der Mangel der für den jungen Reisenden nothwendigen Summe.

Eines Tages sagte er zu ihm:

»Vor Ihrem Abgang, mein Kind, wünschte ich einige von Ihren Studien zu kaufen.«

Am andern Tage war er in der Rue des Carmes; er hatte den Augenblick erwählt, wo der Vater unfehlbar da sein mußte. Er sprach lange von den Anlagen des jungen Menschen, von der Nothwendigkeit, in er sich befinde, seine Studien bald in Paris zu verfolgen, kaufte einen Kopf von Seneka und einen Kopf von Cicero, und bezahlte zwanzig Franken für jeden, ferner einen Fuß und eine Hand von riesigen Formen, jedes Stück von ihm zu zehn Franken geschätzt.

Der junge Mann hatte sechzig Franken Taschengeld.

Vor einer Autorität wie die von Herrn Laie, der Paris rieth, wagte es der Vater nicht, eine Einwendung zu machen. Er kaufte einen Koffer, ließ eine vollständige Schelfe machen. – wir bedienen und der Ausdrücke, deren er sich bediente. – legte genannte Schelfe aus ein Dutzend Hemden, die den Grund des Koffers bildeten, completirte die hundert Franken, bezahlte den Platz auf der Diligence und führte seinen Sohn, stoisch wie ein Spartaner, zum Wagen.

Etienne weinte viel. In dem Augenblick, wo er sich von seinem Vater trennte, vergaß er die zahlreichen Correctionen, die er von ihm empfangen hatte, oder in die Tiefen seines Gewissens hinabsteigend, sagte er sich vielmehr, diede Correctionen seien rechtmäßig gewesen.

Der Vater blieb felsenfest.

Der Postillon ließ seine Peitsche knallen; der Wagen gerieth in Bewegung, und die schwerfällige Maschine ging in starkem Trabe ab, ein Gang, den sie behielt, so lange sie in der Stadt rollte. Halb traurig, halb freudig- – um gerecht zu sein, müssen wir sagen, mehr freudig, als traurig, – hatte der junge Mann die ersten Schritte zur Nachwelt gemacht.

Da wir mit ihm abgereist sind, so wollen wir auch zugleich mit ihm ankommen.

Wer sagt und, die zukünftigen Talma, Garrick und Roscins, – man erinnert sich, der junge Mann war unter diesem dreifachen Patronat getauft worden, – werden nicht eine Lehre, in artistischer oder in philosophischer Hinsicht, in dem Vagabundenleben finden, das wir zu erzählen versuchen?

Abenteuer und Drangsale eines Schauspielers

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