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Erster Theil
Zweites Kapitel.
Der Kranke

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Ungefähr dreiviertel Stunde nachdem Valery sich entfernt hatte, und während die drei Spieler plaudernd Thee tranken, wurde die Thür des Zimmers geöffnet und Valery trat wieder ein.

Er hatte seinen Schlafrock angezogen und war blaß wie eine Leiche.

»Nun, da sind Sie ja wieder,« sagte der Kapitain, »das freut mich.«

Aber während Durantin so sprach, betrachtete er den jungen Eingetretenen mit Besorgniß und flüsterte dann dem Arzte zu:

»Sehen Sie nur, wie blaß er ist!«

»Ja, ich komme wieder zu Ihnen,« entgegnete Valery mit einem erzwungenen Lächeln und indem er sich niedersetzte, denn er schien sich nur mit Mühe auf den Füßen halten zu können, »doch nur um einige Worte mit dem Herrn Doktor zu sprechen.«

Dabei hörte man deutlich, wie die Zähne des Kranken zusammenschlugen. Er reichte dem Arzte die Hand.

»Sie haben heftiges Fieber,« sagte Maréchal.

»Ja, ich fühle mich sehr unwohl,« erwiderte Valery mit ruhiger Stimme und fast mit Stolz.

»Haben Sie sich nicht zu Bett gelegt?«

»O ja.«

»Warum haben Sie mich dann nicht rufen lassen?«

»Ich wollte Sie wegen einer so unbedeutenden Sache nicht incommodiren.«

»Das ist eine große Unvorsichtigkeit von Ihnen.«

»O, ich habe eine gute Constitution.«

»Ja, aber es giebt Anfälle, denen auch die kräftigste Constitution nicht widersteht.«

»Habe ich einen solchen Anfall?«

»Das will ich nicht sagen, aber ich wiederhole Ihnen, Sie haben ein heftiges Fieber und können nicht vorsichtig genug sein.«

»Sagen Sie mir, was ich thun soll, Herr Doktor, und ich will es thun.«

Es war leicht zu sehen, welche Anstrengung es Valery kostete, um seine Ruhe und Fassung zu behaupten. Er zitterte unwillkürlich an allen Gliedern und seine blauen Lippen waren in beständiger Bewegung. Es schien fast als suchte er Etwas in diesem Kampfe seines Willens gegen den Körper.

»Haben Sie während Ihres Aufenthaltes in Madagascar zuweilen ähnliche Anfälle gehabt wie der gegenwärtige,« fragte der Arzt.

»Nein, nie.«

»Und es ist ganz plötzlich gekommen?«

»Ja wohl.«

»Haben Sie die Güte aufzustehen, wenn es Ihnen möglich ist.«

Valery stand auf, aber er mußte die Hand vor die Stirn legen, um den fieberhaften Schwindel zu verscheuchen, der ihn bei der geringsten Bewegung ergriff.

Der Doktor öffnete das Hemd des Kranken und untersuchte dessen Brust, die mit großen rothen Flecken bedeckt war.«

»Hm! das ist nicht richtig,« murmelte er vor sich hin.

»Was meinen Sie, Doktor?«

»Nichts.«

»Sie schüttelten doch mit dem Kopfe?«

»Aufrichtig gesagt, habe ich die ersten Folgen Ihrer Unvorsichtigkeit gesehen.«

»Die rothen Flecken wohl?»erwiderte Valery in einem Tone, welcher bewies, daß er dieses Symptom schon bemerkt und daß es ihn beunruhigt hatte.

»Ja,i»antwortete Maréchal.

»Es ist also gefährlich?«

»Nein, das nicht, aber es erfordert eine sorgfältige Behandlung. – Herr Kapitain,»sagte der Arzt zu Durantin, »Sie möchten Herrn Valery eine größere und luftigere Kajüte anweisen.«

»Auf dem Verdeck?«

»Ja, wenn es irgend möglich ist.«

»Wir haben noch die, welche der französische Gesandte inne hatte, ein wahres Prachtzimmer. Ich stelle es Herrn Valery zur Verfügung.«

»Fühlen Sie sich stark genug, um so weit zu gehen?« fragte der Arzt den Kranken.

»O gewiß, ich bin stärker als Sie glauben.«

»Dann haben Sie die Güte, sogleich hinauf zu geben, es ist besser.«

»Gute Nacht, meine Herren,« sagte Valery, »entschuldigen Sie, daß ich Sie gestört habe.«

»Morgen früh werden wir Sie besuchen, und sollten Sie diese Nacht irgend Etwas bedürfen, so wecken Sie uns, wenn wir schlafen.«

Valery dankte dem Kapitain und schickte sich an, die Kajüte zu verlassen. Aber kaum hatte er vier Schritte gethan, so mußte er stehen bleiben; die Natur war stärker als sein Wille und er schwankte. Er machte eine heftige Anstrengung; aber noch ehe er sich an die Wand lehnen konnte, sank er ohnmächtig in die Arme des Doctors, welcher dies hatte kommen sehen und daher dicht hinter ihm geblieben war.

»Zwei Mann!« rief der Arzt.

Man rief sogleich zwei Matrosen.

»Traget diesen Herrn in die Gesandschaftskajüte und leget ihn in’s Bett.«

Die beiden Matrosen nahmen den Kranken, einer beim Kopfe und der andere bei den Füßen, und trugen ihn in sein neues Zimmer.

»Ist Herrn Valery’s Krankheit gefährlich?« fragte nun der Kapitain.

»Gewiß ist sie gefährlich, es ist nichts geringeres ein Anfall des gelben Fieber’s, wozu er den Keim von Madagaskar mitgebracht hat. Ich habe ihm deshalb eine abgesonderte Kajüte geben lassen, denn dieses Teufelsfieber ist ist ansteckend und es wäre kein Spaß, wenn wir es Alle bekämen.«

»O, der Unglückliche!« rief Pascal; »wir wollen hoffen, daß Gott ihn rettet.«

»Er muß überdies eine Riesennatur haben, daß er mit einem solchen Fieber noch hat herunter kommen können; ich biet gewiß kein Schwächling, aber ich bin überzeugt, daß ich nicht im Stande gewesen wäre, mich von der Stelle zu rühren.«

»Es muß wohl Jemand bei ihm wachen?« fragte Pascal.

»Allerdings.«

»Nun, so will ich bei ihm bleiben.«

»Sind Sie von Sinnen? Dazu haben wir Leute. Ich wiederhole Ihnen, es ist ein fürchterliches Fieber und steckt binnen fünf Minuten an. Ich lasse Sie nicht nur bei Herrn Valery nicht wachen, sondern werde Ihnen sogar, wenn Sie ihn morgen früh besuchen, ein Fläschchen geben, um daran riechen zu können, so lange Sie bei ihm sind.«

»Gehen Sie zu ihm, Doctor,« sagte der Commandant, »er wird Ihrer bedürfen.«

Der Arzt entfernte sich.

Der Kranke war inzwischen noch immer ohnmächtig zu Bett gebracht worden.

Maréchal ließ ihn flüchtiges Salz einnehmen und er kam bald wieder zu sich.

Als Valery die Augen aufschlug, schien er von der Ruhe und Festigkeit, die ihn bis zu seiner Ohnmacht nicht Verlassen hatte, ein wenig verloren zu haben.

»Wie fühlen Sie sich?« fragte der Arzt.

»Sehr schlecht.«

Aus dieser Antwort sprach schon eine gewisse Angst.

»Ich war wohl ohnmächtig geworden?« fragte er.

»Ja.«

»Wo denn?«

»Unter.«

Der Doktor stand auf.

»Gehen Sie schon?« fragte der Kranke.

»Nur auf einen Augenblick.«

»Wohin wollen Sie?«

»Ich will Flanell holen, um Sie frottieren zu lassen, und eine Medicin zubereiten.«

»Könnte dies nicht Jemand Anderes besorgen?«

»Nein, warum?«

»Weil ich wünschte, daß Sie bei mir blieben.«

»Fühlen Sie sich schlechter?«

»Ja, ich fühle mich schlecht, aber ich bin noch nicht todt.«

Diese Worte sprach Valery in einem Tone, der wie eine Herausforderung des Todes klang.

Sein ganzer Körper hatte steh indessen mit einem kalten Schweiße bedeckt und er war nahe daran, von Neuem ohnmächtig zu werden.

»Ich fühle mich nicht mehr so stark als vorhin,« sagte er, wie um seinen ersten Anfall von Schwäche zu entschuldigen; »die Ohnmacht hat mich ein wenig angegriffen. Es ist das erste Mal in meinem Leben, daß ich ohnmächtig werde.«

»Riechen Sie dieses Fläschchen, so lange Sie allein sind, ich bin gleich wieder bei Ihnen; verlieren Sie die Geduld nicht und bleiben Sie gut zugedeckt.«

Zur größeren Sicherheit, deckte Maréchal selbst den Kranken zu und umstellte sein Bett mit Stühlen.

Als Valery allein war, blickte er um sich, als wollte er dadurch seinen Zustand besser kennen lernen; dann neigte er das Ohr auf seine Brust, um sich gleichsam zu überzeugen, daß er noch lebte. Bald erhob er lächelnd den Kopf wieder und sprach vor sich hin:

»Ich war ein Narr. . . es ist Nichts; ein Mensch wie ich stirbt nicht in Einem Tage.«

Dann betrachtete er seine Hände, in denen niemals Blut geflossen zu sein schien, und gab sich dieser Beschäftigung mit einer Art wilder Freude hin. Er bog die Finger nach allen Seiten, ließ die Gelenke knacken, legte die Hand auf seine Brust, während er tief athmete, und ein triumphierendes Lächeln öffnete abermals seine entfärbten Lippen.

»Ich hatte wirklich geglaubt, es wäre vorüber mit mir,« sagte er zu sich selbst, und ein Schauder durchrieselte bei diesem Gedanken seinen ganzen Körper.

In diesem Augenblicke trat ein Matrose ein, welcher Flanell und mehrere Flaschen brachte.

»Brauchen Sie sonst etwas, mein Herr?« fragte der Mann, ohne sich dem Bett zu nähern.

»Nein; was bringst Du da?«

»Es sind Arzneiflaschen, die mir Herr Maréchal gegeben hat, um sie hierher zu tragen.«

»Wo ist Herr Maréchal?«

»Im der Apotheke. Soll ich ihn rufen?« fragte der Matrose,« der es nicht erwarten konnte, die Kajüte wieder zu verlassen, denn der Arzt hatte ihm anempfohlen, sich so kurze Zeit als möglich darin aufzuhalten.

»Nein,« antwortete der Kranke, dem die Ungeduld des Matrosen nicht entging. »Bleibe bei mir.«

Der Matrose stellte sich an die Wand und drehte seine Mütze in den Händen herum.

Valery sah ihm einige Minuten zu und sagte dann zu ihm:

»Tritt doch ein wenig näher, Freund; Du scheinst zu fürchten, von meiner Krankheit angesteckt zu werden, aber sie ist gar nicht ansteckend.«

Der Matrose that einen Schritt, aber nicht mehr.

»Du fürchtest Dich also ernstlich?« sagte Valery in fast beleidigtem Tone.

»Nun ja, mein Herr, ich habe Frau und Kinder, und das gelbe Fieber hat man bald am Halse.«

»Das gelbe Fieber?« rief der Kranke heftig erschrocken, »habe ich denn denn das gelbe Fieber?«

Der Matrose sah ein, daß er einen Fehler begangen hatte; aber er dachte: »Gleichviel, Jeder ist sich selbst der Nächste, und er antwortete daher;

»Der Herr Doktor hat es gesagt.«

»Das gelbe Fieber!« wiederholte Valery mit stierem Blicke; »stirbt man nicht Unter gräßlichen Schmerzen an dieser Krankheit?«

»Ja wohl, mein Herr.«

»Hast Du schon Leute daran sterben sehen?«

»O, schon viele; mein Bruder ist auch daran gestorben, deshalb habe ich so große Angst davor.«

Der Matrose legte sich weiter keinen Zwang auf und hielt sein Taschentuch vor Mund und Nase.«

»Du kennst also die Symptome dieses Fiebers?«

»Ja.«

»Wie fängt es an?« fragte Valery, indem er sich anstrengte, ruhig zu scheinen.

»Mit Erbrechen. Frost, Kopf- und Magenschmerzen, und dann bekommt der ganze Körper rothe Flecken.«

»Wie diese?M fragte der Kranke, indem er seine Brust zeigte.

»Ja, Herr,« erwiderte der Matrose, während er den Kopf ängstlich vorstreckte, um besser sehen zu können.

»Also muß ich sterben!« rief Valery mit einem Schrei, der fast dem Brüllen eines Tigers glich. In diesem Schrei lag die ganze Wuth und der ganze Schmerz, welche ein Mensch durch die Stimme auszudrücken vermag.

Der Kranke nahm den Kopf zwischen beide Hände, verbarg ihn in den Kissen und zerraufte sich mit Verzweiflung das Haar.

»Sterben! sterben!« wiederholte er; »ich soll sterben in meinem dreißigsten Jahre und jetzt, da ich reich bin! Nein, es ist unmöglich! Ich will nicht sterben!«

Während er dies sagte, streckte er die geballte Hand zum Himmel empor, aber sie fiel bald wieder kraftlos zurück.

Das Delirium stellte sich bereits ein.

»Ich will den Doctor sprechen!« rief der Kranke; »hole ihn auf der Stelle herbei!«

Dem Matrosen war dies sehr erwünscht und er ließ es sich daher nicht zweimal sagen.

»Ich will nicht sterben!« wiederholte Valery fortwährend, als ob er überzeugt wäre, daß sein Wille den Tod entfernt halten könnte. In seiner furchtbaren Aufregung sprang er wie ein Rasender aus dem Bett und an die Thür, die er in dem nämlichen Augenblicke öffnete, als der Arzt zurückkam.

»Wenn Sie dergleichen Unbesonnenheiten begehen,« sagte Maréchal in fast strengem Tone zu ihm, »so muß ich Sie in Ihrem Bette festbinden lassen, denn ich bin für Ihr Leben verantwortlich, und wenn ein Unglück geschieht, so will ich mir wenigstens nichts vorzuwerfen haben.«

»Ja, Herr Doktor, ich will Ihnen folgen,« entgegnete der Kranke, indem er sich schüchtern wie ein von der Mutter auf einem Fehler ertapptes Kind wieder in’s Bett legte. »Sie retten mich, nicht wahr, Sie versprechen es mir?«

»Ich werde mein Möglichstes thun, und es wird mir gelingen, wenn Sie der Wissenschaft nicht durch neue Thorheiten hinderlich sind.«

»Ich gestehe Ihnen, daß ich mich entsetzlich vor dem Tode fürchte.«

»Sie haben indessen noch Vorhin einen so großen Muth bewiesen.«

»Weil ich stolz auf meine Natur war und nicht glaubte, daß ich sterben..könnte. Jetzt aber, da ich meine Krankheit kenne, wiederhole ich Ihnen, daß ich große Angst habe. Der Arzt ist wie ein Beichtvater, man kann ihm Alles sagen. Retten Sie mich und ich gebe Ihnen die Hälfte meines Vernögens; retten Sie mich, Herr Doctor, ich bitte Sie, ich beschwöre Sie!«

Maréchal betrachtete mit Staunen und fast mit Argwohn diesen Mann, der sich so muthvoll gezeigt hatte, so lange er nicht an die Gefahr glaubte, und der so schwach und demüthig geworden war, seitdem er sie vor Augen sah.

»Beruhigen Sie sich, Herr Valery, Sie werden wieder gesund werden.«

»Bürgen Sie mir dafür?«

»Ich werde Alles thun, was in weinen Kräften steht.«

»Es ist unmöglich, daß ich sterbe!« rief der Kranke wieder; »ich kann es nicht, ich will es nicht!«

Es wäre unnöthig zu wiederholen, was er noch ferner sprach, und zu versuchen, in der Fluth von Worten, Gebeten und Gotteslästerungen, dir, er ausstieß, einen Sinn zu entdecken.

So ging es; die ganze Nacht fort und merkwürdiger Weise hörte er nicht auf, in seinem Delirium den Namen Pascals auszusprechen und nach ihm zu verlangen. Bis zum Morgen wurde er frottiert, um den Blutumlauf wiederherzustellen, und der Arzt versäumte überhaupt kein Mittel, das in seiner Macht stand.

Gegen Morgen wurde der Kranke etwas ruhiger und sobald er ein Wort sprechen konnte« folgte er der ersteren Idee seines Deliriums und sagte zu Maréchal:

»Wollen Sie nicht Herrn Pascal bitten, daß er zu mir kommt?«

»Ist es sehr wichtig, was Sie ihm zu sagen haben?«

»Ja.«

»Denn die geringste Anstrengung kann Ihnen nachtheilig werden.«

»Besorgen Sie nichts, ich will nur einige Worte mit ihm sprechen.«

Der Arzt schickte nach Pascal und dieser trat im nächsten Augenblicke ein.

»Sie wünschen mich zu sprechen, Herr Valery?« sagte er zu dem Kranken.

»Ja, ich habe Sie darum bitten lassen.«

»Wenn, ich Ihnen in irgend etwas nützlich sein kann, so verfügen Sie über mich.«

»Ich muß sterben, Herr Pascal!«

»Sie stellen sich Ihr Uebel schlimmer vor als es ist, nicht wahr, Herr Doktor?«

Valery schüttelte mit dem Kopfe.

»Der Doctor versucht es, mir Hoffnung zu machen; aber ich habe auch schon Leute am gelben Fieber sterben sehen und kenne die Symptome des Todes; sehen Sie hier.«

Mit diesen Worten entblößte der Kranke seine Arme und seine Brust, die mit blaßrothen Flecken überzogen waren.

»Ja, ich habe Feuer in der Brust und Eis an den Füßen; o, ich muß sterben, ich fühle es, ich weiß es!«

Er fing an zu weinen wie ein Kind, so daß Pascal und selbst der Arzt ihn bemitleideten und sich gegenseitig anblickten.

»Ich muß um jeden Preis ruhiger werden. Man versichert, daß Gott einem Menschen, der so leidet wie ich, und der seine Sünden bekennt, zuweilen vergiebt, sowohl seiner Seele als seinem Körper, und daß die Absolution Wunderkuren vollbracht hat. Ich will dieses letzte Mittel versuchen, ich will beichten; vielleicht läßt mich Gott dann noch leben!«

»Dies ist christlich gedacht,« erwiderte Pascal, »obgleich das Gefühl, dem Sie gehorchen, kein streng religiöses ist; aber Gott wird Sie vollends erleuchten, nur ist leider kein Geistlicher an Bord.«

»Sind Sie nicht Priester?«

»Ich bin noch nicht ordiniert.«

»Aber Sie wollen es mit der-Zeit werden?«

»Ja, Gott müßte mich denn abrufen, ehe ich meine Gelübde ablegen kann.«

»Nun, so hören Sie meine Beichte im Voraus.«

»Dies ist unmöglich.«

»Unmöglich?« rief der« Kranke mit Entsetzen.

»Ja.«

»Sie wollen mich also unter Gotteslästerungen und Verwünschungen sterben lassen? Wohlan, es sei; ich fluche Gott und der Religion!«

»Schweigen Sie, Unglücklicher! schweigen Sie!«

»Ich sage Ihnen, ich muß beichten!« fuhr Valery mit stierem Blicke und schäumendem Munde fort. »Die Vergangenheit erstickt mich, Sie müssen sie kennen. Ich bin ein Verbrecher!. . . hören Sie mich!«

»Er phantasiert, er wird wahnsinnig sagte Pascal zu dem Arzte.

»Nein, dieser Mann leidet eben so sehr an der Seele als am Körper,« erwiderte Maréchal; »als Christ und als Arzt fordere ich Sie auf, ihm den Dienst zu erzeigen, um den er Sie bittet.«

Pascal war noch eine Zeit lang unschlüssig.

«Der Kranke hielt fortwährend die Augen auf ihn gerichtet.

»Ja,« sagte Pascal nach kurzer Ueberlegung zu sich selbst, »der Doktor hat Recht, dieser Mann leidet an seiner Seele, seine Vergangenheit birgt vielleicht ein Unglück, und wenn ich seine Beichte höre, wird es vielleicht in der Zukunft möglich, das geschehene Böse wieder gut zu machen. – Nun gut, Herr Valery,« fuhr er laut fort, »ich will Sie anhören; aber was Sie mir auch entdecken mögen, die Absolution kann und darf ich Ihnen nicht geben.«

»Aber Sie können für mich beten und können mich trösten, nicht wahr? Weiter bedarf ich nichts. Lassen Sie uns allein, Herr Doctor, und Sie, mein Bruder, setzen Sie sich an mein Bett, denn wir müssen eilen. O, wer mir je gesagt hätte, daß ich das Bedürfnis fühlen würde, zu beichten! Ich leide fürchterliche Qualen!. . ., Gott rächt sich grausam an mir!. . . Hören Sie mich an, mein Bruder.«

»Noch nicht,« versetzte Pascal.

»Warum nicht?«

»Weil Es möglich ist, daß Sie nicht sterben und weil Sie es dann vielleicht später bereuen könnten, Jemandem ein Geheimniß anvertraut zu haben, welches schwer auf Ihrem Gewissen zu lasten scheint. Ich werde daher Ihre Beichte nicht eher hören, als bis der Arzt jede Hoffnung aufgegeben hat, und so weit sind wir, Gott sei Dank! noch nicht. Beruhigen Sie sich, Sie haben ein wenig Delirium. Wenn ich Ihre Beichte anhöre, so will ich, daß sie der Himmel Ihrer Ueberlegung und Ihrer Reue, nicht Ihrer fieberhaften Aufregung verdankt. Haben Sie eine oder zwei Stunden, dann wollen wir sehen. In diesem Augenblicke würden Sie nicht im Stande sein, lange im Zusammenhange zu sprechen. Nehmen Sie etwas von diesem Tranke, der für Sie zubereitet ist. Sie werden bald darauf einschlafen und wenn Sie wieder erwachen, wird mir der Herr Doktor aufrichtig sagen, ob Sie noch hoffen dürfen oder nicht. Fassen Sie Muth und Geduld, Herr Valery.«

Während dem hatte Maréchal einige Tropfen von einer rothen Arznei in ein Glas Wasser gegossen, das er dem Kranken reichte. Er leerte es begierig bis auf den letzten Tropfen.

– Ein glühender Schweiß bedeckte seinen ganzen Körper, es war ihm, als wäre sein Kopf mit Blei angefüllt, er murmelte einige Worte und winkte dem Arzte und Pascal bei ihm zu bleiben; dann fielen ihm von selbst die Augen zu und nach einigen Minuten versank er in einen festen Schlaf.

Maréchal und Pascal verließen das Zimmer.

»Ist er wirklich in Lebensgefahr?« fragte Letzterer.

»Er ist jetzt Mittag, um vier Uhr will ich Ihnen darauf antworten. Jetzt lassen Sie uns ein wenig frische Luft schöpfen. Das Delirium dieses Menschen macht einen unangenehmen Eindruck auf mich, ich weiß nicht, wie dies kommt, denn ich habe schon Manchen sterben sehen, ohne etwas Aehnliches empfunden zu haben.«

Zwei Stunden später begab sich der Arzt in Begleitung Pascals wieder zu dem Kranken.

Dieser schlief noch.

Die Krankheit hatte seit vierundzwanzig Stunden furchtbare Fortschritte gemacht; sein Aussehen beim Eintritt des Doktors und des jungen Geistlichen war so verändert, daß man ihn leicht hatte für todt halten können.

Die-Augen waren halb geöffnet Und gläsern, die Wangen bleich und eingefallen, und ohne das häufige Zucken seiner Hände wäre er von einer Leiche schwer zu unterscheiden gewesen.

»Das größte Glück, was diesem Unglücklichen begegnen könnte, wäre, daß er nicht wieder erwachte,« bemerkte der Arzt, »denn er wird noch viel leiden müssen, ehe er stirbt.«

»Er muß also jedenfalls sterben?«

»Ja wohl,« antwortete Maréchal, indem er seinen Ausspruch noch durch ein Kopfnicken bekräftigte. »Die Beine sind schon eiskalt und abgestorben,« fuhr er fort, und hob die Bettdecke empor, um seinem Begleiter die abgemagerten Beine des Sterbenden zu zeiget.

»Welche Veränderung in Zeit von Einem Tages rief Pascal, indem er diesen Körper betrachtete, der ohne Zweifel noch ein entsetzliches Geheimniß barg, wenn man nach den krampfhaften Zuckungen selbst während des Schlafes urtheilen durfte, und der bald nichts mehr als eine leblose Masse sein sollte.

In diesem Augenblicke erwachte Valery, und nachdem er sich im Zimmer umgesehen hatte, suchte er mühsam seine Erinnerungen zu sammeln.

»Ah! da sind Sie, meine Herren,« sagte er endlich; »nun, wie ist’s?«

Der Arzt, an welchen diese Frage gerichtet war, schwieg und wechselte einen Blick des Einverständnisses mit Pascal.

»Ich bin zu Ihren Diensten,« erwiderte dieser dem Kranken.«

»Es ist keine Hoffnung mehr?«

»Keine, außer bei Gott,« antwortete Maréchal.

»Dann ist es eben so gut, als wäre schon Alles vorüber,« entgegnete Pascal.

»Sie zweifeln an Gott?« rief Pascal.

»O nein, ich zweifle nicht mehr an ihm, da ich sterben muß,« versetzte der Kranke. »Ich habe deshalb in einem Augenblicke des Fieberwahnsinns gesagt, daß ich beichten will; wohl an, es sei, ich will beichten.«

»Es ist noch Zeit, Ihren Entschluß zu ändern,« sagte Pascal, »wenn Sie irgend ein Bedenken tragen. Es wäre mir sogar lieber, denn ich muß Gott um Verzeihung bitten, daß ich diese Beichte anhöre, und wenn ich mich dazu verstehe, so thue ich es nur um der Ruhe Ihrer Seele willen.«

»Nun gut, setzen Sie sich zu mir, mein Bruder, und ich gebe Ihnen mein Wort, Sie sollen etwas Merkwürdiges hören.«

Pascal blickte den Kranken mit Erstaunen an.

»Ein sonderbarer Mann!« sprach der Dotter zu sich selbst, indem er die Kajüte verließ, denn es kam ihm vor, als ob der Sterbende sich jetzt auf die Beichte etwas einbildete, die er vor einigen Stunden aus Furcht hatte ablegen wollen.

Und so war es in der That. Valery der überzeugt war, daß er sterben mußte, warf in dem Augenblick, wo er sein vergangenes Leben enthüllen wollte, einen Blick des Zornes und des Trotzes um sich her, wie ihn der gefallene Engel auf den allmächtigen Gott gerichtet haben mag, als er beschloß, den ewigen Kampf anzunehmen.

Drei starke Geister

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