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II.
Wo wir, nachdem wir uns mit der Genealogie des Franz Guichard beschäftigt, zu seinen Liebesgeschäften und ihren Folgen übergehen

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An den folgenden Tagen war Franz Guichard äußerst zerstreut. Er vergaß seine Angeln zu spicken, und ein Fisch hätte kein Atem von Hirn haben müssen, um an dem nackten spizigen Eisen sich anzuhängen womit er sie in Versuchung zu führen sich einbildete.

Ganze Stunden lang brütete er über all die Melodien die er von der schönen Wäscherin gehört hatte, und während dieser Zeit glitt sein Schiffchen ganz sachte den Bach hinab, das Wurfnetz müßig über den Rand hingelegt; erst an der Mühle von Bonoeil bemerkte er daß er sein Garn auch nicht ein einziges Mal ausgeworfen hatte.

Er nahm Pfeilkraut für die Anzeiger seiner Köder, und während er das Flußbett so genau kannte wie ein Bauer sein Ackerfeld, warf er sein Netz manchmal auf Schollen oder Baumstämme, von denen er es ganz zerfetzt zurückzog.

Je weiter er fuhr, um so häufiger wurde seine Geistesabwesenheit.

Eines Abends, als er ausgefahren war um seine Garnsäcke zurückzuziehen, hatte er sich wieder unvorsichtiger Weise diesen gefährlichen Gedanken hingegeben, und vermochte diejenige Fähigkeit seines Gehirnes die ihm in diesem Augenblick am nothwendigsten war, nämlich das Gedächtniß, nicht wieder zu finden. Von sechzehn Garnsäcken die er ausgeworfen hatte, verlor er vierzehn, und von diesen zog er noch einen ganz verkehrt aus dem Wasser heraus so daß ein prächtiger Karpfen der sich darin verfangen hatte entwischte und ins Wasser zurückfiel.

Franz Guichard warf einen entsetzten Blick um sich, ob doch Niemand seine schülerhafte Ungeschicklichkeit gesehen habe; er brüllte laut auf vor Zorn, zerbrach seine Netzstange in tausend Stücke und warf die Trümmer weit von sich. Dann sank er auf seine Bank nieder und blieb einige Augenblicke ganz vernichtet sitzen; aber er war nicht von dem Teig aus welchem der liebe Gott die verzagten Liebhaber geschaffen hat. Er begriff daß er einen entscheidenden Entschluß fassen mußte, und zwar auf der Stelle.

Mit einem wüthenden Ruderschlag drehte er sein Fahrzeug, landete am Ufer des Departement Seine und Marne, warf seinen Haken aus, band sein Schiffchen daran fest und schritt, mit jener verhängnißvoll entschlossenen Physiognomie die Wilhelm der Eroberer gehabt haben muß als er den Boden Englands betrat, nach Chennevière hinauf. Nur ersparten die Feinde des normannischen Herzogs ihrem künftigen Ueberwinder die Mühe und den Verdruß sie suchen zu müssen, indem sie seiner Armee entgegenzogen, während Franz Guichard das junge Mädchen das diese unglaubliche Verwirrung in seiner Seele angerichtet erst aufzufinden hatte.

Er durchstreifte der ganzen Länge nach die Straße des Dorfes, wo seine Gegenwart einen gewissen Eindruck hervorrief; denn nicht sehr vertraut mit den, Regeln sogar bloß ländlicher Höflichkeit, öffnete der Flußwolf ohne Scheu alle Hausthüren an denen er vorüberkam, steckte seinen wilden Kopf hinein, besichtigte den ganzen Inhalt jeder Wohnung und entfernte sich dann wieder, ohne auf die Fluche der Männer, die Schimpfreden der Weiber und die Angstschreie der Kinder die mindeste Antwort zu geben.

Er kam bis an die letzte Hütte auf der Straße von Champigny, ohne daß seine Hausuntersuchungen ein anderes Resultat gehabt hätten, als daß sie ihm ein Gefolge Von kleinen Jungen und Mädchen verschafften die ihm aus der Ferne nachzogen und ihr Interesse an seiner Narrheit durch ein verworrenes Geschrei kundgaben.

Franz Guichard kam auf den Einfall einen von den neugierigen Burschen auszufragen; er war jedoch über die Art und Weise in Verlegenheit; er wußte nicht wie er den Gegenstand seiner Nachforschungen bezeichnen sollte: ein hübsches Gesicht ist kein Signalement.

Nichts desto weniger ging er auf die kleine Truppe zu; diese aber hatte nicht so bald seine Absichten geahnt, als sie sich in wilder Unordnung auflöste: die Vorderen warfen sich auf die Hinteren, die Großen stießen die Kleinen um, die Einen fielen, die Andern brachten zu Fall, Alle entflohen als hätten sie Flügel, wie ein Schwarm Spatzen die beim Marodiren ertappt werden.

Diese Wirkung. welche Franz Guichard gar nicht erwartet hatte, vollendete seine üble Laune: er ergriff Einen von denen die auf dem Pflaster liegen geblieben waren und schüttelte ihn so heftig, daß der arme Teufel in lautes Schluchzen ausbrach und flehend seine Händchen zu ihm emporstreckte.

Franz Guichard versuchte vergebens ihn zu beruhigen; je freundlicher er zu dem Jungen sprach, um so, mörderischer schrie derselbe. Er mußte ihn zuletzt auf den Boden stellen; aber nun brach der kleine Schlingel in ein boshaftes Gelächter aus und lief aus Leibeskräften seinen Kameraden nach.

Franz Guichard hatte seinen Gefangenen kaum losgelassen, als er es auch schon bereute; die Physiognomie des Jungen hatte, sobald er, nicht vor Angst Grimassen schnitt, eine Aehnlichkeit die ihm sehr aufgefallen war. Diese großen schwarzen Augen« die feucht unter den zerzausten Haaren strahlten welche ihm über die Stirne hereinhingen, hatte er schon irgendwo gesehen; das Lächeln das auf seinen Wangen spielte, welche fest wie ein Apfel und roth wie eine Kirsche waren, dieß war das Lächelnder hübschen Wäscherin.

Der Fischer verfolgte seinen Gefangenen; aber, wenn Franz nicht übel lief, so war der keine Schlingel noch flinker. Er wandte sich in ein Gäßchen das sich längs der Kirche hinzog, warf am Ende desselben ein Karrenthor auf, sprang hinein und schloß es hinter sich zu; sodann verbarg er sich aus lauter Angst im Gemüsekeller.

Dem guten Franz pochte sein Herz vor Hoffnung, denn dieses Gäßchen und dieses Hans hatte er nicht untersucht.

Er trat entschlossen da ein wo er den Jungen verschwinden gesehen, und nun befand er sich in einem Hof mit einer großen Miste, auf welcher Hühner gackerten und Enten schnatterten.

Aber es waren nicht blos Hühner und Enten in diesem Hof. Es befand sich auch ein Wagen da, und neben diesem ein Mann von ungefähr fünfzig Jahren der aus einem Schober Heu nahm um Bündel daraus zu machen; überdieß stand auf dem Wagen selbst ein junges Mädchen welches diese Bündel, symmetrisch zwischen die Leitern des Wagens legte, je nachdem der Mann sie ihr hinbot.

Als das junge Mädchen Franz Guichard bemerkte, wurde sie roth; aber der Fischer wurde noch röther, denn er hatte die hübsche Wäscherin erkannt.

– Guten Tags sagte der Mann mit dem Heu, ohne seine Arbeit zu unterbrechen.

– Guten Tags antwortete Franz Guichard, indem er sich an den Schober feststellte, denn sein Rennlauf hatte ihn ganz außer Athem gebracht.

Es entstand ein Stillschweigen, denn der Herr des Hauses als ein echter pfiffiger Bauer wollte seinem Gast den Gefallen nicht erweisen ihn zu fragen, und wartete bis er selbst den Zweck seines Besuches erklären würde.

– Ich komme um mit Euch über ein Geschäft zu sprechen, sagte endlich Franz Guichard mit einem bedeutungsvollen Blick auf das junge Mädchen, das mit verdoppeltem Eifer am Heu arbeitete um seine Verlegenheit zu verbergen.

– Ah! Ihr kommt um Wein zu kaufen? das wird heuer eine theure Waare werden, mein Junge; nicht als ob die Reben erfroren oder die Trauben abgefallen wären; nein, es war weder zu trocken noch zu naß, aber der Teufel hat es gesehen, die Trauben geben nicht aus: es wird schwer halten bis man nur eine Tonne bekommt.

– Nein, ich komme nicht um Wein bei Euch zu holen, antwortete Franz Guichard, der wohl einsah daß seine Erklärung, wenn er sie nicht vom Zaun herunterreiße, immer schwerer werde. Ich wollte Euch um die Hand Eurer Tochter bitten.

Der Weingärtner schaute nicht auf, sondern musterte bloß den Liebhaber mit ganz besonderer Lebhaftigkeit vom Wirbel bis zur Zehe.

– Ah! Das ist etwas Anderes, sagte er, obschon es sich auch hören läßt. Sie ist eine tüchtige Arbeiterin, meine Luisa Da schaut her. Sie hält Euch einen Zentner Heu in die Höhe und mäht, daß es eine wahre Lust ist. Ihr müßt es einmal sehen. Aber hört einmal, fuhr der Winzer fort, welcher nicht der Mann zu sein schien der eines gute Gelegenheit hinaus ließ, wenn Ihr zur Familie gehören wollt, so müßt Ihr Euch zeigen, mein Junge, und statt daß Ihr wie ein Taugenichts an diesem Schober stehen bleibt, müßt Ihr uns den Wagen ausladen helfen. He, he, he! Die Thaler die ich morgen in der Stadt dafür erhalte, werden eines Tags vielleicht in den Schrank meiner Tochter kommen. Vorwärts, vorwärts an die Arbeit!

Diese Worte waren ein Peitschenhieb welcher die Exaltation unseres Franz bis zum Poroxismus trieb. Er stürzte sich über das Heu her wie über einen Feind den er zu Boden schlagen müßte, er drückte es zusammen und rollte es mit rasendem Eifer in Bünde; er arbeitete so rasch, daß der gewaltige Schober zusehends abnahm und in Bälde vollständig auf den Wagen geladen war.

Luise betrachtete ihren Liebhaber lächelnd; ihr Vater lächelte ebenfalls; aber diese beide Lächeln hatten einen sehr verschiedenen Ausdruck.

Als das Geschäft vollendet war, dankte der Winzer dem Fischer mit einer Erkenntlichkeit die eine gewisse spöttische Schattierung hatte; dann lud er ihn zu sich auf den alten Stamm eines Vogelkirschenbaums ein, der eine der Hauptzierden des Hofes bildete, und fragte ihn allerlei über seine Stellung, nachdem er Luise aufgefordert hatte ihrem Gast ein Glas Wein anzubieten.

Franz Guichards der in diesem Augenblick nicht mit dem ersten Consul getauscht hätte, und keine noblere Stellung in der Welt kannte als die seinige, antwortete ohne Bedenken daß er ein Fischer sei.

Bei diesem Bekenntniß runzelte der Winzer seine Brauen, und als seine Tochter ihm den Weinkrug brachte; damit er ihrem Gast einschenken sollte, zeigte er sich so karg, daß er ihm das Glas kaum zum dritten Theil füllte.

Auf diese Art wollte Luisens Vater seine Mißachtung gegen die gesellschaftliche Stellung des Liebhabers an den Tag legen.

Als jedoch dieser Letzte darauf bestand eine für sein Schicksal entscheidende Antwort zu erhalten, entschloß sich der Winzer noch nicht zu einer Weigerung, die er sich gleichwohl bereits fest vorgenommen hatte, sondern wie erholte fünf bis sechs Mal: Wir wollen sehen, Junge! wir Fallen sehen.

Es lag klar am Tag daß die Muskelkraft des Fischers einen tiefen Eindruck aus ihn gemacht, und daß der schlaue Bauer bereits etliche Pläne auf ihn gebaut hatte.

Franz Guichard entfernte sich voll von verwegenen Hoffnungen. Als er die Anhöhe hinab ging, sang er aus voller Kehle, mit einer ebenso Falschen als unharmonischen Stimme, den Refrain den er Luisen abgelernt hatte, als er sie im Weidenbusch verborgen belauscht.

Am folgenden Tage ging er wieder nach Chennevière und brachte seinem zukünftigen Schwiegervater die Elemente eines Matrosen-Ragout, einer sogenannten matelote, mit. Der zukünftige Schwiegervater dankte ihm, ließ ihm a er nicht Zeit Luisen guten Tag zu wünschen, sondern nahm ihn sogleich in seinen Rebberg mit um da zu arbeiten.

Franz Guichard verrichtete bei der Umwühlung der Erde dieselben Wunder wie bei der Verarbeitung des Heues.

Tags darauf erschien er mit einem Korb voll schönen perlmutterartiger Gründlinge.

Dießmal handelte es sich um die Ausladung eines Wagens voll Mist.

Der Verkehr war eingeleitet: der Winzer fand täglich ein neues Geschäft für den jungen Mann. Er benützte seinen Schwiegersohn in spe zur Verbesserung seines Gütchens. Dieser ersparte ihm täglich zwei Taglöhner; denn Franz Guichard fuhr fort für zwei Mann zu arbeiten, und dieß Verfahren hatte; den Vertheil, daß es den Vater Luisens nicht einmal die Unterhaltung kostete; denn wenn der Fischer sich als Familienglied betrachten konnte so lang von Mühe und Arbeit die Rede war, so verhielt es sich, ganz anders sobald man sich zu Tische begab. Der Winzer zeigte sich bei der Vertheilung des Getränken noch immer eben so karg wie das erste Mal.

Franz Guichard empörte sich nicht über die Anforderungen die man an ihn stellte; Luisens Lächeln, das Anfange einladend gewesen, war zärtlich, sogar mitleidig geworden, und diesen Lächeln hatte dem Liebhaber gesagt: »Mein Herz wird der Lohn Deiner Mühen sein.«

Ihr Vater dagegen blieb bei seinem Grundsatz: wenn Franz Guichard, der sich allmählig an den Frohndienst gewöhnt hatte und dadurch schüchtern geworden war, ein bescheidenes Drängen wagte antwortete er nur mit seinem ewigen »Wir wollen sehen.«

So ging's einen Monat lang fort.

Franz Guichard, bei Nacht ein Fischer, war den Tag hindurch ein wahrer Weingärtner geworden.

Aber nach der Weinlese kam der Winter; die purpurnen Blätter der Reben bedeckten das Thal; die Stöcke nahmen ihre trostlose todte Physiognomie an, die Pfähle wurden bin zum kommenden Frühjahr auf einen Hausen gelegt.

Der Winzer gebrauchte zwar einige Zeit Franz Guichard zum Dreschen, aber es kam ein Augenblick wo dem Stroh sein letztes Kernchen ausgeklopft war, und an diesem Tag ging der Fischer müßig. Da näherte er sich Luisen und die Brauen ihres Vaters nahmen einen drohenden Ausdruck an.

Tags darauf, als Franz Guichard wieder nach Chenenvière kam, bemerkte er daß die Augen des jungen Mädchens roth waren. Sie hatte geweint. Der Winzer beantwortete den Morgengruß nicht den sein Ehrenarbeiter ihm bot; es war klar daß, obschon der Hof des Häuschens mit Schnee bedeckt war und das Dach von einem Rauhreif funkelte, so daß die Eisspitzen herabhingen, ein furchtbares Gewitter den armen Fischer bedrohte. Dasselbe kam bald zum Ausbruch.

Mit gebieterischen Geberden befahl der Alte seiner Tochter hinauszugehen, deutete dem Fischer auf einen niedrigen Stuhl neben dem seinigen, in der Ecke des großen Kamins, worin zwei Pappelwurzeln rauchten bis sie in Feuer geriethen, und erklärte ihm, seine Anwesenheit gebe der Nachbarschaft viel zu reden, weßhalb er ihn auffordern müsse Besuche einzustellen welche der Zukunft Luisens schaden könnten.

Hätte Franz Guichard einen Elefanten in seinem Wurfnetz gefunden, er hätte nicht verblüffter sein können.

Mit seinen Arbeiten für den Vater seiner Geliebten hatte er das Draufgeld für das Geschäft zu erwerben geglaubt das er mit ihm abzuschließen wünschte.

Er wurde bald roth, bald blaß, er stammelte; aber auf einmal erwachte die angeborne Heftigkeit der Guichards wieder, und nun stieß er einen so furchtbaren Fluch aus, daß der Winzer auf seinem niedrigen Stuhl erzitterte.

Er wollte antworten, aber der Fischer ließ ihm keine Zeit dazu, sein Zorn schaffte sich in wüthenden Schimpfreden Luft. Der Winzer hütete sich wohl diesem Strome einen Damm entegenstellen zu wollen. Während der junge Mann sprach, blieb er gegen den Herd vorgebeugt sitzen und beschäftigte sich scheinbar damit die zwei Holzscheite zusammenzulegen, was er mit der ängstlichen Sorgfalt eines Mosaikarbeiters that, indem er die hervorspringenden und zurücktretenden Ecken der zwei gewundenen Klötze in einander zu fügen versuchte, in der That aber bloß einen gewissen Unmuth zu verbergen wünschte der unwillkürlich auf seinem Gesicht zum Vorschein kam.

Als Franz Guichard geendet hatte, antwortete Luisens Vater:

– Mein Junge, wenn Du für mich gearbeitet hast, so thatest Du das weil es Dir so gefiel, und da die Sache Dir so gefiel, so wollte ich Dir nicht in den Weg treten. Im Leben leistet man einander solche kleine Dienste, ohne daß es weitere Folgen hat; aber Dir meine Tochter zu geben, das müßte ich schon bedenklicher finden. Du hast nichts als ein Handwerk das eigentlich eine bloße Faullenzerei ist.

– Faulenzerei! rief der Fischer, dem die Erinnerung an lange schlaflos in Regen und Wind verbrachte Nächte einen Ton der Entrüstung gab.

– Ich will nicht gerade von Faulenzerei sprechen; ich gebe zu daß Du einen ordentlichen Weingärtner hättest abgeben können, aber Du hast Deine Sache ungeschickt angegriffen. Was ist denn das für eine Profession, die ihrem Manne nicht einmal das bietet was die geringsten Thiere bei uns haben, ein Dach und vier Wände! Du willst eine Frau, wo willst Du sie hinlegen? In Dein Schiff? Eine hübsche Wohnung die Du meiner Tochter bietest!

– Vater Pommereuil, sagt mir was ich Eurer Tochter zubringen soll, und müßte ich wie ein Galeerensclave arbeiten, so schwäre ich daß ich es in kurzer Zeit verdient haben werde.

Die Stimme des Fischers hatte einen flehenden Ton angenommen, um diese Worte auszusprechen; aber statt den Winzer zu rühren, befreiten sie ihn von der Unruhe worein der Anfang der Unterhaltung ihn versetzt hatte, und das Gesicht des Bauern wurde wieder spöttischer als je.

– He, he! mein guter Junge, sagte er, ich habe zweiundzwanzig Morgen Reben und zwei Kinder; das macht also elf Morgen für den Jungen und elf Morgen für das Mädchen; 500 Franken den Morgen, das ist wohl nicht zu theuer, nicht wahr?

– Nein, antwortete Franz Guichard mechanisch.

– Also bekommt jedes von ihnen nach meinem Tod 5500 Franken. Außerdem noch was ihnen bei der Theilung meines Sparpfennigs zufällt, denn es ist auch ein Sparpfennig vorhanden, mein lieber Mann.«

– Mein Gott! mein Gott! rief Franz Guichard voll Betrübniß dazwischen.

– Ha, ha! das erschreckt Dich; zum Henker, man hat gearbeitet, siehst Du und der Weinberg ist einträglicher als der Fluß; man hat zu leben, fügte der Bauer mit einem Stolz hinzu der über seine gewöhnliche Vorsicht den Sieg davon trug. Nun wohl, sag' jetzt, willst Du daß ich Dir Gelegenheit geben soll das Ziel Deiner Wünsche zu erreichen?

– Ob ich es will? Ich glaube wohl daß ich es will!

Der Winzer nahm vom Kaminsims ein Buch, dessen Schnitt eben so schwarz war als seine Decke. Es war die Bibel.

– Ich habe, sagte er, da drinnen gelesen daß Jakob dem Laban zwanzig Jahre um seine Tochter Rahel diente. Füge Dich in die Bedingungen die Jakob eingegangen, und wenn Luise in zwanzig Jahren keine andere Wahl getroffen hat, nun wohl, so können wir sehen.

Vater Pommereuil begleitete seinen ewigen Refrain mit einem so boshaften Gelächter, daß Franz Guichard an der spöttischen Absicht desselben nicht zweifeln konnte. Er erhob sich barsch, ging hinaus und schlug die Thüre heftig zu.

Mitten im Hof spürte er eine Hand die ihn von hinten sacht am Kamisol zupfte. Es war Luise, die wahrscheinlich die Unterhaltung zwischen ihrem Vater und ihrem Liebhaber gehört hatte, denn ihr Gesicht schwamm in Thränen.

Guichard wollte ihr von seiner Verzweiflung vorsprechen; aber der Vater Pommereuil ließ sich an den Riegeln seiner Thüre vernehmen.

– Geh, geh! rief Luise indem sie ihre Worte mit einem Händedruck begleitete.

– Du kommst doch an den Fluß? fragte Franz Guichard.

– Ja, antwortete Luise mit einer Festigkeit welche den Fischer so vollkommen beruhigte, daß, als er die Anhöhe hinabging, trotz der schlimmen Absichten aus denen Vater Pommereuil keinen Hehl gemacht hatte, seine Stimme heller und klangvoller als je unter den Bäumen erscholl.

Von diesem Tag an kam Franz Guichard nicht mehr nach Chennevière, was nicht besagen will daß die Liebenden sich nicht mehr gesehen hätten; sie sahen sich im Gegentheil oft, und der Fischer sehnte sich nicht nach seinen Besuchen im Dorfe zurück, wo die Anwesenheit des Winzers, der früher stets die dritte Person bei ihren Unterhaltungen gewesen, eine Kälte um sich verbreitete die so schlecht zum Zustand ihrer Seelen paßte.

Eines Tages bemerkte Vater Pommereuil, der in seinem Weinberg arbeitete, auf der andern Seite des Flusses, just gegenüber der Spize der großen Insel von Varenne, vier armselige Mäuerchen die bereits zwei Fuß über die Erde emporragten, und an deren Erhöhung ein Mann mit unerhörtem Eifer arbeitete, indem er unverdrossen Stein auf Mörtel und Mörtel auf Stein legte.

Trotz der Entfernung erkannte der Edle den Fischer dessen Liebe zu seiner Tochter er so vortheilhaft ausgebeutet hatte.

– He! he! sagte er zu dieser, die ihm seine Pfähle einstecken half, der Dummkopf da drunten hat doch endlich eingesehen daß man sich ein Nest bauen muß bevor man eine Familie haben will. Wie er drauf los arbeitet! Sieh nur, Luise, und sieh auch was das für ein hübscher Käfig für den Vogel wird den er hineinsetzen will. Noch beinahe dem Erdboden gleich, hält das Mäuerchen schon nicht mehr recht das Gleichgewicht! Wenn ich daran denke daß Du, wenn Du einen so gescheiten Vater gehabt hättest, im Stande gewesen wärest Dich von diesem lumpigen Weißfischhändler beschwatzen zu lassen! Aber ich hielt die Bütte fest im Auge, und als ich sah daß es zu stark kochte, da machte ich der Gährung schnell ein Ende. Du wirst mirs gewiß danken, wenn Du siehst wie es dem armen Weibe geht das einmal da unten wohnen muß.

Zum Glück für das Mädchen war der Pfahl den ihr Vater in die Erde bohrte auf einen Stein gestoßen; er mußte sich bücken um ihn herauszureißen, und so konnte er Luisens Verwirrung und Verlegenheit nicht bemerken.

Von diesem Augenblicke an ließ Vater Pommereuil nicht einen einzigen Tag vergehen ohne daß er die Arbeiten des Fischers besichtigte. Die Mauern wuchsen empor; die Thüre wurde dem Fluß gegenüber angebracht; die Fenster öffneten sich auf beiden Seiten des Giebels, so daß Franz, ohne sein Haus zu verlassen, Alles sehen konnte was auf dem Flusse vorging, indem er vom einen Fenster aus den ganzen Lauf der Marne bis hinauf zur Insel Tire-Vinaigre, vom andern bis hinab zum Loch von Faviot beherrschte.

Als die Mauern aufgeführt waren, zimmerte Franz Guichard seine Sparren und Balken, bedeckte das Ganze mit einem Dach von Schilfrohr, und eines Tages sah Vater Pommereuil, der jeden neuen Fortschritt in diesem Bauwesen mit immer beißenderen Spöttereien empfing, wie der Fischer auf den Gipfel des Häuschens stieg und an das Kamin einen prächtigen Strauß von allen Frühlingsblumen heftete welche die Ufer seines vielgeliebten Flusses ihm zu liefern vermocht hatten.

Der Winzer lachte sich halb krank über ein Gebahren worin er eine unverzeihliche Anmaßung von Seiten eines so geringen Maurers erblickte. Er beschleunigte seine Arbeit um recht bald nach Chennevière zurückzukommen und Luisen von dieser neuen Lächerlichkeit ihres alten Liebhabers zu erzählen.

Das Mädchen schien die Fröhlichkeit des Vaters nicht zu theilen; sie erblaßte und blieb stumm; sie saß den Rest des Tages ganz nachdenklich da, und als der Abend kam, verschloß sie sich unter dem Vorwand einer Unpäßlichkeit in ihr Stübchen.

Um Mitternacht hatte sie sich indeß noch nicht schlafen gelegt; sie ging barfuß in dem schmalen Zimmerchen auf und ab; sie weinte, sie wand ihre Arme, sie befand sich augenscheinlich in einer gewaltsamen Aufregung; zuweilen sank sie auf ihre Kniee und betete inbrünstig.

Ein kleiner Kieselstein der an ihr Fenster flog unterbrach ihre Gebete; sie erhob sich hastig, öffnete das Fenster und sah Franz Guichard rittlings auf der Mauer sitzen die nach der Straße zu sah.

– Ach mein Gott! murmelte sie, wenn mein Vater erwachte! Wenn er ihn sähe! Er würde ihn vielleicht tödten!

Dieser Gedanke schien über alle unschlüssige Bedenken obzusiegen.

Sie gab ihrem Liebhaber ein Zeichen er solle sich gedulden und ja nicht in den Hof herabkommen; dann hob sie ein Päckchen auf nahm ihre Schuhe in die Hände, schlich behutsam durch die Kammer wo ihr Vater schlief, öffnete das Hofthor und reichte Franz Guichard ihre Hand dar; dieser hob sie in seine Arme, trug sie wie eine Mutter ihr Kind trägt, eilte, ohne sie die Erde berühren zu lassen, mit ihr den Hügel hinab und machte erst dann Halt als er seine kostbare Last in sein Schiff niedergelegt und die Ruder ergriffen hatte um das andere Ufer zu erreichen.

Es war Frühling; die Nacht war lau und duftig; ein sanfter Wind kräuselte leicht die Oberfläche des Wassers und spielte in den spitzen Blättern des Pfeilkrauts; der Mond warf seinen hellen Silberschein über den Fluß; in jedem Busche sang eine Nachtigall eine Liebeshymne.

Luise gab sich dem allmächtigen Einfluß dieses Schauspiels hin, ihre Thränen trockneten.

Es- war geschehen: Franz Guichard hatte nach Art und Weise der englischen Lords und der Helden gar vieler Romane seine Frau erobert.

Der Pechvogel

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