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IV.
Wo, in Folge der Einmischung der Großen der Erde, sehr wenig dazu fehlt daß im Jahr der Gnade 1817 Franz Guichard seinen kleinen Roman ebenso endigt wie wie kleinen Romane seiner Ahnen geendigt hatten

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Wenn ein Wilderer Hasenpfeffer essen will, so sucht er, er mag nun den berühmten Lehrsatz der bürgerlichen Köchin kennen oder nicht, vor allen Dingen einen Hafen zu erbeuten.

Als Franz Guichard auf den Einfall gerathen war Hausbesitzer zu werden, hatte er sich, bevor er Bruchsteine in der Ebene gesammelt, ferner auf den Inselchen der Marne sein bisschen Bauholz geholt und die Binsen an den Ufern des Flusses abgeschnitten hatte, einen Grund und Boden erwildert.

Er hielt es für lächerlich Dinge zu kaufen die er sich umsonst verschaffen konnte.

Die Republik confiscirte die Güter der Feinde des Vaterlands; unserem Franz Guichard bewies eine Logik daß er sich als vortrefflicher Bürger erweisen würde wenn er sich bei dem Verfahren der Republik betheiligte.

Der Prinz von Condé befehligte das Emigrantencorps das am Rhein operierte; er hatte Franz Guichard, bevor dieser sich in den Mauern von Mainz verschloß, gar manchmal warm gemacht. Die Nation hatte die Güter des Geächteteten mit Beschlag belegt; der Fischer sagte sich daß die Nation es ihm wohl nicht verübeln würde wenn er auf dieselbe Weise wie sie gegen einen Mann verführe den er, so gut wie sie, als einen persönlichen Gegner zu betrachten das Recht hatte.

Auf den alten Domänen der Familie Condé hatte Franz Guichard den Grund zu dem Hause gelegt das wir unter seinen Händen erstehen sahen.

Er zeigte sich übrigens bescheiden und sehr gemäßigt bei seiner Besitznahme. Die Pärke Bannforste und Kaninchengehäge hatten seiner Familie Unheil genug gebracht um in ihm den Wunsch nach einem ähnlichen eigenen Besitz hervorzurufen; er konnte sich etwa ein Dutzend Morgen aneignen, und die Republik würde sich gewiß nicht beleidigt gefühlt haben. Er begnügte sich vier bis fünfhundert Meter einzuzäunen, die er in einen Garten umschuf, und wo die für die arme Haushaltung nothwendigen Gemüse sowie die Blumen wuchsen aus denen er am St. Ludwigstag seiner Frau einen Strauß wand.

Das Consulat, sogar das Kaiserreich respectirte die demokratische Eroberung unseres Franz Guichard: unter Eroberern muß man sich schon etwas zu gut halten.

Aber eine der ersten Folgen der Rückkehr der Bourbonen bestand darin daß man den Ursurpatoren, die nicht verkauften Güter wieder abnahm und sie ihren rechtmäßigen Besitzern zurückgab. Mit Chantilly, seinen Wäldern und ungeheuren Jagdrevieren nahm der Erbe der Condés auch von Demjenigen Besitz was seinen Vätern in der Ebene von Varenne gehört hatte, und bald setzte sich ein Verwalter auf dem Hauptgute fest, an die beiden Enden des Gebiets aber wurden zwei Aufseher gestellt welche die Verrichtungen des verstorbenen Peter Maillard zu übernehmen hatten.

Einer dieser Aufseher, derselbe für welchen das Häuschen bestimmt war das der Schwiegersohn des Fischers bewohnt hatte, war, wie Franz Guichard, aus der Umgegend von Ramboulliet: er war der Großneffe desjenigen welchen der Vater Guichard's getödtet hatte. Der Mord hatte, obschon er durch hie Hinrichtung des Verbrechers gesühnt worden, obschon Simonneau – so hieß der Aufseher des Prinzen von Condé – ihn nur durch die Ueberlieferung kannte, bei letzterem einen Gährungsstoff von Haß zurück gelassen welchen die Nachbarschaft mit dem Sohne des Mörders unvermeidlich wieder aufregen mußte.

Dieß geschah in der That.

Simonneau hatte nicht so bald erfahren daß der Marnefischer, der Schwiegervater seines Vorgängers, ein Guichard war, so schilderte er ihn seinem Verwalter mit den düstersten Farben, gab ihm eine kurze Geschichte dieser unverbesserlichen Wilddiebsfamilie und erklärte daß er, so lange ein so gefährlicher Mensch auf den Domänen des Prinzen wohne,nicht für die Erhaltung eines einzigen Fasans, eines einzigen Kaninchens gutzustehen vermöge.

Die erste Folge dieser Erklärung war daß die beiden Aufseher, die Gendarmen und der Verwalter selbst dem armen Fischer aufzulauern anfingen.

Man folgte ihm bei Tag, man bespionierte ihn bei Nacht.

Seit seine Tochter und ihr Mann den beiden Jungen ins Grab gefolgt waren, hatte Franz Guichard sich äußerlich und innerlich gleich stark verändert: seine Haare waren schneeweiß geworden, seine Wangen und seine Stirne waren von tiefen Runzeln durchfurcht.

Er hatte Luise und das Häuschen gänzlich verlassen; er schien entschlossen Nichts mehr wiederzusehen was ihm seine von so schmerzlichen Erinnerungen erfüllte Vergangenheit zurückrufen konnte. Er erschien mehr als traurig, mehr als düster; er schien bösartig geworden zu sein, und die Zusammenziehung seiner Lippen sowie das Runzeln seiner Brauen gaben seiner Physiognomie einen solch unheimlichen Character, daß man sich bei Begegnungen mit ihm kaum eines Schauders zu erwehren vermochte.

Bei diesen Gewohnheiten und diesem Aussehen mußte Alles was über Franz Guichard geschwatzt wurde nicht blos glaublich, sondern gewiß erscheinen.

Inzwischen war es trotz der strengsten Ueberwachung unmöglich ihn auf der wirklichen That der Wilderer zu ertappen. Abends sah man ihn, nachdem er Stunden lang, den Kopf in seine Hände gestützt, im Nachen gesessen, sich in seine Decke einwickeln und auf den Fußboden schlafen legen; im Röhricht versteckt, glaubte der Aufseher ihn nicht aus dem Auge zu verlieren; aber wenn es wieder tagte, bemerkte er weit und breit kein Schiff mehr, er schlug sogleich Lärm, das ganze Personal machte sich auf die Beine, man durchsuchte jedes Gebüsch, durchstreifte die Ebene und den Wald, und wenn man, ein paar Meilen von dem Ort wo man ihn gestern gelassen, ans Ufer zurückkam, so fand man den Fischer ganz ruhig und friedlich mit Herrichtung seiner Geräthe beschäftigt.

Man schlich Luisen nach wenn sie in Creteil oder Saint-Maux Fische verkaufte; aber trotz aller Pfiffe und Kniffe die man gebrauchte, war es unmöglich, unter den Körben voll Brachsen, Karpfen und Rothaugen die sie an ihre Kunden verkaufte, einen Fuß von einem Rebhuhn, ein Ohr von einem Kaninchen oder einen Schwanz von einem Fasan zu entdecken.

Und gleichwohl fand man an allen Enden und Ecken des Waldes Schlingen; die Rebhühner entflohen mit einer Sachkenntniß und Schnelligkeit welche anzeigten daß sie mit knapper Noth dem Garn entgangen waren. Es gab wenig Nächte wo die Aufseher nicht, während sie alle Bewegungen von Franz Guichard beobachteten, Flintenschüsse hörten welche den aufgesessenen Fasanen galten.

Der natürliche Schluß den sie daraus hätten ziehen müssen, ging dahin daß irgend ein wohlunterrichteter Wilddieb dieses Mißtrauen gegen den Fischer ausbeute um in aller Ruhe das Wild des Prinzen zu bearbeiten; aber dieser Schluß war viel zu einfach als daß man dabei hätte bleiben mögen. Der Haß ergibt sich nicht so leicht. Simonneau wollte lieber Wunderbares und Unmögliches annehmen. Er erklärte, der Abkömmling der Guichards besitze einen erblichen Zauber mit dessen Hilfe seine Seele sich von seinem Körper trenne: der Körper bleibe im Schiff um die Neugierigen zu täuschen, während die Seele über Berg und Thal streife um die Fasanen zu bekriegen.

Der Verwalter schauderte als er dieses Märchen vernahm, und sann auf Mittel die ihm anvertrauten Güter von einem Kerl zu befreien der mit dem leibhaftigen Satan in so vertrautem Umgang stehe.

Diese Idee führte ihn auf Nachforschungen über die Art und Weise wie Franz Guichard Eigenthümer seiner Hütte und seines kleinen Gehäges geworden sei.

Er ging aufs Finanzministerium um die Arten über den Verkauf der Nationalgüter einzusehen, und so kam er bald zu der Gewißheit daß der Fischer ein Usurpator sei dem man, kraft eines berühmten Manifestes, augenblicklich zu Leib gehen müsse um ihn wo möglich in die Marne zu werfen.

Am Tag wo der Verwalter diese Entdeckung preisgab, herrschte großer Jubel, im Lager der Aufseher und Gendarmen; man aß eine Riesengibelotte, man benetzte sie mit Fluthen von Sucywein, man trank auf die Vertilgung des Zauberers und seines ganzen Gelichters.

Trotz seiner Vertrautheit mit dem bösen Geist hatte Franz Guichard keine Ahnung von all diesen Vorgängen.

Die Fischerei war verpachtet worden; in andern Zeiten würde er sich vielleicht geweigert haben die Gebühr zu bezahlen die man ihm für das Recht den Fluß zu durchstreifen abforderte; aber unter dem Einfluß seiner damaligen Traurigkeit hatte er nicht mehr die Kraft für Etwas zu streiten, nicht einmal für sein Lieblingsprincip daß der Fisch demjenigen gehöre der ihn zu fangen verstehe; er bezahlte, er stellte sich auf regelrechten Fuß mit dem Gesetze.

Er hatte allerdings bemerkt daß die Nachfolger des seligen Peter Maillard ihn einer gewissen Ueberwachung unterstellten, aber er besaß, in Bezug auf Alles was außer seinem wässerigen Gebiete vorging, ein zu ruhiges Gewissen, als daß er dem Thun und gilt und Lassen von Leuten die ihm nicht behagten die mindeste Beachtung geschenkt hätte.

Ohnehin nahmen andere Bekümmernisse ihn in diesem Augenblick in Anspruch.

Seit einem Monat war Luise krank geworden.

Diese geringe Bäuerin besaß ein starkes, wackeres Herz.Die rasch auf einander erfolgten Schläge welche sie getroffen, hatten sie ebenso schwer niedergedrückt wie ihren Mann; aber um die Verzweiflung nicht zu vergrößern welche dieser auf seiner Physiogonomie lesen ließ, hatte sie, selbst auf die Gefahr hin daß er sie der Gleichgültigkeit zeihen könnte, verborgen was in ihrem Innern vorging. sie hatte all ihre Seelenqualen in ihrer Brust verschlossen, und außer dem wehmüthigen Ausdruck in ihrem blassem«, mit einem schwarzen Wolltüchlein eingefaßten Gesichte verrieth sich die Verwüstung welche der Kummer in ihr anrichtete durch Nichts.

So trieb sie es so lang ihre Kräfte es gestatteten, so lange sie das Uebel bezwingen konnte das sie untergrub.

Eines Morgens rief die kleine Huberte, die Tochter des Peter Maillard, nach ihr. Luise wollte aufstehen, ihre Glieder versagten, jede Bewegung; sie that sich Gewalt an, sprang aus dem Bett und fiel ohnmächtig am Fuß der Wiege nieder.

Als das Kind seine Großmutter auf dem Boden liegen sah, begann es zu schreien; die Frau des Fährmanns hörte es, eilte herzu, hob die arme Luise auf und lief zu Franz Guichard, der auf dem Flusse war.

Als der Fischer das blasse, farblose Gesicht derjenigen erblickte die er so heiß geliebt hatte, erstarrte er vor Entsetzen; er ergriff die kalte Hand der armen Frau und rief mit einem krampfhaften Lachen:

– Und Du bist die Fünfte!

Sodann lief er, von einer plötzlichen Eingebung erfaßt, nach Champigny und fragte nach dem Arzte, was seinen Ideen und Gewohnheiten ganz zuwider war; aber als er das letzte der Geschöpfe die ihm die Krone eines glücklichen Mannes aufgesetzt hatten bedroht sah, da hatte er sich vorgenommen es aufs Hartnäckigste zu vertheidigen.

Es war ein wunderlicher aber erhobener Anblick wie dieser Mann von rauhen Manieren und beinahe wilden Neigungen sich in eine barmherzige Schwester verwandelte und sorglich, aufmerksam wurde wie eines dieser heiligen Mädchen. Er horchte mit angstvoller Gier auf die Orakel des Doktors; er prägte sich die Vorschriften desselben aufs Pünktlichste ein, er hätte sich lieber einen Arm abgehauen als daß er eine einzige von ihnen vergessen hätte. Er legte die arme Luise,, deren thränenfeuchte Augen ihm dankten, in ihrem Bette zurecht; er ging barfuß und mit unendlichen Vorsichtsmaßregeln auf dem steinernen Boden; er gönnte sich, Tag und Nacht, keinen Augenblick Schlaf..

Eines Abends gegen fünf Uhr wachte er an Luisens Bett sitzend; er hielt die kleine Huberte in seinen Armen und spielte schweigend mit ihr, weil er fürchtete, das Kind möchte, sich selbst überlassen, die Großmutter aufwecken. Man pochte heftig an die Thüre. Franz Guichard erhob sich um zu öffnen, während er den Störer zu allen Teufeln der Hölle wünschte. Der Störer war ein Mann der einen schlechten Ueberrock und schwarze, vom Staub graumelirte Hosen trug. Dieser Mann übergab ihm ein Papier, nachdem er gefragt hatte ob er wirklich Franz Guichard sei.

Der Fischer konnte weder lesen noch schreiben; er fühlte sich versucht den Mann zurückzurufen und zu fragen was da geschrieben stehe; aber dieser hatte sich mit einer eigenthümlichen Hast entfernt.

Franz Guichard warf das Papier auf ein Tischchen; er gedachte es Luise lesen zu lassen so bald sie etwas besser wäre.

Am zweiten und an den folgenden Tagen aber wurde Luise nicht besser, sondern vielmehr schlimmer, und Franz Guichard hatte ganz andere Sachen zu thun als sich mit diesem Wisch abzugeben. Er dachte nicht mehr daran.

Acht Tage nachher lag Luise in den letzten Zügen. Franz Guichard saß auf einer hölzernen Bank vor seiner Thüre und schaute in der Richtung von Champigny, ab der Arzt nicht komme. Vom Skepticismus in Bezug auf die medicinischen Wissenschaften zum Aberglauben übergehend, wollte er sich dem Doctor zu Füßen werfen, ihn anflehen sein armes Weib zu retten, ihm sein eigenes Leben für das der Kranken anbieten, als er bei einem Blick rückwärts nach der Fähre eine kleine Gruppe von Leuten bemerkte die auf ihn zu kamen.

Voran schritten der Schwarze der acht Tage vorher gekommen war und der Verwalter des Prinzen hinter ihnen kamen die zwei Aufseher und drei Gendarmen.

Sie näherten sich dem Fischer-.

– Seid Ihr Franz Guichard? Fragte der Anführer.

– Habt Ihr denn nicht mehr Gedächtniß als ein Weißfisch, wenn Ihr mich nicht kennt? Erst vor acht Tagen habt Ihr mich dasselbe gefragt, und da habe ich Euch geantwortet daß ich allerdings Franz Guichard heiße.

– Gut. Seid Ihr bereit der Aufforderung die ich Euch überbrachte Folge zu leisten?

Der Fischer zuckte die Achseln.

– Mein armes Weib liegt am Sterben, sagte er; ich habe keine Zeit mich mit solchen Narrenpossen abzugeben; kommt in acht Tagen wieder; bis dahin wird sie besser sein, und man wird Euch antworten.

Jetzt war es der Mann des Gesetzes der die Achseln zuckte.

– Das geht nicht so wie Ihr es wünschet, mein Kamerad; Ihr habt acht Tage Zeit gehabt um Eure Vertheidigung und Eure Einwendungen vorzubringen; Ihr habt es nicht gethan und deßhalb müßt Ihr noch heute den Platz räumen.

– Den Platz räumen! rief der Fischer, dessen Stimme drohend und zitternd wurde.

– Ja! und wenn Ihr es nicht freiwillig thut, so werden wir Euch dazu zwingen.

– Tausend Donnerwetter! rief Franz Guichard, tretet nicht hinein, sonst spalte ich Euch den Kopf mit meiner Axt . . Ha! die Lumpenhund! die Lumpenhunde! sie werden noch mein armes Weib· aufwecken.

– Versuchet keinen Widerstand, denn er wäre nutzlos, sagte der Huissier; Ihr sehts, wir sind die Mehrzahl.

– Machet doch keine Umstände mit diesem Elenden, sagte einer der Aufseher; wenn er sich regt, so werden wir ihn schon zur Ordnung bringen.

Die Aufseher luden ihre Flinten.

Franz Guichard wollte auf sie losstürzen, aber er dachte an Luise; wenn er getödtet wurde, so mußte sie unfehlbar sterben. Er bewältigte seinen Zorn und raufte sich seine grauen Haare büschelweise aus.

– Mein Gott! mein Gott! sagte er; habt Ihr denn nicht gehört daß drinnen eine Frau in den letzten Zügen liegt?

– Bah! Bah! sagte einer der Aufseher, der Teufel ist ein guter Arzt, er verläßt seine Diener nicht.

Der Fischer blieb unempfindlich gegen diese Spötterei.

– Laßt mich noch acht Tage in diesem armseligen Häuschen bleiben; in acht Tagen muß das Schicksal Luisens entschieden sein; wenn Gott sie zu sich ruft, so werde ich diese alten Mauern sehr gern verlassen: wenn er mir erlaubt sie zu behalten, so werde ich wenigstens Zeit gehabt haben ein anderes Obdach für sie zu suchen.

»In der Stimme des Fischers lagen so viele zusammengehaltene und zurückgedrängte Thränen, daß der Huissier, so sehr er auch an solche Scenen gewöhnt sein mochte, gerührt wurde; er wandte sich gegen die Aufseher, als wollte er fragen ob man dem Unglücklichen nicht die geringfügige Gnade gewähren solle die er flehte.

– Nein, antwortete der Vornehmste unter der Gruppe in rauhem Tone. Der Herr Prinz will morgen in Varenne jagen: der Platz muß von diesem Ungeziefer gesäubert werden. Vollziehen Sie Ihren Befehl.

– Ich sage Euch daß Ihr nicht hineinkommen sollt, rief Franz Guichard.

In diesem Augenblick hörte man Luise, die erwacht war.

– Franz! Franz! sagte sie, was gibt es denn? Warum streitest du mit diesen Herrn? Komm doch herein, laß mich nicht allein, ich fürchte mich.

Diese kläglichen Töne machten den Fischer schwindelig; ein verworrenes Gesumme brauste in seinen Ohren, tausend Feuerfünkchen hüpften vor seinen Augen umher, er verlor den Kopf.

– Ha! ihr elenden Gesellen! rief er, ihr wollt sie tödten, und ihr geht zu sieben auf einen einzigen Mann los! Aber gleichviel, ihr kommt nicht hinein, sage ich euch. Der Erste der einen Schritt thut fällt von meiner Hand.

So sprechend hatte der Fischer sich vor seiner Thüre aufgestellt, indem er eine kleine Axt schwang womit er Holz zu spalten pflegte.

Auch die Entschlossensten wichen zurück.

Simonneau, den sein anererbter Haß gegen die Guichards trieb, warf sich ganz allein vorwärts. Die Axt war aufgehoben; sie fiel, nicht auf den Aufseher, sondern auf die Flinte welche dieser gegen seinen Feind zu gebrauchen versuchte; die Waffe entfuhr, etwas unter dem Griff entzweigespalten, den Händen Simonneaus, und die Erschütterung war so heftig, daß beide Hähne zuschnappten, beide Schüsse zugleich losgingen, und daß das Blei, sich zu einer Kugel ballend, zwei Löcher in die Thüre schlug vor welcher der Fischer stand, jedoch ohne ihn zu verletzen.

Bei dieser doppelten Explosion erscholl lautes Geschrei aus der Hütte; es kam von der Sterbenden und der zum Tod geängsteten kleinen Huberte.

Franz Guichard wartete einen zweiten Angriff nicht ab, sondern stürzte auf seine Gegner los.

Der arme Gerichtsdiener mußte den ersten Anprall aushalten.

Der Fischer versetzte ihm mit seiner Schulter einen so derben Stoß, daß er rücklings auf das Ufer fiel, den ganzen Abhang hinabrollte und zuletzt förmlich in den Fluß plumpste. Der Verwalter und ein Gendarm, denen es nicht unlieb war den Püffen eines so furchtbaren Angreifers ausweichen zu können, eilten dem Mann des Gesetzes zu Hilfe. Der Kampf blieb auf die beiden Kameraden des letzteren und die Aufseher beschränkt; aber was sie auch thun mochten, sie konnten den Fischer nicht festnehmen; seine herculische Stärke spottete aller ihrer Anstrengungen. Sie mußten zurückweichen.

In diesem Augenblick trat der Fährmann auf Franz Guichard zu.

– Fliehe, Franz, fliehe! sagte er zu ihm; Du hast Dich da in einen bösen Handel eingelassen; Du kannst zwei Gendarmen in die Pfanne bauen, aber Du wirst zehn und zwanzig nicht bezwingen, und im Nothfall würde man die ganze Garnison von Vincennes gegen Dich ausschicken. Flieh also, wir wollen Deine Luise zu uns hinüberschaffen; wir werden sie so gut verpflegen als Du selbst thun könntest; darum flieh, wenn Du sie je wieder zu sehen wünschest.

Der Fischer riß sich eine Hand voll Haare aus, aber er sah ein daß der Rat des Fährmanns vernünftig war. Die Gegner von Franz Guichard bildeten ihre Reihen wieder und zeigten sich fest entschlossen den Angriff zu erneuern.

Es war also keine Zeit zu verlieren. Der Fischer warf einen letzten Blick in seine arme Wohnung und sah, aber nur undeutlich, die Silhouette seiner Frau gleich einem weißen Gespenst auf dem schwärzlichen Grund und der Serschevorhänge sich abheben; sie saß mit verstörten Augen und zerzausten Haaren auf ihrem Bett und hörte voll Angst auf das Getöse des Kampfes das bis zu ihr gedrungen war. Er rief ihr zu:

– Bald, Luise, bald!

Dann umging er das Gehege und lief aus Leibeskräften querfeldein.

Aufseher und Gendarmen verfolgten ihn aufs Hartnäckigste, während der Gerichtsdiener und der Verwalter, gleich erbittert über den Widerstand und über das Bad welches der Erstere genommen hatte, ihr trauriges Geschäft vollzogen. Sie durchstreiften den Wald bis in die Nacht, aber der Fischer entging allen Nachforschungen; er war blos durch das Gehau gelaufen und sodann in den Fluß gestiegen an einem Platz wo eine dichte Gruppe von Pappeln seine Ufer verdeckte: er war bis an den Hals ins Wasser getreten, hatte seinen Kopf unter einer überhängenden Weidenwurzel versteckt und sich dadurch für alle Welt, ausgenommen für seine alten Bekannten, die Fische, unsichtbar gemacht.

Franz Guichard blieb da wie eine Otter zusammengekauert bis zum Abend, befand sich aber in der heftigsten Aufregung; vergebens sagte er sich daß der Fährmann Mathias seine Luise so zärtlich verpflegen würde wie nur je ein Sohn seine Mutter verpflegt habe, und daß seine Rückkehr zur Fähre sowohl den Zustand seiner Frau als seine eigene Lage blos verschlimmern könnte; seine Unruhige und Bangigkeit wurde so qualvoll, daß sein sonst so solider und dem Wirklichen zugekehrter Verstand auf Augenblicke aus den Fugen wich. Die Fluthen in ihrem Geroll schienen Ihm Klagen zu murmeln; er sah menschliche Gestalten zwischen den cristallenen Wellen umherschleichen die vor ihm dahinflossen; er hörte von den Glockenthürmen aller Dörfer der Umgebung Todtengeläute.

Als die Nacht gekommen war, setzte er so viel als möglich schwimmend über den Fluß, erreichte das Ufer von Chennevière und ging hinab bis er seiner Wohnung gegenüber kam.

Als er die Pappelbäume und die schattigen Massen der großen Insel hinter sich hatte, fiel ihm eine Centnerlast vom Herzen.

Er bemerkte aus dem andern Ufer sein Häuschen, das sich schwarz auf dem röthlichen Grund abhob welchen der Himmel in der Gegend von Paris selbst in den dunkelsten Nächten behält.

Dort stand es, aufrecht, unversehrt zwischen den zwei Bäumen die seine Facade zeigten, und aus seinem Kamin stiegen Rauchsäulen auf, welche das Leben im Innern der Hütte verriethen.

Man hatte es also nicht zerstört, wie man ihm zu verstehen gegeben.

Man sah nicht blos Rauch, sondern man sah auch die Fensterchen über der Thüre gleich Diamanten funkeln.

Man hatte also die arme Kranke nicht aus ihrer Wohnung vertrieben; man hatte Mitleid mit ihr gehabt.

Franz Guichard, der Abkömmling der Wilddiebe bei welchen die Ungläubigkeit erblich war, warf sich auf seine Kniee und betete aus vollem Herzen.

Da er nun überzeugt war daß Gott, der kaum erst so viel für ihn gethan, ihn nicht mehr verlassen könne, so sprang er mit großem Getöse und ohne die geringsten Vorsichtsmaßregeln in den Fluß.

Mit zehn Stößen befand er sich am andern Ufer und und wollte eben auf sein Häuschen zulaufen, als ein Gedanke ihm durch den Kopf fuhr.

Wenn hinter dieser Ruhe, dieser Beleuchtung ein Fallstrick läge!

Das Haus des Fährmanns stand fünfzig Schritte entfernt, aber Franz Guichard konnte es nicht über sich gewinnen so weit auf Erkundigungen auszuziehen, während sein eigenes Haus ganz in der Nähe und in demselben ohne Zweifel Luise war.

Er legte sich auf seinen Bauch und kroch wie eine Schlange; so kam er an die Hütte, richtete dann langsam seinen Kopf bis zur Höhe des Fensters empor das den Fluß abwärts schaute, und warf einen Blick in das Innere des Hauses.

So wenig Franz Guichard für heftige Eindrücke geeignet war, so brachte ihn doch das was er jetzt sah in eine solche Bestürzung als wäre er plötzlich ins Thal Josaphat versetzt worden, oder als hätte er in den Wolken die furchtbare Trompete des jüngsten Gerichts erschallen gehört.

Das Fenster an welches er sich zur Beobachtung gestellt hatte stand dem Bett gegenüber; in diesem Bett hatte er Luise gesucht und er hatte eine vollständig in ein weißes Tuch eingehüllte menschliche Gestalt gesehen.

Bei diesem Anblick blieb er eine Minute lang stumm und starr vor Entsetzen stehen.

Die Helle der beiden Kerzen die um das Crucifix her brannten, und die neben diesem Todtenbett auf einem Stuhle stehende Weihwasserschale hoben die Formen des Leichnams ungemein hervor; die Gesichtszüge zeichneten sich deutlich auf dem Leintuch ab: man hätts glauben können eine Marmorstatue vor sich zu haben.

Das Feuer flammte lebhaft und lustig im Kamin; Mathias der Fährmann saß auf einem Schemel; er hielt die kleine Huberte auf seinem Schoß und gab ihr in kleinen Löffeln voll von der Suppe zu essen die er aus einem Napf in der Ecke des Kamins schöpfte.

Diese ungewohnte Beleuchtung belustigte das Kind; es suchte durch sein Geplauder die Stirne des Fährmanns zu entrunzeln, der in Gram versunken schien.

Franz Guichard sah Nichts von den Nebenpartien dieses Gemäldes; seine Augen blieben auf den Leichnam wie auf ein Gespenst geheftet; durch die Umhüllung hindurch sah er Luise so wie sie wirklich unter dem Schweißtuche war, mit ihren langen gesenkten Wimpern, ihrem halboffenen Mund, ihren geschlossenen Zähnen, ihren etwas zusammengezogenen Nasenflügeln und ihrer elfenbeinweißen Haut; aber sein Herz wollte sie nicht erkennen; er sagte: »Nein, nein, sie ist es nicht.«

Der arme Fischer stürzte auf die Thüre zu, stieß sie heftig auf, trat ein, und ohne sich um die kleine Huberte zu bekümmern, die ihm ihre Aermchen entgegenstreckte, riß er das Leintuch vom Gesicht der Todten weg.

Seine Augen hatten ihn in ihrem übernatürlichen Scharfblick nicht getäuscht: es war wirklich Luise Pommereuil die da lag.

Franz Guichard ergriff die Hand seiner Frau und behielt sie bis zum Tag in der seinigen, indem er sie mit seinen Küssen und Thränen bedeckte.

Der Pechvogel

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