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KAPITEL 1
ÜBERLEGUNGEN
ОглавлениеWenn ich ein Spielergebnis anführen müsste, das am besten versinnbildlicht, worum es bei Manchester United geht, dann wäre es das Spiel Nummer 1500, mein letztes. West Bromwich Albion gegen Manchester United 5:5. Verrückt. Wunderbar. Unglaublich.
Wann immer man zu einem Spiel von United ging, erwartete man Tore und Emotionen, und das Herz wurde oft auf eine harte Probe gestellt. Auch an diesem Tag war das so. Wir hatten innerhalb von neun Minuten eine 5:2-Führung gegen West Bromwich aus der Hand gegeben, und ich machte in der Umkleide meiner Verärgerung über die verschenkte Führung Luft. Aber die Spieler durchschauten mich, denn ich konnte meine verhohlene Begeisterung über das spannende Spiel mit dem historischen Unentschieden wohl nicht richtig verbergen. Also sagte ich einfach: »Danke, Jungs. Ihr habt mir einen verdammt guten Abschied geschenkt!«
David Moyes war bereits zu meinem Nachfolger ernannt worden und als wir nach dem Spiel in der Kabine saßen, witzelte Ryan Giggs: »David Moyes hat gerade sein Amt niedergelegt.«
Trotz unserer Abwehrschwächen an diesem Tag war ich stolz und erleichtert, dieses tolle Team von Spielern und den ebenso tollen Trainerstab in Davids Obhut zu übergeben. Meine Arbeit war getan. Meine Familie wartete in der Regis Suite auf dem Gelände von West Brom auf mich, und ein neues Leben lag vor mir.
Es war einer jener Tage, die einem wie ein Traum erscheinen. West Brom hatte alles erstklassig organisiert und sich bestens um mich gekümmert. Später schickten sie mir die von sämtlichen Spielern unterschriebenen Listen mit den Mannschaftsaufstellungen. Fast meine ganze Familie war bei mir: drei Söhne, acht Enkel und etliche gute Freunde. Ich freute mich, dass sie da waren und dass wir alle gemeinsam dieses letzte Spiel erleben konnten.
Als ich auf dem Gelände von West Brom aus dem Teambus stieg, wollte ich jeden Augenblick bewusst genießen. Das Loslassen fiel mir nicht schwer, weil ich wusste, dass der richtige Zeitpunkt gekommen war. Am Vorabend vor dem Spiel hatten die Spieler bekannt gegeben, dass sie mir zu meinem Ruhestand etwas überreichen wollten. Ihr besonderes Geschenk bestand aus einer schönen Rolex aus dem Jahr 1941, meinem Geburtsjahr, bei der die Zeit auf 15:03 Uhr eingestellt war, also genau jenen Zeitpunkt, an dem ich am 31. Dezember 1941 in Glasgow das Licht der Welt erblickte. Dazu überreichten sie mir ein Fotoalbum, das meine Zeit bei United Revue passieren ließ – mit Bildern meiner Enkel und meiner Familie auf der Mittelseite. Es war der Uhrennarr Rio Ferdinand, der die Idee für dieses Geschenk hatte.
Nachdem man mir das Album und die Uhr überreicht hatte und heftig applaudiert wurde, bemerkte ich auf den Gesichtern einiger Spieler einen besonderen Ausdruck. Manche waren sich wohl nicht ganz sicher, wie sie mit diesem Moment umgehen sollten, weil sie mich ja immer in ihrer Nähe gehabt hatten; einige seit 20 Jahren. Ich bemerkte den fragenden Gesichtsausdruck, der zu sagen schien: Wie wird es jetzt wohl weitergehen? Manche hatten nie einen anderen Trainer als mich.
Trotzdem war noch ein Spiel zu machen, und ich wollte, dass es gut wird. Schon nach einer halben Stunde lagen wir 3:0 in Führung, aber West Brom war nicht bereit, mir den Abschied zu versüßen. John Sivebæk erzielte am 22. November 1986 das erste Tor für United in meiner Zeit als Trainer. Den letzten Treffer landete Javier Hernández am 19. Mai 2013. Beim Spielstand von 5:2 hätte daraus auch 20:2 für uns werden können. Beim Stand von 5:5 hätten wir auch 20:5 verlieren können. Die Abwehr war das reinste Chaos. West Brom erzielte innerhalb von fünf Minuten drei Tore, alles Treffer von Romelu Lakaku, also ein Hattrick.
Trotz des späten Ansturms auf unser Tor war die Stimmung in der Umkleide ausgelassen. Nach dem Abpfiff blieben wir noch auf dem Spielfeld, um uns bei den United Fans zu bedanken. Giggsy schob mich nach vorn, und die Spieler hielten sich im Hintergrund. Ich stand allein vor einem Mosaik glücklicher Gesichter. Unsere Fans hatten den ganzen Tag über gesungen, skandiert und waren rumgehüpft. Wie gern hätte ich 5:2 gewonnen, aber das 5:5 war in gewisser Weise ein passender Abschluss. Es war das erste 5:5-Unentschieden in der Geschichte der Premier League und das erste in meiner Karriere: Ein abschließendes kleines Stückchen Geschichte in meinen letzten 90 Minuten als Coach.
Wieder zurück in Manchester erwartete mich in meinem Büro eine Flut von Post. Real Madrid schickte ein schönes Geschenk: eine Kopie des La Plaza de Cibeles aus massivem Silber, also jenes Platzes mit dem berühmten Brunnen in Madrid, auf dem die Madrilenen traditionell ihre Meister feiern. Dabei lag ein netter Brief von Florentino Pérez, dem Präsidenten von Real. Auch Ajax Amsterdam und Edwin van der Sar schickten Präsente, und Lyn, meine Assistentin, musste sich durch Berge von Briefen arbeiten.
Beim Heimspiel gegen Swansea City am Wochenende zuvor – meinem letzten Spiel im Old Trafford – hatte ich keine Ahnung, was mich außer einer Ehrenformation noch erwarten würde. Es war das Ende einer arbeitsreichen Woche, in der wir der Familie, unseren Freunden, den Spielern und dem Mitarbeiterstab beibringen mussten, dass ich beschlossen hatte, eine neue Lebensphase einzuläuten.
Der Keim meines Entschlusses, zurückzutreten, war im Winter 2012 gelegt worden. Um die Weihnachtszeit nahm ein Gedanke in meinem Kopf immer klarere und deutlichere Züge an: Ich werde aufhören.
»Warum hast du das vor?«, fragte Cathy.
»So etwas wie das Versemmeln des Titels im letzten Spiel, wie in der vergangenen Saison, halte ich nicht noch mal aus«, erklärte ich ihr. »Ich hoffe nur, wir gewinnen dieses Mal die Meisterschaft und erreichen das Finale der Champions League oder des FA Cups. Das wäre ein großartiger Abschluss.«
Cathy, die im Oktober ihre Schwester Bridget verloren und damit zu kämpfen hatte, über den Verlust hinwegzukommen, stimmte mir bald zu und hielt meine Entscheidung für richtig. Ihrer Meinung nach war ich noch immer jung genug, um in meinem Leben andere Dinge anzupacken, falls ich das wollte. Mein Vertrag verpflichtete mich, den Club bis zum 31. März in Kenntnis zu setzen, falls ich im Sommer zurücktreten wolle.
David Gill hatte mich an einem Sonntag im Februar spontan angerufen und gefragt, ob er bei mir zu Hause vorbeikommen könne. Am Sonntagnachmittag? »Ich wette, er legt sein Amt als Geschäftsführer nieder«, sagte ich. »Entweder das, oder du wirst gefeuert«, meinte Cathy. Tatsächlich hatte sich David entschlossen, am Ende der Saison zurückzutreten. »Mensch, David«, sagte ich. Und ich beichtete ihm, dass ich das Gleiche vorhatte.
An einem der folgenden Tage rief mich David an, um mir zu sagen, dass ich mich auf einen Anruf der Glazers, den amerikanischen Eigentümern des Clubs, die auch die beiden Vorstandsvorsitzenden von United stellten, gefasst machen sollte. Als es so weit war, versicherte ich Joel Glazer, dass meine Entscheidung nichts mit Davids plötzlichem Rücktritt zu tun habe. Ich sagte ihnen, dass mein Entschluss bereits zu Weihnachten festgestanden habe und legte ihm ausführlich meine Gründe dar: Nach dem Tod von Cathys Schwester im Oktober hatte sich unser Leben verändert, und Cathy fühlte sich einsam. Joel zeigte dafür viel Verständnis. Wir vereinbarten, uns in New York zu treffen. Dort versuchte er dann, mir meinen Rücktritt auszureden. Ich sagte ihm, dass ich seine Bemühungen zu schätzen wisse und dankte ihm für seine Unterstützung, und er brachte seine Dankbarkeit für meine Arbeit zum Ausdruck.
Da ich von meinem Entschluss nicht abzubringen war, drehte sich das Gespräch bald um die Frage, wer mein Nachfolger werden könnte. Wir waren uns einig: David Moyes war der richtige Mann.
David Gill kam bei mir zu Hause vorbei, um über die Verfügbarkeit von David Moyes zu reden, denn die Glazers legten großen Wert darauf, dass nach meinem Rücktritt, sobald dieser öffentlich gemacht wurde, keine lange Phase der Spekulationen über meine Nachfolge entstehen sollte. Sie wollten, dass mein Nachfolger sein Amt innerhalb weniger Tage antrat.
Vielen Schotten wird eine gewisse Sturheit und ein starker Wille nachgesagt. Wenn Schotten ihrer Heimat den Rücken kehren, dann meist nur aus einem einzigen Grund, der Suche nach Erfolg. Schotten verlassen das Land nicht etwa, um die Vergangenheit hinter sich zu lassen. Sie ziehen fort, um sich selbst zu verwirklichen. Das kann man auf der der ganzen Welt feststellen, vor allem jedoch in Amerika und Kanada. Das Verlassen ihrer Heimat ist für die Schotten fast immer mit dem Entschluss verbunden, etwas zu erreichen. Diese schottische Sturheit, von der häufig die Rede ist, zeigt sich auch bei mir.
Dem im Ausland lebenden Schotten mangelt es nicht an Humor. Und auch David Moyes fehlt es nicht an ausgeprägtem Witz. Doch wenn es um ihre Arbeit geht, nehmen die Schotten die Sache sehr ernst – eine Eigenschaft von unschätzbarem Wert. Häufig bekam ich dehalb zu hören: »Während eines Spiels sieht man dich nie lächeln.« Darauf antwortete ich immer: »Ich bin nicht da, um zu lächeln, sondern um das Spiel zu gewinnen.«
David besaß einige dieser typischen Wesenszüge. Ich kannte seinen familiären Hintergrund. Sein Vater, David Moyes senior, war Trainer bei Drumchapel, wo ich als junger Bursche gespielt hatte. In seiner Familie gibt es ein starkes Zusammengehörigkeitsgefühl. Ich will nicht behaupten, dass dies ein Grund wäre, jemanden zu engagieren, trotzdem möchte man sich bei jemandem, der für einen so wichtigen Job vorgesehen ist, einer guten Basis sicher sein. Ich verließ Drumchapel im Jahr 1957, als David senior noch ein junger Typ war. Es gab also keine direkten Berührungspunkte, aber ich kannte die Familiengeschichte der Moyes.
Die amerikanische Eigentümerfamilie Glazer mochte David. Sie waren von Anfang an von ihm beeindruckt. Das Erste, was ihnen gewiss an ihm aufgefallen war, war die Tatsache, dass er kein Blatt vor den Mund nimmt. Es ist eine Tugend, aufrichtig über sich selbst zu reden. Und um jeder Befürchtung zuvorzukommen: Ich werde David auf keinen Fall reinreden. Weshalb sollte ich nach 27 Jahren als Trainer den Drang haben, mich da einzumischen? Ich hatte den für mich richtigen Zeitpunkt gewählt, um diesen Abschnitt meines Lebens abzuschließen. Und David würde keine Schwierigkeiten haben, unsere Traditionen weiterzuführen. Er kann Talente gut beurteilen und hat in Everton wunderbaren Fußball gezeigt.
Ich bin mir sicher, dass ich meinen Rückzug nicht bereuen würde. Daran wird sich auch nichts ändern. Wenn man die 70 erst mal erreicht hat, kann es leicht passieren, dass man körperlich und geistig rasch abbaut. Aber ich war vom Augenblick meines Rücktritts an sehr beschäftigt und habe Projekte in Amerika und andernorts übernommen. Es bestand also keine Gefahr, dass ich mich dem Müßiggang hingeben würde.
In den Tagen rund um die Ankündigung meines Rückzugs bestand natürlich das großes Problem, meinen Entschluss den Leuten unseres Stabs in Carrington, dem Trainingsgelände des Clubs, beizubringen. Ich erinnere mich noch daran, dass, wenn ich von den Veränderungen in meinem Leben und vom Tod von Cathys Schwester gesprochen habe, ein mitleidvolles »Aaah« zu hören war. Das ging mir sehr nahe. Ich war wirklich sehr gerührt.
Am Vortag der offiziellen Ankündigung hatten erste Gerüchte die Runde gemacht. Zu diesem Zeitpunkt musste ich es noch immer meinem Bruder Martin beibringen. Das war kompliziert zu organisieren, vor allem mit Blick auf die New Yorker Börse. Deshalb brachte mich die Tatsache, dass die Nachricht langsam durchsickerte, wegen einiger Leute, die ich persönlich ins Vertrauen setzen wollte, in gewisse Schwierigkeiten.
Am Mittwochmorgen, es war der 8. Mai, trommelte ich den ganzen Trainerstab und getrennt davon in der Umkleide die Spieler zusammen. Ich ging in die Kabine, um dem Team mitzuteilen, dass wir die Ankündigung zuerst über die Website des Clubs laufen lassen würden. Keiner durfte sein Handy benutzen. Ich wollte nicht, dass irgendjemand die Nachricht verbreitete, bevor ich Gelegenheit hatte, jeden auf dem Trainingsgelände darüber zu informieren. Doch angesichts der kursierenden Gerüchte wussten sie bereits, dass etwas Wichtiges im Busch war.
Ich sagte zu den versammelten Spielern: »Ich hoffe, ich habe keinen von euch enttäuscht, weil ihr vielleicht geglaubt habt, ich würde ewig bleiben.« Ich hatte nämlich Robin van Persie und Shinji Kagawa bei ihrer Verpflichtung versichert, dass ich nicht so bald in Ruhestand gehen würde, was zum damaligen Zeitpunkt auch stimmte.
»Die Dinge verändern sich«, fuhr ich fort. »Der Tod der Schwester meiner Frau war ein dramatischer Einschnitt für uns. Außerdem möchte ich als Gewinner vom Platz gehen. Und ich werde als Gewinner gehen.«
Von einigen Gesichtern konnte man ablesen, wie schockiert sie waren. »Geht heute zu den Pferderennen und amüsiert euch«, sagte ich. »Wir sehen uns am Donnerstag.« Ich hatte den Spielern diesen Mittwochnachmittag bereits Tage zuvor frei gegeben, damit sie nach Chester fahren konnten. Alle wussten das. Es gehörte zum Plan. Ich wollte nicht, dass die Leute die Spieler für herzlos hielten, weil sie sich an dem Tag, an dem ich mit der Nachricht an die Öffentlichkeit ging, bei den Pferderennen in Chester vergnügten. Deshalb hatte ich großen Wert darauf gelegt, schon eine Woche zuvor anzukündigen, dass sie in Chester sein würden.
Dann ging ich zum Trainerstab hinauf und teilte ihnen meine Entscheidung mit. Alle applaudierten. »Gut, dich loszuwerden«, meinte der eine oder andere.
Von allen Beteiligten waren die Spieler wohl am stärksten vor den Kopf gestoßen. Ihnen werden sicherlich sofort solche Fragen durch den Kopf gegangen sein, wie ›Ob der neue Trainer mich wohl mag?‹ oder ›Ob ich in der nächsten Saison wohl noch hier bin?‹ Die Trainer werden gedacht haben: ›Das könnte für mich das Aus bedeuten.‹ Für mich rückte aber die Zeit näher, in der ich mich von der Bühne des Ankündigens und Erklärens zurückziehen und meine Gedanken ordnen konnte.
Ich hatte im Voraus beschlossen, direkt nach Hause zu fahren, da ich wusste, dass in den Medien ein Riesenwirbel losbrechen würde. Ich wollte Carrington nicht umringt von einer Pressemeute und im Blitzlichtgewitter verlassen.
Zu Hause schloss ich mich ein. Jason, mein Anwalt, und Lyn schickten gleichzeitig SMS, als die Ankündigung veröffentlicht wurde. Lyn schrieb eine Viertelstunde lang eine SMS nach der anderen. Offenbar brachten 38 Zeitungen weltweit, einschließlich der New York Times, die Nachricht auf der Titelseite. Britische Blätter planten zehn- bis zwölfseitige Beilagen.
Der Umfang und die Ausführlichkeit dieser Berichterstattung waren schmeichelhaft. Ich hatte im Laufe der Jahre mit der schreibenden Zunft so manchen Kampf ausgefochten, aber ich hegte nie Groll gegen sie. Ich weiß, dass die Leute von den Printmedien unter großem Druck stehen. Sie müssen gegen das Fernsehen, das Internet, Facebook, Twitter und viele andere Medien antreten und haben darüber hinaus womöglich ständig die Herausgeber im Nacken. Es ist eine harte Branche.
Die Berichterstattung bewies, dass auch die Medien trotz all unserer Konflikte keinen Groll gegen mich hegten. Sie hoben den Wert meiner Karriere hervor und wiederholten, was ich bei Pressekonferenzen gesagt hatte. Ich bekam von den Pressevertretern sogar Geschenke: einen Kuchen mit einem Föhn obendrauf und eine gute Flasche Wein. Beides wusste ich zu schätzen.
Beim Spiel gegen Swansea erklang im Stadion Sinatras My Way und Nat King Coles Unforgettable. Wir gewannen das Spiel so, wie wir so viele der 895 Spiele gewonnen hatten, in denen meine Teams siegreich vom Platz gingen: mit einem späten Tor von Rio Ferdinand.
Meine Rede auf dem Spielfeld hielt ich aus dem Stegreif. Ich hatte mir keine Notizen gemacht. Ich wusste nur, dass ich nicht jeden Einzelnen lobend hervorheben würde. Es ging nicht um die Vorstände, die Unterstützer oder die Spieler: Es ging um Manchester United.
Ich forderte die Fans auf, zu meinem Nachfolger David Moyes zu stehen. »Ich möchte euch daran erinnern, dass wir hier auch schlechte Zeiten hatten«, sagte ich über die Stadionsprechanlage. »Der Club hat zu mir gehalten. Deshalb ist es jetzt eure Aufgabe, zu unserem neuen Trainer zu halten. Das ist wichtig.«
Hätte ich David nicht erwähnt, dann hätten die Leute sich vielleicht gefragt: ›Wie? Wollte Ferguson Moyes nicht als Nachfolger haben?‹ Wir mussten unsere vorbehaltlose Unterstützung für ihn demonstrieren. Der Club muss weiterhin gewinnen. Das war der Wunsch, der uns alle verband. Wie alle anderen wünsche ich mir, dass er weiterhin erfolgreich bleibt. Jetzt kann ich die Spiele so genießen, wie Bobby Charlton es nach seinem Rücktritt konnte. Wenn man Bobby nach einem Sieg trifft, funkeln seine Augen und er reibt sich die Hände. Er freut sich. Dieses Gefühl möchte auch ich verspüren. Ich will in der Lage sein, Champions-League-Spiele anzuschauen und den Leuten zu sagen: Ich bin stolz auf diese Mannschaft, das ist ein großartiger Verein.
Bei dieser Gelegenheit ertappte ich mich dabei, Paul Scholes herauszuspicken. Ich wusste, dass er darüber nicht erfreut sein würde, aber ich konnte nicht anders. Auch Paul war im Begriff, seine Karriere zu beenden. Außerdem wünschte ich Darren Fletcher, der an einer Darmerkrankung litt, gute Besserung, was aber nur wenige mitbekamen.
Ein paar Tage später trat auf einem Flughafen ein Mann mit einem Couvert in der Hand auf mich zu und sagte: »Das wollte ich gerade an Sie einwerfen.« Es handelte sich um einen Artikel aus einer irischen Zeitung, in dem festgestellt wurde, dass ich den Club auf die gleiche Weise verlassen hätte, wie ich ihn gemanagt hatte: In meinem ganz eigenen Stil. »Typisch Ferguson eben«, hatte der Journalist geschrieben. Mir gefiel dieser Artikel. Genau so sah ich meine Zeit bei United, und ich war stolz, dass sie so beschrieben wurde.
Als ich von der Bühne abtrat, brachte David drei Männer seines eigenen Trainerstabs mit – Steve Round, Chris Woods und Jimmy Lumsden. Darüber hinaus übernahm er Ryan Giggs und Phil Neville, was bedeutete, dass René Meulensteen, Mick Phelan und Eric Steele ihre Jobs los waren. Das war Davids Angelegenheit. Ich hatte ihm gesagt, dass ich mich freuen würde, wenn er meine Leute übernehmen würde. Es war aber nicht meine Sache, mich hier einzumischen oder ihn zu hindern, seine eigenen Co-Trainer mitzubringen.
Jimmy Lumsden arbeitete schon lange mit David zusammen. Ich kannte ihn aus meiner Zeit in Glasgow. Jimmy kam etwa eine Meile von meinem Zuhause entfernt, in dem an Govan grenzenden Stadtviertel, auf die Welt. Er ist ein guter Kerl und ein großartiger Fußballspieler. Dennoch fand ich es schade, dass bewährte Männer ihre Jobs verloren, aber so ist das im Fußball eben. Die Angelegenheit wurde jedoch recht gut geregelt. Ich sagte allen dreien, wie leid es mir tue, dass sie nicht bleiben konnten. Mick, mit dem ich 20 Jahre zusammengearbeitet hatte, meinte, ich bräuchte mich für nichts zu entschuldigen, und er dankte mir für die großartige Zeit, die wir miteinander verbracht hatten.
Im Rückblick konzentrierte ich mich nicht nur auf die Triumphe, sondern auch auf die Niederlagen. Ich habe drei FA-Cup-Finales verloren – gegen Everton, Arsenal und Chelsea. Ich habe Ligafinales gegen Sheffield Wednesday, Aston Villa und Liverpool verloren und bin zweimal im Europapokalfinale gegen Barcelona gescheitert. Auch das gehört zur Komplexität von Manchester United: die Wiederauferstehung. Ich war mir stets bewusst, dass es nicht immer nur Siege und Triumphfahrten im offenen Wagen geben würde. Als wir 1995 im FA-Cup-Finale gegen Everton eine Niederlage einstecken mussten, sagte ich mir: ›Das war’s, jetzt werde ich hier einiges verändern.‹ Und das geschah dann auch. Wir stellten junge Spieler des sogenannten Jahrgangs ’92 auf. Wir konnten sie nicht länger zurückhalten. Es handelte sich um eine ganz besondere Gruppe von Spielern.
Wenn man mit dem Club verliert, wirkt das in einem nach. Sich eine Weile darüber zu ärgern und dann genauso weiterzumachen wie gehabt, das kam für mich nie infrage. Wenn man in einem Finale scheitert, trifft einen das tief, vor allem, wenn man 23 Torschüsse aufs Tor hatte und der Gegner gerade einmal zwei, oder wenn man am Ende im Elfmeterschießen unterliegt. Mein erster Gedanke war jedes Mal: ›Überleg dir schnell, was du in Zukunft machst.‹ Gedanklich konzentrierte ich mich sofort auf Maßnahmen zur Verbesserung und Neubelebung unseres Spiels. Ich wollte immer in der Lage sein, mir schnell neue Möglichkeiten auszudenken, während es natürlich viel bequemer gewesen wäre, einfach nur niedergeschlagen zu sein.
Manchmal sind Niederlagen das Beste, was einem passieren kann. Auf Widrigkeiten reagieren zu können, ist eine Gabe. Damit zeigt man selbst in den schlimmsten Phasen Stärke. Bei uns gab es einen großartigen Spruch: Es ist ja nur ein Tag in der Geschichte von Manchester United. Mit anderen Worten: Wieder zurückzukommen ist ein Teil unserer Identität. Wenn man auf Niederlagen lustlos reagiert, kann man sicher sein, dass weitere folgen werden. Häufig verloren wir in einem Match zwei Punkte, weil der Gegner mit der letzten Ballberührung zum Ausgleich kam, und gewannen dann aber sechs oder sieben Spiele in Folge. Das war kein Zufall.
Viele Fans gehen mit den Eindrücken des Spiels am Wochenende am Montagmorgen zur Arbeit. Im Januar 2010 schrieb mir ein Mann und forderte: »Bitte erstatten Sie mir die 41 Pfund, die ich am Sonntag für mein Ticket bezahlt habe. Sie haben mir gute Unterhaltung versprochen. Am Sonntag bin ich aber wirklich nicht gut unterhalten worden. Kann ich also meine 41 Pfund zurückhaben?« Ein schöner Fan war das! Ich überlegte mir, ob ich ihm antworten sollte: »Können Sie die 41 Pfund bitte von meinen Gewinnen der letzten 24 Jahre abziehen?«
Da gewinnt man all diese Spiele gegen Juventus Turin und Real Madrid, und einer verlangt nach einem etwas ruhigeren Sonntag sein Geld zurück! Gibt es irgendeinen Verein auf der Welt, der einem mehr Momente des Schreckens liefert als Manchester United? In jedem Programmheft hätte ich die Fans warnen können: Falls es 20 Minuten vor Spielschluss 1:0 gegen uns steht, gehen Sie lieber nach Hause, sonst könnten es am Ende sein, dass sie hinausgetragen werden müssen und im nächsten Krankenhaus landen.
Ich hoffe, dass mir keiner widerspricht, wenn ich sage: Niemand wurde übers Ohr gehauen. Langweilig war es jedenfalls nie.