Читать книгу Besessen - Das turbulente Leben von Prince - Alex Hahn - Страница 10

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2.: Im Alleingang

Nur wenige Wochen nachdem Prince seinen Vertrag mit Warner Bros. unterzeichnet hatte, stellte sich erstmals konkret die Frage, wer in dieser Arbeits­beziehung tatsächlich den Ton angeben würde. Zwar hatte die Firma zugestimmt, dass er sein erstes Album zumindest koproduzieren durfte, aber es war noch nicht geklärt, wer der andere Produzent sein würde, und vor allem nicht, wie stark Prince den Sound seines Albums selbst würde bestimmen dürfen. Seiner Ansicht nach war die Antwort ganz einfach: Die Entscheidungen lagen in seinen Händen. Dadurch, dass drei Firmen um seine Unterschrift konkurriert hatten, hatte sich bei ihm die Vorstellung noch mehr verfestigt, dass ihm ein derartiger Einfluss zustand, und er begann nun weitere Forderungen zu stellen. „Er legte es definitiv darauf an, die Botschaft zu übermitteln: ‚Ich kann das alles allein, und ihr könnt mich am Arsch lecken‘“, sagte Steve Fontano, der als Toningenieursassistent an der Platte mitarbeitete.

Dennoch zögerten Warner Bros., den Forderungen des jungen Künstlers ganz und gar nachzugeben. Die Firmenköpfe Mo Ostin und Lenny Waronker waren zwar von seinem Talent überzeugt, aber sie waren sich nicht sicher, ob sie ihm diese komplizierte und kostspielige Aufgabe anvertrauen konnten, die sowohl technisches Wissen als auch jene große unbekannte Qualität voraussetzte – die Gabe, einen Sound zu erschaffen, der bei den Radios gut ankommen würde. Während der Siebziger und bis weit in die Achtziger hatte der Produzent eine Schlüsselstellung inne, und bei neuen Künstlern wurde fast immer ein erfahrener Profi engagiert, um das Werk in die richtige Richtung zu bringen. Männer – es waren fast immer Männer – wie Nile Rogers, der Kopf der Band Chic, James Anthony Carmichael, der häufig für die Commodores tätig war, und Giorgio Moroder, der Hitfabrikant von Donna Summer und anderen, regierten am Mischpult mit eiserner Hand. Einem Neunzehnjährigen diese Verantwortung zu übertragen, so etwas hatte es in der Warner-Geschichte noch nie gegeben.

Aber die Firmenchefs standen vor einem Dilemma: Ihnen wurde klar, dass sie möglicherweise ihren Ruf als künstlerfreundliches Label gefährden würden, wenn sie jetzt zu autoritär auftraten. Genau dieser Ruf hatte Prince ja auch zu ihnen geführt. Ostin und Waronker, für die beide die Mission des Labels darin bestand, Kreativität zu fördern, zogen es vor, lediglich ein gewisses Maß an Kontrolle auf Prince auszuüben, statt es sich mit ihm oder seinem Manager völlig zu verderben. Die Karrieren der beiden Firmenchefs waren bereits seit 1966 miteinander verbunden, als Ostin, der damals neununddreißigjährige Vizepräsident von Reprise Records, den sechsundzwanzigjährigen Waronker für sein A&R-Team anheuerte, jene Abteilung, die sich um die Entdeckung neuer und die Förderung bereits etablierter Künstler kümmert. Als Ostin Anfang der Siebziger Firmenchef von Warner wurde, brachte er Waronker als leitenden Angestellten mit. Beide Männer bauten sich innerhalb der Branche einen fantastischen Ruf auf – man betrachtete sie als umgänglich, ehrlich und enorm geschickt dabei, Musiker fürs Label auszuwählen. Beide waren persönlich zudem recht zurückhaltend und vermieden Publicity, und sie waren es gewöhnt, mit brillanten, schillernden und fordernden Künstlern umzugehen.

Ostin trat ganz sanft auf, als er Husney im Sommer 1977 anrief, um mit ihm über die Frage des Koproduzenten zu sprechen. Er schlug dabei zunächst einen der größten Namen in der R&B-Szene vor: Maurice White, den Chef und Schlagzeuger von Earth, Wind & Fire, einer Supergroup, die in den Siebzigern eine ganze Reihe erfolgreicher Alben herausgebracht hatte. Die tanzbaren Songs der Band ließen großes Songwritergeschick erkennen, und der glatte Sound prägte maßgeblich die Radiolandschaft seiner Zeit. Singles wie „Serpentine Fire“ und „Shining Star“ wurden große Charterfolge und übten großen Einfluss auf andere R&B-Produzenten aus. Ostin betrachtete White als jemanden, der einerseits dafür sorgen würde, dass die Platte eine gewisse Richtung bekam, und der andererseits ein idealer Mentor für einen jungen Künstler werden konnte. Husney hingegen wusste genau, dass Prince von der Idee entsetzt sein würde – er hatte ja schon den Vorschlag von CBS Records abgelehnt, dass Whites Bruder Verdine seinen Erstling produzieren sollte. Prince war felsenfest entschlossen, es allein zu schaffen, und er wollte bei niemandem auf dem Trittbrett mitfahren. Zudem fielen Earth, Wind & Fire für ihn in die Disco-Kategorie, eine Untergruppierung des R & B, die auf einfach gestrickten Melodien, neumodischen elektronischen Effekten und leichtgewichtigen Tanzrhythmen basierte. Er war überzeugt, dass diese Mode schnell überholt sein würde, und er wollte auf keinen Fall mit den dazugehörigen Gruppen in einen Topf geworfen werden.

Husney teilte Ostin zwar seine Zweifel mit, erklärte sich aber dennoch bereit, Prince den Vorschlag zu unterbreiten. Wie erwartet lehnte der ihn glatt ab und schrieb dann ein ausführliches Memo an Husney, in dem er seine Gegenargumente zusammenfasste. Der Sound von Earth, Wind & Fire sei veraltet und nicht authentisch, erklärte er, und Whites Input würde ihn eher von seiner eigenen, überaus originellen Vision ablenken, anstatt sie zu fördern. Als Ostin und Husney sich wieder berieten, gab der Firmenchef nach, was Maurice White betraf, hielt aber daran fest, dass Prince noch zu unerfahren war, um allein die Produktion zu übernehmen. Husney reagierte darauf mit einem Vorschlag, der schon mit CBS so gut funktioniert hatte: Prince sollte im Studio vor Publikum beweisen, dass er das nötige Können besaß. Dieses Mal sollte er jedoch nicht wissen, worum es ging; Husney wollte ihm lediglich sagen, dass Warner ihm ein Wochenende freie Studiozeit boten. Während der Session konnten dann die Warner-Manager hereinschauen und dabei so tun, als hätten sie im Studio noch zu arbeiten.

Ostin stimmte zu, und Prince flog daraufhin nach Los Angeles. Waronker und andere Warner-Mitarbeiter schauten in den Amigo Studios diskret kurz hinein, während Prince eine neue Version von „Just As Long As We’re Together“ einspielte. Husney erinnerte sich: „Er dachte, diese Leute seien die Hausmeis­ter.“ Nachdem das Warner-Team erlebt hatte, wie Prince jedes Instrument spielte und fast den ganzen Tag darauf verwendete, den Song schichtweise aufzubauen, kam man zu dem Schluss, es sei Unsinn, ihm einen Produzenten aufzuzwingen: Ein derartig talentierter und störrischer Musiker würde bei der Arbeit lernen müssen, auf die harte Tour. „Okay, wir werden auf den Kerl eine Platte verschwenden“, sagte Waronker nach der Session brummig zu Husney.

Aber Warner Bros. stellten dennoch eine entscheidende Bedingung: Ein übergeordneter Produzent, jemand mit viel technischer Erfahrung, sollte mit dabei sein, um den Aufnahmeprozess zu überwachen. Prince und Husney merkten, dass sie ihren Verhandlungsspielraum erschöpft hatten und lenkten ein. Die Aufgabe erhielt Tommy Vicari, ein erprobter Aufnahmetechniker, der bereits mit Carlos Santana, Billy Preston und anderen gearbeitet hatte.

Da Prince in Minneapolis aufnehmen wollte, machte er sich zunächst im Sound 80 ans Werk, wo er auch sein erstes professionelles Demo eingespielt hatte. Vicari hätte lieber in einem noch besser ausgestatteten Studio gearbeitet, und als technische Probleme die Sessions unterbrachen, schlug er vor, in ein Nobelstudio in Los Angeles umzuziehen. Husney war dagegen und erklärte, dass ein Neunzehnjähriger – selbst wenn er so diszipliniert war wie Prince – sich nur allzu leicht von der Partyatmosphäre der Stadt würde ablenken lassen. Sie einigten sich auf einen Kompromiss, auf das Record Plant in Sausalito, einer netten nordkalifornischen Stadt in der Nähe von San Francisco. Das Label mietete dem Team ein hübsches Haus im nahe gelegenen Corte Madera, das einen schönen Blick aufs Meer bot, und Prince, Vicari, Husney und dessen Frau Britt zogen dort ein.

Auf Prince, der nun der jüngste Warner-Produzent aller Zeiten war, lastete nun ein recht großer Druck, und als er ins Studio ging, war er von dem Gefühl durchdrungen, eine Mission erfüllen zu müssen. Wie immer nahm er jeden Song allein auf, indem er zunächst eine Basis aus Schlagzeug und Bass schuf und dann die anderen Instrumente hinzufügte. „Er schien zu den Leuten zu gehören, die den ganzen Song schon im Kopf hören können, noch bevor sie ihn gespielt haben“, erinnerte sich der Tontechniker Fontano.

Als zuvor die Demoaufnahmen im Sound 80 entstanden waren, hatte man im Studio noch viel gelacht, aber nun war es Prince todernst. Er arbeitete mit äußerster Konzentration und sorgte dafür, dass jeder Ton richtig saß, bis jeder Song perfekt klang. Die Musik, die dabei entstand, war größtenteils recht typischer R & B und besonders von Balladen geprägt. Er verließ sich dabei vor allem auf einen Oberheim-Synthesizer, der den Tracks oftmals einen stark elektronisch geprägten Sound verlieh. Um sich von anderen R&B-Gruppen abzu­heben, die oft mit Trompeten oder Saxofonen arbeiteten, setzte er den Synthesizer vor allem für Elemente ein, die ansonsten von den Bläsern übernommen wurden. Zu Anfang sprach Prince kaum mit Vicari oder Fontano. Er passte jedoch genau auf, wie sie das Equipment im Studio nutzten. Ihnen war zwar bewusst, dass er es letztlich darauf anlegte, sie überflüssig zu machen, aber sie staunten dennoch über seine Konzentration und über sein Geschick, mit dem er sich neue Fähigkeiten blitzschnell aneignete. „Sein größtes Talent ist, dass er einem Schwamm gleicht und alles Mögliche, was er bei anderen beobachtet, einfach so aufsaugen kann“, sagte Husney.

Mit Dave Rivkin wurde ein weiterer Toningenieur aus Minneapolis ein­geflogen, um seinen Gesang aufzunehmen. Prince, der sich sehr freute, ein bekanntes Gesicht zu sehen, wurde nun entspannter und freundlicher, und er verbrachte mit Rivkin auch viel Zeit außerhalb des Studios. Als sie eines Abends in einem noblen Restaurant in Sausalito essen waren, kaufte Prince eine Wasserpistole, mit der sie abwechselnd an die Decke schossen. „Noch drei Tische weiter sahen die Leute nach oben und fragten sich, ob da etwas undicht war“, erinnerte sich Rivkin. „Wir versuchten, uns das Lachen zu verkneifen.“

Aber im Studio stellte es sich als schwierig und Zeit raubend heraus, dem Gesang genau die Form zu geben, die Prince vorschwebte, und er nahm seine Vocals immer wieder neu auf. Allmählich begann Rivkin sich zu sorgen, dass sein Perfektionismus jegliche Spontaneität in der Musik zerstörte. Bei „For You“, einem a cappella gesungenen Track, versah Prince seine Stimme mit sechsundvierzig Overdubs. „Er stand so unter Druck, dass er viele Dinge immer wieder und wieder neu einspielte“, sagte Rivkin. Dicke Schichten Overdubs wurden zusätzlich verwendet, um seine Fähigkeiten als Musiker unter Beweis zustellen; das packende „Soft And Wet“ war mit Synthesizerfiguren überfrachtet, die von der eigentlichen Melodie viel zu sehr ablenkten.

Bei dieser kalkulierten Herangehensweise war es wenig verwunderlich, dass das Albumbudget deutlich überschritten wurde. Zwar beschwerten Warner Bros. sich nicht, aber Waronker flog eines Nachmittags ein, um sich selbst vom Fortschritt an der Platte zu überzeugen. Sofort nach seiner Ankunft war zu spüren, dass Prince schon seine bloße Anwesenheit als Einmischung betrachtete. Als Waronker dann noch vorschlug, auf dem Song „So Blue“ mehr Bass einzusetzen, explodierte Prince und bestand darauf, dass der Warner-Chef das Studio verließ. Als Waronker nach Los Angeles zurückkehrte, erkannte er immer deutlicher, dass sein Label hier einen Künstler an Land gezogen hatte, dem nur die völlige Kontrolle über seine Karriere je genügen würde.

Prince war genauso wenig interessiert an den Vorschlägen des übergeordneten Produzenten Tommy Vicari, der darauf gehofft hatte, bei diesem Album eine richtungweisende Rolle übernehmen zu können. Fontano schilderte das Verhältnis so: „Er betrachtete Tommy nach dem Motto: ‚Oh, der Babysitter ist hier, Daddy ist zuhause.‘“ Nachdem er Vicari einige Wochen lang mit speziellen Fragen zur Benutzung des Equipments gelöchert hatte, ignorierte Prince ihn schließlich. Wenn Vicari grundlegende Änderungsvorschläge machte, kamen kurze und ablehnende Antworten. Eines Abends äußerte sich die negative Haltung von Prince in einem bizarren drastischen Streich. Er war allein im Haus in Corte Madera und nutzte die Zeit, um einige Kleidungsstücke von Husney mit Blättern auszustopfen und daraus eine improvisierte Puppe zu basteln, der er dann ein Messer in den Rücken stach, bevor er sie in Vicaris Bett legte. „Vicari kam um vier Uhr früh nachhause und dachte als Erstes, jemand hätte Owen umgebracht“, berichtete Rivkin. „Er fing richtig an zu schreien.“

Prince sah offenbar keinerlei Nutzen mehr in einem übergeordneten Produzenten. „Er hatte alles absorbiert, was er an wichtigen Informationen aus Tommy Vicaris Hirn ziehen konnte“, sagte Husney. „Prince wollte damals ganz deutlich, dass er verschwindet, und Tommy war sehr verletzt, weil er wirklich beschissen behandelt worden war.“

Auch André Anderson ließ sich häufig im Studio blicken und wollte gern an den Songs mitarbeiten. Prince freute sich zwar darüber, dass ihm sein alter Freund Gesellschaft leistete, die kreativen Beiträge des Bassisten waren jedoch nicht willkommen. „Er wurde übergangen, weil Prince das ganze Album allein aufnehmen wollte“, erinnerte sich Husney. Das Material, das bei den früheren Jamsessions, an denen Anderson mitgewirkt hatte, entstanden war, lässt jedoch durchaus den Schluss zu, dass der Bassist eine recht wichtige Rolle spielte. „Andrés Vibe ist auf dem ganzen Album spürbar“, behauptete Charles Smith. Aber wie auch immer sein Beitrag zur Frühphase der Aufnahmen ausgesehen haben mag: Anderson blieb in Sausalito zum Zusehen verdammt. Während Prince an den Aufnahmen arbeitete, erzählte der Bassist ungeduldig immer wieder davon, dass er in Kürze seine eigene Platte aufnehmen würde, wie Rivkin sich erinnerte. „Er sagte dauernd: ‚Ich mache mein eigenes Ding, ich kann es gar nicht erwarten.‘“

Nach monatelangen anstrengenden Sessions, die alle Beteiligten viel Kraft kosteten, zogen Prince und sein Team im Januar 1978 nach Hollywood um, wo sie dem Album in den Sound Labs Studios den letzten Schliff geben wollten. Das sorgsam konstruierte Debüt war beinahe fertig. Aber obwohl das Material zweifelsohne sehr geschliffen und professionell klang, waren die Fähigkeiten von Prince als Songwriter noch nicht ausgefeilt genug, um seine Vision einer großen Synthese aus Funk, Rock und Soul umsetzen zu können. Titel wie die wehmütige Ballade „Crazy You“ und die überladene Hard-Rock-Nummer „I’m Yours“ zeigten zwar seine große stilistische Bandbreite, brachten aber wenig interessante musikalische Ideen oder unwiderstehliche Riffs mit. Wie Rivkin und die anderen schon gefürchtet hatten, waren die Gesangsharmonien teilweise zu exakt konstruiert und klangen daher manchmal beinahe künstlich.

Als sich Prince und Vicari aus dem Sound Labs verabschiedeten, erklärten sie, das Album, das den Titel For You erhielt, sei komplett. Schnell wurde ein Cover erstellt, und Warner Bros. planten die Veröffentlichung für das Frühjahr des kommenden Jahres. Prince kehrte nach Minneapolis zurück, wo er sich allmählich wieder entspannte und mit Smith, Anderson und anderen seine freie Zeit genoss. „Ich war körperlich völlig erledigt, als die Platte fertig war“, erklärte er später der Zeitschrift Musician. Aber als er dann For You seinen Freunden vorab schon einmal vorspielte, war sein Stolz unübersehbar; Prince war der Auffassung, ein perfektes Produkt geschaffen zu haben. Husney erinnerte sich: „Ich glaube, zu dieser Zeit hatte man ihm schon so oft gesagt, wie fantastisch er sei, dass er davon ausging, die Platte würde sofort ein großer Erfolg werden.“

April 1978: For You wird veröffentlicht

Das Album wurde, wie Prince verlangt hatte, als die Produktion eines einzelnen Musikers präsentiert. Chris Moon wurde als Koautor bei „Soft And Wet“ angegeben und Tommy Vicari der Titel des übergeordneten Produzenten zuerkannt. Ansonsten hieß es in den Credits lediglich, das Album sei „von Prince produziert, komponiert, arrangiert und eingespielt“ worden. Das Coverfoto, dessen dunkle und gedämpfte Farben eine geheimnisvolle und romantische Atmosphäre erzeugen sollten, zeigte Prince mit ernster Miene und recht üppiger Afrofrisur. Zusammengenommen schien die Verpackung der Platte – wie der Großteil der Musik, die sie enthielt – direkt auf das R&B-Publikum abgestimmt zu sein. Trotz Rocksongs wie „I’m Yours“ unterschied sich For You im Gesamt­eindruck nicht wesentlich von den Alben anderer R&B-Musiker.

Wie erwartet stürzten sich die Medien auf den Aspekt, dass hier ein Wunderkind im Alleingang ein Album bei einem Majorlabel eingespielt hatte. Das war größtenteils Husney zu verdanken, dessen Pressematerial Prince als multi­talentiertes junges Genie porträtierte. Aber auch die aufwändige Publicity­kampagne konnte nicht darüber hinwegtäuschen, dass es nicht genügend überzeugendes Material auf diesem Album gab, und die Platte wurde in der Fachpresse nicht besonders häufig rezensiert. Kommerziell blieb For You hinter Princes Erwartungen zurück; es verkaufte sich nur einhundertfünfzigtausendmal in den USA und erreichte immerhin einen respektablen Platz 21 in den Billboard-Soul-Charts, in den Pop-Album-Charts kam es nur bis auf Platz 163. (In späteren Jahren stiegen die Verkaufszahlen bis auf weltweit beinahe eine Million, nachdem Prince mit anderen Werken erfolgreich geworden war.) Es überraschte daher wenig, dass er nicht weiter groß wahrgenommen wurde in einer Musikszene, die 1978 ganz im Zeichen der Soundtracks zweier Kinoschlager stand: von Saturday Night Fever (auf dem sich mehrere Nummer-1-Hits der Bee Gees befanden) und Grease (das mit Hits von Frankie Valli und den Duetten der Hauptdarsteller John Travolta und Olivia Newton-John punkten konnte).

Aber trotz seiner Enttäuschung kam das Album in bestimmten Städten dennoch ganz gut an. Owen Husney konzentrierte weiterhin seine ganze Energie auf die Promotion und organisierte eine kleine Tour mit Autogrammstunden, die in einigen Städten recht große Resonanz fanden. Dazu trug entscheidend bei, dass „Soft And Wet“ im Juni als Single erschienen war und es bis auf Platz 12 der Soul-Charts geschafft hatte. Zu einem Promotionauftritt in Charlotte erschienen dreitausend lautstarke Fans, deren wildes Verhalten Prince gleichermaßen begeisterte und befremdete. „Aus heiterem Himmel tauchten tausende schreiender Kids auf, die behaupteten, ihn zu lieben – das verstand er nicht“, meinte Pepé Willie. „Er sagte mir: ‚Wie können sie mich lieben? Die kennen mich doch gar nicht.‘ Er sagte, er fühlte sich wie ein Stück Fleisch, das von einem Ort zum anderen geschleppt wurde.“

Letztlich verkaufte sich For You so gut, wie man hätte erwarten können. Das Album ist ein interessantes popgeschichtliches Dokument, da es zu den ersten Platten auf einem großen Label gehört, die von einer einzigen Person komponiert und eingespielt wurde. Zwar hatten Musiker wie Paul McCartney oder ­Stevie Wonder das bereits ebenfalls getan, aber nicht in so jungen Jahren. Und durch sein faszinierendes Spiel auf verschiedenen Instrumenten und mit seinen komplizierten Gesangsharmonien erwies sich Prince als hervorragender Musiker. Was jedoch das Songmaterial betraf, hatte For You nur wenig zu ­bieten. „In Love“ und „Soft And Wet“ haben nette Hooklines, aber auf langen Stre­cken bleibt das Album flach. Die Songs schaffen es nicht, durchgängig Spannung aufzubauen, sondern bewegen sich willkürlich zwischen Strophen und Refrains hin und her. For You war jedenfalls kein überragendes Debüt, sondern zählt zu den eher weniger starken Platten aus dem Gesamtwerk von Prince.

Aber trotz der Schwächen, die das Album zeigte, und trotz des nur mäßigen Verkaufserfolgs waren Warner Bros. weiterhin entschlossen, seine Karriere stark zu fördern. Während die Musikindustrie in den Achtzigern, Neunzigern und auch heute noch darauf bedacht war und ist, Künstler zu finden, die über Nacht Hits produzierten, herrschte 1978 noch ein anderer Geist, vor allem bei Warner. Dort gab man talentierten Künstlern Zeit, sich zu entfalten, und Musiker wurden nicht gleich wieder abgestoßen, wenn sie nicht sofort Hits produzierten. Prince machte es zwar zu schaffen, dass er noch kein großer Star geworden war, aber er wusste, dass er noch eine weitere Chance bekommen würde.

Im Sommer 1978 zog Prince in ein neues Haus in der France Avenue 5215 in Edina, einem Vorort von Minneapolis, und wenig später begann er, auf einem Vierspurtonband neues Material zusammenzustellen. Etwa zur gleichen Zeit erzählten ihm Charles Smith und Pepé Willie von einer sechzehnjährigen Sängerin namens Sue Ann Carwell, die eine überraschend kraftvolle Stimme besaß und damit schon mehrere Talentshows in der Gegend von Minneapolis gewonnen hatte. Prince sah sich einen ihrer Auftritte an und fragte sie anschließend, ob sie Lust auf gemeinsame Aufnahmen hätte. Sie war gern dazu bereit und ließ sich bald öfter in der France Avenue sehen, wo Prince Songs für sie schrieb und ihren Gesang auf dem Vierspurband aufzeichnete. Zwar entwickelte sich nie eine Liebesbeziehung, aber Carwell verbrachte oft ganze Nächte in seinem Haus, während sie gemeinsam an Songs arbeiteten.

Von Anfang an betrachtete Prince Carwell als Solokünstlerin, die er aufbauen und hinter den Kulissen steuern wollte. Während er für sie Songs schrieb, bemühte er sich ganz bewusst um eine weibliche Perspektive, was den Text, aber auch den Sound betraf. Das schüchterne, schwungvolle „Wouldn’t You Love To Love Me“ zum Beispiel war aus der Sicht einer Frau geschrieben, die von einem männlichen Verehrer umworben wird. Prince war begeistert von der Möglichkeit, ein Nebenprojekt mit Carwell zu starten, und wollte ein Demo ihres Materials bei Warner Bros. vorspielen. Auch begann er ein Image für sie zu ent­wickeln und schlug vor, sie solle den Bühnennamen Susie Stone annehmen. Carwell hingegen sträubte sich, weil sie nicht wollte, dass ihre Karriere derart von außen festgelegt wurde. „Ich glaubte nicht wirklich an Prince, und ich wollte ganz bestimmt keinen erfundenen Namen“, sagte Carwell, die später eine erfolgreiche Sessionsängerin wurde und mit Künstlern wie Rod Stewart oder Christina Aguilera arbeitete. Ihre gemeinsame Arbeit versandete allmählich, als Prince sich mehr und mehr um die Promotion von For You kümmerte. Die Songs, die er mit ihr aufnahm, waren jedoch bereits ein erster Hinweis auf die stärkere Qualität, die auch sein späteres Popmaterial kennzeichnen sollte. Es existieren noch Überbleibsel dieser Sessions, „Wouldn’t You Love To Love Me“ wurde später von einem anderen Prince-Protegé aufgenommen, Taja Sevelle. Es existieren auch noch unveröffentlichte Versionen dieses Songs und eines weiteren Carwell-Titels, „Make It Through The Storm“, die Prince ursprünglich selbst sang.

Carwell war die Erste einer ganzen Reihe von Frauen, die Prince zu seinen musikalischen Aposteln machen wollte. Sie war dabei wesentlich talentierter als die meisten seiner späteren Schützlinge wie Vanity, Apollonia, Carmen Electra oder Elisa Fiorillo – Frauen, die Prince als Anker für seine Nebenprojekte dienten, um andere Seiten seiner kreativen Persönlichkeit auszudrücken. Carwell musste – wie später viele andere – feststellen, dass die Zusammenarbeit mit Prince einen hohen Preis forderte: Er bestand immer darauf, dass er bei jeder Unternehmung, die mit seiner Musik zu tun hatte, die absolute Oberherrschaft behielt.

Als Nächstes musste Prince eine Band zusammenstellen, die For You auf Tournee präsentieren konnte. Es sollte eine Gruppe sein, die – wie sein großer Einfluss Sly & The Family Stone – aus Musikern verschiedenen Geschlechts und verschiedener Rassenzugehörigkeit bestand. Die erste und wohl offensicht­lichste Wahl war Anderson, der sich den Bühnennamen André Cymone gegeben hatte, am Bass. Zwar hatte er den Ehrgeiz, weit mehr zu sein als nur ein Begleitmusiker, aber er und Prince waren durch ihre gemeinsame musikalische und persönliche Vergangenheit eng miteinander verbunden. Als Nächstes sprach Prince den Schlagzeuger Bobby Z. Rivkin an, der nun schon seit etwa einem Jahr immer mal wieder mit ihm gespielt hatte. Diese drei bildeten die Kerngruppe, die nun im Übungsstudio von Del’s Tire Mart in Minneapolis Keyboarder und Gitarristen testeten, die sich auf die Anzeigen meldeten, die Husney in Lokalzeitungen aufgegeben hatte. Gayle Chapman, eine stille junge Frau und gläubige Anhängerin der christlichen Sekte The Way, übernahm zunächst die Keyboards. Dez Dickerson, ein Gitarrist aus dem Rockbereich, der sein Äußeres eher auf Punk getrimmt hatte, wurde als Gitarrist auserwählt. Die Suche nach dem zweiten Keyboarder dauerte etwas länger, aber Prince entschied sich schließlich für Matt Fink, einen Bekannten Rivkins. Sue Ann Carwell war für kurze Zeit als Backgroundsängerin und Congaspielerin mit dabei, stieg aber aus, als sie und Prince die gemeinsamen Sessions beendeten.

Die Bandmitglieder waren nicht nur von seinem offensichtlichen Talent fasziniert, sondern auch von seiner Entschiedenheit und seiner Energie. Dicker­son erinnert sich daran, wie er sich kurz nach seinem Vorspielen als Gitarrist mit Prince unterhielt und wie sehr ihn die Reife des Neunzehnjährigen dabei beeindruckte. „Er stellte mir gut durchdachte Fragen zu möglichen zukünftigen Entwicklungen“, sagte Dickerson. „Ich merkte gleich, dass er jemand war, der sich viele Gedanken machte, und der nicht nur sagte: ‚Hey, Alter, wir werden alle Rockstars.‘“

Nachdem ein großer Teil ihrer Ausrüstung bei einem Einbruch in Del’s Tire Mart gestohlen wurde, zog die Band in Willies Keller um, wo dann jeden Tag geprobt wurde. Live entwickelten sich die Songs zunehmend in eine raue und rockige Richtung. Dickerson, der auf Led Zeppelin und andere Hard-Rock-Bands stand, erhöhte die Energie der Musik mit seinen mächtigen Akkorden und intensiven Soli. Cymone, der sich Prince unbedingt als musikalisch ebenbürtig erweisen wollte, zeigte sein Können in seinen notenreichen Bass­elementen. Fink erwies sich ebenfalls als facettenreicher Musiker, der wilde Soli beisteuerte, die stark von Fusion-Jazz-Keyboardern wie Jan Hammer und Keith Emerson beeinflusst waren. Prince entwickelte bei den Vorbereitungen für die Liveauftritte denselben Perfektionismus wie bei den Aufnahmen zu For You und trieb seine Band dazu an, die Songs fehlerlos zu beherrschen. Aber sie arbeiteten bei Jamsessions auch einige neue Ideen aus, und die Riffs, die so entstanden, nahm Prince mit nachhause und formte daraus neue Songs.

Zwar war Prince seinen Mitmusikern gegenüber meist recht herzlich, aber am Anfang zeigte er sich oft eher reserviert; er schien lediglich mit ihnen Musik machen zu wollen und keine privaten Kontakte zu wünschen. „Wenn er jemanden nicht gut kannte, wirkte er meist sehr schüchtern, und einige Leute legten ihm das als Ungeselligkeit aus“, meinte Dickerson. Dennoch beeinflussten seine neuen Mitstreiter seine Entwicklung in vielerlei Hinsicht. Chapmans Religiosität faszinierte ihn, vor allem ihre häufigen Bemerkungen, dass Gott Prince mit einzigartigen Fähigkeiten versehen hatte. „Sie sagte ihm, er sei gesegnet, und das hat er geschluckt“, erinnerte sich Rivkin. Dickerson machte Prince derweil mit anderen musikalischen Strömungen wie Punk und Heavy Metal vertraut. Außerdem inspirierte die farbenprächtige Kleidung des Gitarristen Prince dazu, über sein eigenes Live-Image nachzudenken.

Prince war vor allem für Ideen empfänglich, die ihn von anderen R&B-Künstlern unterschieden. In vieler Hinsicht stand sein erstes Album stark in der Tradition von Sängern wie Al Green und Smokey Robinson, die in erster Linie Liebeslieder schrieben und ihr Publikum selten mit musikalischen Richtungswechseln konfrontierten. Dennoch dachte Prince bereits darüber nach, wie er aus diesen engen Grenzen ausbrechen konnte. „Er machte sehr deutlich, dass die Band eine Mischung aus Rock und R & B bringen sollte“, sagte Dickerson. Dass er sich bei der Zusammenstellung der Musiker sehr an Sly & The Family Stone orientiert hatte, einer Gruppe, die stark der Gegenkultur der Sechziger verhaftet war, zeigte an, dass er eine gesellschaftskritische und politische Komponente zum Ausdruck bringen wollte. Als Husney ihm sagte, dass die Beatles eine ganze Generation schockiert hatten, weil ihr Haar bis über die Ohren reichte, begann sich Prince mit der Idee auseinander zu setzen, wie man die Aufmerksamkeit des Publikums mittels bestimmter optischer Eindrücke fesseln konnte.

Insgesamt hatte sich die Beziehung zu seinem Manager verschlechtert, nachdem For You erschienen war. Prince, der davon ausging, dass die Platte nicht ausreichend beworben worden war, entwickelte einen Groll gegen ­Husney und Russ Thyret, den Warner-Verantwortlichen, mit dem er den meisten Kontakt hatte. Thyret wiederum, der sein Möglichstes getan hatte, um das Album bei den Radiosendern unterzubringen, beklagte sich frustriert bei Husney, dass Prince überzogene Erwartungen hatte und nichts vom Musikgeschäft verstand. Der Manager konnte dem kaum widersprechen.

Prince nahm Husney auch wegen aller möglichen ungewöhnlichen Forderungen in die Zange und verlangte unter anderem, dass sich sein Manager nebenbei noch um leckende Toiletten und Waschbecken kümmerte. In der Art, wie er diese Ansprüche formulierte, war ein scharfer passiv-aggressiver Unterton herauszuhören, und es schien, als ob Prince so seinem Ärger über den mangelnden Erfolg von For You Luft machen wollte. Husney, den es berechtigterweise erzürnte, dass seine harte Arbeit in wesentlich wichtigeren Bereichen offenbar übersehen wurde, hatte allmählich den Eindruck, dass ihn sein Mandant als besseren Laufburschen betrachtete. Der Manager hatte sich als Partner und Stratege gesehen, aber es wurde nun deutlich, dass Prince stets alle wichtigen Entscheidungen ganz allein würde fällen wollen.

Als Husney sich ein weiteres Mal weigerte, eine Handlangerarbeit zu erledi­gen, kam es schließlich zum großen Streit. Während er wegen einer geplanten Konzerttournee auf einen Anruf der Agentur William Morris wartete, meldete sich Prince bei ihm und verlangte, dass er sofort einen Heizlüfter ins Probenstudio brächte. Der Manager schilderte ihm daraufhin, was von dem Anruf von William Morris abhing, und schlug vor, dass Pepé Willie oder sonst jemand diese Aufgabe übernahm. Prince reagierte ungehalten.

„Weißt du was? Du kannst mich am Arsch lecken“, erklärte Husney daraufhin. „Hol dir deinen Scheißheizlüfter selbst. Ich mache das jedenfalls nicht.“

Später, als sich die erhitzten Gemüter wieder ein wenig abgekühlt hatten, kam Husney zu dem Schluss, dass die Situation sich festgefahren hatte, und erklärte Prince, dass sie sich trennen sollten. Prince schien überrascht und hätte die Zusammenarbeit gern erhalten, aber er zeigte keinerlei Kompromissbereitschaft, was die Aufgaben seines Managers betraf. Stattdessen schrieb er Husney einen dreiseitigen Brief, in dem er dessen Pflichten skizzierte und der genau jene Forderungen enthielt, die Husney für unzumutbar hielt. Prince erträumte sich ein Leben, in dem all seine Grundbedürfnisse von anderen versorgt wurden. „Er kann zehn, zwanzig Leute acht bis zehn Stunden am Tag mit seinen kreativen und sehr speziellen Ansprüchen beschäftigen“, meinte Bobby Rivkin. Aber Husney hatte keinerlei Interesse daran, diese Wunschvorstellung zu erfüllen – er wollte gehen.

Prince stand nun plötzlich ohne Management da. Willie erklärte sich bereit, übergangsweise für ihn tätig zu werden, aber er hatte weder die Zeit noch die Erfahrung, um diesen Job dauerhaft zu übernehmen. Prince stellte die Gehaltsschecks von jeweils einhundertfünfzig Dollar für die Bandmitglieder nun selbst aus, und Willie tat auf anderen Gebieten, was er konnte. Nun, da sein Album nicht besonders gut gelaufen war und die Kosten allmählich überhand nahmen, brauchte er unübersehbar dringend professionelle Unterstützung.

5. Januar 1979: Capri Theatre, Minneapolis

Willie kümmerte sich als Übergangsmanager vor allem darum, erste Auftritte für Prince zu organisieren. Er buchte das Capri Theatre für zwei Shows, und am zweiten Abend waren auch verschiedene hohe Warner-Verantwortliche anwesend, die sich ansehen wollten, wie sich ihr neuer Künstler so machte. Der erste Gig war recht bescheiden besucht; es kamen an die dreihundert Leute, dar­unter viele Freunde, Familienmitglieder und andere alte Fans, die Prince enthusias­tisch feierten. Er selbst erwies sich jedoch als eher zurückhaltender Frontmann. Zeitweise drehte er dem Publikum den Rücken zu und schien sich damit schwer zu tun, ein paar lockere Sprüche zwischen den Songs zu bringen.

Das zweite Konzert, das zwei Tage später stattfand, war noch schwieriger. In Minneapolis hatte es unter null Grad, was für diese Jahreszeit durchaus typisch war, und die Warner-Bosse, die aus Los Angeles eingeflogen waren, trugen wenig dazu bei, die Atmosphäre in der Halle aufzutauen. Prince und die Band, die sich nach der ersten Show nicht besonders zuversichtlich fühlten, standen enorm unter Druck, während die Plattenfirmenvertreter abschätzend vom Rang zu ihnen hinuntersahen, während draußen ihre Limousinen warteten. „Der Auftritt war sehr angespannt, sehr seltsam“, erinnerte sich Rivkin. „Er war nervös, und die Band war noch nicht zu einer Einheit verschmolzen.“ Um das Ganze noch schlimmer zu machen, nutzte Dez Dickerson die Gelegenheit, um eine kabellose Gitarre auszuprobieren, die natürlich prompt nicht funktionierte und peinliche Lücken im Set hinterließ.

Charles Smith, der nach dem Konzert mit Prince nachhause fuhr, sah seinen alten Freund den Tränen nahe. „Er dachte, die Show sei Scheiße gewesen“, erinnerte sich Smith. „Ich versuchte, mit ihm zu reden, aber er wollte überhaupt nichts sagen.“ Husney, der mit Warner weiterhin in Kontakt geblieben war, merkte, dass man auch beim Label sehr enttäuscht war. „Sie sagten, das Konzert sei eine komplette Katastrophe gewesen“, sagte er. Wenig später teilte die Plattenfirma Prince ungeschminkt mit, dass er einer großen Tour noch nicht gewachsen sei. Das war zwar angesichts der schwachen Vorstellung wenig überraschend, aber dennoch ein schmerzhafter Schlag. „Er war am Boden zerstört“, erinnerte sich Dickerson.

Auch die geschäftliche Seite seiner Karriere machte Warner zu schaffen. For You hatte in der Herstellung mehr als einhundertsiebzigtausend Dollar gekos­tet und damit das Budget von einhundertachtzigtausend Dollar, das ihm für seine ersten drei Alben zusagt worden war, schon fast erschöpft. Mit seiner fünfköpfigen Band und einer ständigen Liste von Forderungen erwies er sich als kostspieliges Unterfangen. „Er hatte beim Label einige Schulden, und er stand mit dem Rücken zur Wand“, meinte Rivkin.

Bei Warner erkannte man, dass ein erfahrenes Managementteam gebraucht wurde, um Prince wieder auf den richtigen Weg zu bringen, und man wandte sich an die in Los Angeles ansässige Agentur Cavallo & Ruffalo, die sich unter anderem auch um Little Feat kümmerte. Prince, der einsah, dass er dringend Hilfe brauchte, war bereit, es mit ihnen zu versuchen. Agenturchef Bob Cavallo beauftragte seinen Angestellten Perry Jones damit, sich um seine alltäglichen Bedürfnisse zu kümmern. Gemeinsam mit Steve Fargnoli, der bald der Schlüsselkontakt von Prince in der Firma wurde, war Jones im Gegensatz zu Husney auch bereit, gelegentlich als Hausmeister einzuspringen. Fargnoli holte sich Verstärkung und spannte seinen Assistenten Jamie Shoop und andere für diese Jobs ein.

Mit dem Einsatz von Cavallo & Ruffalo stabilisierte sich die geschäftliche Situation von Prince, und er spürte wieder eine gewisse persönliche Sicherheit. Während er sich um die Promotion seines Albums kümmerte und zudem noch eine Band zusammenstellen musste, hatte er enorm unter Druck gestanden, der nun allmählich wich; seine Laune besserte sich zusätzlich, nachdem Kim Upsher, eine junge Frau, die er noch aus der Highschool kannte, sich öfter bei ihm bli­cken ließ. Sie wurde seine Hauptfreundin, die viele Abende mit ihm verbrachte und das Haus mit kleinen Accessoires und Blumen freundlicher gestaltete. Prince hatte jedoch wenig Interesse daran, sich durch eine Beziehung einschrän­ken zu lassen, zumal er selbst als noch kleiner Star einen Status genoss, der ihm viele Gelegenheiten eröffnete, Eroberungen beim anderen Geschlecht zu machen.

Dass er sein Songwriting noch verbessern musste, hatte er inzwischen erkannt, und er konzentrierte sich nun darauf, für sein neues Material einfache, starke Melodien zu erschaffen. Titel wie „I Wanna Be Your Lover“ und „Why You Wanna Treat Me So Bad?“ waren eingängig und tanzbar, und die Texte ließen sich leicht merken. Zwar waren diese neuen Songs in gewisser Hinsicht weniger ehrgeizig als das mit zu vielen Harmonien überfrachtete Material von For You, aber dennoch insgesamt wesentlich stärker in ihrer Wirkung.

Ende April 1979 flog Prince nach Los Angeles, um dort mit der Arbeit an seinem zweiten Album zu beginnen – diesmal im Alpha Studio, das im Haus des Toningenieurs Gary Brandt untergebracht war, eines Freundes von Bob Cavallo. Warner Bros. zeigten sich bereit, auf einen übergeordneten Produzenten zu verzichten; beim Label hatte man keinerlei Bedenken, was seine Professionalität oder seine technischen Fähigkeiten betraf, und man hatte zudem erkannt, dass er gegen Feedback immun war, sobald er das Gefühl hatte, dass es von Leuten kam, die ihn überwachen sollten.

Diesmal ging Prince ganz anders an die Produktion heran als noch bei For You. Statt über jedes Detail nachzugrübeln und die Songs mit Overdubs zu überfrachten, arbeitete er diesmal schnell und effektiv, hielt die Arrangements schlicht und überschaubar und stellte die Basistracks in nur einem Monat fertig. Er hatte erkannt, dass David Rivkin und die anderen Recht damit gehabt hatten, dass For You überproduziert war und dass seine neue Musik freier und frischer klang.

Die Grundlagen des neuen Albums waren bereits erstellt, als die Arbeiten ins Hollywood Sound Recorders verlegt werden mussten, weil Brandts Studio anderweitig gebucht war. Dort sollte der hauseigene Toningenieur Bob Mockler mit Prince arbeiten, und in nur wenigen Wochen wurden die Titel mit Overdubs versehen und abgemischt. Der Sound war zwar diesmal erfrischend wenig überladen, klang aber immer noch sehr nach typischem R & B; Prince wollte diesmal nicht experimentieren, er wollte einen Hit. „Als Konkurrenten betrachteten wir Michael Jackson und Kool & The Gang, und ich glaube, das war nicht zu hoch gegriffen“, erklärte Mockler.

Prince und Warner Bros. einigten sich darauf, „I Wanna Be Your Lover“ als erste Single vorab auszukoppeln, und als der Titel im August 1979 erschien, gab er Prince genau den Karriereschub, den er gebraucht hatte. Der Song kletterte die Soul-Singles-Charts hinauf und war noch immer im Aufstieg begriffen, als das neue Album mit dem schlichten Titel Prince im Oktober veröffentlicht wurde. „Lover“ kam schließlich im Dezember bis auf Platz 1 der Soul-Charts und wurde für eine Million verkaufter Exemplare mit einer Goldenen Schallplatte ausgezeichnet. Außerdem erreichte es Platz 11 der Pop-Singles-Charts. Auch das Album verkaufte sich gut und kam bis auf Platz 3 in den Soul-Charts und bis auf Platz 22 in den Pop-Album-Charts; Anfang 1980 war auch hier die Goldauszeichnung fällig. Es erhielt viel mehr Aufmerksamkeit in den Medien als For You, und viele Kritiker bemerkten lobend, dass es einen angenehmen Kontrast zum aalglatten R & B der Endsiebziger bot. „Hier wird alles auf ein Minimum reduziert, was in der Discomusik heutzutage eine Seltenheit ist“, schrieb John Wall im Melody Maker. Stephen Holden erklärte im Rolling Stone: „Prince strotzt vor Hooklines, die ein breites Spektrum von Einflüssen erkennen lassen – von den Temptations über Todd Rundgren bis zu Hendrix.“

Gegenüber For You war das Album eine große Weiterentwicklung. „I Wanna Be Your Lover“ und „I Feel For You“ waren packende und lockere Popsongs mit starken Melodien. Das heftige „Sexy Dancer“ und der lange instrumentale Ausklang von „I Wanna Be Your Lover“ wiesen bereits in Richtung des improvisationslastigen Funk, der den Achtzigerjahresound von Prince entscheidend prägen sollte. Die Liebesballade „It’s Gonna Be Lonely“ war mit ihren vielschichtigen Harmonien ergreifender als alles auf dem ersten Album. Eine weitere Ballade, „When We’re Dancing Close And Slow“ war zwar in musikalischer Hinsicht weniger überragend, aber insofern interessant, als der Titel einem Song von Joni Mitchell entlehnt war, „Coyote“ vom 1976 erschienenen Album Hejira.

Später hatte das Album Prince einen bescheidenen Einfluss auf die R&B-Szene. Der Popsong „I Feel For You“ wurde 1984 ein Hit für Chaka Khan, die damit in den USA bis auf Platz 2 der Pop-Singles-Charts kam. Die Handschrift von Balladen wie „Still Waiting“ und „It’s Gonna Be Lonely“ konnte man später im Werk von Achtzigerbands wie Boyz II Men und New Edition wiederfinden.

Für Prince war kurzfristig jedoch besonders wichtig, dass dieses Album sein Ansehen bei Warner Bros. vergrößerte, wo man ihn nun als aufsteigenden R&B-Star betrachtete. Und nach einem weiteren Showcase für die Labelchefs, diesmal in Los Angeles, kamen Waronker und Ostin zu dem Schluss, dass er und die Band jetzt zu einer Tour bereit waren. Im November 1979 begann eine kurze Konzertreise mit dem bekannten Line-up: Chapman und Fink an den Keyboards, Dicker­son an der Gitarre, Cymone am Bass und Rivkin am Schlagzeug. Der Kartenverkauf lief recht unterschiedlich. Während der Auftritt im Roxy in Los Angeles ausverkauft war, kamen zum Gig in Dallas nur etwa zwanzig Leute – aber das Selbstbewusstsein von Prince als Livemusiker stieg enorm. Wenn er zwischen Keyboards und Gitarre hin- und herpendelte und dabei geschickte Tanzbewegungen machte, erinnerte er an Stars wie James Brown oder Jimi Hendrix.

Zwar stieg die Band überwiegend in bescheidenen Hotels ab, aber das Leben on the road bot trotzdem viel Spaß. Prince war inzwischen mit seinen Kollegen warm geworden und entwickelte sich allmählich zum Spezialisten für kleine Streiche. „In diesen frühen Tagen haben wir eigentlich dauernd gelacht“, erinnert sich Dickerson. Allerdings hatten seine Späße – wie die Aktion mit Owen Husneys Kleidern, die Tommy Vicari so erschreckt hatte – oft einen morbiden, bitteren Beigeschmack. So machte sich die Band beispielsweise gern auf Flughäfen einen Spaß daraus, sich den ersten Rollstuhl zu kapern, den man erwischen konnte, und Prince nahm darin Platz. Er setzte sich dann eine schwarze Sonnenbrille auf und saß mit leerem Gesichtsausdruck, als sei er gerade ins Koma gefallen, da. Dann zogen sich die Bandmitglieder zurück, bis es aussah, dass man einen Invaliden in der Halle sich selbst überlassen hatte. Prince ließ sich dann nach vorn sacken und sabberte sogar, woraufhin sich regelmäßig eine schockierte Menge einfand. Daraufhin tauchten auch die anderen Musiker wieder auf, versuchten sich das Lachen zu verkneifen und taten so, als würden sie ihm zu Hilfe eilen.

Leider musste die Tour nach einem Konzert am 2. Dezember in New Orleans abgebrochen werden, als Prince krank wurde und eine leichte Lungen­entzündung bekam. Er erholte sich jedoch schnell, und Anfang Januar hatte ihm sein neues Management bereits wieder hochkarätige Fernsehauftritte in Shows wie Midnight Special und American Bandstand gebucht, in denen sich Prince als schwer fassbare und geheimnisvolle Persönlichkeit präsentierte. Am Abend vor dem Auftritt bei American Bandstand gab er seinen Musikern die Anweisung, mit keinem Wort auf die Interviewfragen zu antworten. Als Showmaster Dick Clark Prince Fragen zu seiner Karriere stellte und wissen wollte, wie lange er schon Musik machte, hielt der Musiker lediglich vier Finger hoch. „Er hatte sich überlegt, dass er Clarks Spiel nicht mitspielen wollte so wie die anderen Idioten, die bei dieser Show auftreten“, sagte ein Bandmitglied. „Er wollte einen coolen und distanzierten Eindruck machen.“

Falls es zuvor noch nicht offensichtlich gewesen war, so wurde den anderen Musikern spätestens jetzt klar, dass die Zurückhaltung, die Prince oft an den Tag legte – sei es gegenüber den Warner-Mitarbeitern, Fans und Bewunderern oder eben Dick Clark –, kein Teil seines Wesens war, sondern vielmehr ein strategisches Mittel, um andere auf Abstand zu halten. Er dominierte andere nicht mit herrischen Rüffeln oder rhetorischen Spitzfindigkeiten, sondern mit Schweigen und Distanz. Jedes Bandmitglied musste früher oder später die Erfahrung machen, dass er diese Taktik auch gegen sie einsetzte.

Die Tour ging schließlich weiter, und es gab zudem Konzerte mit dem populären Funk-Star Rick James, bei dem Prince im Vorprogramm auftrat. Die Kombination aus einem etablierten Veteranen und einem interessanten New­comer war ein Leckerbissen für Fans und wurde von den Promotern als „the battle of funk“, die Schlacht des Funk, angekündigt, was dazu beitrug, zwischen beiden Bands eine gewisse Rivalität zu schaffen. Oft waren die knappen, energiegeladenen Auftritte von Prince attraktiver als James’ langatmige Zwei­stundenshows. „Wir waren jung und hungrig und rückten ihm ganz schön auf den Pelz“, erinnerte sich Rivkin.

Prince fühlte wieder einmal überwältigendes Selbstbewusstsein – nicht nur, weil er James von der Bühne rocken konnte, sondern auch, was seine Karriere insgesamt betraf. Warner Bros. waren ebenfalls sehr zufrieden und waren der Auffassung, dass dieses zweite Album den Grundstein dazu gelegt hatte, ihn zu einem erfolgreichen R&B-Star zu machen. Sie betrachteten ihn als enorm disziplinierten Musiker und auch als entwicklungsfähigen Songwriter; vielleicht hatte das Label ja nun tatsächlich den neuen Stevie Wonder entdeckt.

Die Zukunftspläne von Prince unterschieden sich aber maßgeblich von den Erwartungen seiner Plattenfirma, seiner Manager und auch von denen seiner Mitmusiker. Jetzt, da sich die Siebziger dem Ende neigten, glaubte Prince fest daran, dass die Musik sich ändern würde, und er war bereit, dieser Entwicklung voranzugehen.

Besessen - Das turbulente Leben von Prince

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