Читать книгу Besessen - Das turbulente Leben von Prince - Alex Hahn - Страница 11

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3.: Der große Sprung

Obwohl er versuchte, sich als R&B-Musiker zu etablieren, setzte Prince alles daran, nicht in eine bestimmte Schublade gesteckt zu werden. Nur einen Monat nachdem er sein zweites Album abgeschlossen hatte, begann er mit einem Nebenprojekt, in dem er sich deutlicher als je zuvor bemühte, Rockeinflüsse in seinen Sound einzuflechten. Er richtete sich mit seiner Band im Mountain Ears Studio in Boulder, Colorado, ein, und in den folgenden Wochen fanden viele fruchtbare Sessions statt, bei denen sich die anderen Musiker ungewöhnlich stark einbringen konnten; André Cymone und Dez Dickerson steuerten auch eigene Songs bei. Diese Musik, die stark von harten Drumbeats und dicken Schichten verzerrter Gitarren geprägt war, klang völlig anders als die verletzlichen Balladen und Popliedchen von For You und Prince. Ähnlich wie bei dem nicht zu Ende geführten Projekt mit Sue Ann Carwell wollte Prince auch hier ein Album veröffentlichen, ohne seine eigene Beteiligung dabei zu offenbaren. Diese Band, der er den Namen The Rebels gab, wurde für ihn eine Möglichkeit, anonym eine andere Facette seiner künstlerischen Persönlichkeit auszudrücken.

Sein Ausflug in den Rock war jedoch nicht besonders erfolgreich, da die Songs – auch jene, die Prince geschrieben hatte – altbacken klangen und nur wenige interessante Melodien zu bieten hatten. Prince, der dieses Manko erkannte, legte das Projekt einstweilen auf Eis, nachdem sie nach Minneapolis zurückgekehrt waren, obwohl er später einige der Titel wieder aufleben ließ: „You“ wurde beispielsweise später als „U“ neu aufpoliert und an Paula Abdul weitergegeben, die es 1991 für ihr Album Spellbound aufnahm.

Das Album Prince konnte zwar, als es im Oktober 1979 erschien, seine kommerzielle Position stärken, aber es machte ihn unter Rockfans kaum bis gar nicht bekannt. Die Frage blieb: Konnte ein junger, schwarzer Künstler aus dem Mittelwesten aus dem gettoisierten Genre ausbrechen, in das die Plattenindus­trie ihn scheinbar zwingen wollte?

Trotz seiner Jugend – als sein zweites Album erschien, war er erst einundzwanzig – war Prince sich des komplizierten Dilemmas, in dem er sich befand, vollständig bewusst. In den Siebzigern hatten die Plattenfirmen die gesamte Musikszene als streng in Schwarz und Weiß getrennt wahrgenommen und diese scharfe Unterteilung zusätzlich gefördert. Es galt als ungeschriebenes Gesetz, dass sich weiße Hörer eher der Rockmusik zuwandten – entweder den härteren Bands wie Kiss, Led Zeppelin und Aerosmith oder aber den sanfteren Ensembles wie Fleetwood Mac, The Eagles und Steely Dan –, während Schwarze eher Funk-Stars wie Chic, Parliament/Funkadelic und Earth, Wind & Fire bevorzugten. Nur sehr selten – Jimi Hendrix bildete die beinahe einzige Ausnahme – wurden afroamerikanische Künstler von den Plattenfirmen als Rock-Acts akzeptiert. Diese Unterteilung im Geschäft reichte bis zu den Angestellten der Platten­firmen selbst: Zum so genannten Urban Music Department von Warner Bros. gehörte lediglich ein weißer Mitarbeiter, als Prince dort unterschrieb.

„In den Siebzigern war es für einen Weißen extrem unhip, mit einem schwarzen Künstler zu arbeiten“, sagte Howard Bloom, dessen Agentur Anfang der Achtziger die Promotion für Prince übernahm. „Es gab da eine richtige Mauer, und es herrschte eine unglaublich strenge Trennung zwischen Schwarz und Weiß.“

Zwar hatten Mo Ostin und Lenny Waronker großes Vertrauen in sein Talent als R&B-Musiker, aber dennoch erwartete bei Warner oder auch bei anderen großen Labels kaum jemand, dass in nicht allzu ferner Zeit weiße Rockfans ihr Herz für Prince, Michael Jackson und andere schwarze Künstler entdecken würden. Von Anfang an hatte die Plattenindustrie Prince als einen neuen Stevie Wonder oder Smokey Robinson betrachtet, nicht jedoch als eine seltene, an Hendrix erinnernde Persönlichkeit, die Grenzen überschreiten konnte. „Prince wurde als schwarzer Künstler eingestuft“, sagte Bloom, der bei Warner Bros. auf hartnäckigen Widerstand stieß, als er versuchte, diese Einstellung aufzuknacken.

Als das neue Jahrzehnt begann, betrachtete es Prince als immer dringlicher, aus den engen Beschränkungen der Marktnische auszubrechen, in die man ihn gesteckt hatte. Er ging davon aus, dass Siebzigertrends wie Disco allmählich abebbten, und er fürchtete, dass man ihn mit demnächst schon als abgewirtschaftet geltenden Künstlern in einen Topf stecken würde, die lediglich noch für Nostalgieshows gebucht wurden. Außerdem hatte er erkannt, dass seine Single „I Wanna Be Your Lover“ zwar ein Nummer-1-Hit in den Soul-Singles-Charts geworden war, ihm aber noch keine loyale Fangemeinde geschaffen hatte; es war lediglich ein eingängiges Liebeslied, das einem großen Teil des jungen (und vornehmlich weiblichen) Musikpublikums gut gefiel. Wenn er den eingeschlagenen Weg weiterverfolgte, würde er möglicherweise noch einige Hits verbuchen können, sich aber vermutlich nicht als einflussreicher Künstler etablieren.

Während der Prince-Tour gab er sich alle Mühe, sich von den sanften schwarzen Sängern abzuheben, mit denen er so oft verglichen wurde. Er arbeitete nicht nur mit einem ruppigeren Sound, bei diesen frühen Liveshows kamen auch seine Fähigkeiten auf dem typischsten aller Rockinstrumente, der Gitarre, gut zur Geltung. Mit seinen furiosen Soli bewies er, dass er durchaus in die Tradition von Gitarrengöttern wie Jimi Hendrix, Eric Clapton, Jimmy Page, Jeff Beck und anderen gehörte.

Aber es war dennoch etwas anderes, auch beim Songwriting eine rockigere Richtung einzuschlagen. Auf den ersten beiden Alben hatten sich alle Versuche, vom R&B-Pfad abzuweichen, als nicht besonders erfolgreich erwiesen. Rocktitel wie „I’m Yours“ auf For You und „Why You Wanna Treat Me So Bad?“ auf Prince erinnerten an wenig originelle Siebzigerbands wie Boston oder For­eigner, statt sich an wegweisenden Gruppen wie den Rolling Stones oder Pink Floyd zu orientieren. Und die enttäuschenden Ergebnisse der Rebels-Sessions bewiesen erneut, dass er in dieser Hinsicht an seine Grenzen stieß.

Dazu kam, dass das Rockgenre gerade zu der Zeit, als Prince versuchte, seine Stimme als Rockkünstler zu finden, große Veränderungen durchmachte. Zwar blieb das Blues-Rock-Schema von Bands wie den Stones oder Led Zeppelin weiterhin vorherrschend, aber Mitte bis Ende der Siebziger wuchs eine neue Fangemeinde heran, die nach neuen Hörerlebnissen suchte – größtenteils junge Männer, die mit sich und der Welt im Clinch lagen. Diese Musikfans wurden das Kernpublikum der Punkbewegung, die – losgetreten von Bands wie den Sex Pistols und The Clash in England – bald nach Amerika hinüberschwappte. Als Punk allmählich reifer und auch vielseitiger wurde, entstand daraus eine breit gefächerte Richtung, die als Post-Punk oder New Wave bekannt wurde und zu der beispielsweise die Talking Heads, The Police, Devo, Gang of Four, Television oder The Cars gerechnet wurden.

Prince machte sich nach und nach mit diesem neuen Trend vertraut. „Er hatte stapelweise Platten zuhause, die er von Warner umsonst bekommen hatte“, erinnerte sich der Keyboarder Mart Fink. „Er hörte sich einfach alles an.“ Außerdem ging er häufig in Nachtclubs, da er davon ausging, dass man dort am ehesten mitbekam, was gerade neu und angesagt war. In diesen Trendläden entdeckte Prince, dass die Sperrigkeit und der Minimalismus der New Wave allmählich in den Mainstream hineinsickerten.

Vor der Kulisse dieser umstürzlerischen Atmosphäre im Rock-und-Pop-Business begann Prince mit der Arbeit an seinem dritten Album. Er war wieder einmal umgezogen und bewohnte jetzt ein gemietetes Haus, das im pittoresken Lake Minnetonka, einem Stadtteil von Minneapolis, lag und zu dem ein Sechzehnspurstudio gehörte, das er benutzen konnte. Hier nahm er die Rohfassungen der Songs auf, die er später in einem professionellen Studio weiterbearbeiten wollte. Sein neues Arbeitsumfeld war sehr anfällig für technische Pannen – das Heimstudio war eine recht zusammengestückelte Sache, und die Schlagzeugkabine stand häufig unter Wasser, das von einer stillgelegten Klärgrube in der Nähe des Hauses durch die Wand sickerte, aber dennoch blühte Prince hier richtig auf. Er fühlte sich in Minneapolis einfach viel wohler, wo ihm die Warner-Bosse nicht ständig über die Schulter blickten. Die meiste Zeit war außer ihm nur noch Don Batts im Studio, ein umgänglicher Toningenieur.

Das neue Material, das nun entstand, machte ziemlich schnell deutlich, dass Prince musikalisch offenbar eine völlige Kehrtwende vollziehen wollte. Er schrieb die Songs nun hauptsächlich auf der Gitarre, nicht mehr auf dem Klavier, und er schuf auf diese Weise Titel, die wesentlich rauer klangen als seine ersten zwei Alben. Sein Sound zeigte nun erste Spuren von New-Wave-Elementen. Zum ersten Mal schuf Prince eine echte Synthese aus verschiedenen Stilrichtungen, statt lediglich die Dynamik und den Bombast der Rockmusik zu imitieren. Auch hatte er inzwischen ein besseres Händchen für Strukturen und Popmelodien entwickelt – er schuf nicht nur Grooves, sondern formte Songs.

Zu den zahlreichen Titeln, die er nun aufnahm, zählte auch „When You Were Mine“, ein kraftvoller Popsong mit ansteckender Melodie, den er in einem Hotelzimmer auf Tournee komponiert hatte. Ähnlich wie bei Lennons besten Liebesliedern (beispielsweise „Norwegian Wood“ und „You’ve Got To Hide Your Love Away“) hatte auch dieser Text einen zornigen und sarkastischen Touch. Prince erzählte davon, wie er eine Freundin verlor, weil er zuließ, dass sie mit anderen Männern schlief.

Ein weiterer neuer Titel, das von New Wave beeinflusste „Dirty Mind“, entwickelte sich aus einem Keyboardriff, das Matt Fink bei einer Probe komponiert hatte. Prince fügte bei einer langen Session in dem Haus in Lake Minne­tonka eine Überleitung hinzu, und gegen Mitternacht hatten sie die gesamte Instrumentierung fertig. Prince sagte Fink daraufhin, er könne nun Feierabend machen, und der Keyboarder ging schlafen. Bei der Probe am nächsten Tag brachte Prince eine Cassette mit „Dirty Mind“ mit, komplett mit Gesang und anderen Overdubs – er hatte die ganze Nacht daran gearbeitet. Prince verkündete der Band, es würde der Titelsong des neuen Albums werden.

Der Text von „Dirty Mind“, der von Sex im Auto erzählt, zeigte einen neuen Trend in seiner Arbeit: Seine Bildsprache wurde immer drastischer. Zwar hatten Sex und Verführung in seiner Musik schon seit „Soft And Wet“ eine große Rolle gespielt, aber jetzt wurden diese Themen sehr explizit und teilweise sogar sensationsheischend behandelt. Das harte, rockige „Sister“ beispielsweise setzte sich mit dem Tabuthema Inzest auseinander, und die dynamische Funk-Nummer „Head“ erzählte von einer Braut, die auf dem Weg zu ihrer Hochzeit mit einem anderen Mann Oralsex hat. Diese Texte, die seine Faszination für abseitigen Sex zeigten, gaben der Musik einen neuen Energiestoß.

Seine Kreativität konnte sich zudem nun so gut entfalten, weil er sich im Kreise seiner Bandmitglieder völlig geborgen fühlte. Zwar waren sie kaum in den Aufnahmeprozess eingebunden, aber er kam jeden Tag zu den Proben mit ihnen zusammen. Außerdem trieben er, Matt Fink und André Cymone in ihrer Freizeit gemeinsam Sport – sie stemmten Gewichte in den Fitnesscentern von Minneapolis, gingen beim YMCA schwimmen und fuhren auf Rollerskates am Ufer des Lake Minnetonka entlang. Gelegentlich schauten sie bei einer Rollschuhbahn in Saint Louis Park vorbei, erinnerte sich Fink, „um Mädchen kennen zu lernen“.

Bei derart lockeren Anlässen war Prince alles andere als der schüchterne Typ, als der er sich gegenüber Plattenfirmenbossen und bei Presseinterviews gebärdete. Er alberte gern herum und schlüpfte in verschiedene Rollen, die er erfunden hatte; seine liebste Figur war dabei ein rüpelhafter, unflätiger Typ, der Fink an den typischen Straßeneckenzuhälter erinnerte. „Als Prince in Nord-Minneapolis aufwuchs, liefen dort viele Zuhälter, Drogendealer und Unterweltgestalten herum, und daher kam diese Rolle“, meinte der Keyboarder. „Er fand die Vorstellung immer faszinierend, auf der anderen Seite des Gesetzes zu stehen.“ Aber das blieb tatsächlich nur eine Fantasie, und Prince gab sich nie mit den zwielichtigen Leuten ab, die er karikierte. Er tat sich vielmehr bewusst mit Leuten wie Fink, Rivkin und dem Gitarristen Dez Dickerson zusammen, die moralisch, ruhig und vielleicht sogar ein bisschen spießig waren.

Die komplizierteste Beziehung in der Band hatte Prince mit Cymone, seinem Zimmergenossen aus Teenagerzeiten. Der Bassist fühlte sich ebenso talentiert wie sein „Boss“ und kam nicht besonders gut damit zurecht, dass er neben einem engen Freund eine eher untergeordnete Rolle spielen musste. Als Fink ausgewählt wurde, um im Studio mitzuarbeiten (für „Dirty Mind“ und das wilde Keyboardsolo in „Head“), verstärkte das Cymones Eifersucht noch. „Sie hatten einmal ein Zimmer geteilt, und dann wurde Prince plötzlich dieser riesengroße Star“, meinte Owen Husney. „So etwas beeinflusst einen natürlich auf die eine oder andere Weise.“

Prince, dem zwar klar war, dass er in diesem speziellen Wettbewerb vorn lag, schien dessen ungeachtet zu befürchten, dass Cymone sich zu einem erfolgreichen Solokünstler mausern könnte. Da er mögliche Konkurrenten klein halten wollte, verhinderte er durch gezieltes Manipulieren tatsächlich, dass es für Cymone weiter vorwärts ging, sagte Charles Smith. Als Cymone beispielsweise überlegte, sich ein eigenes Studio einzurichten, um an seinen Songs zu ­arbeiten, erklärte Prince, das sei unnötig; Cymone könne seines benutzen, wann immer er wolle. Mit dieser scheinbar großzügigen Geste behielt Prince letztlich die organisatorische Kontrolle über die Musik des Bassisten. Einmal, berichtete Smith, suchte Cymone nach ein paar Demos und erfuhr dann von Prince, dass dieser „zufällig“ das fragliche Band gelöscht hatte.

Zwar waren die Bandmitglieder durchaus einverstanden mit der rocklastigen Richtung des neuen Materials, aber über die Texte herrschte weniger Einigkeit. Dickerson hatte Schwierigkeiten mit den kühnen sexuellen Anspielungen und machte sich Sorgen, welchen Eindruck diese Songs bei Konzerten machen würden. Für die Keyboarderin Gayle Chapman ging die Sache schließlich zu weit, als sie während der Prince-Tour dazu verpflichtet wurde, jeden Abend mit ihrem Bandchef auf der Bühne optisch umzusetzen, was im Text zu „Head“ passierte (der Titel wurde auf der Tour bereits gespielt, bevor Prince ihn im Sommer 1980 aufnahm). Kurz nach der Tour stieg Chapman aus.

Seine Manager, die erkannten, dass Prince sich stärker mit verschiedenen Geschlechterrollen beschäftigen wollte, sprachen daraufhin die neunzehnjährige Lisa Coleman an, eine Pianistin mit klassischer Ausbildung aus dem San Fernando Valley bei Los Angeles. Als Coleman und Prince sich in seinem Probenstudio in Minneapolis zum ersten Mal trafen, schienen beide gehemmt und sagten kaum etwas. Aber als Prince die Pianistin dann zum Klavier hinüberbegleitete, spielten sie sofort ohne Zögern gemeinsam. „Sie kommunizierten über die Musik“, sagt Howard Bloom. „Drei Stunden sprachen sie so miteinander und stellten fest, dass sie verwandte Seelen waren.“

Prince und Coleman kamen einander so schnell nahe, dass auch Sex in ihre Freundschaft hineinspielte und Prince dazu inspirierte, einen unveröffentlichten Song („Lisa“) zu schreiben, in dem er von einem „unanständigen“ Mädchen erzählte, mit dem er ins Kino ging. Doch den größten Einfluss übte Coleman durch ihr ausdrucksvolles Spiel aus, das dem Livesound von Prince eine ganz neue Dimension gab. „Da war irgendwas in Lisas Keyboardspiel – vor allem, wenn sie am Klavier saß –, das Prince sehr mochte und selbst schwer nachspielen konnte“, meinte Alan Leeds, der Anfang der Achtziger sein Tourmanager wurde. Langfristig wurde Coleman zu einer der wenigen Musikerinnen, die entscheidend auf sein Songwriting einwirkten.

Nachdem er den Rohentwurf für Dirty Mind fertig gestellt hatte, machte Prince eine überraschende Entdeckung: Er hatte soeben sein drittes Album abgeschlossen. Das war genau der Sound, den er wollte: rau, spontan und subversiv. Hätte er diese Songs in einem mit allen Schikanen ausgestatteten Studio noch einmal neu eingespielt, hätte das lediglich die Wirkung der Songs verwässert. Er wählte die acht Songs aus, die ihm als die besten erschienen, spielte sie Warner Bros. vor und erklärte, die Platte könne nun veröffentlicht werden.

Bei Warner regte sich sofort Widerspruch, vor allem angesichts der intensiven Texte und der kargen Produktion. „Er brachte die ganze Plattenfirma durcheinander“, erinnerte sich die Vizepräsidentin Marylou Badeaux. „Die Promotionmanager riefen mich ganz verzweifelt an: ‚So was kann ich doch nicht den Radiosendern vorstellen! Spinnt der?‘“ Prince heizte die gespannte Atmosphäre weiter an, indem er zu Geschäftstreffen in knappen Unterhosen und Netzstrümpfen erschien. Badeaux erinnert sich, dass ein Warner-Mitarbeiter ihn im Flur ansprach und fragte: „Weiß Ihre Mutter, was Sie da tun?“ Prince warf ihm einen durch Mark und Bein gehenden Blick zu, sagte abfällig: „Sie haben’s nicht kapiert, was?“, und ließ ihn stehen.

Es blieb seinem Management überlassen, die Plattenfirma davon zu überzeugen, dass Dirty Mind eine gute Promotion verdiente. Das Team spielte in seinem beruflichen und privaten Leben eine immer größere Rolle. Steve Fargnoli, der seine Alltagsgeschäfte betreute (und der aufgrund der wachsenden Bedeutung seiner Aufgaben als dritter Partner bei Cavallo, Ruffalo & Fargnoli aufgenommen wurde), war ein lebhafter, leidenschaftlicher Mensch, der sich bald als wahrer Vertrauter erwies, den Prince sogar bezüglich der Bühnenausstattung oder der Setlists um Rat fragte. Fargnoli war ein Hedonist, der die Annehmlichkeiten des Ruhms sehr genoss – vor allem die vielen attraktiven Frauen, die auf den Tourneen mit dabei waren. Auf der anderen Seite konzentrierte er sich aber mit großer Entschlossenheit darauf, die Karriere von Prince voranzutreiben. „Steve zählte zu den wenigen Menschen, denen Prince vertraute“, sagte Badeaux. „Er war sehr kreativ und hatte einen sechsten Sinn dafür, was funktionierte und was nicht.“

Bob Cavallo war in vieler Hinsicht das genaue Gegenteil, ein onkelhafter Familienmensch mit einer knappen, ruhigen Art. Er kümmerte sich oft um die rein geschäftlichen Dinge, bei denen ihm seine große Erfahrung in ­finanziellen Angelegenheiten sehr zupass kam. Und obwohl Fargnoli derjenige unter den Prince-Managern war, der am meisten von außen wahrgenommen wurde und mit seinem Schützling auch eine enge Beziehung aufbaute, war es Cavallo – ein geriebener, harter Geschäftsmann, der später die Leitung von Disneys Buena Vista Music Group übernahm –, der viele der strategisch wichtigen Entscheidungen fällte. „Das Geheimnis hinter Fargnoli war unter anderem Bob Cavallo“, meinte der Bühnenbildner Roy Bennett. „Bob ist ein toller Typ, ein sehr belastbarer, sehr intelligenter Geschäftsmann. Er weiß, wie man Sachen umsetzt; Bob ist derjenige, der die Räder am Laufen hält.“ Der Pressesprecher Bloom erklärte: „Fargnoli ging mit so viel Eifer an die Arbeit, dass es fast schon lächerlich war; Prince war sein ganzes Leben. Aber Cavallo war der Denker im Hintergrund. Er war der General, Fargnoli war die Truppe.“

Weder Cavallo noch Fargnoli zweifelten an seinem radikalen Richtungswechsel. Die Argumente, die sie Warner gegenüber vorbrachten, damit das Label Dirty Mind in seiner Demoform veröffentlichte, waren zwingend und ehrlich. Allmählich stellten sich hochrangige Warner-Leute wie Mo Ostin, Lenny Waronker und Russ Thyret hinter das Projekt und machten sich daran, die Mitarbeiter zu überzeugen, die jedoch vielfach bei ihren Ansichten blieben. „Russ war ein wichtiger Teil in diesem Puzzle, und er sah Prince stets als einen Künstler für alle Formate“, ließ ein Warner-Mitarbeiter verlauten. „Es gab Zeiten, da musste er seiner Truppe geradezu befehlen, die Musik zu promoten und sie so voranzutreiben, wie sie es von sich aus vermutlich nicht getan hätte.“

Die Popmusik war bereits im Wandel begriffen, und New-Wave-Bands wie The Knack (mit ihrem bahnbrechenden „My Sharona“) und Blondie (mit dem ebenso wichtigen „Heart Of Glass“) führten in den letzten Tagen der Siebziger die Hitparaden an. Mit einem Album wie Dirty Mind würden Warner einen entscheidenden Schritt tun: Konnte die Firma das Album eines schwarzen R&B-Künstlers betreuen, das rauer und wesentlich direkter war als alles, was je zuvor von einem Majorlabel herausgebracht worden war?

Die Antwort war ein – wenn auch etwas zögerliches – Ja.

Oktober 1980: Dirty Mind wird veröffentlicht

Das Cover seines neuen Albums verriet eine Hinwendung zum Punk, die in großem Kontrast zu seinen ersten zwei Platten stand. Das körnige Schwarzweißfoto zeigte ihn vor den sichtbaren Sprungfedern eines Bettgestells, nur bekleidet mit einem schwarzen Slip und einem Trenchcoat; um den Hals trug er ein Taschentuch. Auf dem Kragen des Mantels prangte ein Button, dessen Aufschrift „Rude Boy“ sich auf die dem Punk verwandte Ska-Bewegung aus England bezog. (Rude Boy lautete auch der Titel eines 1980 veröffentlichten Films mit The Clash, einer der einflussreichsten frühen Punkbands.)

Wie einige bei Warner bereits befürchtet hatten, konnte das Album nicht an den kommerziellen Erfolg von Prince anknüpfen. Die Programmmacher vieler Radiosender ließen sich von den Texten abschrecken – und von den Aufklebern, die Warner auf den Promotionexemplaren angebracht hatten, auf denen stand: „Bitte vor der Ausstrahlung durchhören.“ Die Verkäufe waren bescheiden, und das Album erreichte erst vier Jahre nach seiner Veröffentlichung Goldstatus (der fünfhunderttausend verkaufte Exemplare anzeigte). Die ersten beiden Singles, „Uptown“ und „Dirty Mind“, hatten in den Soul-Singles-Charts ein wenig Erfolg, konnten aber nicht die Pop-Singles-Charts knacken, und das Album kam in den USA auch nur bis auf Platz 45. Das Rockpublikum hatte die Platte noch nicht für sich entdeckt, und viele der Fans, die Prince mit den ersten beiden Werken gewonnen hatte, wurden von dem ungewohnten Sound verprellt. „Wenn er jemand gewesen wäre, der das R&B-Publikum bedienen wollte, dann wäre Dirty Mind anders ausgefallen“, meinte Leeds. „Dirty Mind vermittelte mir vielmehr die Einstellung: Aufgepasst, ich spiele zwar schwarze Musik, weil die ein Teil von mir ist, aber genauso stark berührt mich Rock, und ich lasse mir von niemandem verbieten, auch Rock zu spielen.“

Trotz der schwachen Verkaufszahlen stand nun seine erste richtige Tournee als Headliner an. Die quirlige R&B-Sängerin Teena Marie wurde dabei für das Vorprogramm gebucht, um die Ticketumsätze etwas anzukurbeln, und Roy Bennett, ein erfahrener Bühnenbildner, übernahm das Design der Bühnenshow. „Für die erste Tour eines Künstlers war es nach damaligem Maßstab eine ziemlich große Produktion“, sagte Bennett, der Schlagzeuger Rivkin und die beiden Keyboarder Fink und Coleman auf Podesten hinter Prince positionierte. Leider lief der Vorverkauf für die Tour, die in mittleren Hallen mit mehreren tausend Plätzen stattfinden sollte, sehr schleppend.

Während Prince und seine Band für die Auftritte probten, setzten sich seine Manager zusammen und überlegten, wie sie das Rätsel seiner Karriere lösen konnten. Trotz der schwachen Verkäufe von Dirty Mind standen Cavallo und Fargnoli noch immer unerschütterlich hinter ihrem Klienten. Sie betrachteten die Unterstützung durch die Rockpresse als Schlüssel zum Erfolg; ihrer Ansicht nach mussten sie vor allem die Medien davon überzeugen – und durch sie das Publikum –, dass Prince nicht nur ein kurzlebiges Multitalent, sondern sowohl musikalisch als auch kulturell eine revolutionäre Gestalt war.

Cavallo hatte daraufhin die Idee, Howard Bloom als neuen Publizisten zu engagieren. Er war ein eher rätselhafter Typ, ein energiegeladener, lebhafter Mann, der etwas verschroben wirkte, und einzigartig unter den Rockpresseagenten: Er war ein Akademiker und Intellektueller, der seine Arbeit mit Musikern als eine Art Recherche für sein Steckenpferd, die Untersuchung von Massenphänomenen, betrachtete.

Blooms Vorgehensweise sah so aus, dass er sich mit einem neuen Klienten zu einer Sitzung traf, die an Psychotherapie erinnerte, um die, wie er sie nannte, „Leidenschaftsmomente“ eines Künstlers auszumachen – die inneren Gefühle, in denen die Quelle der Kreativität verborgen liegt. „Ich sagte meinen Künstlern, dass es zum einen ein ‚Du‘ in ihnen gibt, das den ganzen Tag ‚Hallo, wie geht es Ihnen?‘ fragt – eine recht blasse Persönlichkeit“, erinnerte er sich. „Und dann gibt es noch ein anderes Du, das zum Vorschein kommt, wenn man sich mit einem leeren Stück Papier hinsetzt, um einen Text oder eine Melodie zu schreiben. Nach diesem Teil suchen wir.“

Einige Tage bevor die Tour zu Dirty Mind begann, traf sich Bloom nach einer Probe in Buffalo, New York, mit Prince. Er hatte von verschiedenen Seiten gehört, dass sein neuer Klient ein zurückgezogener, arroganter Typ sei, der sich unter keinen Umständen emotional öffnete – was sich alles als falsch herausstellte. Während einer Sitzung, die von zwei Uhr früh bis neun Uhr morgens dauerte, erzählte Prince von seiner turbulenten Kindheit, dem einschneidenden Erlebnis, als er mit fünf Jahren ein Konzert seines Vaters sah, und den Streichen der Teenagerzeit im Keller der Andersons. Als seine „Leidenschafts­momente“ erkannte Bloom dabei wenig überraschend die Lust nach Ruhm, eine konfliktbeladene Beziehung zu beiden Elternteilen und einen unersättlichen Hunger nach Sex.

Als die Tournee am 9. Dezember 1980, einen Tag, nachdem John Lennon erschossen worden war, im angesagten Ritz in Manhattan Station machte, war der Raum nur etwa zur Hälfte gefüllt, aber dass sich unter den Zuschauern Größen wie Andy Warhol, der Funk-Produzent Nile Rogers und die Sängerin Nona Hendryx befanden, zeigte bereits, dass Prince sein Potenzial weiter vergrößert hatte. „Die Stimmung in dem Raum war überwältigend“, erinnerte sich Bennett. „Das war der Punkt, an dem wir dachten: Jetzt geht’s ab!“ Aber als man in Orte wie Charleston, Chattanooga oder Baton Rouge weiterzog, wurde das Publikum immer kleiner, und man beschloss, die Tour durch die südlichen USA zu kürzen. Auch landesweit verkaufte sich das Album nur schleppend.

Selbst Prince begann nun zu zweifeln. Als sie nach Minneapolis zurückgekehrt waren, lud er Dickerson in ein indisches Restaurant zum Abendessen ein und zeigte nun dieselben Bedenken, die auch Warner Bros. über seine neue Richtung geäußert hatten. „Er nutzte mich als Resonanzkörper, um ein Gefühl dafür zu bekommen, ob an dem, was diese Leute sagten, etwas dran war oder nicht“, sagte Dickerson. Da er ihn einerseits beruhigen wollte, andererseits aber auch an die Richtung von Dirty Mind glaubte, beteuerte der Gitarrist, Prince solle sich keine Sorgen machen. „Ich glaubte wirklich, dass wir etwas entdeckt hatten, das noch nie jemand zuvor umgesetzt hatte“, sagte er.

Howard Bloom, der ebenso fest an Prince glaubte, brachte mehrere Zeitschriften dazu, über Prince zu berichten. Und der Ball kam endlich ins Rollen, als der Rolling Stone im Februar 1981 einen Artikel brachte, der mit der Zeile „Ob die kleinen Mädchen das verstehen?“ überschrieben und von einer überschwänglichen Kritik zu Dirty Mind begleitet war. „In seinen besten Momenten ist Dirty Mind absolut versaut“, schrieb Ken Tucker. „Sein hinterlistiger Witz, der absichtlich so unanständig ausfällt, ist im Grunde ein frühzeitiger, direkter Aufruf zum Widerstand gegen den elitären Puritanismus der Reagan-Ära.“ Mit dieser Kritik kam die gesamte Werbekampagne für das Album in Schwung, denn nun wurden andere einflussreiche Zeitschriften auf Prince aufmerksam. Der New Musical Express schrieb beispielsweise: „Auf ähnlich selbstbewusste Weise wie Sly Stone und George Clinton vor ihm setzt auch Prince alles daran, innerhalb der klischeebeladenen Grenzen schwarzer Dance-Musik neue Ufer zu erreichen.“

In wichtigen Szenestädten wie New York und Detroit kletterten die Verkaufszahlen für das Album und für Konzerttickets nun nach oben. Eine sehr heterogene Gruppe von Fans – Schwarze, Weiße, Schwule und eine nicht unbedeutende Zahl von Transvestiten – tauchte nun bei Prince-Konzerten auf und bewies, dass die populistische, pansexuelle Botschaft von Dirty Mind angekommen war. Die Platte war kein Überflieger (und kam nicht einmal annähernd an den Erfolg von Prince heran), aber Prince hatte sich einem wichtigen neuen Publikum aus Kritikern und Trendsettern vorgestellt.

Diese Aufmerksamkeit hatte er sich verdient: Prince hatte seinen Sound auf Dirty Mind erfolgreich neu definiert. Mit seinen knapp dreißig Minuten Spielzeit bietet das Album einen flotten, energiegeladenen Ritt mit vielen Highlights, darunter das heftige und hypnotische „Head“, das von Blues und Gospel geprägte „Partyup“ und der Popklassiker „When You Were Mine“. Und nicht nur der raue, gitarrenlastige Sound war eine einschneidende Veränderung im Vergleich zu den Vorgängeralben, bei den Texten zeigte sich dasselbe Bild. Sogar dann, wenn er sich mit den dunkleren Seiten seiner Sexualität beschäftigte, schien sich Prince zu einem politischen Künstler zu entwickeln; die Antikriegs­hymne „Partyup“ knüpft an die Protestlieder der Sechziger an, und „Uptown“ beschreibt ein Utopia der Gegenkultur, in dem sich Menschen verschiedener Rassen unter dem Banner sexueller Freiheit vereinigen.

Doch das Bemerkenswerte an Dirty Mind ist letztlich nicht die Tatsache, dass sein Stil hier perfekt umgesetzt war, sondern dass es einen Kreativitätsfluss in Gang setzte, der ihn für gewisse Zeit zum einflussreichsten Künstler des Pop machte. Betrachtet man die Entwicklung der Musikszene während der Achtziger-, Neunzigerjahre und darüber hinaus, dann war Dirty Mind insofern prophetisch, als es den Übergang von den polierten, bombastischen Sounds der Siebziger hin zu einer strafferen, kompakteren Ästhetik markierte. Zwei Jahrzehnte später arbeiteten Künstler wie Macy Gray oder D’Angelo noch immer mit der Soundgrundlage, die Prince mit diesem Album geschaffen hatte. Prince, wiewohl damals knapp über zwanzig, hatte bereits neue Wege in der Pop­musik aufgezeigt.

Obwohl in den Credits zu Dirty Mind steht, dass das Album zur Gänze von Prince geschrieben wurde (mit Ausnahme des Titelsongs, bei dem er mit Matt Fink als Autor angegeben ist), wurde diese Angabe bei zwei der acht Songs angezweifelt. Über „Partyup“ hieß es vielfach, dass die Musik (wenn auch nicht der Text) von seinem langjährigen Freund Morris Day geschrieben wurde, der in seiner ersten Band als Schlagzeuger dabei war. Im Sommer 1980 spielte er Prince einen Groove vor, den er aufgenommen hatte, und Prince schrieb sofort einen Text dazu und baute den Song zu „Partyup“ um. Anschließend machte er Day ein Angebot: Er wollte ihm entweder zehntausend Dollar für den Song bezahlen oder aber ein Nebenprojekt mit Day gründen. Day entschied sich für Letzteres, und das gab Prince nach der Auflösung der Rebels die Möglichkeit, die Musik, die in rapider Geschwindigkeit aus ihm herausströmte, noch an anderer Stelle unterzubringen.

„Uptown“, der zweite umstrittene Song von Dirty Mind, basiert angeblich auf Musik von André Cymone. „Der Bassmelodie des Titels lag eine Idee zugrunde, die André beim Jammen während einer Probe entwickelte“, sagte Dickerson dem Prince-Biografen Dave Hill. (Auch Charles Smith bestätigte das.) Zudem erinnerte sich Pepé Willie, der mit Prince und Cymone 1979 Aufnahmen machte, dass die Musik von „Do Me, Baby“, das später auf dem 1982 erschienenen Album Controversy enthalten war, bei einer dieser Sessions ebenfalls von Cymone erstmals gespielt wurde. Als Controversy erschien, bat Cymone erzürnt Willie um Beistand. „Ich sagte André, er hätte sich das Copyright dafür eintragen lassen sollen und dass ich nichts tun könnte.“

Zwar hat es während seiner Karriere eine Reihe solcher Behauptungen gegeben, aber dennoch betrachten sie einige seiner Mitarbeiter als unangebracht. Schlagzeuger Rivkin räumte zwar ein, dass Bandmitglieder bei den Proben öfter eigene Riffs erschufen, sagte aber auch, dass es letztlich Prince war, der aus diesen rohen Vorgaben fertige Songs formte. „Es wird oft vergessen, dass ein Riff oder ein Motiv etwas ganz anderes ist als Songwriting“, meint er. „Der Songwriter ist es, der den Text und die Musik erdenkt. In neunundneunzig Prozent der Fälle, bei denen Prince sagt, dass er den Song geschrieben hat, ist das auch so.“ Owen Husney ist der Ansicht, dass sich Cymones Anspruch nur schwer beweisen lässt, vor allem angesichts der Art und Weise, wie die fraglichen Songs entstanden. „Bei Jamsessions fließen die Ideen von einem zum anderen“, sagte er. „Wenn Prince und André jammten und etwas Cooles dabei herauskam, dann war Prince derjenige, der die Idee für Schallplatte und Radio umsetzen konnte. André nicht.“

Dennoch finden sich reichlich viele Beispiele dafür, dass Prince zumindest nicht allzu bereitwillig anerkannte, wenn andere Beiträge zum Songwriting und zur Produktion geleistet hatten. Toningenieur David Z. Rivkin, der bei der Produktion seines Debüts eine große Rolle spielte, wurde auf der Rückseite des Covers nicht einmal erwähnt und bekam nur ein allgemeines Dankeschön auf der Innenhülle der Platte. Und 1986, als Rivkin und Mark Brown beide stark an der Entstehung des Hits „Kiss“ beteiligt waren, wurde Rivkin lediglich als „Arrangeur“ genannt, Brown hingegen gar nicht. Als Rivkin und der Bassist und Gitarrist Levi Seacer Jr. mit Prince gemeinsam den Song „Well Done“ erarbeiteten, wurden sie überhaupt nicht erwähnt, als der Titel auf dem Album ­Heaven Help Us All von der Gospelgruppe The Steeles erschien. „Da hat sich sein Ego wieder einmal selbstständig gemacht, nehme ich an“, sagte Rivkin. „Levi und ich waren darüber nicht sehr glücklich. Prince ist sehr stolz, und für ihn ist es ziemlich schwer, jemand anderem die gebührende Anerkennung zuteil werden zu lassen. Das ist nun mal so.“

Rivkin, der damit zufrieden war, dass er eher hinter den Kulissen an der Karriere von Prince mitwirkte, tat es vermutlich als typische Unart des Musikgeschäfts ab, wenn er derart übergangen wurde. Aber für Cymone war das wesentlich schmerzhafter. Nach der Tour zu Dirty Mind führte eine Reihe von Brüskierungen dazu, dass er die Band verließ: Er hatte den Eindruck, dass seine Beiträge nicht geschätzt wurden, und ärgerte sich darüber, dass er im Studio wenig Einfluss hatte; zudem hoffte er auf eine erfolgreiche Solokarriere. „André konnte einfach schlecht die zweite Geige spielen und kam nur eine gewisse Zeit damit zurecht, Anweisungen von anderen zu bekommen“, meinte Bobby Rivkin. „Er ging immer davon aus, dass er eines Tages genauso berühmt sein würde wie Prince selbst.“

Ein weiteres Problem lag darin, dass Cymone meinte, er verdiente schon allein deshalb eine bessere Behandlung, weil seine Mutter so viel für Prince getan hatte. „André war gekränkt“, erkannte Dickerson. „Er war der Ansicht, Prince wäre gar nicht dorthin gekommen, wo er war, wenn er und seine Familie nicht gewesen wären.“

Mai 1981: Europatournee

Während Dirty Mind von den Kritikern gefeiert wurde, reiste Prince das erste Mal für einige Konzerte und Promotiontermine nach Übersee. Die historischen Sehenswürdigkeiten des alten Kontinents ließ er dabei komplett links liegen und verwendete vielmehr seine ganze freie Zeit darauf, sich mit der europäischen Popkultur vertraut zu machen. In London ging er mit Steve Fargnoli zu einer in einem Club veranstalteten Geburtstagsparty von Steve Strange, der zu den führenden Musikern und Szenegrößen der so genannten New-Romantic-Bewegung zählte, einer Seitenlinie des New Wave, die vor allem für ihre ausgefallene Mode bekannt war. Anschließend reiste Prince mit der Band nach Amsterdam, wo sie vor einem kleinen Publikum ihr erstes Konzert in Europa gaben. Auch beim Gig in Paris kamen nur wenige Leute, darunter hauptsächlich Insider aus der Plattenindustrie.

Prince ging weiterhin viel in Nachtclubs und ließ sich immer stärker von der breit gefächerten Mischung von dem Stil und Sound beeinflussen, die man in Europa favorisierte. „Ich glaube, er wusste besser als die Leute von den Plattenfirmen, was man auf der Straße hören wollte“, erinnerte sich Mark Brown, der nach der Dirty Mind-Tournee André Cymone am Bass ersetzte. „Er fuhr nach Europa und studierte genau, was dort lief, und das wollte er in die Staaten transportieren.“

Die Frage war jedoch, ob Amerika dazu bereit war. Zwar hatten die Kritiker bereits den Eindruck, dass Prince sich mit Dirty Mind als Künstler etabliert hatte, der sowohl die R&B- als auch die Rockfans erobern konnte, aber die Verkaufszahlen wiesen zunächst noch darauf hin, dass er auf dem Popmarkt weder als Fisch noch als Fleisch gehandelt wurde. Nach drei Alben hatte er es gerade auf einen bescheidenen Singleerfolg gebracht („I Wanna Be Your Lover“), und seine Karriere war zumindest kommerziell noch nicht in Schwung gekommen.

Zwar war er mit der Reaktion der Kritiker sehr zufrieden, aber trotzdem blieb Prince dieses Problem nicht verborgen. Als Brown Anfang 1981 für die Band vorspielte und nach dem Nachfolger zu Dirty Mind fragte, wirkte Prince ebenso nachdenklich, wie er es auch kurz zuvor bei seiner Unterhaltung mit Dickerson im Restaurant gewesen war. „Er sah mich an und meinte: ‚Mit dem nächsten Album müssen wir es schaffen‘“, erinnerte sich Brown. „Musikalisch wusste er ganz genau, was er tat, aber ich glaube, er war sich nicht sicher, ob es auch funktionieren würde. Er fürchtete wohl, dass man ihn bei Warners fallen lassen würde, wenn sich die nächste Platte nicht verkaufte.“

Dennoch gab es keinerlei Anzeichen dafür, dass Prince seinen neuen Kurs auch nur im Geringsten infrage stellte. Er hatte sich inzwischen ein Haus im grünen Stadtteil Lake Riley in Minneapolis gekauft (und es prompt lila angestrichen) und ließ sich nun von Don Batts im Keller ein Sechzehnspurstudio einrichten. Das Equipment war technisch besser als das, mit dem er Dirty Mind aufgenommen hatte, und hatte einen etwas polierteren Klang. Da nun mehr Platz war, konnte sein Klavier, das er auf Dirty Mind überhaupt nicht benutzt hatte, im Wohnzimmer aufgestellt und per Kabel mit dem Studio unten verbunden werden.

Bei den Vorbereitungen für das vierte Album, das den Titel Controversy tragen sollte, zeigte sich ein Mix neuer Einflüsse in seinem Songwriting. Kalte, elektronische Klangmuster, im Stil von New-Wave-Bands wie Kraftwerk und Devo, tauchten in dieser Musik auf, die mehr als je zuvor eine Vielzahl von Genres in sich vereinte. „Controversy“ verband ein kratziges Gitarrenriff nach James-Brown-Manier mit einer rockigen Synthesizerfigur und im Mehrspurverfahren eingesungenem Harmoniegesang, bei dem Prince auch die tieferen Bereiche seiner Stimme auslotete, die er auf den vorigen Alben bisher kaum eingesetzt hatte. Das funkige „Sexuality“ war ähnlich gelagert und zeigte erneut, dass er die verschiedensten Klänge aus seinen Stimmbändern herauskitzeln konnte.

Bei seinem Management und bei Warner Bros. war man sich nun fast überall darüber einig, dass dieses neue Material Prince als eine Kultfigur etablieren konnte, die möglicherweise in den verschiedensten Genres Erfolge feiern würde. „Ich hielt die Platte für brillant“, sagte Marylou Badeaux, die damals bereits spürte, dass sich der brodelnde Zorn in seiner Musik und seinen Texten perfekt mit der kommerziell immer erfolgreicheren New Wave verzahnen könnte.

Der größte Teil des neuen Materials entstand zwar in seinem neuen Haus, aber er arbeitete auch in zwei Studios in Los Angeles, dem Hollywood Sound und dem Sunset Sound. Im Sunset nahm er den Titel „Private Joy“ auf, das erstmals eine ganz neue Herangehensweise beim Aufbau der Rhythmustracks zeigte. Statt ein live gespieltes Schlagzeug einzusetzen, verwendete Prince den Linn LM-1, den ersten Drum-Computer, der mit Samples von echten Schlagzeugkomponenten arbeitete. Während die ersten Drum-Machines noch billig und nach Plastik geklungen hatten, hörte sich der Linn fast wie ein echtes Instrument an.

Prince war davon begeistert – vor allem, als er erkannte, dass er mit diesem technischen Spielzeug noch viel weniger auf andere Musiker und Techniker angewiesen war. Plötzlich war es möglich, in Hotelzimmern Songs mit komplettem Bandarrangement aufzunehmen. „Als ich ‚Private Joy‘ zum ersten Mal hörte, begriff ich, dass große Änderungen bevorstanden“, erzählt Bobby ­Rivkin. „Schlagzeugaufnahmen sind langwierig und teuer; es dauert, bis man einen guten Sound hinbekommt. Beim Linn hatte er den sofort.“

Der Text zu „Private Joy“ war Susan Moonsie gewidmet, einer langjährigen Freundin, mit der er nach der Dirty Mind-Tour eine Beziehung begann. Prince hatte sie bereits auf der Highschool kennen gelernt und bei ihrer Familie sogar ein paar Nächte auf dem Sofa verbracht, bevor er bei den Andersons untergekommen war. Ende 1980 war sie die Frau, zu der er sich am meisten hingezogen fühlte, und seine Mitstreiter hielten sie für einen intelligenten, bodenständigen Menschen, der sich nicht manipulieren ließ – möglicherweise die ideale Gefährtin für einen quecksilbrigen, egozentrischen Künstler. „Mehr als jede andere vorher war sie seine richtige Freundin“, meinte Rivkin. Alan Leeds, der Moonsie später gut kennen lernte, fügte hinzu: „Wie viele junge Frauen fand sie den Rock’n’Roll-Lifestyle faszinierend, weil er so viel Spaß bot, aber sie war nie mit einem Groupie zu verwechseln. Sie sah Prince als äußerst kreativen, aber einsamen jungen Mann, der enorm viel Unterstützung, zärtliche Liebesbeweise und Ermunterung brauchte. Das war damals, als er in einer sehr entscheidenden Phase seiner Karriere steckte, tatsächlich enorm wichtig.“

Für Moonsie gab es in der Beziehung jedoch ein ungelöstes Problem: Prince war nicht zur Monogamie zu bewegen. Je berühmter er wurde, desto mehr Gelegenheiten ergaben sich für schnellen Sex zwischendurch. Auf der Dirty Mind-Tour lernte er zudem eine andere Frau kennen, mit der er eine heiße Affäre haben sollte: Jill Jones, die bei Teena Marie als Backgroundsängerin arbeitete.

Prince traf sich öfter mit ihr und versprach, für sie als Sängerin ein Album zu schreiben und einzuspielen. Diese Situation brachte Moonsie in die schwierige Lage, dass sie Prince einerseits sehr gern hatte, es ihm andererseits aber nicht durchgehen lassen wollte, dass er sie betrog. „Im Gegensatz zu seinen meisten späteren Freundinnen hatte Moonsie feste Prinzipien und ließ auch nicht mit sich reden“, berichtete Leeds. „Sie flippte zwar nicht aus und schrie und brüllte, aber Prince wusste, dass sie es nicht tolerieren würde, wenn er ihr gegenüber den nötigen Respekt vermissen ließ.“ Als Prince schließlich ganz offen mit seinen Affären umging, zog Moonsie sich eine Weile zurück, was ihn einerseits verletzte, aber auch zornig machte. Während er von Moonsie erwartete, dass sie seine Seitensprünge akzeptierte, zeigte er sich jedoch sehr besitzergreifend, wie der Text zu „Private Joy“ bereits andeutet. „Er wollte nicht, dass sie seine einzige Freundin war, aber er wollte sie stets in der Nähe wissen“, ließ ein Insider verlauten. „Die anderen Männer wussten, dass sie verbotenes Terrain war.“

Oktober 1981: Controversy erscheint

Optisch blieb Controversy derselben Post-Punk-Atmosphäre verhaftet wie Dirty Mind. Auf dem Cover war Prince in einem lavendelfarbenen Trenchcoat zu sehen, auf dem wieder der „Rude Boy“-Anstecker prangte. Hinter ihm auf dem Cover und auch auf der Rückseite prangten erfundene Schlagzeilen vom Kaliber „Unterwäsche – der neue Modetrend“ oder „Annie Christian zum Tod verurteilt“, die auf die Sensationsgier der Gesellschaft anspielen sollten. Es schien, dass Prince immer mehr gesellschaftskritische Botschaften vermitteln wollte.

Musikalisch war dieses Album so kaleidoskopisch wie nie zuvor und enthielt alle möglichen Stilrichtungen, vom Rockabilly („Jack U Off“) über romantische R&B-Balladen („Do Me, Baby“) bis hin zum gesprochenen Experiment („Annie Christian“). Aber die hier gezeigte Bandbreite war teilweise schon verwirrend, und die Kritiker betrachteten Controversy als schwer durchschaubares und uneinheitliches Werk. Stephen Holden nannte Prince im Rolling Stone zwar einen potenziellen Nachfolger Sly Stones, kritisierte aber, das Album sei vielfach ohne klare Linie und exzentrisch. Andere sahen das Album als Vorreiter besserer Werke. Das Magazin Sweet Potato fand den Stilmischmasch nicht gut und meinte, „der Sequenzereinsatz auf Controversy ist grauenvoll, aber die nächste LP könnte tatsächlich eine voll ausgeformte Darstellung von seiner Vision bringen“.

Tatsächlich war Controversy ein ziemlicher Gemischtwarenladen. Während der Titelsong und auch „Sexuality“ zu den stärksten Titeln zählten, die er bisher geschrieben hatte, zeigte „Annie Christian“ oder auch „Ronnie, Talk To ­Russia“ (eine altbackene Rocknummer, in der er Reagan dazu aufforderte, mit den Sowjets Frieden zu schließen), dass Prince zu Schrullenhaftigkeit und Übertreibung neigte. Dennoch ist das Album jeden Augenblick zumindest interessant und zeichnet das Porträt eines Künstlers, der sich alle Mühe gab, immer neue Herausforderungen für sich selbst und sein Publikum zu finden. Die Energie war oft spürbar, und Songs wie „Jack U Off“, „Sexuality“ und „Private Joy“ vermittelten etwas von der anarchistischen Faszination des Punk und der New Wave.

In politischer Hinsicht war Controversy jedoch ganz klar eine Enttäuschung. Prince beschäftigte sich in „Ronnie, Talk To Russia“, „Annie Christian“ (mit seinem Hinweis auf die Attentate auf Lennon und Reagan) oder „Sexuality“ (in dem er sich selbst als „new breed leader“, also als Anführer einer neuen Gattung, bezeichnete) mit verschiedenen Themen, aber der fehlende Zusammenhang zwischen den Ideen in diesen Songs ließ es fraglich erscheinen, ob Prince tatsächlich klar formulierte Anliegen hatte. Man konnte beinahe meinen, dass seine zentrale Botschaft sexueller Freiheit, die Dirty Mind noch so klar transportiert hatte, nun durch die Einbeziehung von Themen wie Abrüstung oder Waffengewalt verwässert wurde. „Prince ist immer dann besonders naiv und irritierend, wenn es um ein offen politisches Thema geht“, beklagte die Village Voice.

Andere störten sich am predigenden Ton seiner Texte. Sowohl in „Controversy“ als auch in „Sexuality“ geht es in erster Linie um Prince selbst als Objekt öffentlicher Begeisterung und Verehrung. In „Controversy“ wird zudem das Vaterunser skandiert, um die Spannung darzustellen, die in seinem Werk (und in seinem Kopf) zwischen Lust und Moral bestand. Diese Dualität war zwar in gewisser Hinsicht faszinierend, zeigte aber auch eine Selbstverliebtheit, die schließlich so groß werden sollte, dass sie seine Arbeit gänzlich überschattete.

„Controversy“, die wichtigste Single aus dem Album, machte sich in den Pop-Singles-Charts kaum bemerkbar (sie erreichte nur Platz 70), aber das Album verkaufte sich besser als Dirty Mind. Es war zwar kein Senkrecht­starter, wurde aber nach drei Monaten mit einer Goldenen Schallplatte ausgezeichnet (es erreichte Platz 3 in den Soul-Charts und Platz 21 in den Pop-Album-Charts) und konnte das Feuer weiter anfachen, das Dirty Mind geschürt hatte. Den Trendsettern in Europa war er nun ebenfalls aufgefallen, und auch dort ­gingen die Verkaufszahlen allmählich nach oben.

Seine Manager planten nun schnell eine Tour durch mittelgroße Hallen in den USA. Zuvor gab er aber noch zwei Konzerte, bei denen er ein großes Mainstream-Publikum für sich begeistern musste. Im Herbst 1981 erhielten seine Manager einen Anruf von den Vertretern der Rolling Stones, die sich erkundigten, ob Prince bei drei Gigs im Coliseum von Los Angeles das Vorprogramm übernehmen wollte. Prince sagte zu und stand daraufhin dem bisher größten Publikum seiner Karriere gegenüber.

Die zehntausende, die am ersten Abend rechtzeitig zu seinem Auftritt erschienen waren, wussten größtenteils noch nicht recht, was sie von ihm zu halten hatten. Viele der Männer auf den bühnennahen Plätzen (die sowieso ungeduldig auf die Stones warteten) schienen wenig angetan von seinem androgynen Image. Während der ersten Songs hagelte es Buhrufe, und wenig später flogen auch Pappbecher und anderes, bis die Band nach nur fünfzehn Minuten von der Bühne ging. Der legendäre Promoter Bill Graham, der das Konzert organisiert hatte, trat ans Mikrofon und kritisierte die Menge für ihr Ver­halten – noch ein paar Jahre, sagte er, und sie würden viel Geld dafür zahlen, um Prince allein zu sehen.

Frustriert flog Prince gleich nach der Show wieder nach Minneapolis zurück und ließ sich nur nach langen Telefonaten mit Steve Fargnoli und Dez Dickerson dazu bewegen, für das zweite Konzert zurückzukehren. Zwar hoffte man, dass sich das Debakel vom Vorabend nicht wiederholen würde, aber unter Stones-Fans hatte sich die Geschichte bereits herumgesprochen, und am nächs­ten Abend erschienen die Konzertbesucher mit Obst und anderen Wurfgeschossen bewaffnet. Schon während des ersten Songs, „Uptown“, war die Spannung fühlbar, und Prince und seine Musiker konnten die Feindseligkeit in den Gesichtern der Stones-Fans direkt an der Bühne erkennen. Als Prince den Einsatz zu „Jack U Off“ gab, spürte Mark Brown, der sein erstes Konzert mit der Band gab, dass die Lage nun außer Kontrolle geriet. Zwar wusste er, dass Prince heterosexuell war, aber Brown war schon immer ein unverkennbarer (wenn auch rein zufälliger) homoerotischer Hauch in diesem Titel aufgefallen. „In meiner Gegend gab’s das nicht, dass Männer den Mädels einen runterholen, jedenfalls sprach man dann nicht von ‚jack off‘“, sagte Brown. „Ich glaube, das war ihm gar nicht bewusst – Prince lebte in seiner eigenen Welt.“

„Jack U Off“ war nun genau der Funken, der das Pulverfass der schwulenfeindlichen, von Testosteron und Alkohol befeuerten Menge entzündete. Brown wurde von einer Take-away-Tüte mit einem halben Hähnchen und von einer Grapefruit getroffen, und eine Jack-Daniels-Flasche verfehlte ihn nur knapp. Eine Flasche Orangensaft schoss an Prince vorbei, knallte gegen das Schlagzeugpodest und spritzte die Flüssigkeit über die Bühne. Erschreckt floh die Band in die Garderobe. Noch nie hatte Prince die Ablehnung der Öffentlichkeit so dramatisch erlebt.

Die Band verließ das Gelände bald darauf in einer Limousine und kam überein, nie wieder mit den Stones aufzutreten. Aber so erschreckend dieses Erlebnis auch gewesen war, Prince hatte sich diesmal auf die Publikumsreaktion vorbereitet und war weniger erschüttert als am Abend zuvor. Er kümmerte sich vor allem um Brown, weil er fürchtete, dass der Bassist die Band nach einem derartig traumatischen Konzert wieder verlassen könnte.

„Mark“, sagte er und sah Brown mit ernstem Gesicht an, „das ist nicht unser Publikum.“

Es sollte jedoch nicht mehr lange dauern, bis es das wurde.

Besessen - Das turbulente Leben von Prince

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