Читать книгу Besessen - Das turbulente Leben von Prince - Alex Hahn - Страница 12

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4.: Der Impresario

Als Prince Morris Day im Sommer 1980 versprach, als Entschädigung für den Song „Partyup“ eine Band um ihn herum aufzubauen, bekam die Beziehung der beiden alten Freunde ein weiteres Mal eine neue Dimension. Jahrelang hatte Day in seinem Schatten gestanden, während der die Straße zum Ruhm entlangschritt. Als sie noch Teenager waren, hatte Day Charles Smith als Schlagzeuger ersetzt und in der ersten Band von Prince, Champagne, gespielt. Day und Prince wurden enge Freunde, und Days Mutter LaVonne Daugherty half schließlich, die Band zu managen. Prince, Day und der Bassist André Cymone (den man damals noch unter seinem bürgerlichen Namen Anderson kannte) waren ein Team, und während sie versuchten, sich gegen andere Bands in Minneapolis durchzusetzen, übernahmen sie wechselseitig die Führung der Band.

Die Einheit von Champagne zerbrach, als der Studiobesitzer Chris Moon Prince, der gerade die Schule abgeschlossen hatte, im Sommer 1976 zum Solomusiker machte und ihm die Möglichkeit gab, umsonst in seinem Studio aufzunehmen. Damit gerieten die Machtverhältnisse innerhalb der Gruppe ein für alle Mal aus dem Lot, und die Freunde von Prince waren seitdem zu untergeordneten Rollen verdammt. Cymone entschied sich, bei Prince zu bleiben, Day hingegen zog sich zunächst zurück.

Zwei Jahre später, als Prince einen hoch dotierten Vertrag mit Warner abgeschlossen und sein erstes Album veröffentlicht hatte, begann er eine Liveband zusammenzustellen. Day nahm – wie viele andere Schlagzeuger aus Minneapolis – die Einladung zum Vorspielen an. Im Sommer und im Herbst 1978 wechselte er sich mit Charles Smith, Bobby Z. Rivkin und anderen auf dem Schlagzeugstuhl ab. Day war dabei vermutlich der talentierteste Kandidat; er hatte ein ausgefeiltes Gespür für musikalischen Spannungsaufbau und formte sein Spiel so, dass es die Richtung für die ganze Band vorgab. „Ich liebte es, wie er spielte – sehr funkig, sehr lebendig“, erinnerte sich Rivkin, der zwar bei der Entstehung von For You mit Prince zusammengearbeitet hatte, sich aber seiner Position dennoch nicht besonders sicher fühlte. „Jeden Moment ­erwartete ich, dass Morris und Prince wieder zusammenkämen und ich raus sei“, sagte er.

Letztlich sicherte sich Rivkin mit seiner phlegmatischen Art und seiner verlässlichen Arbeitseinstellung dennoch seinen Platz. Außerdem war er weiß, und das war insofern ein Vorteil, als Prince in seiner Band schwarze und weiße Musiker haben wollte. Rivkin trommelte den größten Teil des Jahrzehnts für Prince, während Day sich in die Funk-Szene von Minneapolis zurückzog und in den nächsten zwei Jahren mit verschiedenen Bands spielte.

Im Sommer 1980, als Dirty Mind entstand, kehrte Day jedoch zurück, wenn auch in einer weniger beeindruckenden Rolle. Er wurde „Laufbursche“ für seine Band und besorgte während der Proben Sandwiches und Getränke. Aber Prince zeigte nach wie vor viel Respekt für Day als Musiker, wie sein Interesse an „Partyup“ bewies. Als sie ihre Vereinbarung bezüglich des Songs abschlossen, schien sich das Blatt wieder zu Days Gunsten gewendet zu haben.

Im Frühjahr 1981, nach der Dirty Mind-Tour, machte sich Prince daran, wie versprochen ein Projekt für Day zu entwerfen, um seinen Teil der Abmachung zu erfüllen. Ursprünglich dachte er an eine Band, in der Day Schlagzeug spielte, während Alexander O’Neal, ein talentierter Soulsänger aus Minnea­polis, die Rolle des Frontmanns übernehmen sollte. Aber das erste Treffen zwischen Prince und O’Neal lief nicht gut – der Sänger verlangte mehr Geld und Kontrolle, als Prince ihm zugestehen wollte. Daher überlegte Prince anschließend, Day selbst zum Sänger zu erklären.

Er hatte bereits alle Einzelheiten des Projekts fest geplant, das den Namen The Time erhalten sollte. Das Image war ein wenig theatralisch und überkandidelt angelegt, und Day war als Sänger und gleichzeitig als Comedian vorgesehen. Das Image, das er für Day erschuf, war den Freunden von Prince gut bekannt: Er sollte den gerissenen, witzigen, schlagfertigen Kleinkriminellen spielen, vergleichbar mit der „Zuhälter“-Rolle, in die Prince in bestimmten Situationen gern selbst schlüpfte. „Morris Days ganze Persönlichkeit wurde von Prince erdacht“, sagt Bassist Mark Brown. Einige Elemente entlieh Day auch der Erinnerung an den Vater von Prince, der in ihrer Kindheit das ganze Viertel mit seinen schicken Anzügen beeindruckt hatte. Als die Aufnahmen für das Projekt begannen, sang Prince einen so genannten Guide Vocal, eine Richtspur (die später Note für Note von Day imitiert wurde) mit einer rauen Stimme wie ein alter Mann. „Damit imitierte er seinen Vater und die Männer aus dessen Generation – die schick angezogenen Kerle“, meinte die Toningenieurin Susan Rogers.

Während Day die Gesangsmelodien nach dieser Richtspur lernte, stellte Prince für die Livekonzerte eine Band aus talentierten Musikern aus Minneapolis zusammen: Terry Lewis am Bass, Jimmy „Jam“ Harris und Monte Moir an den Keyboards, Jellybean Johnson am Schlagzeug und Jesse Johnson an der Gitarre. Die Musiker prägten auch das Image von The Time, vor allem durch die altmodischen Anzüge, die sie auf der Bühne trugen.

Das Projekt war Prince genauso wichtig wie seine eigenen Alben, und er wollte die Band hinter den Kulissen steuern. Rivkin und Owen Husney berichten beide, dass er in dieser Hinsicht sehr von dem Film Idolmaker – das schmutzige Geschäft des Showbusiness beeinflusst war, den Taylor Hackford 1980 gedreht hatte und in dem es um einen Impresario geht, der aus hübschen, fotogenen jungen Menschen eine Reihe von Bands zusammenstellte und manipulierte. Nachdem Prince den Film gesehen hatte, wollte auch er eine Palette unterschiedlicher Acts aufbauen, die dann die verschiedenen Seiten seiner Persönlichkeit repräsentieren sollten.

Prince nahm fast die ganze Musik für das Album selbst auf; The Time sollten dann die Songs bei den Konzerten perfekt nachspielen. Er überwachte auch die ersten Proben der Band, bei denen er den Musikern zahlreiche Anweisungen gab und sie bis zur Erschöpfung forderte. Sie staunten ehrfürchtig über seine Energie, wie sich Jimmy Jam 2002 in einem Interview mit dem Magazin Performing Songwriter erinnerte: „Er kam fünf oder sechs Stunden zu unseren Proben, dann ging er zu den Terminen mit seiner eigenen Band, arbeitete die ganze Nacht im Studio und tauchte dann am nächsten Tag mit einem neuen Song auf, den er geschrieben hatte.“

Obwohl Prince sich in die Arbeit der Band so stark einmischte, geschah etwas Überraschendes: The Time entwickelten eine eigene Chemie. Die Gruppe wurde immer besser und begann, eigene Elemente zur Musik beizusteuern. Prince stellte stolz fest, dass sich sein handverlesenes Line-up tatsächlich bewährte. „Er konnte sehen, dass wir alarmierend gut wurden, also ließ er uns mehr und mehr allein machen“, berichtete Jellybean Johnson.

Das erste Album der Band, The Time, erschien im Juli 1981. Auf dem Cover oder auf der Innenhülle war mit keinem Wort erwähnt, von wem die Songs geschrieben worden waren, dafür wurde Morris Day neben Jamie Starr (der auf Dirty Mind auch als Toningenieur angegeben worden war) als Produzent genannt. In der Presse von Minneapolis kam schnell das Gerücht auf, Jamie Starr sei ein Pseudonym von Prince, der an der Entstehung des Albums stark mitgewirkt habe. Zwar waren beide Gerüchte wahr, aber Prince, seine Manager und Morris Day dementierten sie trotzdem.

Musikalisch spiegelte The Time, mehr als jedes andere seiner bisherigen Projekte, seine Funk-Wurzeln. Seine ersten beiden Alben waren vor allem von poppigem R & B geprägt gewesen, und Dirty Mind hatte sein Interesse an Rock und New Wave dokumentiert – The Time hingegen strotzte vor knackigen Dance-Grooves. Die Texte waren schlicht und verspielt, sodass sie Day reichlich Gelegenheit für Comedy-Einlagen gaben.

Das Album wurde zum Überraschungshit: Es erreichte nach nur sieben Monaten Goldstatus, kam bis auf Platz 7 in den Billboard-Soul-Charts und bis auf Platz 50 in den Pop-Album-Charts. Die Verkaufszahlen überstiegen damit sogar die von Dirty Mind, und spätestens das machte deutlich, dass Prince mit The Time ein kommerziell ausbaufähiges Projekt entwickelt hatte. Zudem konnte die Gruppe bei den ersten Konzerten, die im Herbst 1981 in den Clubs von Minneapolis stattfanden, das Publikum absolut begeistern. Rivkin erinnert sich, dass Prince zwar einerseits damit sehr zufrieden war, andererseits aber auch fürchtete, „so etwas wie Frankensteins Monster“ erschaffen zu haben. Er fürchtete, die Kontrolle über eine Band zu verlieren, die er stets als seine eigene betrachtet hatte.

Drei Musiker von The Time waren in dieser Hinsicht für Prince besonders bedrohlich: Keyboarder Jimmy Jam, Bassist Terry Lewis und Gitarrist Jesse Johnson. Jam und Lewis bildeten dabei eine Einheit – sie waren ein Song­writer- und Produzententeam, das große Pläne für die Zukunft hatte. Johnson besaß an der Gitarre eine schon fast erschreckende Präsenz. Er spielte seine Lead­einsätze mit einer Wildheit, die durchaus an die von Prince herankam. „Prince ließ öfter mal durchblicken, der einzige Gitarrist, vor dem er wirklich Angst hätte, sei Jesse Johnson“, erinnerte sich Alan Leeds.

November 1981 bis März 1982:

Die Controversy-Tour führt durch die USA

Zwei Monate nachdem The Time zum Hit geworden war, erschien Controversy, das sich ebenfalls sehr gut verkaufte. Die Prince-Manager organisierten daraufhin eine Tournee, und um seine jüngsten Erfolge optimal auszunutzen, wurden The Time als Vorgruppe gebucht. Die beiden Bands spielten in Hallen, die zwischen zwei- und achttausend Zuschauern fassten, und bekamen bei einigen Auftritten Unterstützung von Roger Troutmans beliebter Funk-Gruppe Zapp, die ebenfalls bei Warner unter Vertrag stand.

Kommerziell war diese Tournee wesentlich erfolgreicher als die Konzerte zu Dirty Mind: Prince stand unübersehbar kurz davor, sich eine bedeutende eigene Kultgemeinde aufzubauen. Am größten war seine Beliebtheit nach wie vor in Städten wie Detroit oder New York, wo ein großes Publikum aus Schwarzen und Weißen zu seinen Shows erschien. Bei den Auftritten hatte er die sexualisierte Energie der Dirty Mind-Tour beibehalten: Er erging sich in lüsternen Bewegungen und tat beispielsweise bei einer ausgedehnten Version von „Head“ so, als würde er mit seiner Gitarre masturbieren. Der Sound, der vor allem von seiner und Dez Dickersons Gitarre geprägt war, klang erneut wesentlich rauer und härter als auf der Platte.

Abseits der Bühne blieb die Kameraderie zunächst bestehen, die Prince und seine Band während der Dirty Mind-Tour so genossen hatten. Prince reiste gemeinsam mit den anderen Musikern im gleichen Bus, wo man sich dann gern zusammensetzte, redete oder die Videomitschnitte der vorangegangenen Konzerte ansah. Doch so freundlich der Kontakt zwischen Prince und einigen Bandmitgliedern – vor allem Matt Fink, Lisa Coleman und Mark Brown – auch war, eine besonders große Intimität bestand zwischen ihnen nicht. Zwar ließ Prince sie manchmal ein wenig hinter seine Fassade blicken, aber er blieb immer vorsichtig, und er wurde von den anderen generell mehr als Autoritätsperson denn als Freund wahrgenommen.

Die Afroamerikaner der Band – Brown und Dickerson – erlebten auf Tournee durchaus gelegentlich, dass sie von Weißen komisch angesehen wurden, vor allem im Süden der USA. Eines Morgens, vor einem Konzert in Tampa, Florida, holte sich Dickerson gerade einen Kaffee im Hotelrestaurant, als er einen mächtigen Schrecken bekam: Ein riesengroßer Mann, der wie der typische rassistische Biker aussah – langhaarig, muskulös, tätowiert –, kam auf ihn zu. „Ich dachte, ich muss sterben“, erinnerte sich der Gitarrist. Glücklicherweise ging der Hüne an ihm vorbei, nachdem er ihm vielleicht sogar ein „Guten Morgen“ zugebrummt hatte.

Eine Stunde später wurde Dickerson per Telefon zu einem Bandmeeting ins Zimmer von Prince bestellt. Als er eintrat, erkannte er entsetzt genau den Riesen wieder, den er im Restaurant getroffen hatte. Man stellte sie einander vor: Der große Mann war Chick Huntsberry, der neue Bodyguard von Prince.

Am nächsten Tag im Bus schien jeder von Huntsberrys Präsenz eingeschüchtert, sodass der den größten Teil der Fahrt umgeben von leeren Sitzen zubrachte. Schließlich beschloss Dickerson, den Bodyguard anzusprechen, und er stellte fest, dass Huntsberry ein warmherziger, freundlicher Mensch war, der ein interessantes, wenn auch raues Leben hinter sich hatte und unter anderem Rausschmeißer in Bikerbars gewesen war.

Mit seinen eins fünfundneunzig und seinen etwa einhundertvierzig Kilo Gewicht sah der bärtige, tätowierte Huntsberry tatsächlich aus wie ein ehe­maliger Motorradrocker, und der optische Kontrast zwischen ihm und Prince war so groß, dass er fast ans Absurde grenzte. Das dachte Prince zu Anfang auch: Obwohl er seinen Managern Recht gab, dass er mehr Security brauchte, konnte er sich nicht vorstellen, ständig von Huntsberry begleitet zu werden. Einige Tage später erklärte er Dickerson, dass er den Bodyguard nachhause schicken wollte.

„Wieso?“, fragte Dickerson.

„Er ist einfach zu groß, er macht mir Angst“, erwiderte Prince.

Dickerson musste an das Gespräch denken, das er mit Huntsberry im Bus geführt hatte, und redete auf Prince ein, sich das noch einmal zu überlegen. „Ich glaube, er ist sehr in Ordnung – du solltest ihm eine Chance geben.“

Prince dachte darüber nach und beschloss letztlich, Dickersons Rat zu befolgen. Der Bodyguard begleitete ihn überallhin, und schon bald empfand Prince es schließlich als sehr angenehm, ein menschliches Schutzschild zwischen sich und der Außenwelt zu haben. Huntsberry war seinem neuen Schützling sehr ergeben und bereit, fast alles für ihn zu tun, und Prince sah ihn schließlich nicht nur als Schutz, sondern übertrug ihm eine Menge weiterer persönlicher Aufgaben. Es dauerte nicht lange, und die beiden wurden unzertrennlich.

Aber für die übrigen Bandmitglieder, Dickerson eingeschlossen, hatte dieses neue Arrangement seine Schattenseiten. Huntsberry nahm die Verpflichtung, die Privatsphäre von Prince zu schützen, vielleicht etwas zu ernst, und plötzlich stellten die anderen fest, dass sie kaum noch an Prince herankamen. „Damit war die Vertrautheit, die wir einmal hatten, plötzlich zu Ende“, sagte Bennett. Huntsberrys beeindruckende Präsenz an der Garderobentür war ein deutliches Symbol für das, was die Kollegen von Prince nun deutlich spürten: Sie waren nicht länger willkommen.

Im Verlauf der Tour wuchsen The Time immer mehr zu einer Einheit zusammen. Die Gruppe, die unbedingt beweisen wollte, dass sie nicht zu Unrecht auf der gleichen Bühne stand wie Prince, spielte jeden Abend mit größter Intensität und Hingabe. Das Publikum reagierte mit großer Begeisterung auf ihre Auftritte, und Prince machte sich allmählich Sorgen, ob sie ihm den Rang ablaufen würden. Beide Bands wurden sich einer wachsenden Rivalität bewusst. „Bis zu einem gewissen Grad war das ganz positiv“, meinte der Time-Keyboarder Moir. „Wir nahmen uns beispielsweise manchmal vor: Heute Abend machen wir ihn platt! Aber nach einer Weile wurde es ungesund.“

Allmählich begannen sich The Time auch gegen die Kontrolle zu wehren, die Prince über die Band auszuüben versuchte. Jam, Lewis, Day und andere Bandmitglieder wollten ihre eigenen Songs schreiben, gingen aber davon aus, dass Prince das nie zulassen würde. Außerdem gab es Streit ums Geld. Obwohl The Time kommerziell ein großer Erfolg gewesen war, bekamen die Musiker lediglich einen kleinen Wochenlohn. „Es kam so weit, dass Jesse Johnson und ein paar andere im Hotelzimmer saßen und Erdnussbutter aus dem Glas aßen, damit sie noch ein bisschen Geld übrig behielten, wenn sie nachhause kommen würden“, sagte Charles Smith, der weiterhin freundlichen Kontakt mit der Band aufrechterhielt. „Morris hatte auch kaum Geld.“

Prince ließ sie immer wieder spüren, dass er die Gruppe in seiner Hand hatte. Als die Tournee im März Minneapolis erreicht hatte, rief er die Band bei einem Konzert im First Avenue zu sich auf die Bühne. Er behielt jedoch sein Mikrofon, um zwischendurch immer wieder Bemerkungen zu machen: „Das ist meine Bühne“, warnte er Day, und er drohte auch im Spaß, einen der Time-Musiker von Chick Huntsberry von der Bühne werfen zu lassen.

Die Unzufriedenheit der Time-Mitglieder wuchs allmählich immer mehr, und das führte auch dazu, dass die Konkurrenz zwischen den beiden Gruppen immer hitziger und schließlich auch offen ausgetragen wurde. Nach einem Konzert machte ein Time-Musiker Rivkin gegenüber eine gehässige Bemerkung; an einem anderen Abend sagte Jesse Johnson etwas, das Prince als Beleidigung seiner Mutter auffasste.

Beim letzten Konzert der Tour im Riverfront-Stadion in Cincinnati kamen die Feindseligkeiten schließlich zum Ausbruch. Als sie den Abend eröffneten, wurden The Time aus dem Backstagebereich heraus mit Eiern beworfen. Ihnen dämmerte schließlich, dass Prince und einige seiner Musiker dahintersteckten. The Time gerieten immer mehr unter Beschuss, und gegen Ende des Auftritts zogen Prince und seine Komplizen schließlich Jerome Benton, einen der ­Tänzer, von der Bühne und begossen ihn mit Honig. Anschließend kippten sie Müll über ihm aus. „Sie haben ihn im Grunde geteert und gefedert“, erinnert sich Fink, der sich daran nicht beteiligte und den Time-Musikern versicherte, dass er mit dem Streit nichts zu tun haben wollte.

Als sich der Auftritt von The Time dem Ende näherte, schnappte sich Chick Huntsberry schließlich Jesse Johnson und schleppte ihn in die Garderobe von Prince. Dort fesselte er den Gitarristen mit Handschellen an eine horizontal an der Wand angebrachte Kleiderstange. Als Prince schließlich auftauchte, bewarf er Johnson mit Taco-Chips und anderen Nahrungsmitteln. „So geschieht es einem, der was Schlechtes über meine Mama sagt!“, rief er.

Seine Mitmusiker und Crewmitglieder, die mit dabei waren, sahen entsetzt zu. „Das war grausam“, meinte Bennett. Fink erinnerte sich: „Ich saß da und dachte die ganze Zeit: ‚Das geht nun wirklich zu weit.‘“

Johnson wand sich erniedrigt und verängstigt in seinen Handfesseln. Schließlich gelang es ihm zum Erstaunen der anderen, die zweieinhalb Meter lange Kleiderstange komplett von der Wand zu reißen. Seine Hände waren immer noch daran gefesselt, aber er begann wild mit der Stange herumzufuchteln. „Jesse geriet völlig außer Kontrolle“, sagte Fink. „Er drehte völlig durch. Chick musste eingreifen, sonst wäre noch jemand verletzt worden.“

Huntsberry hielt Johnson erst einmal fest und löste dann seine Fesseln. Wütend und durcheinander floh Johnson aus der Garderobe und erzählte den anderen von The Time atemlos, was geschehen war. Sie begannen sofort, nun ihrerseits alles mögliche Essbare zu sammeln, um sich zu rächen. Die Prince-Manager, die mitbekommen hatten, was da lief, warnten The Time sehr ernst davor, während des Auftritts von Prince irgendetwas zu werfen. The Time wiederum legten diese Anweisung so eng wie möglich aus: Am Schluss der Show, als Prince und seine Kollegen von der Bühne gingen, bewarfen The Time sie mit Eiern. Prince und sein Team schlugen sofort zurück und schleuderten ebenfalls Essen nach den Kontrahenten, und die Kämpfe gingen backstage weiter. Die Roadmanager, die offenbar versuchten, den beiden Bands eine Möglichkeit zum Abreagieren zu geben, ohne dass sie sich die Köpfe einschlugen, hatten dutzendweise Sahnetorten gekauft und reichten sie den Musikern nun als Munition. The Time waren inzwischen klar im Vorteil, da sie sich Plastiksäcke übergestreift hatten, um ihre Kleidung zu schonen. „Sie verwandelten sich wirklich in Kämpfer“, erinnerte sich Fink.

Die Schlacht ging im Hotel weiter, wo die beiden Gruppen nun mit allem Essbaren warfen, was ihnen in die Hände fiel. Am Schluss hatten ihre Zimmer erheblich gelitten, und Prince bestand darauf, dass Morris Day für den Großteil des Schadens aufkommen musste, weil er nicht ganz korrekt behauptete, dass The Time mit der Werferei angefangen hätten. Daher belastete dieses Erlebnis, das eigentlich die Atmosphäre hatte reinigen sollen, erneut das Verhältnis beider Bands. Vor allem Jesse Johnson dachte mit großer Bitterkeit an die Sache in der Garderobe, und er haderte sehr damit, dass Prince eine derart erstickende Kontrolle über seine Band ausübte – das war schließlich der Grund für die Spannungen gewesen, die sich in der Essensschlacht entladen hatten. „Jesse wurde so sauer auf Prince, dass man Angst bekommen konnte“, sagte Fink. „Jesse hatte ein riesiges Egoproblem, und wenn Menschen mit einem Egoproblem in einer untergeordneten Position sind, dann gibt es immer Schwierigkeiten.“

Noch während er mit The Time seine Kämpfe austrug, plante Prince bereits ein weiteres Nebenprojekt – eine Frauenband, die nach dem schon vertrauten Motto seine Musik spielen und sich von ihm ein Image verpassen lassen würde. Schon vor der Controversy-Tour hatte er recht willkürlich drei Frauen dafür ausgewählt: seine Freundin Susan Moonsie, die Kostümbildnerin Brenda Bennett, die mit dem Bühnendesigner Roy verheiratet war, und Jamie Shoop, die in der Agentur von Cavallo, Ruffalo und Fargnoli arbeitete. Außer Bennett hatte keine von ihnen Erfahrungen als Sängerin. Prince hatte geplant, dass die Band, die The Hookers – frei übersetzt: Die Nutten – heißen sollte, in Unterwäsche auftrat und Texte mit stark sexuell angehauchtem Inhalt sang.

Während der Tour änderte er jedoch seinen Plan, als ihm eines Abends in einem Club eine äußerst sexy wirkende junge Frau auffiel: Sie hatte milchkaffeefarbene Haut, verströmte eine dunkle Erotik und sah Prince insgesamt ein wenig ähnlich. „Es heißt, als sich die beiden trafen, seien sie wie angewurzelt stehen geblieben und hätten sich angestarrt: Es war, als sähen sie sich selbst, nur mit dem jeweils anderen Geschlecht“, berichtete Alan Leeds. Prince schickte einen seiner Mitarbeiter, der fragte, ob sie Prince treffen wollte, und sie sagte ja.

Die junge Frau, die Denise Matthews hieß, träumte von einer Karriere im Showgeschäft und war daher begeistert, als Prince ihr sagte, dass er eine Band um sie herum aufbauen wollte. Er fand sie zudem sehr anziehend, und es ­dauerte nicht lange, bis die beiden eine Affäre begannen. In den folgenden Wochen erklärte er ihr das Konzept für The Hookers. Sie reagierte allerdings schockiert, als er ihr sagte, welchen Bühnennamen er für sie vorgesehen hatte: Vagina, wobei er lediglich einräumte, dass der Name dann anders ausgesprochen werden sollte als die englische Bezeichnung für das weibliche Geschlechtsorgan, nämlich mit einem langen i in der zweiten Silbe. Das lehnte Matthews ab, aber mit dem Namen Vanity erklärte sie sich einverstanden.

Die Arbeit an dem Projekt begann sofort nach der Controversy-Tour. Da Prince unbedingt ein Trio vorschwebte, verabschiedete sich Jamie Shoop, die ohnehin lieber etwas übers Musikgeschäft lernen anstatt im BH über die Bühne stolzieren wollte. Es blieben also Vanity, Moonsie und Bennett. Prince gab ihnen nun den Namen Vanity 6, als Anspielung auf die Anzahl der Brüste im Ensemble.

Die frisch getaufte Vanity war weder eine besonders erfahrene noch talentierte Sängerin, wirkte auf der Bühne aber sehr charismatisch. Zudem konnte sie recht hart und sarkastisch sein – Eigenschaften, die für ihre Position in der Band durchaus hilfreich erschienen.

Tatsächlich war es allerdings vielmehr so, dass sich hinter Vanitys forscher Art viele Verletzungen und schmerzliche Erfahrungen verbargen, die sie während eines recht schwierigen Lebens gemacht hatte, vor allem während ihrer Kindheit, in der sie jahrelang von ihrem Vater missbraucht worden war. Sie war gefühlsmäßig wesentlich verletzlicher, als sie nach außen hin den Eindruck machte, und Vanity nahm es auch schnell übel, wenn sie das Gefühl bekam, dass man sie kontrollieren oder manipulieren wollte, was Prince natürlich mehr oder weniger die ganze Zeit versuchte. Daher wurde ihre Beziehung, die mit viel knis­terndem erotischem Einverständnis begonnen hatte, schnell zu einer explosiven Angelegenheit. Prince traf sich weiterhin mit anderen Frauen, unter anderem mit ihrer Bandkollegin Susan Moonsie, und wenn Vanity dann mit heftigen Eifersuchtsattacken reagierte, fühlte er sich wiederum in die Enge gedrängt. „Seine Beziehung mit Vanity war nicht so eng wie die mit Susan“, sagte Roy Bennett. „Mit ihr konnte man keine wirklich enge Beziehung haben, sie war einfach nicht der Typ dazu.“

Je näher Prince Vanity tatsächlich kennen lernte, desto weniger Wert legte er auf ihre Gesellschaft; ihre brüske, kantige Art machte ihn wütend, weil er es eher schätzte, wenn Frauen ein wenig zurückhaltend waren. Der unveröffentlichte Song „Wonderful Ass“, in dem es um eine unausgeglichene Nymphomanin ging, handelte von Vanity, sagte die Toningenieurin Rogers: „Er war in vieler Hinsicht prüde, und da schockierte sie ihn oftmals oder beleidigte seine sensible Natur. Er mochte die lieben Mädchen.“

Musikalisch beackerte Prince mit Vanity 6, das im August 1982 erschien, dasselbe funkige, dynamische Feld wie schon mit The Time. Zwar zählt die Platte wohl nicht zu seinen besten Werken, aber es gab einige starke Songs darauf, unter anderem das schlüpfrige „Nasty Girl“. Der Schwachpunkt des Projekts war der Gesang, denn Vanity fehlte das musikalische Talent, um ihre Rolle mit der nötigen Überzeugungskraft zu spielen. Moonsie und Bennett übernahmen auf dem Album ebenfalls gelegentlich den Leadgesang, bewiesen da allerdings auch nicht viel größere gesangliche Fähigkeiten.

Aber von diesen Schwächen abgesehen, zeigte Vanity 6 wie schon The Time zuvor, dass Prince durchaus in der Lage war, seine Nebenprojekte zum kommerziellen Erfolg zu führen. Das Album erreichte Platz 6 in den Black-Charts und Platz 45 in den Pop-Charts, verkaufte sich recht zügig fast fünfhunderttausendmal und wurde 1985 mit Gold ausgezeichnet. Das schillernde Image garantierte der Band die Aufmerksamkeit der Medien und bereitete den Weg für andere Künstlerinnen, die später ihre Platten mithilfe von viel Dekolleté und Spitzenoutfit verkaufen sollten, wie Madonna, Janet Jackson, TLC oder Des­tiny’s Child.

Die Autorenangaben auf dem Album waren größtenteils frei erfunden. Die Rechte an Produktion und Arrangement teilte sich die so genannte Starr Company (die wohl ein Unternehmen des geheimnisvollen Jamie Starr sein sollte) mit Vanity 6, während die Songs einem oder mehreren Gruppenmitgliedern zugeschrieben wurden und bei verschiedenen Titeln auch die Beteiligung einiger Mitglieder von The Time vermerkt war. Bei der amerikanischen Copyright­gesellschaft ASCAP waren sieben von den acht Songs jedoch als Prince-Kompositionen eingetragen worden. (Dez Dickerson wurde als Autor von „She’s So Dull“ genannt, und die Time-Musiker Terry Lewis und Jesse Johnson wurden bei jeweils einem Titel als Mitautoren geführt.) Dennoch wiederholte das Prince-Team weiterhin gebetsmühlenartig, dass Vanity 6 eine eigenständige Gruppe sei und dass Prince selbst damit nichts zu tun habe.

So sehr, wie Prince von Frauen wie Vanity fasziniert war, die sich selbst als pure Sexobjekte präsentierten, ging sein Interesse am anderen Geschlecht jedoch weit über seine – stets sehr aktive – Libido hinaus. Er schien sich tatsächlich in der Gesellschaft von Frauen am wohlsten und am lockersten zu fühlen, egal, ob es sich nun um Geliebte, Freundinnen oder Angestellte handelte. Und was die Arbeitsmöglichkeiten anging, so bot er vielen Frauen Jobs gerade in traditionellen Männerberufen an, beispielsweise bei der Tontechnik. Er war, wie er während der ganzen Achtziger unter Beweis stellen sollte, in dieser Hinsicht äußerst progressiv.

Peggy McCreary, die im Sunset Sound in Los Angeles als Toningenieurin arbeitete, traf Prince das erste Mal während der Controversy-Aufnahmen im Sommer 1981. Sie hatte zuvor als Kellnerin und als Mädchen für alles im legendären Roxy Club in Hollywood gearbeitet, bevor sie dann in Abendkursen eine Ausbildung in Tontechnik gemacht und den Job im Sunset bekommen hatte. Als sie erfuhr, dass Prince im nahe gelegenen Hollywood Sound Studio technische Probleme hatte und daher in ihr Studio wechseln würde, fühlte sie sich beklommen. Sie wusste lediglich über ihn, dass er von Oralsex und Inzest sang, und sie vermutete daher, er würde ungehobelt und grob sein, vielleicht wie eine unverblümtere Version von Barry White, dem Soulsänger, der für seine sehr deutlichen Darstellungen körperlicher Liebe berühmt war.

Als Erstes überraschte sie seine Statur: Er war schmal und zart, mehr eine Porzellanpuppe als ein reißender Wolf. Außerdem war er schüchtern und sprach wenig. Als McCreary eine Frage stellte, brummte Prince etwas Unverständliches, ohne sie dabei anzusehen.

„Hören Sie“, sagte sie daraufhin ganz offen im Verlauf der Session, „ich werde hier keine gute Arbeit machen können, wenn Sie nicht mit mir reden.“

Offenbar wusste er es zu schätzen, dass sie ihn so direkt ansprach, denn Prince wurde daraufhin aufgeschlossener. Er blieb weiterhin höflich, gab sich aber schon ein wenig als der Sexbesessene aus seinen Songs zu erkennen, als er locker von seinen Freundinnen, Zukunftsplänen und sogar von seiner Kindheit erzählte. Nach der Controversy-Tour arbeitete er häufig im Sunset und setzte McCreary dabei einmal mehrere Wochen am Stück als Technikerin ein.

Zwar erlebte sie ihn dabei gelegentlich von seiner geselligen Seite, aber seine Workaholic-Tendenzen nahmen dann doch wieder überhand, als er im Frühjahr und im Sommer 1982 damit begann, den Nachfolger von Controversy aufzunehmen. Oft waren nur sie beide im Studio, und er stellte schon fast unmenschliche Anforderungen an McCreary. Gelegentlich zogen sich die Sessions über vierundzwanzig Stunden hin. Ganz normale menschliche Bedürfnisse empfand Prince als Ablenkung; wenn McCreary vorschlug, etwas zu essen zu holen, erwiderte Prince, dass essen ihn müde mache und er es daher vorzöge, hungrig zu bleiben.

McCreary fiel es nicht leicht, mit seiner Energie und seinem Tempo Schritt zu halten. Wenn er sie gähnen sah, bot er eine kleine Pause an und sagte, sie sollte kurz nach draußen gehen, während er eine Gesangsspur aufnahm. Aber er ließ sie nicht nachhause gehen; selbst nach den Sessions erwartete er, dass sie im Studio blieb und Rohmixe der eingespielten Songs anfertigte. „Er hatte überhaupt kein Verständnis für menschliche Schwächen“, erinnerte sie sich.

In seiner Terminplanung war Prince zudem sehr unberechenbar und wetterwendisch. Es kam nicht selten vor, dass McCreary spätabends oder frühmorgens vom Telefon geweckt wurde und Prince sie ins Studio beorderte. Bei anderen Gelegenheiten tauchte er zu vereinbarten Sessions nicht auf und ließ sie angespannt warten. Sie strickte Pullover, um sich die Zeit zu vertreiben, und erfuhr dann oft erst spät, dass Prince beispielsweise nach Minneapolis zurückgefahren war. Oder er tauchte mit einer Stretchlimousine vor dem Studio auf und bestand darauf, mit ihr ins nahe gelegene Santa Monica zu fahren, um sich einen obskuren Kunstfilm anzusehen.

Während der Marathonsessions im Sunset staunte McCreary immer wieder über seine Kreativität und Produktivität. Bei Controversy hatte sein Stilmix, der von Electronica bis Rockabilly alles Mögliche einschloss, noch gemischte Kritiken geerntet, aber inzwischen ging ihm der Umgang mit den verschiedens­ten Musikrichtungen äußerst locker von der Hand. Der Drum-Computer Linn LM-1, der auf Controversy nur bei „Private Joy“ verwendet worden war, wurde jetzt zum Ausgangspunkt vieler Kompositionen. Meist begann er einen Song mit dem Linn zu schreiben, und manchmal schickte er den Sound des Computers dann noch durch Effektgeräte, die man sonst normalerweise für Gitarren verwendete. „Er wollte die Leute immer im Ungewissen lassen“, meinte Don Batts, der nach wie vor sein Stammtoningenieur in Minneapolis war. „Er verfremdete Klanghölzer so, dass sie wie Blechdosen klangen.“

Auch beim Einsatz der Synthesizer machte Prince einen großen Schritt. Indem er dieselben Riffs mehrfach aufnahm, schuf er bei Songs wie „D.M.S.R.“, wo die Synthesizerfigur zum zentralen Punkt der Melodie wurde, eine enorme Sounddichte. Bei „Let’s Pretend We’re Married“, das ebenfalls eine Synthesizerkomposition war, schwebte die absteigende Melodie in Moll, die auch der Gesang aufgriff, über einem weiteren Keyboardriff, das wie eine schwere Lokomotive durch den Song stampfte.

In seinen Texten nahm Prince nach wie vor sexuelle Tabus aufs Korn. Gelegentlich sorgten jedoch nun Witz und Ironie für einen etwas lockereren Ton; in „Little Red Corvette“ zum Beispiel nutzte er Autos, Pferde und Jockeys als Lustmetaphern, und „Let’s Pretend We’re Married“ war eine augenzwinkernde Hymne auf anonymen Sex. Ansonsten beschäftigte er sich oft auch mit dunkle­ren Themen: Bei „Automatic“ und „Lady Cab Driver“ ging es beispielsweise um Dominanz und Unterwerfung.

Als Prince das fertige Album – ein Set aus zwei Langspielplatten mit ausufernden Songs – Bob Cavallo und Steve Fargnoli vorspielte, waren die beiden mit dem Material sehr zufrieden, zumal sich mit „Little Red Corvette“ eine potenzielle Hitsingle darunter befand. Als sie das Werk mit ein wenig Abstand noch einmal betrachteten, hatten seine Manager jedoch das Gefühl, dass noch etwas fehlte: ein übergreifender, thematischer Song im Stil von „Controversy“, der auf dem dazugehörigen Album eine konzeptuelle und musikalische Grundlage für die folgenden Titel gelegt hatte.

Prince hätte zwar eigentlich lieber gehört, dass er ein makelloses Meisterwerk vorgelegt hatte, aber er betrachtete ihren Kommentar als persönliche Herausforderung. „Er brüllte uns an, und dann verschwand er wieder nach Minneapolis und nahm weiter auf“, erinnerte sich Cavallo. Bei diesen zusätzlichen Sessions entstand „1999“, das zum Titeltrack des Albums wurde und sich zu einem der bekanntesten Songs seiner Karriere entwickelte. Nachdem er den Titel eingespielt hatte, traf er beim anschließenden Mix eine wichtige Entscheidung. Ursprünglich hatte er die Strophen mehrstimmig mit Dez Dickerson und Lisa Coleman eingesungen, aber beim Abmischen ließ er zwei der drei Stimmen in jeder Zeile wegfallen, sodass jeder Sänger abwechselnd allein zu hören war – Coleman bei der ersten Zeile, Dickerson bei der zweiten und er selbst bei der dritten. Das Resultat erinnerte an Klassiker von Sly & The Family Stone wie „Sing A Simple Song“ und „Hot Fun In The Summertime“ (bei denen die Sänger einander ebenfalls wie Stafettenläufer abgewechselt hatten), und es verlieh „1999“ eine Verspieltheit, die Prince bis dahin noch nie gezeigt hatte.

Damit war die Platte fertig. Warner Brothers zögerten zunächst, ein Doppelalbum zu veröffentlichen, weil sie der Ansicht waren, dass es sich nur schwer vermarkten ließe. Fargnoli gelang es aber erneut, dem Label die Argumente seines Klienten schlüssig darzulegen, und Mo Ostin warf seinen nicht unwesentlichen Einfluss für das Projekt in die Waagschale. 1999, das im Oktober 1982 erschien, wurde von den Musikkritikern begeistert aufgenommen, die der Ansicht waren, dass Prince die auf seinen vorigen beiden Alben angedeuteten Ideen hier nun tatsächlich umsetzte. Der Rolling Stone lobte Prince dafür, „den Energielevel der Songs stets aufrechtzuerhalten und zudem einfallsreiche Schockmomente und Überraschungen einzubauen.“ Der Los Angeles Herald-Examiner bewunderte seine chamäleonhafte Fähigkeit, „sich selbstbewusst und gelungen zwischen pulsierendem Funk und kunstvollem Pop hin- und herzubewegen“. In den Augen des Rockestablishments – der Kritiker, Plattenfirmenchefs und der wichtigen Musiker in diesem Geschäft – entwickelte er sich mit 1999 von einem Wunderkind in eine ernst zu nehmende kreative Kraft, eine rebellische Persönlichkeit, die in derselben Liga spielte wie The Clash oder Lou Reed, wenn nicht gar wie David Bowie oder John Lennon.

1999 war sicherlich sein bisher gelungenstes Album, und es zählt auch heute allgemein zu seinen drei besten, zusammen mit Purple Rain und Sign O’ The Times. 1999 ist schon deshalb eine interessante Platte, weil es einerseits ein Doppelalbum ist, andererseits wieder nicht: Zwar gab es vier Plattenseiten mit Musik, andererseits hatten normale Alben auch oft schon elf Songs zu bieten. Prince ließ den ausufernden Grooves freien Lauf, aber dennoch wurden nur wenige der Songs über Gebühr ausgewalzt oder nicht auf den Punkt gebracht. Vielmehr merkte man, wenn man Titel wie „1999“ in ihrer editierten Radioversion hörte, dass einem dabei viele unverhoffte Wendungen in dem Song entgingen, die ihn insgesamt zu einer wesentlich erfüllenderen Erfahrung machten.

Zwar gab es viele herausragende Tracks, aber dennoch war 1999 als Ganzes weitaus mehr als nur die Summe seiner Teile. Es dominierten üppige Synthesizer, die dem Album eine große Klangfülle gaben, aber dennoch herrschte eine große stilistische Vielfalt: „Little Red Corvette“ war eine fast perfekte Popballade, „Delirious“ war mit einem beträchtlichen Hauch Rockabilly umgesetzt, und „Automatic“ klang wie ein Aufeinandertreffen von Devo und Sly Stone.

Doch der beeindruckendste Track war zweifelsohne „1999“. Er beginnt mit einem Synthie-Riff, das (wie der Kritiker Davitt Sigerson als Erster bemerkte) derselben Melodie folgte wie die Backing-Vocals im Refrain von „Monday Monday“, einem Hit von The Mamas & The Papas aus dem Jahr 1966. Der Text, der sich mit der Angst vor atomarer Zerstörung auseinander setzt, schafft es, gleichzeitig unheimlich, fatalistisch und lustig zu wirken. Gegen Ende verwandelt sich der Song in eine hedonistische Hymne: „Party!“, skandieren die Backgroundsänger, während Prince knurrt und brüllt. Abrupt rumpelt sich eine Bassgitarre an die Oberfläche, und Synthesizerkaskaden machen die Fetenstimmung komplett.

Der besondere Trick von „1999“ ist jedoch der Schluss. Wenn der Song seinem Höhepunkt entgegenstrebt, drängt aus seiner Mitte ein neuer Sound nach vorn – ein lang gezogener, kehliger Schrei von Prince. Er dient als Übergang zur Schlusssequenz, bei dem er über einem Schlagzeugbeat und minimalistischer Funk-Gitarre in elektronisch verfremdeter Stimme von seiner Angst singt, jeder könnte eine Bombe haben. Die Botschaft des Titels, der zu einer Zeit entstand, als die US-Regierung massive Aufrüstung betrieb, spiegelte die wachsende Paranoia der Gesellschaft vor einem Atomkrieg wider. Nachdem seine politischen Kommentare auf Controversy noch recht unbeholfen ausgefallen waren, ließ „1999“ nun hoffen, dass Prince zu den seltenen Künstlern zählte, denen es gelang, die Stimmung der Öffentlichkeit einzufangen.

Um den Fans das neue Werk zu präsentieren, organisierten Cavallo und Fargnoli eine große Konzerttournee, die nur wenige Wochen nach der Ver­öffent­lichung im November begann. Bei den Shows spielte nicht nur Prince mit seiner Band, sondern auch The Time und Vanity 6 – die künstlerische Seele von Prince war also in ihrer ganzen Vielfalt zu erleben. Zur von Roy Bennett entworfenen Bühnendekoration zählten Requisiten wie elektrisch bewegliche Jalousien (die den Hintergrund der ganzen Show darstellten), ein erhöhter Laufsteg und ein Messingbett. Die ausgewählten Songs stammten hauptsächlich aus Controversy und 1999, aber auch weniger bekannte Titel wie „How Come U Don’t Call Me Anymore?“, eine Klavierballade von der B-Seite zu „1999“, zählten zum Programm. Sein Selbstvertrauen als Showstar war auf seinem Höhepunkt, und das Publikum in den Hallen, die zwischen siebentausendfünfhundert und zehntausend Zuschauer fassten, war begeistert.

Hinter der Bühne herrschte weniger gute Laune. Seine Bandkollegen spürten eine immer größere Distanz, und Chick Huntsberrys Anwesenheit wirkte erneut einschüchternd. Der Bandleader reiste inzwischen während eines Großteils der Tour in seinem eigenen Bus, in dem ihn in der Regel nur Huntsberry, Fargnoli und eine Freundin begleiteten. Der Bus wurde sein privates Universum. Auch wenn er eine Stadt bereits erreicht hatte, blieb Prince meist an Bord, bevor es auf die Bühne ging, und kehrte nach dem Auftritt sofort dorthin zurück, um auf einem tragbaren Recorder musikalische Ideen aufzuzeichnen oder weibliche Gesellschaft zu genießen.

Besonders unzufrieden war Dez Dickerson. Während der Dirty Mind-Tour hatte er ein religiöses Erweckungserlebnis gehabt, durch das er sich den wiedergeborenen Christen zugewandt hatte. Seitdem geriet er in heftige innere Konflikte, wenn er auf der Bühne die sexuell aufgeladene Musik von Prince spielen musste. Einen weiteren Wendepunkt hatte es für ihn auf der Controversy-Tour gegeben, als ein Heimspiel im Met Center von Minneapolis bevorstand. Alle anderen freuten sich auf diesen Gig, aber Dickerson graute davor, vor Freunden und Familie diese Songs spielen zu müssen. Bei einem Meeting, bei dem Prince nicht dabei war, bat er seine Bandkollegen um Unterstützung bei seiner Bitte, „Head“ aus dem Programm zu streichen – den Song, bei dem Prince nach wie vor Aufsehen erregend mit seiner Gitarre masturbierte. Die Band versprach ihm das zögernd. Als das Thema dann beim Soundcheck aufgebracht wurde, waren die Musiker von Princes Gegenwart wohl doch eingeschüchtert. Als über die Sache abgestimmt wurde, sprachen sich alle außer Dickerson dafür aus, „Head“ zu spielen. Dickerson, der sich im Stich gelassen fühlte, brüllte seine Kollegen an und verfolgte Matt Fink sogar mit einem Schlagzeughocker.

Während der Tour zu 1999 sprach Dickerson das Thema noch einmal direkt mit Prince an und wies auf dessen eigene religiöse Einstellung hin. Prince konnte Dickersons Haltung zwar offenbar verstehen, aber nur bis zu einem gewissen Punkt. „Bei einigen Gelegenheiten dachte ich, er wäre für das Thema wirklich offen und würde über meine Argumente nachdenken“, erinnerte sich Dickerson. „Aber er war schließlich gerade durch diese umstrittenen Elemente so berühmt geworden, und daher musste er sich zwischen dem, was er eigentlich für den richtigen Weg hielt, und dem, was seiner Karriere förderlich war, entscheiden.“

Je berühmter er wurde und je mehr Aufmerksamkeit er für seine unanständigen Texte erhielt, desto mehr fragte sich Prince tatsächlich, ob seine eigenen religiösen Werte mit diesem Weg zum Erfolg vereinbar waren. Bei 1999 nannte Prince wie bei all seinen anderen Alben in seiner Dankesliste ganz oben „Gott“. In den Songs an sich gab es jedoch deutliche und deftige Beschreibungen sexueller Handlungen. Der offenkundige Widerspruch zwischen konventioneller christlicher Moral und seinem eigenen Verhalten war Prince durchaus bewusst – oft machte ihm das große Schwierigkeiten. Im Augenblick hatte er jedoch das Gefühl, dass er nicht viel daran ändern konnte, und das sagte er Dickerson auch.

Es schien daher sicher, dass der Gitarrist nach der Tour die Band verlassen würde. Und es dauerte auch nicht lange, da tauchte schon eine potenzielle Nachfolgerin auf. Die neunzehnjährige Wendy Melvoin war die Freundin und Geliebte von Lisa Coleman, die sie auch mit in den Tourbus gebracht hatte. Melvoin und Coleman waren gemeinsam im San Fernando Valley aufgewachsen und kannten einander seit ihrer Kindheit. Als Prince erfuhr, dass Melvoin Gitarre spielte, lud er die junge Frau ein, an den Soundchecks der Band teilzunehmen. Ihr Sound gefiel ihm sofort, ebenso wie ihre harte, leicht maskuline Art, und ihm war sofort klar, dass sie eine spannende neue Facette zum ohnehin schon interessanten Image der Band beisteuern konnte.

Seine Beziehung zu den Mitgliedern von The Time hatte sich seit der großen Essensschlacht nicht unbedingt verbessert. Obwohl die Bandmitglieder eigene Songs schreiben wollten, nahm Prince auch den größten Teil des zweiten Time-Albums, What Time Is It?, allein auf. Es erschien im Sommer 1982 und wurde wieder ein Erfolg: Es erreichte Platz 2 der Black-Charts und wurde mit Gold ausgezeichnet. Die Single „777-9311“, die vor allem von seinem geschickten Bassspiel lebt, wurde ein bescheidener Hit. (Sie bereitete Dez Dickerson zudem eine Menge Ärger, der nicht gewusst hatte, dass seine Telefonnummer den Titel eines Songs bilden würde. Als er schließlich rund um die Uhr von fremden Leuten angerufen wurde, musste er sich eine andere Nummer geben lassen und sie seiner Familie und seinen Freunden mitteilen.) Aber der Erfolg von Song und Album verstärkte für die Musiker nur das Gefühl, dass sie seine Marionetten waren, und einige begannen über den Ausstieg aus der Band nachzudenken.

Prince merkte, dass es Widerstand gegen seine Herrschaft gab, und er versuchte seine Position zu stärken, indem er sich ohne jeden Grund darüber beschwerte, dass The Time live nicht mehr stark genug waren. „Er kam rein und machte sie richtig zur Schnecke“, erinnerte sich Roy Bennett. „Er fuhr sie richtig an, und es ist natürlich so, wenn man gute Arbeit macht und einem dann jemand erzählt, dass man es nicht bringt, dann fragt man sich: ‚Was ist das für ein Typ, was will der überhaupt?‘ Das führte zu großen Spannungen.“

Jam und Lewis, die ohne sein Wissen damit begonnen hatten, Produktionsaufträge für andere Bands zu übernehmen, fragten sich, wie lange sie noch durchhalten konnten, ohne dass ihre Kreativität Schaden nahm. „Sie glaubten wahrscheinlich daran, dass er die Zügel irgendwann lockern würde, aber das tat er nie“, meinte Bennett. „Sie waren zwei sehr talentierte Jungs, und sie hatten überhaupt keinen Bock darauf, dass ihnen dauernd jemand sagte, was sie tun sollten.“

Während dieser Tour wurde schließlich Alan Leeds, ein drei­und­drei­ßig­jähri­ger Musikbusinessveteran, der lange Zeit für James Brown gearbeitet hatte, als Tourmanager verpflichtet, um ein wenig Ordnung in das herrschende Chaos zu bringen. Wie Leeds später von Steve Fargnoli erfuhr, hatte Prince, als man ihm mehrere Kandidaten für den Job vorschlug und ihre Lebensläufe schilderte, schlicht gesagt: „Nehmt den James-Brown-Typen.“ Leeds, der sein Studium mit zweiundzwanzig abgebrochen hatte, um Promotion für eine Tour des Godfather of Soul zu machen, wurde in einer kritischen Karrierephase Browns in den Siebzigern dessen Tourmanager und Vertrauter. Er war ein nachdenklicher, auf etwas melancholische Art gut aussehender Mann, der nicht nur unermüdlich an der komplexen Organisation einer Tour arbeitete, sondern auch wusste, wie man mit überlebensgroßen Persönlichkeiten wie Brown umging. Als er zur 1999-Tour stieß, ignorierte Prince ihn zunächst völlig, sodass die beiden nur über Huntsberry miteinander kommunizierten. Allerdings öffnete sich Prince bald, und wenig später war Leeds ebenso unzertrennlich mit ihm verbunden wie der Bodyguard.

Zwar gelang es Leeds, ein wenig mehr Ruhe in die Tournee zu bringen, aber die Rivalität zwischen der Band von Prince und The Time bestand weiterhin – der Vorgruppe gelang es in einigen Städten, ihren Meister an die Wand zu spielen. Daraufhin strich er sie in den Städten, die ihm besonders wichtig erschienen, aus dem Programm, beispielsweise in New York und Los Angeles. Das erzürnte The Time zwar sehr, gab ihnen aber andererseits auch das Gefühl, die Schlacht gewonnen zu haben: Es war deutlich erkennbar, dass er befürchtete, überflügelt zu werden.

Zudem gab es weiterhin Ärger ums Geld. Morris Day war beispielsweise der Ansicht, dass seine persönliche Ausstrahlung zu einem großen Teil zum Erfolg der Band beitrug, und er hatte daher einige hitzige Diskussionen mit Prince über eine angemessenere Bezahlung. Darauf hörte er stets dieselbe Antwort: Prince erklärte, da er allein die Musik schrieb, verdienten weder Day noch sonst jemand in der Band eine Extravergütung. The Time waren zusätzlich verärgert über ihre mageren Schecks, als Prince darauf bestand, dass sie während der Tournee als Begleitband für Vanity 6 auftreten und hinter einem rosa Vorhang spielen sollten, während die Frauen sangen.

Vanity selbst fand das Tourneeleben nicht besonders angenehm. Der Hauch von Starruhm, den sie mit Vanity 6 erlebte, überforderte sie offensichtlich, und sie begann ihre Gefühle zunehmend mit Alkohol zu betäuben. Zudem ging es in ihrer Beziehung mit Prince rapide abwärts. Fans hielten sie zwar für die Dame seines Herzens, aber er selbst hatte sich von dieser Vorstellung ziemlich schnell verabschiedet; sie blieb für ihn sexuell weiterhin interessant, aber auch da war sie eine von vielen. Jill Jones, die während der Dirty Mind-Tour immer mal wieder mit ihm zusammen gewesen war, tauchte auch bei den Konzerten zu 1999 oft auf. „Er sortierte seine Affären täglich neu – manchmal verschwand Vanity mit Prince, und an anderen Abenden landete Jill im Bus von Prince, während Vanity im Hotel saß und vor sich hin siedete“, sagte Tour­manager Leeds. „Ihn schien das daraus resultierende Drama überhaupt nicht zu beeindrucken, aber alle anderen litten darunter.“

Vanitys Bandkollegin Susan Moonsie, die jahrelang wohl diejenige gewesen war, die man am ehesten als seine feste Freundin hätte bezeichnen können, weigerte sich, das Theater mitzumachen, und zog sich aus dem romantischen Hin und Her zurück. Statt aber die verletzte Exgeliebte zu spielen, freundete sie sich eng mit Vanity an, und obwohl sie Prince weiterhin sehr verbunden blieb, war ihr Verhältnis nun ausschließlich platonisch. In den Augen einiger Mitmusiker fiel mit der Beziehung zu Moonsie ein wichtiger stabilisierender Einfluss in seinem Leben weg. „Sie war nie besessen von ihm“, sagte Bennett. „Sie wusste, wie er war, was er so anstellte, und sie ließ sich von ihm nichts gefallen.“

Während seiner US-Tournee Ende 1982 und Anfang 1983 änderte sich sein kommerzieller Status gravierend. Verschiedene Entwicklungen trugen dazu bei: Zum einen spielte der Videosender MTV „1999“ und machte Prince damit zu einem der wenigen schwarzen Künstler, die regelmäßig in einem Programm liefen, das vor allem auf weißen Rock ausgerichtet war. Damit wurde Prince einem großen neuen Publikum vorgestellt, dem das Gezeigte offenbar gefiel: Sein Image war cool und rebellisch, die Musik eingängig und trotzdem originell, und seine Videoclips waren voller sexy Frauen. MTV hatte einen neuen Star entdeckt – und mit ihm ganz Amerika. Die Trennung in Schwarz und Weiß, welche die Popmusik in den Siebzigern und frühen Achtzigern noch stark geprägt hatte, weichte allmählich auf, und Prince wurde einer der Pioniere, die afroamerikanische Musik der großen Masse weißer Konsumenten vorstellten.

Michael Jackson, sein größter Konkurrent unter den schwarzen Künstlern, legte es ebenfalls darauf an, ein großer Popstar zu werden, und er war kommerziell gesehen wesentlich erfolgreicher, aber auf lange Sicht weniger einflussreich. Sein 1982 erschienener Überflieger Thriller, der zum bestverkauften Album aller Zeiten wurde und außerdem den Videoboom der Achtziger entscheidend mit auf den Weg brachte, konnte zudem seinen Ruf als Musiker nicht wesentlich stärken: Seine Fähigkeiten als Sänger und Tänzer waren sicherlich überragend, aber die radiotauglichen Grooves von Thriller waren ebenso sehr dem Produzenten Quincy Jones zuzuschreiben wie Jackson selbst. Außerdem gelang es Jackson weniger als Prince, typisch weiße und schwarze Musikrichtungen zu verschmelzen, und auf den Alben, die er im Anschluss an Thriller aufnahm, schien es beinahe, als ob er sich von seinen R&B-Wurzeln ganz bewusst abwenden wollte. Prince war ihm mit seiner Musikalität stets einen Schritt voraus, und er hatte auch einen viel besseren Zugang zu Rock und Funk, während Jackson hauptsächlich aufgrund seiner enormen kommerziellen Zugkraft so hoch gehandelt wurde.

Im Februar 1983 brachte die Single „Little Red Corvette“ Prince schließlich jenes unverzichtbare Element, ohne das kein Poperfolg denkbar wäre: den Top-10-Hit. Die melodische Ballade, die auf Platz 6 der Pop-Singles-Charts schoss, demonstrierte überwältigend, dass er nicht nur ein Funk-Musiker mit Kultstatus war, sondern ein aufstrebender Songwriter, der sich in den verschiedensten Stilrichtungen ausdrücken konnte. Zusammen mit der Tatsache, dass Prince so oft auf MTV zu sehen war und die schmeichlerische Presse ihn schon immer hoch gehandelt hatte, sorgte dieser Hit nun dafür, dass er in den Medien beinahe allgegenwärtig war. Und diese Entwicklungen wiederum schoben 1999 gewaltig an: Das Album verkaufte sich im ersten Jahr drei Millionen Mal. Es wurden zusätzliche Konzerte gebucht, diesmal in großen Hallen mit Kapazitäten von mehr als zehntausend Zuschauern.

Nach der Tour kehrte im Prince-Lager eine gewisse Ruhe ein. Dez Dickerson stieg aus und wurde durch Wendy Melvoin ersetzt; ein großer spannungsauslösender Faktor war damit ausgeräumt. Melvoin zog gemeinsam mit Coleman in das Residence Inn in Eden Prairie, einem Gebäudekomplex, der Firmenkunden über längere Zeit Unterkünfte anbot. Alan Leeds zog ebenfalls nach Minneapolis und wurde schließlich zum Verantwortlichen für alles Mögliche, der mit Cavallo und Fargnoli in Los Angeles in Kontakt blieb und sich gleichzeitig um die Alltagsbedürfnisse von Prince kümmerte.

Der arbeitete nun seinerseits daran, das Gemeinschaftsgefühl in seinem Team wieder aufzubauen, das durch das Auftauchen von Huntsberry und den Ärger mit The Time ganz erheblich gelitten hatte. Er lud Musiker und Mitarbei­ter gelegentlich zum Grillen oder zum Videoschauen ein und trommelte seine Mannschaft für Bowlingabende, Basketball- oder Softballspiele zusammen. Zwar machten diese gemeinsamen Vergnügungen in der Regel Spaß, aber gelegentlich brach doch sein enorm großes Konkurrenzdenken durch, und es kam durchaus vor, dass er bei einem Spiel gleichzeitig mitspielte und den Schiedsrichter machte. „Wenn beim Softball jemand ganz klar aus gewesen war, dann behauptete Prince, nein, er habe es noch geschafft“, sagte Leeds. „Tja, was will man dann machen? Wenn man protestierte, schnappte er sich seine Handschuhe und Schläger und ging nachhause.“

Prince arbeitete zudem fleißig weiter in seinem Heimstudio und schuf neue Musik, die zeigte, dass er allmählich sein enormes Potenzial voll auszuschöpfen begann.

Cavallo war bei seinen Besuchen im Purple House in Minneapolis begeistert, wenn sich Prince spontan an ein Klavier setzte und zu singen begann. „Es war, als hätte er den direkten Kontakt zum Himmel“, sagte Cavallo. Leeds, der zuvor mit James Brown und George Clinton gearbeitet hatte, war der Meinung, dass Prince, was das Songwriting betraf, der talentierteste Mensch war, dem er je begegnet war. „Die Musik strömte nur so aus ihm heraus“, erinnerte sich Leeds.

Prince schien selbst zu spüren, dass ihm große Entwicklungen bevorstanden. Er gab sich alle Mühe, sich sein geheimnisvolles Image weiter zu erhalten, und während seine Berühmtheit wuchs, fing er an, Interviewanfragen abzulehnen. Bei dem letzten, das er jemals gab, enthüllte er Robert Hilburn von der Los Angeles Times nur wenig interessante Fakten. Ein Gerücht wollte er aber ein für alle Mal dementieren: Er sei nicht der geheimnisvolle Produzent, der hinter den Alben von The Time und Vanity 6 steckte, betonte er und fügte hinzu: „Ich bin nicht Jamie Starr.“

Besessen - Das turbulente Leben von Prince

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