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Vorwort

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„In Wirklichkeit, und dem entgegen, was viele heutigen Tages verkündigen, sind die Werke der Vergangenheit, die unsere Kultur ausmachen, nur in dem Maße vorhanden und mächtig, als sie, statt zu überschatten, uns erleuchten, statt eine Last zu sein, uns beflügeln.“1

Christliche Gebete und Lieder in deutscher Sprache gibt es seit über tausend Jahren. Vor einem halben Jahrtausend ungefähr wurde die deutsche Sprache hierzulande für den reformatorischen Flügel der Christenheit zur Grundsprache der Liturgie. Das brachte eine ungeheure Spracharbeit mit sich, das Übersetzen der Bibel, aber auch lateinischer Hymnen und Gebete, und einen Schub der Neudichtung von Liedern. Martin Luther war der führende Reformator nicht zuletzt als sprachbegabter Initiator eines Gottesdienstes in deutscher Sprache.

Die revolutionäre Entscheidung des Zweiten Vatikanischen Konzils, die Landesprache nicht nur neben, sondern auch statt des alten Lateins im offiziellen Gottesdienst zu gebrauchen, bescherte den katholischen Ortskirchen von oben her, was sich die Reformation von unten her genommen hatte. Ähnliche Aufgaben wie zu Beginn des 16. Jh. standen um die Mitte des 20. Jh. unvermutet auf der kirchlichen Tagesordnung: das Übersetzen der Bibel, die deutsche Fassung von Missale, Rituale und Stundengebet, ein neues Gebet- und Gesangbuch. Unter dem amtlichen Druck, die liturgische Reform möglichst bald aus dem Stadium der offenen Experimente wieder in den Ruhezustand allgemein verbindlicher Textbücher zu überführen, wurde von vielen vieles schnell gemacht. Ein Sprachgenie von Luthers Format war dem deutschen Katholizismus nicht beschieden. Das Kirchenmanagement übernahm, dem Verfahrensmodell des gerade stattgehabten Konzils folgend, in einer Vielzahl von Kommissionen die Überführung des alten Liturgie- und Andachtswesens in den geforderten neuen Sprachzustand. Auf die ausführenden Organe vor Ort kamen sprachliche Gestaltungsaufgaben zu, die sie nach den verfügbaren Kräften nutzten.

Dass die Veränderungen in mancherlei Hinsicht über das hinausgegangen sind, was sich die Väter der Liturgiereform vorgestellt haben, ist schwer zu übersehen. Das hat wiederum die Reaktion auf den Plan gebracht, die das ganze Unternehmen als Verfallsgeschichte stigmatisiert und am liebsten zur tridentinischen Messe und altem Latein zurückkehren möchte, wofür sogar an allerhöchster Stelle einiges Verständnis aufgekommen ist. Der pastoral besonnene Hauptstrom wird sich in dieses Bett kaum leiten lassen, aber an einer Reform der Reform, etwa in Form neuer Übersetzungen lateinischer Texte oder eines neuen Gesangbuchs, arbeitet man auch hier. Solche Entwicklungen haben ihre eigenen Gesetze und im konservativ-progressiven Buschkrieg hat Nachdenklichkeit keinen leichten Stand. Theologische Kritik, Kritik verstanden als Unterscheidungskunst, kann sich nur aus dem ihr eigenen geschichtlichem Gedächtnis heraus um Aufklärungen bemühen, um das freibleibende Angebot von Gesichtspunkten und Argumenten.

Die im Folgenden zusammengetragenen Beiträge sind keine Bilanz nachkonziliärer Liturgieentwicklungen und schon gar nicht eine Abrechnung damit. Es sind Marginalien; sie stehen mit dem, der sie geschrieben hat, am Rand. Sie kommen nicht aus einer amtlichen Zuständigkeit oder gar kirchlichen Autorisierung, auch nicht aus liturgiewissenschaftlicher Professionalität. Es sind Überlegungen, aus Passion für die Sprache und an ihr geschrieben, der Sprache als hohem Gut der Religion.

Die Beiträge sind anlassbedingt im Laufe der Jahre entstanden, aber sie sind so bearbeitet und angeordnet, dass ein Gedankengang durch alle hindurch möglich ist. Der erste Teil befasst sich unter dem Titel „Dichten und Denken“ mit Sprachentwicklungen auf dem Feld der deutschsprachigen Liturgie, vor allem im Bereich des Kirchenlieds.2 In sprachlichen Mutationen stecken theologische und theologische drängen zu sprachlichen. Diese Verflechtung von Dichten und Denken ist genau und im Einzelnen zu bedenken, wenn die Religion Schönheit mit Vernunft bewahren will. Der zweite Teil des Buches reflektiert unter der Überschrift „Römische Tradition“ Umbrüche im Übergang von der lateinischen in die landessprachliche Verfassung der Liturgie. Das geschieht nicht in restaurativer, wohl aber in rettender Absicht.

Alex Stock

Liturgie und Poesie

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