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ОглавлениеKapitel Zwei - Teil 1
Palo Alto lag am unteren Ende der San Francisco Bay im Silicon Valley. Zwölf Jahre zuvor war Kate vom benachbarten Bundesstaat Nevada hierhergekommen, um die Ausbildung zur Goldschmiedin bei einem Meister zu absolvieren, dessen Schmiede die beliebteste Adresse dieser Branche der Stadt und Umgebung war. Wenngleich er und Kate verschiedene Vorstellungen von Kunst in Gold hatten und er ihre Stücke oftmals als zu extravagant und untragbar beschrieb, ließ er ihr doch ihren Freiraum. Nach dem Ende ihrer Ausbildung bat er Kate zu bleiben und versprach ihr Unterstützung bei der Vorbereitung und Absolvierung ihrer Meisterprüfung. Seine Kinder lebten über die Staaten verstreut und hatten andere Ambitionen als das Geschäft des Vaters zu übernehmen, also stellte er es Kate in Aussicht. Zu einem Preis, der vielmehr ein Geschenk war, überließ er ihr das Haus in der Hamilton Avenue, dessen erste Etage eine Dreizimmerwohnung beherbergte. Das untere Geschoss teilten sich der Shop und die Werkstatt. Mit einem Zwinkern hatte er sich in sein Domizil am Meer verabschiedet. Er wollte nicht miterleben, wie Kate seinen Laden in ein, wie er sagte, Modern-Art-Museum verwandelte. Es war ein Spruch, den sie ihm nicht übel nahm, denn dass er ihr sein Lebenswerk überlassen hatte, war sowohl ein Kompliment als auch ein Zeugnis von Vertrauen.
Ohne ihn war es anfangs nicht leicht gewesen, und viele langjährige Kunden kamen nicht wieder. Beirren ließ sich Kate hiervon nicht, sondern machte weiter, wie es ihr gefiel. Gemäß dem Sprichwort, das besagte, dass man an sich selbst glauben musste, damit es auch andere taten, verwandelte sie ihr Edelmetall zu den Fabelwesen aus Henrys Wald, perfektionierte und individualisierte sie mehr mit jedem Jahr. Die Einnahmen ihres Ladenshops machten einen nur kleinen Anteil aus, wohingegen die Stücke, die sie über ihren Webshop verkaufte, bald ihr geregeltes Einkommen sicherten.
Was von den einen als überteuerter Kitsch bezeichnet wurde, wurde für mehr und mehr Liebhaber zum Must-have. Je freier Kate ihre Fantasie ließ, desto lauter wurde der Ruf nach noch mehr Verrücktheit, nach noch mehr Drama in Gold und Platin. So entstanden die Kollektionen der Crowned Lizards, der Sad Butterflies, der Hungry Lillies und viele mehr.
Im Sommer vor zwei Jahren hatte die Nachfrage so abrupt zugenommen, dass Kate ihr allein nicht mehr nachkam, zwei Goldschmiedinnen einstellte und die Werkstatt räumlich um das Doppelte erweiterte.
Neben Privatpersonen interessierten sich zudem mehr und mehr Juweliere in den kalifornischen Großstädten für ihre Arbeit. Dass sie ganze Kollektionen bei ihr in Auftrag gaben, um sie in ihren Geschäften anzubieten, sorgte dafür, dass man den Namen Kate Clark inzwischen über die Grenzen Kaliforniens hinaus mit ausgefallenem Designerschmuck verband.
***
Jill Grey war so etwas wie eine wandelnde Ausstellung von Kates Kunst. Für den Abend hatte sie die Flames angelegt – ein Set aus Ohrsteckern, Ring und Armreif, für das Kate Gold und Rotgold verwendet hatte und dessen Motiv, wie der Name vermuten ließ, eine züngelnde Flamme war. Der Schmuck passte perfekt zu Jills rotem Haar und dem Outfit, das wie so oft viel Haut zeigte. Der bloße Anblick des schulterfreien Cocktailkleides genügte, um Kate frösteln zu lassen. Wenngleich es in Palo Alto keine Jahreszeiten im üblichen Sinne gab und sich die Temperaturen auch jetzt im Februar tagsüber auf milde zwanzig Grad hochschaukelten, so war es doch Winter.
Im Allgemeinen gab Kate Hosen den Vorzug vor Kleidern. Ihre Statur war nicht so weiblich rund wie Jills, sondern eher athletisch. Was ihre Figur an weiblicher Sinnlichkeit vermissen ließ, glichen die feinen Züge und geschwungenen Linien ihres Gesichtes aus. Trug sie die Haare zum Zopf gebunden oder am Hinterkopf zusammengesteckt, wirkten diese Merkmale noch stärker. Für den Abend fielen sie allerdings offen über Kates Schultern.
»Also, was ist los?«, fragte Jill, sobald sie an ihrem Tisch im Seven Seas saßen. »Ist der Mistkerl immer noch nicht aus seiner Pinselstube rausgekommen?«
Kate war am Vormittag erneut zu Jill gefahren, hatte sie aus dem Bett geklingelt und sich für den Abend mit ihr im Restaurant verabredet. Als sie ihr nun erzählte, was zwischen ihr und Henry vorgefallen war, musste sie ein paar Mal unterbrechen und Jill beruhigen, weil die Freundin den Anschein machte, gleich vor Wut platzen zu wollen.
»Meinst du nicht, dass es langsam reicht?«, fragte Jill schließlich, hob den Wein an die Lippen und nippte daran. Dann fuhr sie fort: »Soll er doch seine schlechten Zeiten allein ausbaden und dir deine guten nicht vermiesen.«
»So einfach ist es aber nicht«, versuchte Kate zu erklären, kam aber nicht weit.
»Doch, es ist total einfach.« Jill schraubte die Stimme ein wenig höher und imitierte Kate. »Eigentlich ist er ganz anders, blabla! Ich kann es nicht mehr hören. Erspar dir diese Wochenenden und fahr nicht mehr hin! Entweder kommt er zu Verstand und zeigt dir, dass du ihm etwas bedeutest oder …« Sie zuckte die Schultern und trank einen weiteren Schluck.
Als Kate nichts erwiderte, fügte sie mit einem Grinsen hinzu: »In der Zwischenzeit kannst du ja mal guten Sex haben.« Sie nickte in Richtung der Bar. »Heute zum Beispiel.«
Kate warf einen finsteren Blick zu dem Beau, der die Cocktails mixte. »Ist das der Cousin oder einer der Brüder?«
Sie wusste, dass Jill hin und wieder Sex mit den Besitzern des Seven Seas hatte, und hielt nicht sonderlich viel davon.
»Das ist Max«, hob Jill an, legte jedoch einen Finger über den Mund, weil sich die Bedienung mit dem Essen näherte. Die üblichen Floskeln benutzend, servierte das Mädchen und entfernte sich wieder.
»Ben, der Cousin, kümmert sich um die Küche, während Finn oben über dem Papierkram brütet.«
»Und mit welchem der drei vögelst du am liebsten?«
»Das ist meine Sache. Du kannst dir ein eigenes Urteil bilden.«
Kate schlug die Serviette auf und breitete sie auf ihrem Schoß aus. Sie nahm das Besteck und schnitt das Filet an, ohne den geringsten Appetit zu verspüren. »Ich verzichte«, murmelte sie und schob den ersten Bissen in den Mund.
»Warum denn? Henry muss das nicht erfahren.« Jill, die sich wie ausgehungert über ihren Teller hermachte, schnaubte im Kauen und murmelte dann: »Nimm es mir nicht übel, aber im Moment wäre ihm sogar das herzlich egal.«
Kate hätte ihr gern widersprochen, doch konnte es nicht. »Wahrscheinlich hast du recht.«
»Also?«
»Also gar nichts«, brauste sie auf und dämpfte ihren Ton, als Jill ihr einen skeptischen Blick zuwarf. »Sex mit Fremden kann ich nichts abgewinnen. Solcher Sex ist einfach nicht gut, denn er hat keinerlei Basis. Keiner weiß, wie der andere es gern mag, was den anderen reizt und im Endeffekt befriedigt. Man vögelt einfach nur vor sich hin. Selbst wenn es für den Moment okay ist, so beschert es einem danach ein mieses Gefühl.«
Die Freundin zeigte sich wenig beeindruckt. »Wann hast du diese Erfahrungen gemacht? Vor zehn Jahren? Mit irgendwelchen Discoboys?«
Kate legte das Besteck auf den nicht mal halb gelehrten Teller und schob ihn ein Stück beiseite. Kopfschüttelnd wandte sie sich an Jill. »Welche Bedeutung misst du dem Sex nur bei?«
Sie musste nicht lange überlegen. »Vielleicht eine zu große. Aber du, Darling, unterschätzt diese Sache entweder oder du belügst dich.«