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Schweren Herzens folgte ich meiner Einheit.

Die Kameraden empfingen mich mit lautem Hallo. Wir sammelten uns am Po-Deich und pünktlich um 22.00 Uhr setzten wir uns in Marsch, Richtung Front.

Es war kalt. Für italienische Verhältnisse zu kalt in dieser Nacht.

Einige Grad unter Null. Die Wege und Straßen waren mit einer glatten, harten Schneeschicht bedeckt. Im Gänsemarsch trotteten wir vor uns hin, jeder die gleichen bangen Fragen und Gedanken im Kopf, was die Front uns bringen würde.

So ging es Kilometer um Kilometer. Die MG-Schützen bekamen kalte Finger und baten um Ablösung, da sie die schweren Geschütze nicht mehr länger tragen konnten.

An einer Scheune machten wir eine kleine Rast. Die Lasten wurden auf andere verteilt, so dass jeder abwechselnd etwas tragen musste.

Gegen morgen blies uns ein scharfer kalter Wind ins Gesicht. Ein trüber, dunkel verhangener Tag, an die eisigen russischen Winter erinnernd, die einige von uns schon miterlebt hatten.

Entsprechend trübe war auch die Stimmung in unserem Haufen.

Unser Tross war mit wenigen Fahrzeugen voraus gefahren, hatte die Feldküche an einer windgeschützten Stelle aufgestellt und versorgte uns mit „Tee mit Rum“ und dem nötigen warmen Essen.

Unser Kompaniechef, Oberleutnant Ingwersen, hatte es eilig.

„Auf, meine Herren, wir müssen weiter!“

Langsam und lustlos, mit steifen Gliedern, marschierten wir weiter.

„Wie lange will uns der Alte denn noch laufen lassen?“ fluchte Fischer neben mir.

„Das möchte ich auch gerne wissen“, sagte ich. „Dann wäre alles viel einfacher. Aber diese Ungewissheit macht einen so richtig fertig.“

Dann sah ich mich nach meinen Leuten um, die mit gesenkten Köpfen und verkrusteten Augenwimpern langsam folgten.

„Wenn es doch nur nicht so kalt wäre. So ist es eine unmenschliche Qual“, sagte ich zu meinem Nebenmann.

Ich übernahm sein Maschinengewehr, trug es einmal auf der linken, dann wieder auf der rechten Schulter. Nachdem auch meine Finger völlig steif geworden waren, gab ich es ihm zurück. Es war gar nicht so einfach, bei dieser Glätte mit dem schweren Ding zu marschieren und dabei das Gleichgewicht zu halten. Den übrigen Kameraden erging es nicht anders. Sie hatten die schweren Munitionskästen zu tragen.

Gegen Mittag gab es dann wieder eine gute, kräftige Mahlzeit. Dann marschierten wir noch die ganze Nacht durch, bis wir unser erstes Ziel erreichten.

Von einem Quartier konnte man nicht sprechen. In dem alten Gemäuer, das uns als Unterkunft diente, fehlten viele Fenster und Türen. Wir zitterten vor Kälte, aber nirgends war Holz zu finden, um ein Feuer anzuzünden und ein heißes Getränk zu kochen. Dennoch versuchten wir, das Beste aus unserer Situation zu machen. Aus Abfällen und Möbeln, die wir zerschlugen, gelang es uns dann doch, ein Feuer zu machen. Aber es blieb nur ein Notbehelf.

Erst einige Tage später wurden wir dann an den richtigen Frontabschnitt verlegt, etwas weiter östlich, in der Nähe von Imola.

Hier gab es Unterkünfte, Bauernhäuser, Bunker und Gefechtsstände, die schon eher bewohnbar waren. Wir richteten uns häuslich ein, besorgten uns Wein und trockenes Holz und gestalteten uns nun den Aufenthalt etwas angenehmer.

Tagsüber bauten wir die Stellungen aus. Man brachte uns an die hundert italienische Frontarbeiter. Mit Lastwagen wurden sie morgens angefahren und abends wieder abgeholt.

Mir wurden ca. 30 Mann zugeteilt, die unter meiner Anleitung Gräben, Bunker und Unterstände weiter ausbauen sollten. Fischer hatte die Gruppe neben mir, Brandner die nächste.

Unser Italienisch wurde so von Tag zu Tag besser. Wir mussten uns mit den Leuten verständigen. Dadurch lernten wir natürlich auch die Sprache kennen. Ich hatte einen jungen Vorarbeiter eingeteilt, der etwas deutsch sprach, so hatte ich die Möglichkeit, noch besser zu lernen. Ihm gab ich auch ab und zu einen Brief an meine geliebte Familie in Mantua mit. Unter diesen Umständen konnte ich aber nicht mit einer Antwort rechnen, so gut mir auch versichert wurde, dass die Briefe ihren Adressaten erreicht hätten. Dennoch blieb ich in der ständigen Ungewissheit, ob sie meine Nachrichten tatsächlich erhalten würden.

An der Front war es relativ ruhig. Die Kameraden in der ersten Linie hatten, außer einigen Spähtrupps, zum Glück nicht viel zu tun. Wir in der zweiten Linie dagegen bekamen ab und zu das Artilleriefeuer auf unsere Köpfe. Dann flogen uns die Jagdbomber an, sobald sie entdeckten, dass sich bei uns was bewegte.

Die neuen Stellungen wurden gut getarnt. In der Hauptsache verwendeten wir Reisig und Erde.

„Hoffentlich hält das später auch und wehe, sie laufen voll Wasser, dann war alles umsonst“, gab ich meinen Kameraden zu bedenken.

Das Überfliegen durch die Jagdbomber wurde inzwischen zu einer alltäglichen Angelegenheit für uns. Trotzdem durfte man sich nicht zu sicher fühlen und musste immer damit rechnen, dass sie wieder umdrehten und einem ein paar Maschinengewehrsalven oder Kanoneneinschläge um die Ohren flogen. Eine in der Nähe liegende Flak-Stellung schoss eines Tages einen der englischen Bomber ab. Ich hatte zunächst angenommen, es handelte sich um eine Me (Messerschmidt) 109, doch als die Flak ihr Feuer eröffnete, war mir sofort bewusst, dass es eine Spitfire war, die da gefährlich tief angeflogen kam. Schon die ersten Salven der Vierlings-Flak trafen voll und die Maschine stürzte ab. Der Pilot, ein junger englischer Hauptmann, fing sie zwar noch kurz vor dem Aufschlag ab, aber die Maschine berührte den Boden hundert Meter rechts von mir entfernt, machte einen Satz und sprang über einen zehn Meter breiten Bach, der zur Zeit wenig Wasser führte. Auf der anderen Seite schlug die Maschine dann hart auf den Ackerboden.

„Aus, der ist hin“, rief ich meinen Kameraden zu.

Einige der Jungs sprangen sofort mit mir über einen Behelfssteg und rannten zu der Maschine, wo der englische Hauptmann mit dem Gesicht nach vorn auf den Instrumenten lag. Aus seiner aufgeschlagenen Nase quoll Blut.

„Schnell, wir müssen ihn raus ziehen, bevor das Ding anfängt zu brennen“, rief Fischer.

Da die Maschine mit den stark beschädigten Tragflächen auf der rechten Seite lag, konnten wir den Hauptmann zu dritt schnell herausziehen.

Inzwischen waren einige Kameraden mit dem Fahrzeug herangekommen. Man hatte von mehreren Seiten den Engländer abstürzen sehen. Alle interessierten sich dafür.

Also sofort ab in den Wagen und zum Truppenverbandsplatz.

„Für den ist der Krieg aus“, sagte Brandner.

„Mit der Maschine möchte ich auch mal fliegen, sicher so gut wie die Me 109“, sagte ich.

„Ja“, sagte Brandner, „aber die ist hin, die reicht nur noch fürs Museum oder zum Verschrotten, die fliegt nicht mehr.“

Einige Tage später ereilte einem Kanadier das gleiche Schicksal.

Mit drei Maschinen griffen sie eine alte Steinbrücke an, um sie zu bombardieren. Sofort schoss die Flak mit ihren kleinen Geschützen zurück. Eine Maschine zog mit einer dunklen Rauchwolke in Richtung Front wieder ab. Eine andere stürzte aus geringer Höhe ab.

Fischer und ich standen ungefähr 250 Meter von der Brücke entfernt. Wir hatten uns vorher in einem Schützenloch gesichert und den Vorgang genau beobachtet.

„Mensch, spring raus, sonst ist es zu spät“, rief ich ohne zu überlegen, dass mich der Pilot überhaupt nicht hören konnte.

Endlich, die Maschine legte sich auf die rechte Seite und schmierte ab. Der Pilot konnte sich im letzten Moment von ihr lösen. Auf den letzten Metern Höhe öffnete sich der Fallschirm, um dann einige Meter hinter uns nieder zu gehen, wo er sehr hart aufschlug.

Der Kanadier blieb regungslos am Boden liegen.

„Auf, den holen wir uns“, spornte ich Fischer an. Wir sprangen beiden dem Kanadier entgegen, der auf dem Bauch lag, als wolle er robben.

Als wir sein Gesicht sahen, grinste er uns an und zog im gleichen Moment seinen Colt vom rechten Oberschenkel nach vorn, um auf uns zu schießen.

„Vorsicht, der will schießen“, rief ein anderer Kamerad, der von hinten auf den Kanadier zulief. Daraufhin ließ der Kanadier die Waffe fallen.

„Hände hoch“, forderte Fischer ihn auf.

„Okay, Ihr habt mich. Aber in wenigen Tagen haben wir Euch.

Dann ist der Krieg aus.“

„Ganz schön frech, der Kerl“, staunte Fischer.

„Na, wenn dem so ist, wie der Herr meint, dann werden sie sicher bald zur Großoffensive starten“, antwortete ich meinem Kameraden.

Der Gefangene schlug sich lässig mit beiden Lederhandschuhen, die er in der Hand trug, auf die Oberschenkel. Der Mann war sehr groß und kräftig. Als er von uns in die Mitte genommen wurde, kamen wir uns zwei vor, als wären wir noch regelrechte Lausbuben.

Da haben wir noch einmal Schwein gehabt, ging es mir durch den Kopf. Wir hatten unsere Maschinenpostolen auf dem Rücken getragen, weil wir angenommen hatten, dass der Pilot verletzt sei und sich nicht mehr erheben könne. Ein gefährlicher Irrtum, wie wir jetzt einsehen mussten, der uns beinahe das Leben gekostet hätte.

Inzwischen war es April geworden. Das Wetter war schön. Nun konnten die „Schönwettersoldaten“, wie wir sie nannten, wieder starten.

Es lag schon lange etwas in der Luft. Wie Recht der Kanadier hatte und wie gut sich unser Gespür entwickelt hatte, merkten wir einige Tage später.

Mit einem mächtigen Kanonendonner begann gegen Abend das Konzert der Geschütze. Die ganze Erde schien zu beben und aus ihren Fugen zu geraten. Artillerie zog über die ganze Front, weit nach Osten auslagernd.

„Mensch, die greifen an“, war von allen Seiten zu hören. Die Granaten schlugen, eine nach der anderen, in der nächsten Umgebung ein.

„Schnell in die Unterkunft, das Nötigste zusammennehmen und einpacken“, war von irgendwo eine Kommandostimme zu hören. Das war mal etwas anderes. Sonst kamen sie immer morgens in aller Frühe. Diesmal hielt der Donner die ganze Nacht an.

„Öfter mal was Neues“, ließ sich Brandner aus. „Ein bisschen Abwechslung nach der langen Ruhepause.“

„Was ist bei der Kompanie los?“ fragte ich. „Weißt Du, was wir vorhaben?“

„Keine Ahnung. Der Leutnant war nicht zu sehen und der Chef ist beim Bataillonskommandeur zur Besprechung.“

Der Kanonendonner kam immer näher. Die Amerikaner waren bis auf wenige Kilometer herangekommen und griffen in voller Breite unsere Stellungen an. Jeder versuchte, sich durchzuschlagen.

Die einzelnen Maschinengewehrsalven waren deutlich zu hören.

Wir zogen uns in die Stellungen zurück, die wir in den langen Ruhepausen vorbereitet hatten. Nun sollten sie ihre Feuertaufe erhalten. Jetzt sollten sie den schweren Artillerie-Granaten standhalten.

Vor uns lag eine Batterie mit schwerem Geschütz. Sie feuerten ununterbrochen, aber auch das half nichts. Die Front kam in Bewegung. Sie wurde durchbrochen.

Um 22.00 Uhr erhielten wir den Befehl, die Schützenlöcher zu verlassen, noch ehe wir in der zweiten Linie den Feind überhaupt richtig zu Gesicht bekommen hatten.

Fischer, Brandner und ich bildeten eine Gruppe mit einigen Neuen, die wir am Po ausgebildet hatten. Leutnant Köngeter führte den Zug an, Richtung Norden.

„Wir marschieren Richtung Bozen“, gab der Leutnant bekannt.

„Hier bilden wir eine neue Abfanglinie. Falls einer verloren gehen sollte, Bozen ist Treffpunkt für die Kompanie.“

Wir setzten uns in Marsch. Mit zunehmender Entfernung wurde es zwar etwas ruhiger, dafür setzten die englischen Moskito-Bomber jetzt Leuchtbomben ein, flogen die Straßen ab und belegten uns mit Splitterbomben und Maschinen-Gewehr-Garben.

„Nicht mal bei Nacht hat man Ruhe!“ fluchte Brandner.

Schon im nächsten Moment lagen wir auch schon im Graben und suchten nach Deckung vor den Bombensplittern.

Die Flugzeugbesatzungen lösten sich scheinbar ab und so wurden wir die ganze Nacht von den schnellen „Holzbombern“, wie wir sie nannten, verfolgt. Dies Flugzeuge waren tatsächlich aus Holz bebaut.

Plötzlich stoppte der Verband an einer Straßengabelung. Maschinengewehrfeuer fegte über unsere Köpfe.

„Spinnt da einer oder was ist los“, schrie jemand neben mir. Wir warfen uns in eine Mulde dicht an einem Bach, den wir gerade überquert hatten.

Stimmengewirr, der Leutnant schrie.

„Panzerfäuste nach vorne!“

Wieder starkes Maschinen-Gewehr-Feuer. Die Kugeln rasten über unsere Köpfe hinweg.

Ich versuchte zu scherzen: „Jetzt wird es gemütlich, meine Herren.

Macht Euch auf was gefasst.“

Die Panzerfäuste flogen in Richtung Panzer. Ein starker Feuerblitz, glühendes Metall wirbelte durch die Nacht wie ein Feuerwerkskörper. Ein dumpfer Knall und der erste Panzer, der vorne die Straße versperrt hatte, war das Opfer der ersten Panzerfaust.

„Junge, hast Du das gesehen?“ rief ich Fischer zu. „Das war Maßarbeit. Der Kerl hat was los.“

„Ja, damit hat er uns zum Durchbruch aus diesem Kessel verholfen.“

Nochmals ein Feuerblitz, ein Knall und ein zweiter Panzer war außer Gefecht. Der dritte warf seinen Motor an und zog sich im Eiltempo zurück.

„Wieder mal Glück gehabt“, bemerkte Brandner.

Und so ging es weiter, vorbei an den abgeschossenen Panzern, die noch in Flammen standen und bestialisch nach verbranntem Fleisch stanken. Ein paar Pferde lagen daneben, sie waren die ersten Opfer der Maschinen-Gewehr-Salven gewesen.

„Wie sieht es mit einem Pferdebeefsteak aus?“ rief jemand.

„Wer will nochmal? Hier fehlt ja schon etwas, da hat sich schon einer eins herausgeschnitten.“

„Hör endlich mit Deinem saftigen Steak auf. Mir läuft schon das Wasser im Munde zusammen“, rief ich zurück.

In einem Bauernhaus machten wir Halt. Hier befanden sich schon einige Panzergrenadiere und tranken Kaffee. Kurz vorher hatten sie ihr fabrikneues Kettenfahrzeug außer Betrieb gesetzt. Ein Zeichen der Zeit, jetzt hatten sie keinen Sprit mehr und mussten wie wir als Fußsoldaten weiter.

Der Haufen wurde mit der Zeit immer größer. Die Straßen waren mit zurückflutenden Truppenteilen übersät. Die Jagdbomber erlangten mit ihren ständigen Angriffen reiche Beute. Die brennenden Fahrzeuge gaben uns eine Richtung an, in der wir marschieren mussten. Gegen Mittag schliefen wir, zutiefst erschöpft, in einer Scheune ein. Beim Erwachen stellte ich fest, dass man mir meine Pistole, eine 9 mm Beretta, gestohlen hatte. Aber wir hatten keine Zeit, uns lange damit aufzuhalten oder auszuruhen.

„Obergefreiter Kohen und Sie Brock“, richtete sich der Leutnant an uns, „Sie sichern diese Brücke und folgen erst, wenn die Panzer die Brücke erreicht haben. Hier sind zwei Panzerfäuste und viel Glück.“

Der Verein marschierte weiter, ohne uns.

„Wo sollen wir uns denn hier verstecken?“ fragte mich Fritz.

„Ein verdammt blöder Einfall von dem Herrn Leutnant. Hat der nicht alle Tassen im Schrank?“

„Das sieht ihm ähnlich“, schimpfte ich. „Keine blasse Ahnung von Panzer-Bekämpfung. Der kann uns aber gewaltig.“

Das Gelände ist topfeben, wie man es nur in der Po-Ebene findet. Der Bach vor uns und die Brücke waren nicht besonders groß. Der einzige Schutz war das Gras, das auf dem Deich wuchs, ganze fünf Zentimeter hoch.

Ein unmögliches Unternehmen. Allein mit der Panzerfaust. Selbst wenn wir jeder einen einzelnen Panzer abschießen könnten, so würden uns die nachfolgenden unweigerlich überrollen oder mit ihren Geschützen erwischen. An Rückzug wäre dann nicht mehr zu denken. Die Situation war aussichtslos.

Etwa eine Stunde lagen wir da. Nichts rührte sich. Nur die Herren von der anderen Feldpostnummer flogen über unseren Köpfen dahin.

„Hoffentlich entdecken die uns nicht“, sagte Fritz, „sonst machen die uns zur Schnecke.“

„Da sieh“, rief er im nächsten Moment, „da am Haus kommen sie zum Vorschein.“

Etwa 300 Meter entfernt tauchten drei Panzer auf.

„Was haben die denn vorne alles drauf, kannst Du das erkennen?“

rief ich.

„Ja, das sind dicke Holzbalken und der andere hat Strohballen aufgespießt.“

„Gibt es denn das? Ich glaube, die haben was gelernt. Die haben gemerkt, dass die Panzerfaust dann keine Wirkung mehr hat.“

„Toll, die gefallen mir“, begeisterte sich Fritz richtig. „Aber was sollen wir dann noch hier?“

„Einen Flammenwerfer müssten wir haben, dann würde ich den Burschen schon den Arsch warm machen“, gab ich zurück.

„Das wäre eine Idee, aber die sind beim Tross und der wird kurz vor Bozen sein.“

„Da ist nichts zu machen.“

„Aussichtslos“, gab ich zu. „Komm, wir hauen ab, sonst können wir uns später überhaupt nicht mehr absetzen.“

Hinter uns flaches Gelände und nur wenig Bäume, die uns nicht einmal den notdürftigsten Schutz boten. Trotzdem mussten wir versuchen, unsere Einheit zu erreichen.

Die Tiefflieger heizten uns mächtig ein. Den Rest besorgte die Artillerie. Wegen der starken Fliegereinsätze konnten wir nur unter den wenigen Bäumen und Weinreben laufen. Die Angreifer schossen sogar auf einzelne Personen. So war am Tage die Straße wie ausgestorben. Fahrzeuge waren überhaupt nicht mehr zu sehen, da diese sofort abgeschossen wurden.

Zum Essen kamen wir nicht. Wir liefen nur noch. Die Socken waren feucht und klebrig. Dadurch scheuerten wir uns die Füße auf. Sie schmerzten und brannten wie Feuer.

An einem Bach machten wir kurz Halt, wuschen uns die Käsemauken, rissen die Verbandspäckchen auf, um sie mit Binden zu umwickeln. Mir war sauelend. Zum Glück war Fritz ein munterer Kerl. Immer wieder versuchte er, mich aufzuheitern. Er war ein kleiner Bursche, aber pfiffig. Der richtige Halt in so einer Situation.

„Komm, Junge, nur noch ein paar Schritte“, sagte er. „Schließlich wollen wir ja nicht wie Hannibal über die Alpen. Oder stell Dir vor, wir sollten wie Napoleon zu Fuß bis nach Moskau. Da haben es unsere Kameraden heute doch schon besser.“

„Das wird sie auch nicht trösten“, erwiderte ich nicht gerade freundlich.

„Dann nicht“, sagte Fritz. „Aber bis zum Po schaffen wir es noch allemal, der liegt ja nicht gerade am Arsch der Welt. Also komm, nur keine Müdigkeit vortäuschen. Suche Deine Knochen zusammen, wir marschieren.“

Er hatte natürlich Recht. Wir mussten einfach weiter. So schwer es uns auch fiel. Wir liefen, so gut wir konnten, immer darauf bedacht, nicht gesehen zu werden. Das war schon ein wahres Kunststück in dieser verödeten Landschaft. Jede Mulde, jeder Strauch und hohe Grasbüschel dienten als Deckung. Wir waren vielleicht eine gute halbe Stunde gelaufen, als wir ungefähr fünfzig bis hundert Meter rechts von uns, hinter ein paar Weinreben, Bewegung bemerkten.

„Hinhauen“, rief Fritz mir im Flüsterton zu. Blitzartig ließen wir uns flach auf den Boden fallen und blieben für einen Moment wie erstarrt liegen.

„Verdammter Mist“, brummte Fritz. „Da hängen wir ganz schön in der Patsche.“

„Wir wollen ja nur bis zum Po“, konnte ich mir nicht verkneifen zu sagen.

„Natürlich, und verlass Dich drauf, wir kommen auch hin. Aber so bist Du mir schon sympathischer.“

„Da“, stieß ich Fritz an, „sieh, da kommen sie.“

Zwei Gestalten kamen hinter den Büschen hervor, ein dritter, ich kam nicht mehr dazu, noch weiter zu zählen, denn Fritz stürzte sich auch schon in einer Art Freudentaumel über mich.

„Junge, deutsche Landser! Zwar ganz gewöhnliche Infanteristen, aber immer noch besser, als amerikanische Panzer oder Bomber.“

„Nun werd nur nicht vor lauter Übermut noch eingebildet.“

„Mann, Du weißt doch – ein kleiner Spaß. Aber was hältst Du davon, sollen wir ihnen nicht ein bisschen Angst machen?“

„Ich glaube, dafür dürfte der Zeitpunkt nicht gerade geeignet sein.

Geben wir uns zu erkennen.“

„Meinetwegen, Du gönnst einem aber auch gar nichts“, spielte Fritz den Schmollenden.

Wir riefen unsere Kameraden an, die im ersten Moment nicht wenig erstaunt waren, hier auf uns zu treffen. Ohne viel Aufhebens und Aufenthalt machten wir uns miteinander bekannt. Natürlich wollten die Jungs auch zum Po – was blieb uns auch anderes übrig? Also schlossen wir uns zusammen und versuchten gemeinsam dieses Ziel zu erreichen.

Gegen Abend fanden wir in einem Bauernhof Unterkunft. Man brachte uns Wein und Weißbrot. Das war unsere einzige Mahlzeit an diesem Tage.

Schon hier spürte man die Unsicherheit und Verängstigung der Bevölkerung. Bisher waren wir Verbündete gewesen. Wie sollten sie sich aber jetzt verhalten? Jeden Moment konnten die Amerikaner da sein. Mussten sie uns dann nicht als unsere Feinde betrachten? Uns war nicht wohl in unserer Haut. Dennoch haben wir die Nacht gut geschlafen.

Sofort mit Sonnenaufgang machten wir uns wieder auf den Weg. Gegen Mittag kam uns ein Lkw nachgefahren. Daneben waren die Geräusche von Tieffliegern zu hören. Der Lastwagen hatte uns gerade erreicht, da wurden wir auch schon von den Jagdbombern angegriffen. Der Lkw wurde gleich von einem Volltreffer erwischt, stand sofort in Flammen und brannte völlig aus. Die Piloten brachten ihre Maschinen so tief herunter, dass man deutlich ihre Gesichter erkennen konnte. Ich hatte noch versucht, auf das Flugzeug zu schießen, war aber in der Aufregung so unkonzentriert, dass ich daneben schoss.

Den Insassen war nicht mehr zu helfen. Wir konnten froh sein, dass wir nicht alle erwischt wurden und mussten versuchen, so schnell es ging, weiterzukommen.

Endlich gegen Abend, nach drei Tagen anstrengendem Fußmarsch, Strapazen und Entbehrungen, erreichten wir den Fluss. Von unseren Kameraden trafen wir hier als einzige Brandner und Fischer wieder.

„Wo ist der Leutnant mit dem Rest?“ war meine erste Frage.

„Keine Ahnung“, war die Antwort. „Die sind davon, Sauerei, jetzt sitzen wir hier am Po und wissen nicht, wie rüber. Kein Boot, keine Brücke und keine Fähre. Vor uns liegen 200 Meter eiskaltes Wasser.“

Zu Tode erschöpft hauten wir uns, wo wir gerade standen, hin.

Ohne besondere Vorkehrungen schliefen wir sofort ein.

Von der Kälte und dem Feuer, von dem Getöse der hinter uns explodierenden Munition in den brennenden Fahrzeugen merkten wir nicht viel. Und dennoch schliefen wir nicht richtig. Zwischen Schlaf, Erschöpfung und Traum dämmerten wir dahin.

Italien - Gefangen in Land und Liebe

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