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Wut

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Herbst 2010

"Nein, es ist nicht gut!" Laut knallte Thorsten die Haustür hinter sich zu und rannte zur Gartenpforte hinaus. Sprachlos schaute ihm seine hochschwangere Frau hinterher und sah ihn nur noch um die nächste Straßenecke biegen.

Thorsten hingegen lief. Er lief, so schnell ihn seine Füße tragen konnten. Wohin wusste er nicht, nur weg. Dorthin, wo er allein war und nachdenken konnte. Über all die Jahre, die durch die letzten Jahre seines seitdem eintönigen gewordenen Lebens

schon zu verblassen begonnen hatten und deren Bedeutung er seiner geliebten Frau niemals hätte erklären können, ohne falsch verstanden zu werden.

Es war Sommer, Juli, und die Vögel sangen in der brennenden Hitze des späten Nachmittags. "Singende Vögel...ja, Ihr seid gut drauf!" dachte er. "Ihr habt auch nicht meine Probleme." Wütend blickte er einem Spatz hinterher, der munter auf einem Gartenzaun umherhüpfte. Es wurde ihm alles zu viel. Sonne, die war sowie nichts für ihn! Und gute Laune? Die hatte er bereits vor Jahren weggesperrt und sich verboten.

Der junge Mann, Ende 20, ertrug diese erdrückende Gegenwart aus Erinnerungen und einer Beziehung, in der keine Neuerungen mehr erwartete, nicht mehr und tat, was er in solchen Situationen häufig tat: er suchte Zuflucht in der Musik. Über Jahre hatte er sich seinen "Soundtrack of Life", wie er es nannte, zusammengestellt - und dieser war ihm heilig. Hastig kramte er in seinen Hosentaschen nach seinem Smartphone und den Kopfhörern und zog ein zerknülltes Stück Kabelsalat hervor.

"Mist, immer das Gleiche!" fluchte er leise vor sich hin und begann ungeduldig, das Kabel zu entwirren. Unterdessen drang das Lachen einer Frau an sein Ohr und er verspürte unverhohlen den Drang, sich die Ohren zuzuhalten, entknotete stattdessen aber die letzten Ösen aus den leuchtend weißen Kunststoffkabeln.

Als er die Stecker in seiner Ohrmuschel spürte und die Laute der Außenwelt nur noch gedämpft zu vernehmen waren, entspannte er sich langsam und blieb kurz stehen, um seine Musik herauszusuchen. Wollte er lieber seiner Wut mit knalligem Heavy Metal Nachdruck verleihen oder sich doch eher der Melancholie hingeben?

Er fuhr sich hektisch durch seine dunkelblonden, zu einer Igelfrisur aufgestellten Haare und fluchte leise, als ihm das Haargel an den Fingern klebte. Irgendwann würde er sich eine neue Frisur zulegen. Ohne Gel!

Letztlich fiel seine Wahl, wie so oft, auf etwas in der Mitte: "Die Toten Hosen - Froschkönig". Ein Lied, das es aus seiner Sicht treffend beschrieb, wie es ihm dauerhaft ging - mit Abstrichen bei einigen Textpassagen, die er sich großzügig anders ausmalte, als die Vergangenheit es zugelassen hätte.

Der Rhein mit seinen ruhigen Auen war nicht weit und er schaute gerne dem Wasser zu, wenn er nachdenken wollte. So auch heute, denn so ging es nicht weiter. Den "Froschkönig" im Loop, die Lautstärke aufgedreht, so kletterte er zielstrebig das Ufer zum Fluss hinab, um sich auf der Mole einen angenehmen Platz zu suchen. Seine Gedanken kreisten, gefangen durch den "Froschkönig" immer um die gleiche Person, die gleichen Situationen. Plötzlich ging es ihm auf die Nerven und er suchte hastig nach der Playlist "Melancholie" und ließ diese etwas leiser laufen.

Mühsam kramte Thorsten in seinem Kopf nach Bildern, nach schönen Erinnerungen, an die er sich klammern konnte. Doch außer einer Hand voll wollten im nicht mehr einfallen. Sie glitten ihm langsam aus den Händen und verblassten. "Sie" verblasste langsam.

Rote Tulpe

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