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Seine Wahrheit
Оглавление"Ich habe Dir schon einmal von ihr erzählt." begann er unsicher und verfiel in einen Redefluss, als seine Frau Janine ihn kurz fragend anstaute.
Katharina...sie war damals mit ihm im Segelverein gewesen, in seinem Heimatort. Sie hatten zusammen mit einer Jugendgruppe einen Segelschein machen wollen, dessen Fertigstellung jedoch am Rauswurf des Jugendwartes scheiterte. Sie hatten zusammen gesegelt und waren zusammen auf Segelfreizeiten. Und: er hatte sich in sie verliebt. An jenem verhängnisvollen Tag, als eine Unterrichtsstunde für den Segelschein bei ihrem Bruder zu Hause stattfand. "Meine Schwester möchte auch gerne mitmachen." hatte er gesagt und sie setzte sich zu uns. Und das war's gewesen. Der Kometeneinschlag fand nur wenige Zeit später statt.
Ohne auf die näheren Umstände einzugehen, gestand Thorsten, er habe das Ende seiner Jugendliebe niemals richtig verkraftet und hatte hilflos ihre Nähe gesucht...über Suchanfragen im Internet.
Mit einem "Sie ist also die Liebe Deines Lebens!" brach ein heftiger Streit los, den Thorsten immer hatte vermeiden wollen, da er der Meinung war, seinen Platz im Leben gefunden zu haben und glücklich zu sein.
Doch wenn er ehrlich zu sich selbst war, hatte sie Recht. Er liebte seine Frau und hätte sie und seine kleine Tochter niemals hergeben wollen, doch dachte er an Katharina, machte sich stets eine Art Fernweh in seinem Herzen breit.
"Erzähl mir mehr von Ihr!" forderte Janine eindringlich, nachdem Thorsten geendet hatte. "Was möchtest Du wissen?" fragte er matt. Egal was er sagen würde, sie würde es gegen ihn verwenden. Doch was spielte das jetzt noch für eine Rolle? Die Katze war aus dem Sack und er fragte sich, ob das künstlerisch geschickte Auslassen von Informationen seinem Leben zuträglicher gewesen wäre. "Was hast Du mit Ihr erlebt? Warum habt Ihr keinen Kontakt mehr?" bohrte sie in ihrem Ich-mach-Dich-fertig-Ton nach.
Er atmete tief durch, doch in seinem Inneren tobte es. Wut auf seine Frau, Zorn auf sich selbst, Verzweiflung gegenüber Katharina. Mit gezwungen freundlicher Stimme schob sie ein "Erzähl schon, ist schon gut." nach. Es reichte. Er wusste, irgendwie war alles seine Schuld, doch er ertrug seine eigene Courage nicht mehr. Mit einem Satz war er aufgesprungen, zur Haustür geeilt und brüllte ihr ein markerschütterndes "Nein, es ist nicht gut!" entgegen.
Das war alles, aber nicht gut gelaufen, erkannte Thorstens Verstand. Sein Herz rebellierte und schlug ihm bis zum Hals. Aber Janine hatte Recht, sie hatte verdammt Recht. Was war eigentlich geschehen und warum saß er heute hier? Hätte nicht alles ganz anders kommen können und er wäre heute kein Melancholie-Junkie und müsste sich nicht ständig ein "Lach doch mal! Du lachst nie mit mir!" von seiner Frau anhören?! Selbstzweifel und unendliche Trauer überkamen ihn. Mit geschlossenen Augen versuchte er, eine unglückliche Liebesgeschichte noch einmal zu durchleben. Seine Liebesgeschichte.