Читать книгу Die Midgard-Saga - Asgard - Alexandra Bauer - Страница 10
1. Kapitel
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Von mehreren Feinden umringt, die alle gleichzeitig auf sie einschlugen, wirkte Thea ihren letzten Zauber. Als ihr Avatar auf den Boden niederging, knurrte sie ungehalten. Wütend schubste sie die Maus über den Schreibtisch.
„Warum spielen wir eigentlich immer noch mit Malefiz?“, schimpfte sie und verschränkte die Arme.
Hektisches Klicken verriet Thea, dass ihre Freundin mit der Flucht beschäftigt war. Als würde es ihrem Zwerg helfen, feuerte sie die Spielfigur mit jedem Klick an schneller zu laufen. Thea lehnte sich im Stuhl zurück und verfolgte die Szene auf dem Bildschirm. Mit kurzen Schritten eilte Julis Avatar durch ein Waldgebiet. Drei Elfenkrieger schossen unentwegt Pfeile auf ihn. Je öfter sie ihre Bögen aber benutzten, umso mehr Abstand gewann Juli zwischen den Angreifern und dem Zwerg. Als sie Tiray endlich unbeschadet zum Teleport gebracht hatte, blies sie die Luft aus den Wangen. Der Lebensbalken zeigte nur noch einen kleinen Strich. Buchstäblich in letzter Sekunde hatte Juli ihren Zwerg in die Stadt gerettet.
„Das war knapp!“, stieß sie erleichtert aus und zog in einer bedauernden Geste den Mund schief. „Es tut mir leid für dich. Wie viel Erfahrung hast du verloren?“
„Mehr als genug“, murrte Thea.
„Sollen wir leveln gehen? Bestimmt machen wir deine eingebüßten Punkte rasch wieder gut.“
Thea fasste ihre Haare am Hinterkopf zusammen und band sie zu einem Zopf. „Dafür brauchen wir Tage. Nein, mir ist die Lust für heute vergangen!“
Seufzend schob Juli ihre Brille ein Stück nach oben. „Warum schmeißt du Malefiz nicht einfach aus der Gilde? Sie gehört dir!“
Thea schüttelte den Kopf. „Es ist unsere Gilde und Tom mochte ihn.“
„Ach was! Wir waren über zwei Jahre nicht im Spiel und kaum sind wir online, fleht Malefiz uns an, dass wir ihn wieder aufnehmen sollen. Frag dich mal warum.“ Sie lachte. „Seine Verzweiflung muss groß gewesen sein! Wenn Tom noch hier wäre, würden wir alle gemeinsam darüber abstimmen und dann könnte Malefiz seine heilenden Qualitäten an anderen Spielern auslassen.“ Sie klatschte in die Hände. „Lass ihn uns zu den Professionals schicken. Bestimmt hätten wir gegen die dann auch mal eine Chance.“
Schmunzelnd meldete sich Thea aus dem Spiel ab. „Das brächte uns keinen Nutzen. Dein_Tod ist im Endlevel, außerdem haben sie schon 12 Mitglieder, mehr geht nicht.“
Juli kicherte. „Wir könnten ihn gegen Medusa23011 austauschen. Sie ist neu, doch sie versteht es, zu heilen!“
Als der Lüfter ihres PCs verstummte, stand Thea auf. „Ich würde Tarell bevorzugen. So hätten wir wenigstens einen Assassinen in der Gilde.“
„Mit ihm hättest du aber einen weiteren Spieler, auf den du aufpassen müsstest“, antwortete Juli schmunzelnd.
Thea schaltete den Monitor aus. „Lieber passe ich auf andere auf, als auf mich“, erwiderte sie.
„Ja, das ist ein Problem“, raunte Juli in einer Zweideutigkeit, die Thea sofort ein schlechtes Gewissen einjagte. Unvermittelt hob Juli die Hände. „So habe ich das nicht gemeint!“
Traurig lehnte sich Thea an die Schreibtischkante. „Es vergeht kein Tag, an dem ich nicht an ihn denke oder diesen Moment …“, sagte sie schwermütig und blickte dabei zu ihrer Fylgja. Der Folgegeist lag eingerollt auf dem Bett und schlief.
„Ach Thea!“ Juli trat näher und nahm ihre Freundin in den Arm. „Es ist über ein Jahr vergangen. Das haben wir doch schon so oft besprochen. Es ist einfach passiert, du bist nicht dafür verantwortlich. Du hättest nichts daran ändern können.“
Thea nickte, obwohl sie durchaus in der Lage dazu war, einhundert Dinge aufzuzählen, die sie hätte anders machen können. Wieder und wieder spielte sie die einzelnen Szenarien im Kopf durch und keines nahm je das Ende, welches Tom widerfahren war. Jeder, auch Tom, hatte versucht, sie vom Gegenteil zu überzeugen, doch sie konnte nicht davon ablassen, sich die Schuld für die Ereignisse zu geben. Tonnenschwer belastete diese ihr Gewissen und ließ sie in manchen Momenten kaum atmen.
Juli löste sich von Thea und zog den Mund schief. „Es war aber auch gemein von Odin, dich in dieser Situation nach Hause zu schicken. Erst ließ er dich Monate nicht weg und plötzlich ging es ihm nicht schnell genug.“
„Ohne Kyndill besteht keine Notwendigkeit mehr dazu, mich in Asgard festzuhalten. Das Schwert ist verloren und Loki unauffindbar. Erinnere dich! Bevor Wal-Freya und Thor uns fanden, suchten sie schon Jahrhunderte nach ihm, ohne ihn zu finden. Das wird jetzt, wo er Kyndill besitzt, nicht anders sein. Unsere Anwesenheit in Asgard würde daran nichts ändern. Es ist die beste Lösung darauf zu warten, dass er irgendwo auftaucht und das können wir genauso gut in Midgard tun.“
„Wir sollten ihn zusammen mit den anderen jagen, stattdessen hocken wir Zuhause und sammeln EPs in einem unwichtigen Spiel“, erwiderte Juli.
„Und das aus deinem Munde“, scherzte Thea.
„Du klingst, als wäre es dir egal, dass sie uns von der Suche ausgeschlossen haben“, murrte Juli.
„Das ist es nicht! Ich will ihn fassen und ihm das Handwerk legen, mehr als je zuvor. Aber es wäre völlig sinnlos in Asgard zu warten. Er weiß sich hervorragend zu verstecken. Wir müssen geduldig sein und auf Wal-Freya vertrauen. Sie wird uns rufen, wenn sie uns braucht. Es ist okay, ich hatte Odin die ganze Zeit angefleht, dass ich zu meiner Familie zurück will.“
„Aber das war, bevor du wusstest, dass Tom in Sessrumnir bleiben muss. Ich werde das Gefühl nicht los, dass Odin dich damit bestrafen will. Du bist doch gar nicht in der Lage dazu, ein normales Leben in Midgard zu führen, während Tom dort oben ist. Als könnte überhaupt jemand von uns ein normales Leben leben mit dem Wissen um die drohende Zukunft.“
Abermals äugte Thea zu ihrer Fylgja. Nein, ein normales Leben würde sie nie wieder führen, egal was passierte. Dafür hatte sie zu viel erlebt. Aber kein Flehen würde Tom jemals zurückbringen. So sehr es sie auch schmerzte, Thea musste sich damit abfinden. Sie seufzte tief. „Was stellen wir noch an, bis wir zu Florence fahren?“
Ratlos verschränkte Juli die Arme. „Kein Plan. Vor dem Essen noch zum Venezia zu gehen wäre wohl unüberlegt.“
Thea lachte. „Tu nicht so, als würdest du nach einem Spaghettieis nichts mehr runterbringen.“
„Hey! Du weißt, wie sie kocht. Irgendwann nehme ich wegen ihr noch zu.“
„Du nimmst nur zu, wenn du nicht damit aufhörst, dir den Teller drei Mal bis zum Rand vollzuladen.“
Juli winkte ab. „Wer bei Florences Kochkünsten widerstehen kann, hat keine Geschmacksnerven! Es grenzt an ein Wunder, dass Tom wie ein Spargel aussieht.“
Unerwartet wurde die Tür aufgestoßen und Mats trat ein. Mit großen Augen sah er zu seiner Schwester. „Mama sagt, ich soll dich fragen, ob du mich zu Marco fahren kannst.“
Thea schmunzelte und wuschelte Mats durch die blonden Haare, die kreuz und quer um seinen Kopf lagen. Über ein Jahr später war es noch immer ungewöhnlich für sie, ihn so groß zu sehen. Als sie ihn auf dem Weg nach Jötunheim verlassen hatte, war er gerade viereinhalb Jahre alt gewesen. Während er zu einem Schulkind heranwuchs, hatte sie sich in Hel aufgehalten und war dabei kaum gealtert. Sie trauerte der Zeit nach, die sie mit ihm verloren hatte. Umso mehr hoffte sie, dass es nicht umsonst gewesen war. Sie alle hatten zu viel dafür auf sich genommen.
„Na klar fahre ich dich“, erwiderte sie und Mats sprang mit einem Quieken aus dem Zimmer.
„Mama! Sie fährt mich!“, rief er, während er die Treppe hinab sprang.
Lächelnd hob Thea die Brauen. „Jetzt haben wir eine Beschäftigung.“ Sie steckte ihr Handy in die Tasche und rief damit das erste Mal seit Stunden eine Reaktion der Fylgja hervor. Der Folgegeist öffnete die Augen und streckte sich mit einem langen Gähnen auf der Decke.
„Ja, das ist besser als ein Eis beim Venezia“, antwortete Juli scherzend.
Thea lachte. „Es spart Kalorien und hilft dir in jedem Fall, deine Figur zu halten. Los, komm! Du weißt, wie ungeduldig er ist!“
Sie folgten Mats nach unten. Die Fylgja lief fröhlich neben ihnen die Treppe hinab. Im Flur trat Theas Mutter aus der Tür. Nur einen Wimpernschlag später gesellte sich ihr Vater hinzu. Er legte die Hände um die Hüften seiner Frau und stützte das Kinn auf ihre Schulter.
„Danke, Schatz“, sagte er zu Thea.
„Kein Problem“, erwiderte diese, während sie Mats dabei beobachtete, wie er hektisch in seine Sneakers schlüpfte und ihm ein Schuh im hohen Bogen vom Fuß rutschte.
„Mats! Lass dir Zeit!“, mahnte Theas Mutter. Sie sah zu ihrer Tochter. „Holst du ihn wieder ab, wenn ihr von Florence nach Hause kommt?“
„Na klar!“, erwiderte Thea.
Mats sprang auf und streifte seine Jacke über. „Aber nicht so früh! Erst um sieben Uhr!“ Mit einem flehenden Blick zu seinem Vater fügte er hinzu: „Henrik und Anni haben sicher nichts dagegen.“
„Ich denke, die beiden haben auch mal einen ruhigen Sonntag verdient“, erwiderte der Vater.
„Ach was! Das macht ihnen ganz bestimmt nichts aus“, entgegnete Mats, schon die Klinke in der Hand.
„Frag sie erst! Schreib Thea eine Nachricht, wenn sie dich früher holen soll!“, mahnte die Mutter.
Den Einwand ignorierend öffnete Mats die Tür und sprang hinaus zum Auto. „Tschüss Mama und Papa! Bis später!“
Schmunzelnd legte Thea ihre Jacke über den Arm. „Ich hole ihn einfach gegen fünf Uhr ab“, versprach sie.
„Mach das“, erwiderte ihre Mutter.
„Grüße Florence ganz lieb von uns und für nächsten Sonntag lädst du sie zu uns ein“, fügte ihr Vater hinzu.
„Wird gemacht“, bestätigte Thea.
Theas Vater löste die Umarmung und legte die Hände stattdessen auf die Schultern seiner Frau. „Die Einladung gilt natürlich auch für deine Eltern, Juli. Wann kommen sie zurück?“
Juli zuckte mit den Achseln. „Am Donnerstagabend, soweit ich weiß.“
Lächelnd legte Frau Helmken eine Hand auf die ihres Mannes. „Also sehen wir uns später wieder?“
Juli grinste. „Na klar! Bis nachher!“
Von draußen rief Mats ungeduldig über die Straße: „Wo bleibt ihr?“
Winkend verabschiedete sich Thea. „Wir gehen besser, sonst berauben wir nicht nur Henrik und Anni ihres ruhigen Sonntags, sondern auch die ganze Nachbarschaft.“
„Sagt Florence, ich rufe sie morgen an“, gab ihnen Theas Mutter noch mit auf den Weg, dann schloss sie die Haustür.
Auf dem Weg zum Auto betätigte Thea den Knopf für die Zentralverriegelung. Mats riss die Tür auf und kletterte auf seinen Sitz. Bevor die Freundinnen den Wagen erreicht hatten, saß er schon angeschnallt und abfahrbereit da. Nicht sichtbar für Mats und Juli, hockte sich Theas Fylgja neben ihn.
„Du solltest dich wirklich glücklich schätzen, eine Schwester zu haben, die dir keinen Wunsch abschlagen kann“, sagte Juli.
Mats nickte eifrig. „Ja! Das bin ich! Ich habe eine Schwester, die lieb ist und nicht so eine Zicke wie Constanze“, pflichtete er bei.
„Also Mats!“, entrüstete sich Thea und ließ sich in das Polster fallen. Rügend betrachtete sie ihren Bruder durch den Rückspiegel. „Das darfst du so nicht sagen!“
Herausfordernd hob Juli die Augenbrauen. „Warum? Er hat doch Recht!“
Empört sah Thea ihre Freundin an. „Hey!“
Juli lachte erheitert und wandte sich zu Mats um. „Sie tut nur so. In Wirklichkeit ist sie der gleichen Meinung.“
Mit einem Schmunzeln drehte Thea den Schlüssel. Als sich das Auto in Bewegung setzte, stieß Mats einen Jubelschrei aus. Fröhlich lehnte er sich vor. „Meine Schwester ist anders, weil sie dort war“, sagte er mit einer geheimnisvollen Betonung.
Juli lachte. „Sie hatte schon immer einen Narren an dir gefressen. Das kommt nicht davon, dass sie dort war.“
„Ihr dürft nicht über Asgard sprechen!“, erinnerte Thea.
„Tun wir nicht“, beteuerte Mats.
„Das stimmt“, pflichtete Juli bei.
Tadelnd sah Thea erst zu ihrer Freundin und dann zu ihrem Bruder. „Du weißt, dass uns das kein Mensch glauben würde. Aus diesem Grund darfst du nie darüber reden.“
„Nur mit Juli, Mama und Papa und Florence!“, zählte Mats auf.
„Und mit meinen Eltern“, ergänzte Juli.
„Die sind aber nie da“, antwortete Mats erschreckend ehrlich.
Juli griff sich lachend an den Hinterkopf. „Es gibt Dinge, die ändern sich eben nie.“
Mats lehnte sich vor. „Ist doch cool! Deshalb wohnst du ja auch bei uns!“
Thea prustete amüsiert. „Jetzt weißt du es!“
Zufrieden faltete Juli die Hände hinter den Kopf und lehnte sich in den Sitz zurück. „Ja! Das ist wunderbar. Es ist viel einfacher geworden jetzt, da unsere Familien über alles Bescheid wissen.“
„Oh ja! Stell dir vor, wie kompliziert es gewesen wäre, ihnen unser letztes Verschwinden zu erklären. Statt zwei Wochen blieben wir gleich ein paar Jahre fort.“ Thea bog in die Nebenstraße ein. Aufmerksam steuerte sie das Auto durch die enge Gasse. Sie hatte sich inzwischen damit abgefunden, doch sie überkam jedes Mal wieder die gleiche Wehmut, wenn sie daran dachte, was ihre Eltern in dieser Zeit alles hatten durchmachen müssen.
„Boah! Allerdings! Volljährig oder nicht, sie hätten uns nie wieder vor die Tür gelassen“, bestätigte Juli.
Thea lachte. „Irgendwann vielleicht schon. Aber dann nur, damit wir das Abendgymnasium besuchen und unseren Schulabschluss nachholen. Natürlich nur unter strengster Bewachung, um uns an einem erneuten Verschwinden zu hindern.“
„Haha! So wäre es sicher gewesen. Und du hättest die Schule in der einen und ich in der anderen Stadt besuchen müssen, damit keiner von uns einem schlechten Einfluss ausgesetzt ist!“
Thea suchte die Fachwerkbauten nach der passenden Hausnummer ab und lenkte das Auto schließlich in einen gepflasterten Hof. Mats öffnete die Tür, noch ehe der Ford vollständig zum Stehen gekommen war und sprang heraus. Übermütig rannte er die Treppe zur Haustür hinauf, in der Marco bereits ungeduldig wartete. Als Mats im Flur verschwand, trat ein bärtiger Mann vor die Tür und winkte den Mädchen zu.
„Ich hole ihn gegen fünf Uhr ab“, erklärte Thea durch das heruntergelassene Fenster.
„Super! Bis später!“, rief Marcos Vater und schloss die Tür.
„Mission erledigt“, kommentierte Juli.
Thea legte den Rückwärtsgang ein und lenkte das Auto zurück auf die Straße. „Jetzt zu Florence.“
„Wenn ich an ihr Essen denke, knurrt mir schon der Magen“, verkündete Juli fröhlich.
Grinsend schüttelte Thea den Kopf, dann folgte sie dem Weg zu Toms Wohnung. Seit sie aus Asgard zurückgekehrt waren, besuchten die Freundinnen seine Mutter regelmäßig. Das Mittagessen am Sonntag gehörte ebenso dazu wie abendliche Fernsehstunden unter der Woche. Der Abschied, den Florence in Folkwang von ihrem Sohn genommen hatte, war von Tränen aller Anwesenden begleitet worden. Sowohl Thea als auch Juli hatten sich an diesem Tag geschworen, für Florence da zu sein. Der Schock über den Verlust ihres Freundes hatte Theas und Julis Eltern ebenfalls hart getroffen. Das Warten auf ihre Kinder hatte die Familien eng zusammenwachsen lassen. Das Ereignis um Tom und Theas Erzählungen von den kommenden Geschehnissen schnürte dieses Band noch fester. Ihre Väter hatten sich Oldtimerbusse ohne Elektronik angeschafft. Betankt parkten diese in ihren Garagen. Nahrungsvorräte lagerten nicht nur in den Kellern, jeder freie Platz in den alten Wagen war mit Dosen und Vorräten ausgestopft. Koffer, mit den wichtigsten Habseligkeiten, lagen ebenso darin. Florence hatte es abgelehnt, ihre Wohnung aufzugeben und zu Thea oder Julis Eltern zu ziehen. Doch man hatte verabredet, sie im Fall der Fälle abzuholen und gemeinsam vor dem zu fliehen, was auch immer eintreffen mochte. Um den Kontakt zueinander sicherzustellen, hatte Julis Vater Walkie-Talkies besorgt, die auf die gleiche Frequenz gestellt in ihren Ladeschalen ruhten und griffbereit in den Fluren standen. In Anbetracht der Dinge, die Thea gesehen hatte, war sie froh um die weitsichtigen Vorkehrungen ihrer Eltern, auch wenn sie sich unbehaglich dabei fühlte, stets mit dem Schlimmsten zu rechnen. In den Momenten am PC, in denen Juli und sie in ihre Spielewelt eintauchten, gelang es Thea, die Ereignisse aus ihrem Kopf zu jagen. In Augenblicken wie diesen kehrten sie aber unerbittlich zurück. All die Straßenzüge, denen sie gerade folgte, kannte sie von Zerstörung gezeichnet und von Überresten menschlichen Lebens übersät. Nichts machte den Anschein, dass es jemals so kommen könne, doch die Erinnerungen hingen bedrohlich über ihr.
Als Thea das Auto auf dem Parkplatz abstellte, versuchte sie, die dunklen Gedanken zu verjagen. Florence schien ihre Gäste bereits am Fenster erwartet zu haben, denn sie öffnete die Tür, noch bevor Juli und Thea die Klingel drückten. Die Fylgja gab einen zufriedenen Laut von sich und strich Toms Mutter um die Beine. Im Lächeln der kleinen Frau lag stets ein Hauch von Traurigkeit. Sie nahm die Besucherinnen in den Arm und hieß beide aufs Herzlichste willkommen. Thea versteckte ihr Gesicht in den langen, dunklen Haaren der Frau und roch den fruchtigen Duft des Shampoos, das Juli und Thea ihr letzte Woche geschenkt hatten. Juli löste sich als Erste. Verzückt streckte sie die Nase in die Luft und zog Toms Mutter kurzerhand mit sich in die Wohnung.
„Das riecht außerordentlich gut! Was gibt es?“
„Ofenlachs und Kartoffelgratin“, antwortete Florence. „Aber es dauert noch ein wenig, bis es fertig ist. Ihr seid früh.“
„Mats wollte zu einem Freund“, erklärte Thea.
„Ach, und da habt ihr ihn rasch gefahren? Das ist lieb. Nehmt Platz! Ich bringe euch etwas zu Trinken. Was soll es sein? Cola?“
„Das können wir uns doch selbst holen“, erwiderte Thea.
„Nein! Ihr seid meine Gäste!“, beharrte Florence.
Während sich Thea und Juli an den gedeckten Tisch setzten, verschwand Toms Mutter in der Küche und kam einen Augenblick später mit einer Flasche zurück, die sie vor Juli drapierte. Lächelnd betrachtete sie ihre Gäste, ehe sie das Gespräch eröffnete. Sie tauschten sich über belanglose Dinge aus, sprachen von Ereignissen der vergangenen Woche, über Julis Eltern und am Ende berichtete Thea von Mats tollkühner Abfahrt im Skatepark. Der Alarm der Ofenuhr unterbrach sie. Florence eilte in die Küche, brachte den Gratin und schließlich den Lachs. Juli klatschte verzückt in die Hände und schob ihren Teller an die Auflaufformen.
„Schäm dich!“ Thea lachte.
Kichernd hob Juli die Augenbrauen. „Was denn? Florence nimmt sich ohnehin nicht zuerst und du lässt mir immer den Vortritt. Warum sollte ich Zeit mit Höflichkeiten verschwenden?“
„Du bist unverbesserlich.“
„Nein. Nur Vorsitzende eines Fressclubs“, erwiderte Juli.
Sie lachten und Florence verteilte die Portionen. „Lachs ist schon wieder teurer geworden“, sagte sie wehmütig.
„Brot und Kartoffeln auch“, bestätigte Thea.
Florence nickte. „Das stimmt.“
„Also werden wir es mit viel Wonne zu uns nehmen“, verkündete Juli.
Sie aßen genussvoll und nahmen ihr Gespräch wieder auf. Sie vermieden dabei alle Themen, die Florence an Tom erinnern könnten. Thea bewunderte die Tapferkeit, mit der seine Mutter den Schicksalsschlag ertrug, schließlich würden sie und Juli nie das ersetzten, was Florence verloren hatte.
Nachdem Juli auch das letzte Krümelchen aus der Auflaufform gekratzt hatte, räumten sie gemeinsam den Tisch ab, um sich vor den Fernseher zu hocken. Toms Mutter liebte es, Quizshows zu schauen und sie maß sich dabei mit den jungen Frauen. Thea mochte die Show inzwischen fast genauso gerne wie Florence, auch wenn sie mehr die Geselligkeit schätzte, die sie während der Sendung teilten. Fröhlich wetteiferten sie um die richtigen Antworten, neckten sich gegenseitig, wenn der andere falsch lag und rätselten zusammen, im Falle, dass sie sich über die Lösung unsicher waren. Da wurde das Programm jäh unterbrochen und ein Nachrichtensprecher erschien auf dem Bildschirm. Mit ernster Miene kündete er eine Sondersendung an, aufgrund ungeklärter Truppenbewegungen an Italiens Grenzen. Amateuraufnahmen von abgeriegelten Straßen warfen Fragen auf, die eine anberaumte Pressekonferenz des amtierenden Staatsoberhaupts aufzuklären versprach. Unter dem Blitzlichtgewitter der versammelten Presse trat Italiens Präsident der Republik an das Rednerpult. Mit sich brachte er einen Stab von Menschen, der sich hinter ihm aufstellte. An seine Seite gesellte sich eine hoch ausgezeichnete Militärperson. Eine Vielzahl von Dekorierungen reihten sich auf mehreren Bandspangen auf der Brust des Mannes, gleich darunter schmückten drei Orden die Uniform. Die ernsten Mienen der Delegation ließen nichts Gutes erahnen.
„Liebe Bürgerinnen und Bürger Italiens, meine Damen und Herren, werte Staatsangehörige der Europäischen Union. Als ich das Präsidentenamt unserer stolzen Republik antrat, versprach ich, mein Leben dafür zu geben, die Interessen eines italienischen, souveränen Volkes zu vertreten und zu verteidigen. In den letzten Jahrzehnten haben sich jedoch Europafeinde im Brüsseler Bunker verschanzt und die Nationen Europas in Geiselhaft genommen. Alle Versuche, dieser totalitären Institution mit gesundem Menschenverstand zu begegnen, scheiterten kläglich. Ich werde es nicht mehr dulden, dass wir uns den Zwängen der Finanzmärkte unterwerfen, so wie es die europäische Regierung verlangt. Wenn Lobbyisten Politiker lenken und nicht Überzeugungen, ist es Zeit aufzustehen und für die Rechte unserer Nationen zu kämpfen.“ Er machte eine Pause und erntete unter sichtlicher Genugtuung den Beifall seiner Delegation und eines Großteils der Pressevertreter.
„Oh man, hört er sich eigentlich selbst reden?“, knurrte Juli. „Wo hat er diese Phrasen her? Von einem Redenschreiber aus dem neunzehnten Jahrhundert?“
Thea hob die Hand. Der Ticker am unteren Bildrand berichtete von Truppenaufmärschen an den Grenzen Italiens und vom eingestellten Flugverkehr auf allen italienischen Flughäfen. Sie hatte in der Zukunft zu viel gesehen, um nicht an das Schlimmste zu glauben. Synchron zu ihrem schlechten Empfinden duckte sich die Fylgja zwischen ihre Pfoten und legte die Ohren an, gerade so, als würde sie Theas Gefühle teilen.
Kämpferisch hob der Präsident die Faust und brüllte ins Mikrofon: „Mit dem heutigen Tag wird eine neue Zeit für Italien anbrechen! Wir heben die italienische Fahne wieder auf, die unsere vergangenen politischen Führer in die Gosse geworfen haben!“
Erneut brandete Beifall auf. Viele Journalisten blieben reaktionslos, einzig ihre versteinerten Gesichter ließen darauf schließen, dass sie die Freude der übrigen Anwesenden nicht teilten.
Nun stützte sich der Präsident auf das Pult. „Nach gründlichen Beratungen mit dem Obersten Verteidigungsrat, unseren Generälen, dem Präsidenten des Senats und dem Präsidenten der Abgeordnetenkammer, gebe ich hiermit den Austritt Italiens aus der EU bekannt. Mit sofortiger Wirkung kündigen wir sämtliche bestehenden Verträge und Verpflichtungen auf. Zudem werden wir den Euro als Zahlungsmittel einstellen. Alle Grenzen wurden vor einer Stunde geschlossen und von Militärs besetzt. Dies dient einzig dazu, bestehende Finanzmittel im Land zu halten! Der Zahlungsverkehr wird für die nächsten vier Wochen eingestellt. Alte Geldscheine werden abgestempelt und können eingetauscht werden, sobald neue Banknoten gedruckt sind. Die Übergangswährung, die Euro-Lire, wird nach Ablauf einer Frist vernichtet und durch die Lire ersetzt. Hiermit rufe ich alle italienischen Staatsbürger dazu auf, in ihr Heimatland zurückzukehren. EU-Bürger, die sich noch in Italien aufhalten, sind weiterhin geduldet, sie sollen sich aber umgehend bei den Behörden melden, um eine Aufenthaltsgenehmigung zu beantragen. Es lebe die freie und unabhängige Republik Italien!“
Allen gestreckten Fingern und aufbrausenden Fragen zum Trotz, wandte sich der Präsident um und schob sich in einer Gasse zwischen seinem Gefolge zum Ausgang. Offensichtlich war auch der Fernsehsender von der Mitteilung überfordert. Das Bild verharrte auf dem Rednerpult und der sich langsam entfernenden Delegation. Der Ticker sendete neben den zuvor eingeblendeten Nachrichten nun auch die Austrittserklärung Italiens aus der Europäischen Union und dem Euro.
Florence starrte mit kreidebleichem Gesicht in den Fernseher. Juli blickte zu Thea, die es nicht wagte, ihre finsteren Gefühle auszusprechen. Der Ton unter den Regierungen war schon seit geraumer Zeit rauer geworden. Von überall wetterten Politiker gegen Kollegen aus den Nachbarstaaten. Diskussionen über mehr Unabhängigkeit und Rückkehr zu alten Währungen waren allgegenwärtig. England war schon vor langer Zeit aus dem Staatenbund getreten, Schweden und Polen spielten offen mit dem gleichen Gedanken, doch niemals war ein Land so weit gegangen wie jetzt.
„Was bedeutet das? Können sie das so einfach tun?“, staunte Juli.
Thea zuckte mit den Schultern. „Keine Ahnung.“
Florence stand das Entsetzen ins Gesicht geschrieben. „Ein Land in Europa schließt seine Grenzen und schottet sich von den anderen ab. Das klingt wie ein Horrorszenario aus einem Science-Fiction Roman.“ Unheilvoll sah sie Thea an. „Nahm es so seinen Anfang?“
Hektisch forschte Thea in ihren Erinnerungen. Das Bild, das Lif und Lifthrasier gemalt hatten, machte Firmen und Unruhen für den Beginn der Zerstörung verantwortlich. Nichts sprach dafür, dass die Abspaltung eines EU-Landes die Schwertzeit einläutete. Ein sichtlich um Fassung ringender Nachrichtensprecher lenkte ihre Aufmerksamkeit zurück auf die Sendung. Er fasste die Geschehnisse zusammen. Erste Amateuraufnahmen von Militärfahrzeugen an Grenzanlagen und bewaffneten Soldaten, die entlang eines Bergkamms patrouillierten, liefen über den Bildschirm. Unwillkürlich umfasste Thea das Amulett an ihrem Hals und flüsterte Wal-Freyas Namen. Eine Wiederholung der Rede wurde unter Einspielung von Parlamenten anderer Mitgliedsstaaten gezeigt. Die ersten Reaktionen kamen über den Liveticker. Demnach beglückwünschten Mitglieder des Front National und der Freiheitlichen Partei bereits Italiens Präsidenten.
„Die Welt ist verrückt geworden“, kommentierte Florence.
Thea senkte den Blick. Sie hatte die Bilder aus der Zukunft nie vergessen können, nun kehrten sie in einem Blitzlichtgewitter vor ihrem geistigen Auge zurück; ihr zerstörtes Zuhause, die menschlichen Überreste in den Straßen, das leblose, einsame Midgard. „Es wird so viel schlimmer“, flüsterte sie.
Experten wurden zugeschaltet, um rechtliche Fragen zu erläutern und Hypothesen aufzustellen, welche Reaktionen andere Staaten nun zeigen könnten. Italiens Wirtschaftslage wurde beleuchtet, ebenso das Ergebnis vergangener Wahlen präsentiert und eine Biographie des Präsidenten gezeigt, ehe die Pressekonferenz erneut über den Bildschirm flimmerte.
In die bedrückte Stimmung tönte Julis Handy. Energisch tanzte es auf dem Tisch, während die Musik zur Vibration spielte. Auf dem Display erschien das Bild von Frau Helmken. Kurzerhand nahm Thea das Gespräch an und entschuldigte sich sofort dafür, dass ihr Handy lautlos in der Tasche steckte. Besorgnis klang aus der Stimme ihrer Mutter. Thea beruhigte sie hörbar für alle. Wenn die Ereignisse noch immer den gleichen Verlauf nahmen, wie sie diese gesehen hatte, so würde ihnen genug Zeit bleiben, bis die Schwertzeit losbrach. Sie versprach Mats innerhalb der nächsten Stunde abzuholen und nach Hause zu kommen. Sie wollte Stärke zeigen, dennoch krampfte sich ihr Magen unangenehm zusammen. Wal-Freyas Mutter hatte ihr gesagt, dass die Zukunft ungewiss sei und Prophezeiungen nicht mehr stimmten. Die nächsten Stunden würden zeigen, welche Ereignisse Italiens Vorgehen mit sich brachte. Nachdem Thea aufgelegt hatte, ergriff sie Florences Hand. „Du solltest heute Nacht nicht alleine hierbleiben“, sagte sie.
Florence tätschelte Theas Bein. „Ich vertraue deiner Einschätzung, dass die Welt nicht über Nacht aus den Fugen gerät. Ich muss morgen zur Arbeit. Mach dir um mich keine Sorgen.“
Plötzlich sprang Juli auf. „Bei allen Göttern, Thea! Siehst du das auch?“, rief sie.
Aufmerksam hob die Fylgja den Kopf.
Thea blickte zurück auf den Fernseher, auf dem zum wiederholten Mal die Pressekonferenz lief. Der Liveticker brachte nichts Neues.
„Schau!“ Juli sprang vor, deutete aber genau dann auf das Bild, als dieses zum Nachrichtensprecher wechselte. Sie eilte zurück zur Couch, schnappte sich die Fernbedienung und öffnete über das Menü den Browser. Sie brauchte nicht suchen, um die Pressekonferenz zu finden. Das Video dazu wurde gleich auf der Startseite angezeigt. Schon sprang sie wieder auf und deutete auf eine Frau hinter dem Präsidenten.
Stirnrunzelnd folgte Thea dem Fingerzeig ihrer Freundin. Was sie dann erblickte, jagte ihr einen Stich in den Magen. Sie streckte den Rücken. „Meinst du ... das ist ...?“
„Sieh sie dir doch an!“, rief Juli.
Thea starrte auf die Frau dicht hinter dem Präsidenten. Lange schwarze Haare wallten über ihre Schultern. Unter einem Blazer trug sie eine weit ausgeschnittene Bluse. Ein Stiftrock unterstrich ihre schmale Figur und betonte ihre nackten Beine. Markante, geschwungene Augenbrauen wölbten sich über ihren dunklen Augen.
„Sie sieht ihr ähnlich“, sagte Thea, die genau wusste, worauf Juli hinaus wollte.
„Sie sieht ihr ähnlich?“, wiederholte Juli fassungslos. „Das ist sie! Ich meine er! Das ist Loki!“
„Loki?“, schaltete sich Florence ein.
Ungeduldig brummend zog sich Juli am Ohr. „Wie hatte er sich damals in Niflheim genannt?“
Thea starrte auf die Frau, die sich noch einmal zur Presse umdrehte, ehe sie dem Präsidenten durch den Ausgang folgte. Zufriedenheit spiegelte sich in ihrem Blick. „Assa hieß sie“, flüsterte Thea, mit einem Mal die Frau vor Augen, die sie damals in ihrer Zelle in Niflheim aufgesucht hatte. Es gab keinen Zweifel. Wut und Hass flammte in ihr auf. Loki hatte ihr so viel angetan und er trieb sein Spiel weiter. Nun rief sie Wal-Freya im Gedanken energischer an.
„Er ist es, verdammt!“, sagte Juli aufgeregt.
„Aber was macht er dort?“, wisperte Thea, während sie in ihren Erinnerungen wühlte. „Er hat gesagt, er hätte mit all dem, was über Midgard hereinbrach, nichts zu tun gehabt.“
„Als könne man ihm jemals ein Wort glauben. Es ist offensichtlich, dass er in dieser Sache ganz gewaltig seine Finger im Spiel hat. Wir sollten packen. Mir schwant, wir reisen in wenigen Stunden nach Italien. Ruf Wal-Freya!“
„Das habe ich schon.“
„Kinder, seid vorsichtig!“, beschwor Florence sie.
Juli lächelte. „Kinder sind wir lange nicht mehr. Sei unbesorgt, ich passe auf Thea auf, das habe ich immer.“
„Lass uns Mats abholen und auf Antwort von Wal-Freya hoffen.“ Mit zusammengepressten Lippen schaute Thea Toms Mutter an. „Willst du wirklich nicht mit uns kommen? Mir wäre wohler dabei.“
Eindringlich schüttelte Florence den Kopf. „Nein. Ich bleibe hier und gehe morgen zur Arbeit. Ich melde mich bei euch, wenn ich etwas brauche.“
Widerwillig erhob sich Thea. Es bereitete ihr Unbehagen Toms Mutter alleine zu lassen, doch Florence lächelte ihr aufmunternd zu und klopfte ihr auf den Oberschenkel. „Raus mit euch! Ihr solltet bereit sein, falls die Götter eure Hilfe brauchen.“
Sie stand auf, drückte die jungen Frauen zum Abschied und führte sie zur Tür. Geduldig wartete sie, bis die beiden im Auto saßen und winkte ihnen zu, bis sie sich aus den Augen verloren. Der Radiosender spielte einen italienischen Schlager. Im Anschluss an das Lied kommentierte die Moderatorin die Ereignisse um den EU-Ausstieg des Landes und rief alle Italiener dazu auf, Teil der Gemeinschaft zu bleiben. Eros Ramazzotti tönte aus den Lautsprechern.
„Loki hat nicht gelogen“, sagte Thea, nachdem sie sich die Zusammenhänge ein paar Mal hatte durch den Kopf gehen lassen. „Fast ausnahmslos die ganze EU kämpft mit ihren Arbeitslosenzahlen, es werden immer mehr Leute entlassen, obwohl die Firmen Gewinne einfahren. Er hat nur die Umstände genutzt, um den Präsidenten zu seinem Entschluss zu führen.“
Juli schnappte nach Luft. „Entschuldigst du sein Verhalten etwa schon wieder?“
„Ich versuche nur, die Wahrheit in seiner Aussage zu finden! Was glaubst du denn?“, knurrte Thea und krallte sich in ihrer Wut fest ans Lenkrad. „Ich muss die Stücke zusammensetzen, um zu verstehen, was als Nächstes geschehen wird. Ich habe Angst, Juli! Ich werde nicht zulassen, dass das, was ich sah, geschieht.“
„Aha! Jetzt bist du also doch davon überzeugt, dass das der Anfang vom Ende ist?“, fragte Juli.
„Es ist wahrscheinlich ein Puzzleteil des Ganzen. Ich versuche, Lokis Tun dabei zu entschlüsseln. Die Uneinigkeit und die harschen Worte untereinander, die gibt es nicht erst seit gestern.“
„Das ist richtig“, stimmte Juli zu.
Thea bog in die Straße mit den Fachwerkhäuschen ein und fuhr in den Hof von Marcos Eltern. Sie gab ihrem Bruder ein paar Minuten Zeit, um selbst auf sie aufmerksam zu werden. Als keine Reaktion auf ihre Anwesenheit erfolgte, stieg sie aus und klingelte. Juli begleitete sie.
„Wir haben dich nicht so früh erwartet“, verkündete Marcos Vater, nachdem er die Haustür öffnete.
„Wir waren schon eher bei unserem Termin fertig“, wich Thea aus.
„Oha! Wir backen gerade Waffeln. Wollt ihr mitessen?“
Thea rümpfte die Nase. „Nein, es tut mir leid. Wir haben es wirklich eilig.“ Sie trat ein und folgte Marcos Vater ins Wohnzimmer. Hier hockte Mats zusammen mit Marco am Tisch.
Empörung machte sich im Gesicht ihres Bruders breit. „Du bist zu früh!“
„Ich weiß, aber wir müssen los“, entschuldigte sich Thea.
Wütend ballte Mats die Fäuste auf dem Tisch. „Ich will noch bleiben!“
Marcos Mutter trat mit einem Teller und frischen Waffeln aus der Küche. „Wolltest du nicht erst um fünf Uhr kommen?“, staunte sie.
„So war es geplant“, erklärte Thea. Sie legte den Kopf schief und betrachtete ihren Bruder. „Bitte sei nicht störrisch! Wir erwarten Besuch von dort.“
Jedweder Widerstand, der aus dem Gesicht ihres Bruders abzulesen war, erstarb. „Von dort?“, wiederholte er.
Als Thea nickte, legte er seine angebissene Waffel zurück auf den Teller. Schon stand er auf, bedankte sich bei Marcos Eltern und verabschiedete sich von seinem Freund. Thea wuschelte ihm durch die Haare. „Danke, Kleiner.“
Mats sah sie vorwurfsvoll an, was Thea zum Lachen brachte. Er hasste es, wenn sie ihn so nannte, vor allem vor anderen Leuten, aber sie konnte nicht damit aufhören. Er war ihr kleiner Bruder, das würde sich in tausend Jahren nicht ändern. Sie entschuldigte sich noch einmal bei Marco und seinen Eltern für ihr überraschendes Aufschlagen und verabschiedete sich. Marcos Mutter gab Mats zwei Waffeln mit auf den Weg und bedachte Juli ebenfalls mit einer Portion, nachdem sie der enttäuschte Blick der jungen Frau traf.
„Wie du jetzt nur ans Essen denken kannst“, rügte Thea ihre Freundin auf dem Weg zum Auto.
„Diese Feststellung hat einen Bart“, erwiderte Juli mit einem Grinsen. „Du weißt doch, ich kann immer essen! Außerdem muss ich mich konzentrieren, dazu brauche ich einen gefüllten Magen.“
„Scherzkeks, du hast gerade einen halben Kartoffelgratin alleine gegessen!“
Lachend setzte sich Juli ins Auto. „Das ist schon ein Weilchen her.“
Thea wandte sich zu Mats um und vergewisserte sich, dass er angeschnallt war, erst dann fuhr sie los. Theas Eltern warteten schon an der Tür. Sie schlossen alle in die Arme und begleiteten sie ins Haus.
„Ist das der Anfang?“, fragte Theas Vater, nachdem er die Tür geschlossen hatte.
Thea zuckte die Achseln. „Ein Teil davon. Wir haben Loki in der Nähe des Präsidenten entdeckt. Es ist anzunehmen, dass er an der Idee der Abspaltung beteiligt ist.“ Wieder fühlte sie die Wut, die in ihr hochkochte, sobald sie den Namen des Feuergottes auch nur in den Mund nahm. Sie ballte kurz die Faust und atmete dabei ein. Sie musste sich beruhigen und einen klaren Kopf bewahren.
Ihr Vater hob ratlos die Hände. „Es ist eine Katastrophe! Die Börsenkurse fallen gerade ins Bodenlose. Frankreich hat sich bisher als einziges Land geäußert. Es fordert auf der Stelle Verhandlungen, zudem den freien Abzug aller Ausreisewilligen mit all ihrem Vermögen und ihren Habseligkeiten. Bei uns sind die ersten Idioten schon auf den Straßen unterwegs. Es gibt Versammlungen in einigen Städten, die auch unseren Austritt aus der EU fordern.“
Juli ballte die Fäuste. „Die Trottel sollten schätzen, was diese Union für Vorteile bringt, anstatt nur ihre Nachteile zu sehen! Ich weiß, wie es ist, wenn der ganze Kontinent im Krieg liegt.“
„Mit dem Unterschied, dass du von einer Zeit der Klingen sprichst. Heute wäre eine Auseinandersetzung zwischen den Ländern viel schlimmer“, erwiderte Thea.
„So lange liegt der letzte Krieg nicht zurück“, erinnerte Theas Vater.
„Wo Idioten herrschen, kann der Weise nur fassungslos zusehen“, rezitierte Thea.
Der besorgte Blick Mirjanas spiegelte einen Funken Zuversicht wider. „Noch gibt es Hoffnung. Es wird von Demonstrationen in zahlreichen Städten Italiens berichtet, die ein Einlenken der Regierung fordern. Leider sind wohl ebenso viele Gegendemonstranten auf die Straßen gezogen. Es sind nur vereinzelte Handyvideos verfügbar. Niemand weiß, was dort gerade genau passiert. Ausländische Berichterstattungen dringen nicht durch.“
Thea schüttelte fassungslos den Kopf. „Unglaublich.“
Theas Mutter drückte Mats an sich. „Was ...?“ Ihre Frage erstarb, als es heftig an die Tür pochte. Die Fylgja begann zu schnurren.
Mit hochgezogenen Augenbrauen sah Juli zu Thea. „Das ging schnell.“
Tatsächlich sollte ihre Freundin Recht behalten. Kaum öffnete der Vater die Tür, trat Thor ein, dicht hinter ihm folgte Wal-Freya. Theas Herz machte einen Sprung, als sie die Walküre erblickte. Liebevoll lächelte diese ihr zu und nahm sie in den Arm, noch ehe Thea das äußere Erscheinungsbild der Wanin näher betrachten konnte.
„Juli!“, brüllte Thor. Kurzerhand machte er einen Schritt auf sie zu, hob die junge Frau hoch und drehte sich einmal mit ihr um seine eigene Achse. Als er sie absetzte, gab er ihr ein gefaltetes Tuch in die Hand.
„Ein Geschenk? Das ist unfair! Ich wollte mich gerade über deine Aufmachung lustig machen. Trägst du wirklich Jeans?“, scherzte Juli und nahm die Aufmerksamkeit an. Als sie den Stoff aufschlug, öffnete sie ihren Mund vor Verzückung. „Pfannkuchen aus Asgard!“
Thor ergriff den Saum seiner dunkelblauen Kapuzenjacke und schwellte die Brust. „Ich wusste, dass du daran Freude haben wirst.“
Wal-Freya vergaß ihre guten Manieren nicht. Sie begrüßte erst Theas Vater und Mats, ehe sie sich der Mutter zuwandte. „Mirjana!“, sagte sie und ergriff ihre Hände. Verlegen senkte diese den Kopf, bevor sie ehrfürchtig den Namen der Göttin aussprach.
„Ich habe den Schrein gesehen, den du uns aufgestellt hast. Er ist ganz wundervoll“, sagte die Walküre.
„Oh ja“, stimmte Thor zu. „Ich liebe die Kekse!“
Mit vollem Mund erwiderte Juli erstaunt: „Die kannst du sehen?“
Der Donnergott verschränkte die Arme vor dem grauen Wollpullover und stellte fest: „Du warst wohl noch nie auf unserem Opferplatz in Asgard.“
„Den wird sie auch nie zu Gesicht bekommen! Er wäre leergefegt, wenn sie den entdecken würde“, kommentierte Wal-Freya trocken.
Juli lachte. „Hat man euch die Klamotten ebenfalls geopfert?“ Amüsiert musterte sie die Walküre von den Füßen aufwärts und unterstrich ihre Geste mit einem Fingerzeig.
„Das dient der Tarnung, Dummerchen“, erwiderte Wal-Freya mit einem liebevollen Zwinkern.
„Juli scherzt nur“, stellte Thor klar.
Wal-Freya rollte die Augen. „Ich weiß!“ Sie warf die dunklen Haare zurück und posierte vor Thea. Eine fest anliegende schwarze Hose mit hohen Stiefeln betonten ihre Figur, der enge Pullover und die Lederjacke ebenso. „Sieht gut aus, oder?“
„Atemberaubend“, sagte Theas Vater mit großen Augen und erntete dafür einen harten Knuff von seiner Frau. „Benimm dich, Thorsten!“
Wal-Freya schmunzelte. Sie legte ihren Arm um Thea und schob sie in Richtung Küche. „Du hast doch ganz sicher eine Tasse Kaffee für mich.“
„Wie kannst du jetzt an Kaffee denken?“, beschwerte sich Juli. „Europa bricht gerade auseinander!“
Tadelnd sah Wal-Freya über die Schulter. „Das wird es nicht in den nächsten zehn Minuten tun. Die Dinge müssen in Ruhe besprochen werden.“
„Aber!“, protestierte Juli.
Der Blick der Walküre blieb auf dem angebissenen Pfannkuchen in Julis Hand hängen. Entwaffnet zog Juli den Mund schief und folgte der Göttin.
Thea holte eine Tasse aus dem Schränkchen, ließ den Kaffee aus und stellte ihn vor der Walküre auf den Tisch. Mit einem wohligen Seufzen nahm Wal-Freya Platz, umfasste das Gefäß und streckte die Nase in den aufsteigenden Dampf.
„Willst du auch einen?“, fragte Thea den Donnergott, der hinter Juli, Mats und ihren Eltern in den Raum trat. Er winkte dankend ab, änderte seine Meinung allerdings, als ihm Theas Vater ein Bier anbot. Angelehnt an der Wand wartete der Donnergott ab, bis sich alle um den Tisch versammelten und stieß dann mit Theas Vater an, der ebenfalls stehen blieb.
Da sie sich nicht traute, es vor den anderen anzusprechen, schickte Thea Wal-Freya einen Gedanken. „Ich hatte gehofft, dass du Tom mitbringst.“
Wal-Freya machte ein Gesicht, als habe sie auf die Frage gewartet. „Midgard ist für die Lebenden“, erinnerte sie Thea ebenfalls im Gedanken.
Ehe Thea sich dazu äußern konnte, holte Juli Luft und polterte: „Also! Wie sieht der Plan aus? Wir fahren nach Italien und schnappen uns Loki?“
Tadelnd blickte Wal-Freya von ihrem Kaffee auf. „Zeig uns erst einmal die Aufnahme. Geht das?“
„Im Fernsehen läuft sie rauf und runter“, sagte Juli.
Theas Vater stupste seinen Sohn an. „Hol das Tablet, Mats.“
Der Junge sprang auf, eilte davon und kam Augenblicke später zurück. Alle legten die Ellenbogen auf den Tisch und lehnten sich über das Display. Thea hatte das Gefühl die Worte des Präsidenten mitsprechen zu können, so oft hatte sie diese bereits gehört. Irgendwann deutete Juli auf die Frau ihm Hintergrund. Als die Rede beendet war, warfen sich Thor und Wal-Freya vielsagende Blicke zu.
„Ist er es?“, fragte Theas Mutter.
„Es sieht ganz danach aus“, raunte Wal-Freya.
„Natürlich hat es ihn ausgerechnet in dieses Land verschlagen“, knurrte Thor.
Juli starrte die Walküre an. „Was nun?“
Nachdenklich faltete Wal-Freya die Hände vor ihrem Gesicht und legte das Kinn auf die Fingerspitzen. Ihr Blick wanderte zu allen Anwesenden, ehe er bei Thor verweilte. „Nach Italien?“, fragte sie.
Der Donnergott leerte die Flasche und stellte sie auf dem Küchentisch ab. Halb bestätigend, halb ratlos hob er die Schulter. „Er hat direkt in die Kamera geschaut. Es wirkte wie ein finsterer Gruß an uns. Wahrscheinlich ist er längst verschwunden.“
Juli suchte den Blickkontakt zur Walküre. „In Italien gibt es großartigen Kaffee.“
„Ach ja, ist das so?“, erwiderte Wal-Freya mit lachenden Augen.
Thea schüttelte den Kopf. „Ich wünsche mir nichts sehnlicher, als ihn zu fassen. Aber Thor hat Recht! Das führt zu nichts. Loki wird dort nicht mehr sein.“
Juli holte Luft. Bevor sie etwas erwidern konnte, hob Wal-Freya mahnend den Finger in Theas Richtung. „Sei sparsam damit, Thor Recht zu geben. Er wird sonst unerträglich.“
Grinsend verschränkte der Donnergott die Arme und nickte Thea zu.
Juli hob die Hände. „Aber was können wir stattdessen unternehmen? Wir dürfen nicht tatenlos rumsitzen und Kaffee trinken.“
„Das werden wir nicht“, versprach Thor.
Die Walküre schob Thea die Tasse zu und diese ließ einen weiteren Kaffee aus der Maschine, während Juli fragte: „Was hat Loki noch alles in der Zukunft angestellt? Er sammelte doch eine Anhängerschaft. Wie hieß sie gleich? Um das zu tun, muss er sich offen zeigen.“
Vorsichtig stellte Thea den Becher vor Wal-Freya ab. „Das geschah erst in der Zeit nach dem großen Krieg. Gerade ist Midgard ein friedlicher Ort“, antwortete sie.
„Nicht wirklich“, brummte Thor.
Juli ballte die Fäuste. „Und wo sollen wir Loki deiner Meinung nach stattdessen suchen?“
Ratlos hob Thea die Schultern. „Keine Ahnung.“
Alle zuckten zusammen, weil Thor verärgert gegen den Küchenschrank hieb. „Es ist seit Jahrhunderten das Gleiche! Dieser Hund ist nicht zu schnappen!“
„Glitschig wie ein Lachs“, stimmte Wal-Freya zu. „Immer wenn man das Gefühl hat, ihn gepackt zu haben, rutscht er einem aus den Händen.“
„Das hilft uns auch nicht weiter“, knurrte Juli.
„Ihr solltet gehen“, mischte sich Theas Vater unerwartet ein.
„Was? Wie jetzt?“, staunte Juli.
„Macht etwas, mit dem Loki nicht rechnet. Wenn er so ein schlauer Fuchs ist, wie alle behaupten, wird er eure Überlegungen voraussehen. Handelt anders! Reist nach Italien!“
Thea runzelte die Stirn. „Du glaubst, er ist noch da?“
Der Vater hob die Schultern. „Wo sollte er sonst hin?“
„Weit weg von dem Ort, an dem wir ihn finden können“, brummte Thor.
„Seine Getreuen sammeln“, beharrte Juli.
Thea schüttelte den Kopf. „Das geschieht erst später.“
Entnervt hob ihre Freundin die Arme. „So genau kannst du das doch gar nicht wissen.“
Thor setzte einen Schritt an den Tisch vor und stützte sich auf seine geballten Fäuste. „Es ist unsere einzige Spur. Ich stimme Thorsten zu, wir sollten aufbrechen.“
Seufzend bewegte Wal-Freya den Kaffeebecher in der Hand und betrachtete seinen Inhalt, ehe sie den letzten Schluck nahm und sich erhob. „Dann los. Packt eure Sachen zusammen.“
„Ihr wollt mit euren Wagen nach Italien reisen?“, staunte Juli.
„Was sonst?“, erwiderte Thor.
„Na, vielleicht nehmen wir besser ein Auto oder einen Zug. Auf den Wagen erregen wir doch nur Lokis Aufmerksamkeit“, protestierte Juli.
Thea lächelte. „Darf ich dich daran erinnern, dass die Grenzen geschlossen sind? Das wird eine kurze Zugfahrt.“
„Darf ich dich im Gegenzug daran erinnern, dass wir es nie geschafft haben, irgendwo verborgen oder unbemerkt aufzukreuzen?“, versetzte Juli und deutete dabei mit vorwurfsvoller Miene auf Thor und Wal-Freya.
Die Walküre hob den Finger. „Lass mich aus dem Spiel. Ich kann durchaus unauffällig reisen.“
Alle Blicke richteten sich auf den Donnergott. Dieser prustete abwehrend.
„Juli hat Recht! Wir nehmen die Pferde“, entschied Wal-Freya.
„Ich setze mich auf keinen Gaul!“, wehrte Thor sofort ab.
„Du bleibst also wieder zurück?“, erwiderte die Walküre scharfzüngig.
Der Donnergott schnaubte abfällig. „Niemals! Ihr braucht mich!“
Wal-Freya stand auf und gab Thor einen Knuff. „Dann komm! Wenn Juli nicht aus dem Sattel gefallen ist, schaffst du das auch.“
Zum ersten Mal schaltete sich Theas Mutter in das Gespräch ein. „Muss sie denn dabei sein?“, fragte sie und blickte zu ihrer Tochter.
„Um den Weltenbrand zu verhindern, ist es erforderlich, dass wir Kyndill zurückbekommen. Das hat oberste Priorität. Sollten wir Loki zu fassen bekommen, wird Thea Kyndill an sich nehmen. Sie ist neben Loki die einzige Person, die das Schwert gefahrlos berühren kann“, erinnerte Wal-Freya.
„Aber was, wenn es Krieg gibt? Die Zeiten waren nie unsicherer.“
Ein mitfühlendes Lächeln glitt über Theas Lippen. Sie ergriff die Hand ihrer Mutter und drückte diese liebevoll. In den letzten Monaten hatten sie ausführlich über die Dinge gesprochen, die Thea widerfahren waren. Dabei hatte Thea die Geschehnisse ihrer vergangenen Leben nicht ausgespart.
„Sie waren es“, sagte Thea bedeutungsvoll und ihre Mutter nickte verstehend.
„Ich werde mich nie daran gewöhnen, dass ich eine Tochter habe, die so viel älter ist als ich“, seufzte sie.
Wal-Freya legte den Kopf schief. „Es ist ungewöhnlich, aber nicht undenkbar.“ Sie schob Thor nach draußen und wandte sich noch einmal zu Thea und Juli um. „Packt eure Sachen, wir sind vor Sonnenuntergang zurück.“ Mit diesen Worten schloss sie die Tür.