Читать книгу 3. Die Marquise de Brinvilliers - Alexandre Dumas d.Ä. - Страница 6
Der erste Giftmord
ОглавлениеEs war Zeit zu handeln. M. D'Aubray, der erschöpft von der Arbeit war, würde einige Tage in seinem Schloss Offemont verbringen. Die Marquise bot an, ihn zu begleiten. M. D'Aubray, im Glauben, dass ihre Beziehung zu Sainte-Croix zerbrochen war, nahm ihr Angebot freudig an. Offemont war genau der richtige Ort für ein derartiges Verbrechen. Mitten im Wald von Aigue, drei oder vier Meilen entfernt von Compiegne, würde es für jede effiziente Hilfe zu spät sein, wenn die schnelle Wirkung des Giftes eingesetzt hätte.
D'Aubray brach mit seiner Tochter und nur einem Bediensteten auf. Die Marquise war nie so liebevoll, so besonders aufmerksam, gegenüber ihrem Vater gewesen wie auf dieser Reise. Und M. D'Aubray, wie Jesus Christus – in dem auch ohne eigene Kinder das Herz eines Vaters schlug – liebte seine nun reumütige Tochter mehr als wenn sie nie vom Weg abgekommen wäre. Zudem profitierte die Marquise von ihrem schrecklich ruhigen Anblick, den wir bereits in ihrem Gesicht bemerkt haben. Während sie immer bei ihrem Vater war, im Zimmer neben ihm schlief, mit ihm aß, sich in jeder Hinsicht darum kümmerte, dass er es gut hatte, immer rücksichtsvoll und hingebungsvoll, und keiner anderen Person erlaubte, etwas für ihn zu tun, musste sie ein lächelndes Gesicht wahren, in dem selbst das misstrauischste Auge nichts entdecken würde, außer der Zärtlichkeit einer liebenden Tochter, obwohl sie die niederträchtigsten Vorhaben im Herzen trug. Mit dieser Maske brachte sie ihm eines Abends eine Suppe, die sie vergiftet hatte. Er nahm sie in seine Hände; mit ihren Augen verfolgte sie, wie er die Tasse an seine Lippen führte und die Suppe trank, mit einer unverfrorenen Contenance verbarg ihr Äußeres jegliche Anzeichen der fürchterlichen Angst, die ihr innerlich fast das Herz zum Zerspringen gebracht haben musste. Nachdem er die Suppe ausgetrunken hatte und sie ihm mit ruhigen Händen die Tasse und die Untertasse abgenommen hatte, ging sie zurück in ihr eigenes Zimmer, wartete und horchte.....
Die Wirkung zeigte sich schnell. Die Marquise hörte ihren Vater stöhnen, dann hörte sie ihn ächzen. Letztendlich hielt er sein Elend nicht mehr aus und rief nach seiner Tochter. Die Marquise ging zu ihm. Nun jedoch mit einem Gesicht, das so lebhafte Angst zeigte, dass es nun an M.
D'Aubray war, zu versuchen, seine Tochter wegen seines Zustandes zu beruhigen. Er dachte, dass es nur ein vorübergehendes Unwohlsein war, und wollte nicht, dass der Arzt gestört würde. Doch dann übermannte ihn ein furchtbarer Brechreiz, gefolgt von derart unerträglichen Schmerzen, dass er dem Flehen seiner Tochter nachgab und sie doch darum bat, Hilfe zu holen. Gegen acht Uhr morgens kam ein Arzt, doch zu dieser Stunde war bereits alles im Körper abgebaut, was während einer wissenschaftlichen Untersuchung hätte Aufschluss geben können. Der Arzt konnte aus der Beschreibung von M. D'Aubray nichts heraushören, was man nicht einer Verdauungsstörung zuschreiben konnte. Er gab ihm Medikamente und machte sich auf den Rückweg nach Compiegne.
An jenem Tag wich die Marquise nicht mehr von der Seite ihres Vaters. In der Nacht richtete sie sich eine Schlafstätte in seinem Zimmer ein und erklärte, dass niemand außer ihr an seinem Bett sitzen darf. Auf diese Weise konnte sie den Verlauf der Krankheit und den Kampf zwischen Leben und Tod im Körper ihres Vaters mit eigenen Augen beobachten. Am nächsten Tag kam der Arzt erneut: M. D'Aubray ging es schlechter. Die Übelkeit hatte zwar nachgelassen, doch die Bauchschmerzen wurden immer heftiger. Ein Feuer schien sich durch seine Organe zu brennen, eine Behandlung wurde angeordnet, die seine Rückkehr nach Paris erforderte. Bald war er aber so schwach, dass er es für das Beste hielt, nur nach Compiegne zu reisen, doch die Marquise bestand so beharrlich darauf, dass nirgendwo besserer Rat zu finden sei, als in seiner Heimat, dass er sich schließlich entschied, doch weiter zu fahren. Er brach in seiner eigenen Kutsche auf und lehnte sich an die Schulter seiner Tochter, die sich weiterhin auf dieselbe liebevolle Weise um ihn kümmerte: Endlich erreichte M. D'Aubray Paris.
Alles geschah, wie die Marquise es sich erhofft hatte; denn die Umstände hatten Sich nun geändert: Der Arzt, der die Symptome gesehen hatte, würde zum Zeitpunkt des Todes nicht anwesend sein, niemand könnte also durch Beobachtung des Krankheitsverlaufes die Ursachen herausfinden. Der rote Faden im Untersuchungsverlauf wurde in der Mitte entzweit, und beide Enden waren nun zu weit voneinander entfernt, um wieder zusammengefügt zu werden. Trotz der besten Behandlung und Aufmerksamkeit verschlechterte sich M.
D'Aubrays Zustand immer weiter; die Marquise spielt ihre Rolle bis zum Schluss, wich nicht eine Stunde von der Seite ihres Vaters. Nach vier qualvollen Tagen starb er endlich in den Armen seiner Tochter und segnete jene Frau, die seine Mörderin war. Ihre Trauer brach unkontrolliert aus. Ihr Schluchzen und ihre Tränen waren so herzzerreißend, dass ihre Brüder in seiner Trauer dagegen fast schon kalt wirkten. Niemand vermutete einen Mord, also wurde auch keine Autopsie durchgeführt. Das Grab wurde zugeschüttet und sie zog nicht den geringsten Verdacht auf sich.
Doch die Marquise bekam nur die Hälfte von dem, was sie sich erhofft hatte. Natürlich hatte sie nun mehr Freiheiten in ihrem Liebesleben, doch der Nachlass ihres Vaters war nicht so vielversprechend wie erwartet: Der Großteil seiner Besitztümer, einschließlich sein Geschäft, wurden dem älteren Bruder und dem zweiten Bruder, der Parlamentsmitglied war, vererbt. Die finanzielle Situation der Marquise verbesserte sich nur geringfügig.