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Die nächsten Morde

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Nun, da die Trauerzeit vorüber war, war die Beziehung zwischen der Marquise und Sainte-Croix so offen und bekannt wie zuvor. Die beiden Brüder d'Aubray störten die Beziehung, indem sie eine ältere Ordensschwester aus dem Carmelite-Kloster als Aufpasserin einstellten, die Marquise merkte schnell, dass ihr Vater ihre beiden Brüder am Totenbett beauftragt hatte, sich um sie zu kümmern und sie zu überwachen. So hatte sie ihr erstes Verbrechen völlig umsonst begangen: Sie wollte diesen ständigen Tadel ihres Vaters loswerden und dazu sein Vermögen erben. Was aber wirklich geschah, war, dass ihr Vermögen zugunsten ihrer älteren Brüder so stark reduziert worden war, dass es kaum reichte, um ihre Rechnungen zu bezahlen, während sie von Neuem unter den Zwängen und Tadeln zu leiden hatte, ihre beiden Brüder als Vormund und einer von ihnen war Zivil-Leutnant, er hatte die Macht, sie erneut von ihrem Geliebten zu trennen. Das musste verhindert werden. Lachaussee beendete seine Arbeit als Diener Sainte-Croix', wurde durch das Geschick der Marquise drei Monate später als Diener des älteren Bruders angenommen und lebte fortan mit dem Zivil-Leutnanten in einem Haus.

Das Gift durfte in diesem Fall nicht so schnell wirken wie das, das für M. D'Aubray genommen wurde, denn zwei derart brachiale Todesfälle in so kurzer Zeit und in derselben Familie könnten Verdacht erwecken. Wieder einmal wurde experimentiert, nicht an Tieren – ihr Organismus funktioniert anders und das könnte zu falschen Ergebnissen führen – wie zuvor wurden die Experimente an Menschen durchgeführt. Wie zuvor wurde ein „Corpus Vile“ erwählt. Die Marquise war als eine fromme und wohltätige Frau angesehen, es kam nicht oft vor, dass sie den Armen, die sie um Hilfe baten, nicht auch helfen konnte. Darüber hinaus zählte sie zu jenen Frauen, die sich mit Hingabe in die Dienste der Kranken stellten, und sie ging zu Krankenhäusern, um Wein und andere Medikamente zu verteilen. So überraschte es niemanden, als sie völlig selbstverständlich im Hôtel Dieu erschien. Dieses Mal brachte sie Kekse und Küchlein für rekonvaleszente Patienten mit, die wie immer mit großer Dankbarkeit angenommen wurden. Nach einem Monat stattete sie einen weiteren Besuch ab und fragte, wie es einigen Patienten ging, die sie besonders interessiert hatten: Sie alle hatten seit ihrem letzten Besuch einen Rückfall erlitten – ihre Krankheiten äußerten sich in veränderter Weise mit stärkeren Symptomen. Eine Art tödliche Erschöpfung die sie langsam bis zum Tode verfallen ließ. Sie stellte Fragen, doch die Ärzte konnten es sich nicht erklären. Diese Krankheit war ihnen gänzlich unbekannt und resistent gegen jede Art der Behandlung. Zwei Wochen später kam sie wieder. Einige der kranken Leute waren gestorben, andere waren noch am Leben, aber sterbenskrank, lebende Skelette, denen nur noch die Fähigkeiten zu sehen, zu sprechen und zu atmen geblieben zu sein schienen. Nach zwei Monaten waren sie alle gestorben, und die Ärzte waren genauso ratlos über ihren Tod wie auch während der Behandlung der Sterbenden.

Experimente, die so erfolgreich liefen, waren beruhigend, also gab man Lachaussee Instruktionen. Eines Tages klingelte der Zivil-Leutnant nach seinem Diener, der, wie zuvor erwähnt, Lachaussee war, und Lachaussee kam zu ihm, um Befehle entgegenzunehmen. Er fand den Leutnant bei der Arbeit vor, zusammen mit seinem Sekretär Couste, und der Leutnant verlangte nach einem Glas Wein und Wasser. Kurz darauf brachte Lachaussee das Bestellte. Der Leutnant setzte das Glas an seine Lippen, trank einen kleinen Schluck, und schob es wieder beiseite. Er schrie: „Was hast du mir gebracht, du Dummkopf? Willst du mich vergiften?“ Er gab das Glas dem Sekretär sagte: „Couste, sehen Sie sich das an! Was ist das für ein Zeug?“ Der Sekretär gab ein paar Tropfen auf einen Teelöffel, hielt ihn sich an die Nase und dann an den Mund. Das Getränk roch und schmeckte nach Vitriol. Lachaussee ging zum Sekretär und sagte ihm, dass er wusste, was der Grund sein musste: Einer der Hausdiener hatte am Morgen ein Medikament eingenommen und nun hatte er wohl versehentlich das benutzte Glas seines Kollegen gebracht. Er sagte es und schon hatte er das Glas aus der Hand des Sekretärs genommen, es selbst an seine Lippen gesetzt und so getan, als würde er von dem Wein probieren, und dann sagte er, dass es an seiner Vermutung keinen Zweifel gäbe, denn er erkannte den Geruch wieder. Dann schüttete er den Wein in den Kamin.

Der Leutnant hatte nicht genug getrunken, um davon etwas zu spüren und vergaß den Vorfall bald, sowie auch das Misstrauen, das er in dem Moment gehegt hatte. Sainte-Croix und der Marquise wurde klar, dass sie einen Fehler gemacht hatten, und da sie nun wussten, dass auch andere Leute in ihren Racheplan mit hineingezogen werden könnten, wollten sie anders vorgehen. Drei Monate vergingen ohne eine passende Gelegenheit. Doch dann fuhr der Leutnant an einem frühen Apriltage mit seinem Bruder zu seinem Landsitz Villequoy in Beauce, um dort die Osterfeiertage zu verbringen. Lachaussee war sein Hauptangestellter und bekam seine Instruktionen zum Zeitpunkt der Abreise.

Am Tag nach ihrer Ankunft auf dem Landsitz gab es Taubenpasteten zum Abendessen: Sieben Personen hatten davon gegessen und fühlten sich nach der Mahlzeit unwohl, drei Personen, die nicht davon gegessen hatten, ging es gut. Am intensivsten wirkte die vergiftete Pastete beim Leutnant, beim Ratsherrn und beim Kommandanten der Wache. Er hatte vielleicht mehr gegessen, oder möglicherweise hatte die geringe Menge Gift, die er beim Kosten des Weines eingenommen hatte, ihr Übriges getan, jedenfalls litt der Leutnant nach zwei Stunden als erster unter Brechreiz, der Ratsherr hatte dieselben Symptome. Der Kommandant und die anderen waren für mehrere Stunden Opfer fürchterlicher Schmerzen, obgleich ihr Zustand nicht so schwerwiegend war wie der der Brüder. Und wieder war jede ärztliche Hilfe ohne Nutzen. Am 12. April, fünf Tage nach ihrer Vergiftung, kehrten der Leutnant und sein Bruder zurück nach Paris, so verändert, dass jeder annehmen würde, sie hätten schon lange an einer langwierigen furchtbaren Krankheit gelitten. Madame de Brinvilliers verbrachte jene Zeit auf dem Lande und kam während der gesamten Zeit, in der ihre Brüder krank waren nicht zurück. Bereits bei der ersten Untersuchung des Leutnanten hatten die Ärzte keine Hoffnung. Es waren dieselben Symptome, denen bereits ihr Vater erlag, folglich nahmen sie an, dass es sich um eine unbekannte Krankheit handelte, die in der Familie lag. So gaben sie jede Hoffnung auf Heilung auf. In der Tat verschlimmerte sich sein Zustand drastisch, er verweigerte ausnahmslos jede Art von Nahrung und erbrach sich ununterbrochen. An den letzten Tagen klagte er über ein Feuer, das in seiner Brust brannte, dessen Flammen bis zu seinen Augen loderten, die noch das einzige Lebendige an seinem Körper zu sein schienen, so sehr glich er bereits einer Leiche. Am 17. Juni 1670 verstarb er, in 72 Tagen hatte das Gift seine Arbeit vollständig getan.

Misstrauen begann aufzukeimen: Der Körper des Leutnanten wurde geöffnet und ein formeller Bericht wurde angefertigt. Die Obduktion wurde im Beisein der Chirurgen Dupre und Durant, dem Apotheker Gavart und M. Bachot, dem privaten Arzt der Brüder, durchgeführt. Sie sahen, dass der Magen und das Duodenum schwarz verfärbt waren und sich zersetzten, die war Leber durch ein Gangrän zerstört. Sie sagten, dass ein solcher Zustand der Organe das Resultat einer Vergiftung sein müsste, doch da auch gewisse Launen des Körpers für ähnliche Erscheinungen verantwortlich sein könnten, konnten sie nicht mit Sicherheit behaupten, dass die Todesursache des Leutnanten nicht natürlich war, so wurde er ohne weitere Nachforschungen begraben.

Die Autopsie war ein Wunsch des Privatarztes Dr. Bachot gewesen, auch der Arzt des Bruders. Da der jüngere Bruder unter denselben Beschwerden litt, hoffte der Arzt, durch den Tod des einen ein Mittel zu finden, den anderen zu retten. Der Ratsherr litt unter heftigem Fieber und sein Körper und Verstand waren ständig rastlos: Er hielt es nicht länger als ein paar Minuten aus, in einer Haltung zu bleiben. Das Bett war eine Folterbank, stand er jedoch auf, schrie er, dass er wieder ins Bett wollte, und wenn es nur dafür war, dass seine Qualen dann woanders zu spüren waren. Nach drei Monaten starb er. Sein Magen, sein Duodenum und seine Leber waren alle im selben Zustand, zerstört, wie bei seinem Bruder. Jedoch war sein Körper auch an der Oberfläche verbrannt, was die Ärzte als kein typisches Anzeichen einer Vergiftung werteten, obwohl sie hinzufügten, dass eine manchmal auftretende Cacochyme ähnliche Effekte hervorrief. Lachaussee war so unverdächtig, dass der Ratsherr ihm als Anerkennung für seine Pflege während seiner Krankheit ein Erbe von 100 Kronen in seinen letzten Willen eintragen ließ. Zusätzlich erhielt er tausend Franken von der Marquise und Sainte-Croix.

Soviel Unglück, das eine einzige Familie traf, war nicht nur traurig, sondern auch alarmierend. Der Tod kennt keinen Hass: Der Tod ist taub und blind, nichts weiter, und die rücksichtslose Zerstörung aller, die einen Familiennamen trugen, verwunderte alle. Nichtsdestotrotz verdächtigte niemand die wahren Täter, die Ermittlungen brachten keine Ergebnisse, Nachforschungen führten ins Nirgendwo. Die Marquise zeigte Trauer um ihre Brüder, Sainte-Croix schritt weiterhin auf dem Pfad des Leichtsinns, und alles lief so weiter wie zuvor. In der Zwischenzeit hatte Sainte-Croix Bekanntschaft mit Sieur de Saint Laurent geschlossen, demselben Mann, den Penaultier erfolglos um eine Stelle gebeten hatte, und sie waren Freunde geworden. Penautier hatte währenddessen das Erbe seines Schwiegervaters, Sieur Lesecq, angetreten, dessen Tod höchst unerwartet eintrat. Dadurch gingen ein zweiter Posten in Languedoc und viele Ländereien in seinen Besitz über. Er jedoch begehrte noch immer eine Stelle als Verwalter des Klerus. Wieder einmal half ihm das Glück. Wenige Tage nachdem er von Sainte-Croix einen Diener namens George angenommen hatte, wurde M. de Saint-Laurent krank und zeigte ähnliche Symptome, wie schon die d'Aubrays, der Vater und seine Söhne; doch es ging viel schneller, nur 24 Stunden. Genau wie zuvor die d'Aubrays erlag er fürchterlichen Qualen. Am selben Tag erhielt er Besuch von einem Offizier des Herrscherhofs, der alle Details zum Todesfall seines Freundes erfuhr, und als man ihm die Symptome beschrieb, sagte er vor den Augen der Diener zum Notar Sainfray, dass der Körper untersucht werden müsste. Eine Stunde später verschwand George, ohne ein Wort zu irgendjemanden zu sagen, sogar auf sein Gehalt verzichtete er. Verdächtigungen kamen auf, blieben jedoch wieder einmal vage. Die Ergebnisse der Autopsie deuteten nicht auf die Folgen einer Vergiftung der inneren Organe hin, denn das Gift hatte dieses Mal nicht die Zeit, die Organe zu verbrennen, wie im Fall der d'Aubrays, lediglich rote Punkte wie Flohbisse waren zu erkennen. Im Juni erhielt Penautier den Posten, den vorher Saint-Laurent bekleidet hatte.

Die Witwe hegte jedoch einen Verdacht, der fast zur Sicherheit wurde, als George geflohen war. Ein gewisser Umstand half, dass ihre Zweifel fast zur Sicherheit wurden. Ein mit ihrem Ehemann befreundeter Abbe, der über die Flucht von George Bescheid wusste, hatte ihn einige Tage später in der Rue des Masons, nahe der Sorbonne, gesehen. Sie waren beide auf derselben Seite eines Heuwagens, der den Weg blockierte. George hob den Kopf, erkannte den Freund seines letzten Meisters, bückte sich und kroch unter dem Heuwagen durch. Er riskierte, überrollt zu werden, um dem Blick des Mannes auszuweichen, dessen Erscheinung in ihm das Verbrechen und die Angst vor der Bestrafung dafür wachriefen.

3. Die Marquise de Brinvilliers

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