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Kapitel 13

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Nick und Selena befanden sich seit einer halben Stunde im Haus. Die Fenster waren geöffnet. Ein leichter Wind vertrieb die abgestandene Luft.

Ein großer orientalischer Teppich bedeckte den Holzfußboden im Hauptraum mit einem komplizierten Muster aus Blau- und Rottönen. Eine lange, braune Ledercouch und zwei Stühle waren vor einer Feuerstelle aus abgerundeten Flusssteinen gruppiert.

Der Wohnbereich und die Küche waren durch eine breite Granitarbeitsplatte mit einem Muster aus wirbelnden hellen und dunklen Farben getrennt. Ein Deckenventilator drehte sich über einem antiken, französischen Landküchentisch. Die Hintertür führte neben dem Kühlschrank nach draußen. Rechts vom Wohnbereich führte ein Flur zu einem Bad und zu Schlafzimmern.

Nick setzte sich mit dem Paket an den Tisch. Selena öffnete eine Weinflasche und holte zwei Gläser aus einem Schrank über dem Tresen. Sie setzte sich ihm gegenüber und goss ein.

»Das ist ein guter Wein, Silver Oak. Mögen Sie Cabernet?«

»Ja. Bereit, einen Blick auf das hier zu werfen?«

»Nur zu.«

Nick nippte am Wein. Er holte sein Messer heraus und zerschnitt die Verpackung. Eine dunkle Holzkiste kam zum Vorschein.

»Das ist die Kiste von dem Buch. Sie war auf dem Schreibtisch meines Onkels.«

Er öffnete die Kiste. Das Buch war etwa 45 cm lang und 25 cm breit. Die Buchdeckel waren gesprungenes, fleckiges Holz mit Resten von roten Schnüren, die einmal die Seiten zusammengehalten hatten. Er entfernte den Holzdeckel. Die Schrift auf der Seite war für ihn absolut nicht zu identifizieren.

»Das ist Sanskrit«, sagte Selena. »Diese Seite ist in Devanagari geschrieben. Kaligraphie und Stil lassen auf etwa 1200 nach Christus vermuten. Der Rest des Sanskrit-Teils ist in Rgvedic. Das ist eine viel ältere Form. Diese Seite wurde zu einem späteren Zeitpunkt hinzugefügt.«

»Sie können das lesen?«

»Ja. Die Sprache habe ich jahrelang studiert.«

»Was steht da?« Er zupfte an seinem bandagierten Ohr.

»Es ist ein Gebet an den barmherzigen Buddha, eine Art Einleitung. Das ist typisch für einen buddhistischen Text. Aber dies ist kein buddhistisches Werk. Der Schreiber sagt, es sollte wegen seines medizinischen Wissens studiert werden, aber man solle nicht alles wörtlich verstehen. Der Text des Buches ist älter als der Buddhismus.«

Nick blätterte die Seite mit der Klinge seines Messers um. Selena fuhr mit ihrem Finger über das Geschriebene.

»Jetzt haben wir das alte Skript. Das Wort hier bedeutet Schatz. Dieses hier bedeutet Reise oder Trip. Das hier Karte. Und das hier ist ›endloses Leben‹. Diese Worte hier bedeuten übersetzt ›Goldener Garuda‹. Das Buch heißt also ›Der Goldene Garuda‹ und enthält Hinweise, um den Schatz des endlosen Lebens zu finden.«

»Was ist ein Garuda?«

»Ein großer mythischer Vogel, wie ein Adler auf Steroiden, manchmal halb Mensch, halb Vogel. Er tritt zum ersten Mal in den Veden auf. Das sind die frühesten Aufzeichnungen von indischen religiösen Lehren, so gegen 1700 vor Christus.«

Die nächste Seite war ein ausführliches anatomisches Diagramm eines nackten Mannes in der Hocke, der über seine Schulter auf eine stilisierte Sonne schaute. Es war erkennbar, aber in einem Stil, der weit von modernen Zeichnungen entfernt war.

»Das ist ein Diagramm der Blutzirkulation. Gezeichnet Jahrhunderte, bevor Harvey sie im Westen entdeckt hat.«

Er nahm noch einen Schluck Wein. Sie beugte sich vor und zeigte auf die nächste Seite.

»Diese Seite ist eine Warnung. Dieses Wort bedeutet Gefahr oder Unglück. Da ist ein Satz über das Bewachen oder das Verstecken von irgendetwas. Ich kann es nicht ganz entziffern, da ist die Seite beschädigt, aber es geht um einen großen König oder Kaiser.«

»Der Kaiser von China?«

»Möglich. Soweit ich das erkennen kann, besagt die Passage, große Gefahr wartet auf den, der den Informationen dieses Buches nachgeht.«

Das Geräusch eines Autos war draußen zu hören.

Nick sah Selena an. »Erwarten Sie jemanden?«

»Nein.«

»Ich habe ein Auto gehört.«

»Ich auch.«

Er ging zum Fenster, konnte aber niemanden sehen. Die Felsen verbargen, wer auch immer dort war. Ein Motor ging aus, Türen wurden leise geschlossen.

Er zog die .45er aus seinem Holster. »Wir haben Gesellschaft. Nehmen Sie das Buch.«

Selena legte das Buch in seine Kiste und steckte sie in eine Tüte, die sie unter der Spüle hervorzog.

»Was ist hinter dem Haus?«

Sie strich ein Haar zur Seite. »Da ist ein Pfad runter zum Fluss. Er führt am Eingang der Mine vorbei.«

Nick erinnerte sich an Häuser in Afghanistan und Irak, wo in jedem Zimmer der Tod wartete. »Ich mag es nicht, im Haus zu sein. Da gibt es keinen Ausweg. Wer auch immer das ist, ist bestimmt aus keinem guten Grund hier. Sonst wären sie einfach vorgefahren. Sie werden meinen Truck gesehen haben, also wissen sie, dass jemand hier ist. Ich denke, sie sind hinter dem Buch her.«

»Wie könnten sie wissen, dass wir hier sein würden oder wo das Buch war?«

»Keine Ahnung. Aber ich möchte auch nicht warten und sie fragen. Sind Sie für einen Sprint zu haben?«

»Zum Fluss?«

»Genau. Dann müssen sie durch das Gras auf uns zukommen und ich kann sie sehen. Sie können uns zwar auch sehen, aber das ist besser, als hier drin gefangen zu sein. Ich werde uns Deckung geben.«

Er öffnete die Hintertür. Ein Hang mit braunem Gras führte hinunter zum Fluss.

»Sie zuerst, Sie kennen den Weg. Ich werde gleich hinter Ihnen sein. Lassen Sie es uns bis zur anderen Seite des Hügels schaffen und dann sehen wir weiter. Bereit?«

Sie nickte.

»Los!«

Sie rannte. Nick folgte ihr. Selena war schnell, und er war froh, in Form geblieben zu sein. Er blickte zurück und sah einen Mann eine Waffe heben.

Er hechtete nach vorn und warf Selena zu Boden, gerade als der Eindringling eine lange Salve losließ. Uzi, dachte er. Nick zielte und schoss zwei Mal. Der Schütze blieb für eine Sekunde stehen, dann brach er zusammen und sank ins Gras.

Während er Selena auf die Füße zog, trat ein großer Mann auf der Veranda um die Ecke. Nick feuerte und der Mann duckte sich. Sie rannten wieder los. Der ratternde Klang einer Uzi folgte ihnen. Ein Mann mit einer Pistole rannte hinter dem Haus hervor und feuerte drei schnelle Schüsse ab, die in einem Flüstern heißer Luft vorbeizischten. Nick begab sich in Schützen-Haltung. Zwei Hände, zielen, einatmen, den Abzug drücken, feuern. Zwei Kugeln, die .45er ruckte in seinen Händen. Der Mann ging schreiend zu Boden.

Sie rannten. Eine weitere Salve von automatischem Feuer schlug hinter ihnen in den Boden. Sekunden später hörte er drei Pistolenschüsse und spürte die Kugeln vorbeifliegen. Sie erreichten den Hügel. Er sah den Mineneingang, mit alten Brettern versperrt. Hinter dem Hügel waren weite Felder und das glatte Flussbett. Es gab keine Deckung.

»Zur Mine«, rief er.

Selena wechselte mit schwingenden Armen die Richtung. Sie erreichten den Eingang und er zertrat die Bretter. Sie flüchteten in die Mine.

Im Tunnel war es kühl nach der heißen Junisonne von draußen. Am Boden verstreut lagen von der Decke gestürzte Steine. Selena stützte ihre Hände auf die Knie und beugte sich nach vorn, um Luft zu holen. Die Plastiktüte mit dem Buch hielt sie umklammert.

»Was machen wir nun?«

»Wir sind zu nah am Eingang«, sagte er. »Wir ziehen uns zurück. Kommt jemand rein, werde ich ihn erschießen.«

Sie zogen sich weiter in den Tunnel zurück, bis das Licht nachließ. Eine große, leere Erzlore stand rostend auf Schienen, die in der Schwärze der Mine verschwanden. In dem schwachen Licht konnten sie vom Eingang aus nicht gesehen werden.

»Wie viele sind es?«, fragte Selena.

»Mindestens drei. Zwei von ihnen sind erledigt. Vielleicht nur noch ein weiterer.«

Nick dachte über ihre Situation nach. Taktische Einschätzung, eine alte Angewohnheit.

»Wir sind waffentechnisch unterlegen«, sagte er. »Sie haben automatische Waffen. Wie wär's wenn Sie in die Lore steigen? Dann sind Sie gut geschützt.«

»Was ist mit Ihnen?«

»Ich werde mich hinter den Wagen begeben. Das bietet mir Schutz und ich kann mich bei Bedarf bewegen.«

»Wie kommen wir hier wieder raus?«

»Wir warten, bis es dunkel ist. Das sind noch ein paar Stunden. Dann schleichen wir uns raus. Das Beste, was mir momentan einfällt.«

Selena kletterte in die Erzlore und spähte über den Rand. Nick beobachtete den Tunneleingang und dachte nach. Er hatte zweimal auf den ersten Mann geschossen. Einmal auf den großen Mann auf der Veranda und zweimal auf den zweiten Mann. Fünf Kugeln. In seiner H-K waren fünfzehn im Magazin und eine im Lauf. Das bedeutete also, es waren noch elf in seiner Pistole. Er besaß ein Ersatzmagazin, also weitere fünfzehn. Nicht sehr viel, aber bis jetzt war es genug gewesen. Es würde reichen müssen.

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