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Die nächsten Tage standen ganz im Zeichen der kommenden Verlobung. Einige der Gäste reisten von sehr weit an, etwa Wilfrieds Patenonkel Carl von Eichenbach, ein jüngerer Bruder des Fürsten, der eine Karriere als Archäologe beschritten hatte und für die Verlobungsfeier seine Ausgrabungen in der syrischen Wüste unterbrach. Er quartierte sich ebenso auf Schloss Eichenbach ein, wie Susannes ältere Schwester Madeleine, die in Princeton studierte.

Der Baron und die Baronin von Radvanyi reisten erst am Tag des großen Ereignisses an.

Nach und nach wurden immer weitere Räume in den weitläufigen Flügeln von Schloss Eichenbach mit Gästen belegt. Aber trotz einer immer größer werdenden Zahl von Gästen hatte man weder den Eindruck, dass das Personal dadurch in Schwierigkeiten kam, noch, dass Schloss Eichenbach dadurch einen übervölkerten Eindruck machte.

Ganz das Gegenteil war der Fall.

Die Gäste verloren sich mehr oder minder in dem gewaltigen Anwesen.

Und da ihre Zahl insgesamt nur etwa vierzig betrug, konnte man kaum einen Unterschied zum gewohnten Leben im Schloss feststellen. Vielleicht einmal davon abgesehen, dass jetzt hin und wieder ein paar Fahrzeuge mehr im Schlosshof zu finden waren.

"Wir hatten ja eine Verlobung in bescheidenem Rahmen verabredet - aber ich muss sagen, dass mir der Trubel bereits völlig genügt", gestand Susanne Wilfried einmal während dieser Zeit.

"Bei unserer Hochzeit werden wir um ein wirklich großes Fest nicht herumkommen", erwiderte Wilfried lächelnd.

Susanne seufzte.

"Ja, da wirst du wohl recht haben..."

Der große Tag kam. Die Feier fand nicht im Salon statt, sondern im großen Festsaal von Schloss Eichenbach. Die Kronleuchter tauchten den Raum in ihr funkelndes Licht.

Johann hatte das kostbarste Geschirr aufgedeckt und eigenhändig arrangiert. Susanne hatte zusammen mit der Fürstin letzte Hand an die Sitzordnung gelegt, damit es nicht durch unglückliche Gäste-Kombinationen zu Missstimmungen kam.

Susanne glänzte in ihrem maßgeschneiderten Mailänder Kleid und ließ nicht nur Wilfried, sondern auch einige der anwesenden Gäste den Atem anhalten.

"Du siehst bezaubernd aus", flüsterte Wilfried ihr zu, während sie den Festsaal betraten und im Hintergrund die Musiker ein Menuett zu spielen begannen, als das Verlobungspaar durch die großen Flügeltüren trat.

Die Gäste erhoben sich für das Paar, das einen Ehrenplatz an der Tafel bekam.

Die Musik verstummte und Fürst Friedrich begann mit einer kurzen, aber bewegenden Rede, bevor Wilfried seiner Verlobten schließlich den Verlobungsring an den Finger stecken konnte.

Die Gläser wurden gehoben und man stieß auf das junge Paar an.

"Auf euer Wohl", sagte Fürst Friedrich an Wilfried und Susanne gewandt. "Euer Wohl, das - wie ich überzeugt bin - auch das des Hauses Eichenbach sein wird..."

Die Musik spielte während des Essens wieder im Hintergrund.

Susanne bemerkte, dass Christiane von Buchenberg-Selm nicht zugegen war. Fürstin Margarethe entschuldigte sie. "Es geht ihr nicht gut. Sie hat sich wohl eine Infektion zugezogen. Jedenfalls liegt sie jetzt im Bett. Der Arzt hat nach ihr gesehen..."

Für Susanne stand ziemlich fest, dass diese angebliche 'Krankheit' nur vorgeschoben war.

Vielleicht ist es so am besten, dachte Susanne. Niemand wäre damit gedient gewesen, wenn die Komtesse dieses Fest zum Anlass genommen hätte, eine Szene zu liefern.

Susanne hielt es sogar für möglich, dass die Fürstin selbst dafür gesorgt hatte, dass es nicht dazu kommen konnte.

Susanne sah den Verlobungsring an ihrem Finger blinken.

Ein schlichter Ring aus Gold, nicht zu dünn und nicht zu breit.

"Wie lange soll die Verlobungszeit denn dauern?", fragte Carl von Eichenbach, dessen dunkel braun gebrannter Teint davon zeugte, dass er noch vor wenigen Tagen in der syrischen Wüste nach den Überresten vergangener Kulturen gegraben hatte. Susanne wurde durch seine Worte aus ihren Gedanken herausgerissen.

Sie war etwas verlegen und wusste im ersten Moment nicht, was sie sagen sollte.

"Allzu lang jedenfalls nicht", antworte Wilfried an ihrer Stelle. Er wandte Susanne ein Lächeln zu. "Ich hoffe, dass das auch deine Meinung ist - andernfalls würde meine Leidensfähigkeit auf eine harte Probe gestellt!"

Das Fest zog sich dahin.

Die Gespräche wurden im Laufe des Abends lockerer. Susanne lernte einige Personen aus Wilfrieds Familie kennen, die sie bislang nur aus Erzählungen gekannt hatte. Umgekehrt unterhielt sich Wilfried sehr angeregt mit seinem zukünftigen Schwiegervater. Der Baron von Radvanyi äußerste sich später sehr anerkennend über Wilfried und meinte, er sei überzeugt davon, einen geradezu wunschgemäßen Schwiegersohn zu bekommen.

Es wurde ein gelungenes Fest und als Susanne sich später, als getanzt wurde in Wilfrieds Armen im Walzer-Rhythmus drehte, hatte sie ein Gefühl der Leichtigkeit, dass sie schon lange nicht mehr so empfunden hatte.

In diesen Armen konnte man sich sicher und geborgen fühlen, dachte sie.

Das Fest dauerte bis tief in die Nacht.

Als die meisten Gäste sich längst auf ihre Zimmer zurückgezogen hatten, und nur noch einige Nimmermüde sich von Johann einen Mitternachtsimbiss im Salon servieren ließen, gingen Susanne und Wilfried ins Freie, um ein wenig frische Nachtluft zu schnuppern. Die Sterne blinkten am Himmel, während sie die Stufen des Portal in den Schlosshof hinunterschritten. Es war angenehm kühl.

"Es war ein wunderbares Fest", sagte Susanne. "So schön, wie man sich eine Verlobung nur vorstellen kann..."

Hand in Hand gingen sie durch den hell erleuchteten Schlosshof.

Immer wieder blickte Susanne zu dem Westturm hin.

Es war einfach nicht zu vermeiden, dass er, dass dieser Anblick sie wieder an jenes verhinderte Treffen mit Nadine erinnerte, bei dem sie beinahe zu Tode gestürzt war. Wilfried bemerkte ihre Blicke.

Sie blieben stehen.

Wilfried sah sie an. "Vielleicht sagst du mir jetzt, was du dort gesucht hast, in jener Nacht", sagte er dann.

Warum eigentlich nicht?, dachte Susanne. Sie fühlte sich Wilfried so nahe wie selten zuvor. Wenn ich mich jetzt ihm nicht anvertraue, dann finde ich vielleicht niemals den Mut!, sorgte sich die junge Baroness. Und sollte ihre Verbindung mit Wilfried von Eichenbach etwa auf einem Fundament aus Lügen aufgebaut werden.

Du musst es ihm sagen, sagte sie zu sich selbst.

"Ich muss dir ein Geständnis machen", brachte sie heraus.

Er hob die Augenbrauen. Ein sympathisches, wohlwollendes Lächeln spielte um seine Lippen, während er sie verliebt ansah. "So dramatisch?"

"Ja."

Und dann berichtete sie ihm alles. Von dem Gespräch, das sie zwischen Nadine und Johann belauscht hatte und über den Brief, den ihr das Zimmermädchen zukommen ließ bis hin zu den dramatischen Ereignissen im Turm.

Wilfried hörte ruhig zu.

Er unterbrach sie nicht ein einziges Mal.

"Ich weiß nicht, ob es wirklich eine gute Idee war, dir das alles zu sagen," meinte sie schließlich. "Was musst du nun von mir denken? Dass das Misstrauen mich innerlich zerfrisst und ich dir nicht vertraue..." Sie seufzte.

"Aber das ist doch nur zu verständlich", sagte Wilfried. "Nach all dem, was passiert ist, wäre es ein Wunder, wenn es anders wäre..."

"Ich weiß nicht..."

"Hast du Nadine zur Rede gestellt?"

"Sicherlich. Sie hat natürlich abgestritten, diesen Brief geschrieben zu haben. Und ich habe ihn dort oben im Turm verloren, so dass ich dir jetzt nicht einmal mehr einen Beweis liefern kann..."

"Ich habe keinen Grund, dir nicht zu glauben", erklärte er.

"Und vielleicht können wir bei Tag mal im Turm nachsehen, ob er sich dort irgendwo findet!"

"Nadine hatte alle Zeit der Welt, um ihn verschwinden zu lassen."

"Das ist natürlich wahr..."

"Wilfried..."

Sie sah ihn an. Er hob die Augenbrauen. Sie zögerte, ehe sie weitersprach.

"Ja?", fragte er.

"Gehst du mit mir in die Verliese unter dem Schloss."

"Jetzt?", fragte Wilfried. Er machte einen ziemlich erstaunten Eindruck. Susanne nickte.

"Ja, jetzt. Ich habe lange über das nachgedacht, was du mir während unseres Ausrittes gesagt hast. Ich glaube, wenn ich dort unten bin und sehe, dass dort nichts ist, was irgendetwas mit Lisa Reindorf zu tun hat, nichts von den Dingen, die ich mir in meinen Alpträumen ausmale, dann hört dieser Spuk endlich auf und ich muss nicht dauernd darüber nachdenken, ob mein zukünftiger Mann vielleicht..."

"Ein Mörder ist? Du kannst es ruhig aussprechen."

"Verstehe mich nicht falsch, Wilfried. Ich möchte, dass dieser Schatten, der sich über mein Lebensglück gelegt hat, endlich verschwindet... und ich weiß nicht, wann ich je wieder den Mut finden würde, dort hinunterzusteigen... wenn nicht jetzt!"

Wilfried nickte.

"Also gut", meinte er. "Ich hatte es dir angeboten und ich bin jemand, der zu seinem Wort steht. Auch wenn es zu nachtschlafender Zeit von ihm eingefordert wird..."

Aus den Augenwinkeln heraus sah Susanne eine Gestalt. Sie schrak zusammen, denn sie hatte diese Gestalt nicht kommen hören. Vielleicht hatte sie schon eine ganze Zeit im Schatten der hohen Sträucher gestanden, die eine kleine Grünfläche mit Springbrunnen inmitten des Schlosshofs umsäumten.

"Christiane!", entfuhr es Wilfried, der die Gestalt auch gesehen hatte.

Christiane von Buchenberg-Selm trat aus dem Schatten. Im Schein der Schlossbeleuchtung wirkte ihr Teint blass.

"Ich wollte niemanden erschrecken", sagte sie.

Susanne atmete tief durch.

"Ich hoffe, es geht Ihnen inzwischen etwas besser!"

"Es geht so. Der Arzt hat mir etwas Bettruhe verschrieben, aber wenn ich mich immer an das gehalten hätte, was Ärzte mir geraten haben..." Christiane von Buchenberg-Selm machte eine wegwerfende Handbewegung. Dann fuhr sie nach kurzer Pause fort: "Ich wollte etwas an die frische Luft und da sah ich euch beide ... Ich möchte euch zu eurer Verlobung gratulieren."

"Danke", sagte Wilfried etwas reserviert.

Dann drehte Christiane sich um und ging davon, ohne sich noch einmal umzusehen.

Was mag sie nur im Schilde führen?, dachte Susanne von Radvanyi dabei.

Liebe und Schicksal im Adelshaus: 6 Romane Sammelband

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