Читать книгу Hanseschwestern - Historical Romance Sammelband 6020: 3 Romane - Alfred Bekker - Страница 30
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Johann hatte die Wartezeit, erfüllt von Sehnsucht nach seiner Geliebten, die er bald in die Arme schließen würde, falls ihr die Flucht tatsächlich gelang, in der Tat genutzt. Er hatte immer wieder ganz verschiedene Möglichkeiten insgeheim durchgespielt:
Falls Adele tatsächlich hier im Hause Schopenbrink aufgenommen wurde und vorausgesetzt, Hieronymus Schopenbrink würde letztlich tatsächlich seine Zustimmung dazu geben... Dann würde er Adele nur hier treffen können, in aller Heimlichkeit. Indem er seinem Vater gegenüber vorgab, sich mit Gordula zu treffen, um in Wahrheit mit Adele zusammen kommen zu können.
War das wirklich etwas, was sie beide auf Dauer erreichen wollten?
Und natürlich würde Margarethe Brinkmann das früher oder später in Erfahrung bringen. Sie würde zunächst wohl alles tun, um es nur ja nicht offiziell werden zu lassen, dass ausgerechnet ihre Enkelin Adele abtrünnig geworden war, um in einem anderen Hansehaus Schutz zu suchen. Das war für sie auf jeden Fall wie eine persönliche Niederlage sondergleichen, was sie allerdings niemals ohne Gegenmaßnahmen hinnehmen würde, selbst wenn es ihr nicht gelingen sollte, die Verbreitung dieser Nachricht zu unterbinden.
Adele und Johann würden also bei aller Heimlichkeit auch das Hause Schopenbrink in Gefahr bringen. Das war unumgänglich. Und es war kaum auszumalen, was das für dieses Hansehaus bedeuten konnte, denn die Methoden von Margarethe Brinkmann waren halt so berüchtigt wie schlimm, was eben jeder wusste.
Gab es hierzu denn tatsächlich so etwas wie eine Alternative? Und wie konnte diese überhaupt aussehen?
Um diese Frage zu beantworten, war Johann eine tollkühne Idee gekommen, und er konnte es kaum erwarten nach der überaus herzlichen Begrüßung mit Adele, alle endlich daran teilhaben zu lassen. Obwohl er davon ausgehen musste, dass sie ihn zunächst für völlig irre geworden ansehen würden, egal wie vorsichtig er begann mit der Erläuterung seiner Idee:
„Wir haben noch vor Stunden sicher annehmen müssen, dass Adele und ich uns niemals wieder in die Arme schließen können, ja, dass es sogar unmöglich sein würde, uns jemals wieder zu begegnen. Dies hat Adele jetzt ändern können, indem sie ihrem goldenen Käfig entfloh. Wer hätte das jemals vorher für möglich gehalten, dass dies tatsächlich gelingen könnte?
Und natürlich wäre es eine vorläufige Lösung, wenn Adele hier im Hause Schopenbrink Schutz erhalten würde, aber halt nur vorübergehend und nicht auf Dauer eine Lösung, wie ihr zugeben müsst.“
„Und stattdessen?“, erkundigte sich Christian skeptisch.
Gordula sah Johann nur erstaunt an. Aber sie sagte nichts, weil sie aus Erfahrung eben wusste, dass niemand Johann unterschätzen sollte.
„Ich habe meinem Vater weismachen können, dass ich mich in den letzten Wochen und Monaten heimlich mit Gordula getroffen habe und nicht mit Adele, wie ihm berichtet worden war.“
Ja“, mischte sich jetzt Adele kurz ein, „das haben wir übrigens meinem Großvater zu verdanken: Er handelte im Auftrag seiner Gemahlin.“
„Wie immer!“, meinte Christian abfällig, doch er winkte sogleich ab. „Tut mir leid, das ist mir jetzt so entschlüpft. Ich wollte keineswegs etwas Schlechtes über deinen Großvater sagen.“
„Ist schon gut“, meinte Adele nachsichtig. „Du hast ja recht. Es war recht unschön von ihm, doch es tut ihm ehrlich leid. Und wenn es nicht so wäre, hätte er mir nicht geholfen, ungesehen aus dem Haus zu kommen.“
„Dann wären wir jetzt nicht hier!“, bestätigte Johann und lächelte verkrampft, denn jetzt kam es, was er ihnen eigentlich mitteilen wollte:
„Wie wäre es denn, wenn ich meinem Vater weismachen würde, dass es mir gelungen ist, den größten denkbaren Schlag gegen Margarethe Brinkmann und ihr Netzwerk aus Intrigen und Verrat zu verüben, den er sich überhaupt vorstellen kann? Denn welcher Schlag gegen den Erzfeind wäre denn eindrucksvoller für jeden, der das erfahren würde, als dass ausgerechnet eine Enkelin von Margarethe Brinkmann sich voll und ganz gegen ihre eigene Großmutter wenden würde, um zum Erzfeind Wetken überzulaufen?“
Konsterniert starrten sie ihn an. Sie schienen gar nicht begreifen zu wollen, was er da gerade gesagt hatte.
Und Johann war noch gar nicht fertig damit, denn die eigentliche Sensation, die er sich überlegt hatte, sparte er sich noch bis zum Schluss auf:
„Der als Nachfolger in der Führungsspitze der Wetken-Gilde vorgesehene Johann Wetken gibt bekannt, dass er die Enkeltochter aus dem verfeindeten Hause Brinkmann zu seiner Frau nehmen wird, um sie vom Makel des Namens Brinkmann ein für alle mal rein zu waschen!“, verkündete er gespielt theatralisch. „Sie wird künftighin eine echte Wetken sein und somit das unübersehbare Symbol einer absoluten Niederlage des Hauses Brinkmann!“
Was er so gespielt theatralisch vorgetragen hatte, sorgte immerhin dafür, dass aller Kinnladen seiner Zuhörer ungläubig nach unten klappten.
Und dann begannen sie nacheinander zu begreifen.
Adele als erste – und sie war damit auch die erste, die echte Bedenken anmeldete:
„Wird da dein Vater wirklich jemals mitmachen wollen?“
„Bei einem dermaßen großen Sieg über den Erzfeind wird er sich dem nicht entgegen stellen!“, antwortete Johann überzeugt. „Wir müssen eben nur auch bei der ursprünglichen Geschichte bleiben, dass ich mich natürlich mit Gordula getroffen habe und nicht mit dir, Adele.
Tut mir leid, aber das muss wohl sein. Sonst kann es uns nicht gelingen. Und er wird erfahren, dass du geflohen bist mit Hilfe deines Großvaters, der ja irgendwie mit ihm in Kontakt zu stehen scheint, wenn ich das richtig vermute.
Dass du hier im Hause Schopenbrink aufgenommen wurdest, ist schließlich der Schlüssel zu meiner Lösung: Er weiß ja, dass ich hier bin, dass Gordula mich ganz dringend sehen wollte – und du bist das, was so dringend war, liebste Adele! Verstehst du?
Ich werde ihm also nur zu sagen brauchen, was hier Sache ist, zunächst, und dann werde ich alles tun, um ihm meine Idee schmackhaft zu machen.“
„Du meinst, du wirst ihm gegenüber keineswegs unsere Liebe gestehen, sondern nach wie vor nur damit taktieren?“, vergewisserte sich Adele.
Da trat Christian vor und schlug Johann kräftig auf die Schulter.
„Das ist die genialste Idee, die ich jemals in meinem ganzen Leben gehört habe, und wenn ich es recht bedenke, kann es sogar klappen. Obwohl es wohl einmalig sein wird in der gesamten Geschichte der Hanse. Selbst wenn es einen ähnlichen Fall jemals gegeben haben sollte, weiß ich zumindest nichts davon.“
Gordula wandte sich jetzt an Adele.
„Er wird zu eurer Liebe stehen, wenn zunächst auch nur in Taten und nicht in Worten. Ist das nicht das Wichtigste? Und diese Worte werden dennoch folgen. Spätestens dann, wenn ihr mit dem Segen seines Vaters verheiratet seid und du den Namen Wetken trägst. Obwohl sein Vater annehmen wird, dass die Liebe zwischen euch erst nach der Eheschließung erblühte, müsst ihr sie dann endgültig niemals mehr vor ihm und aller Welt verstecken oder gar verleugnen!“
Adele und Johann sahen sich glücklich an. Jetzt war auch Adele überzeugt davon, dass es gelingen könnte. Vor allem, weil sie sah, dass Johann wirklich alles dafür tun würde. Genauso wie sie.
Immerhin hatte sie ihr ganzes bisheriges Leben für ihn aufgegeben, und sie war jetzt sicher, dies niemals in ihrem Leben auch nur eine einzige Sekunde zu bereuen.
Und dass es letztlich wie ein Sieg des Hansehauses Wetken im ewigen Krieg gegen ihre Großmutter Margarethe aussah, störte sie überhaupt nicht. Ganz im Gegenteil: War Margarethe Brinkmann denn jemals die gütige Oma für sie gewesen, die sie sich gewünscht hätte?
Das genaue Gegenteil war stets der Fall gewesen!
Und abermals schlossen sich die beiden Liebenden in die Arme. Sie wussten jetzt, dass alles für sie gut ausgehen würde, obwohl es viel zu lange ganz und gar nicht danach ausgesehen hatte...
ENDE