Читать книгу Bount Reiniger - Mörderspiel - Alfred Bekker - Страница 11

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Bount Reiniger hätte sich am liebsten ein paar Stunden aufs Ohr gelegt, aber in diesem Fall hielt er es für besser, die Recherchen gleich zu beginnen. Es war schon genug Zeit vergangen, seit Leslie Craven verschwunden war. Und die Spuren wurden bei einer solchen Personensuche schneller kalt, als einem lieb sein konnte.

Craven hatte im dritten Stock eines Reihenhauses gewohnt. Gepflegter Altbau, ruhige Lage. Die Besitzerin wohnte im Erdgeschoss und hieß Martha Raglan. Sie war eine energisch wirkende Dame in den Sechzigern, die Bount ihre Tür nur einen Spalt weit öffnete und nicht im Traum daran dachte, die Kette zu lösen. Bount konnte sie im Grunde verstehen. Sie hatte Angst vor Fremden, die an ihrer Tür klingelten.

"Wer sind Sie?", fragte sie. "Ich kaufe nichts an der Tür und versichert bin ich schon!"

"Mein Name ist Bount Reiniger. Ich bin Privatdetektiv."

Ihre Augen verengten sich ein wenig. Aber es war ihr nicht anzusehen, ob sie Bount glaubte oder nicht.

"Was Sie nicht sagen...", murmelte sie kaum hörbar.

Bount verzichtete darauf, ihr seine Lizenz unter die Nase zu halten. Er hatte es im Gespür, dass die Dame auf der anderen Seite der Tür ihm vermutlich nur eine einzige Chance geben würde, ihr überhaupt etwas zu zeigen. Und so zeigte Bount ihr statt dessen das Foto von Craven.

"Kennen Sie den Mann?"

"Was ist mit ihm?", fragte sie. "Hat er ein Verbrechen begangen?"

"Er ist einfach nur verschwunden", erwiderte Bount. "Und es gibt ein paar Leute, die sich Sorgen um ihn machen."

Sie schaute noch einmal hin. Aber Bount konnte das Gefühl nicht loswerden, dass sie das wie jemand tat, der eine unangenehme Verpflichtung erfüllt. "Der in dem Kreis?"

"Ja."

"Tut mir leid!" Sie reichte das Foto durch den Spalt und eine Sekunde später hatte sie Bount die Tür vor der Nase zugemacht. Der Privatdetektiv hörte noch, wie sie den Schlüssel herumdrehte. Er zuckte mit den Schultern. Es war ihm nicht anders ergangen, als Mark Franklin, der offenbar am Tag zuvor ein ähnliches Erlebnis gehabt hatte. Immerhin hatte Leslie Craven Telefon und stand auch mit dieser Adresse im Telefonbuch. Selbst wenn er umgezogen war, ohne jemandem in der Franklin-Agentur etwas davon zu sagen, so hatte er doch ganz sicher einmal hier gewohnt.

Merkwürdig, dass seine Vermieterin sich nicht daran erinnern konnte.

Als Bount in Richtung seines Wagens ging, sah er in letzter Sekunde etwas auf sich zufliegen. Reaktionsschnell hob er die Hand. Ein Ball tropfte ab und sprang auf dem Asphalt auf. In ein paar Metern Entfernung standen ein paar Jungen. Der Jüngste war noch nicht in der Schule, der älteste vielleicht zehn oder zwölf Jahre alt.

Sie warteten einen Augenblick lang ab und wirkten ziemlich scheu.

Bount nahm den Ball auf und spielte ihn zurück. Einer der Jungen fing ihn auf.

Sie wollten sich wieder ihrem Spiel zuwenden, aber Bounts Stimme hielt sie davon ab.

"Wartet mal!", rief er und kam zu ihnen heran. Sie schauten ihn mit einer Mischung aus Misstrauen und Interesse an. "Spielt ihr hier öfter?"

Einige der Jungen nickten. "Ja."

Bount hielt ihnen das Foto von Craven hin.

"Kennt ihr diesen Mann?"

Sie sahen sich das Foto interessiert an und ließen es einmal rundgehen. "Der wohnt in dem Haus da vorne!", meinte schließlich einer der Jungen und deutete dabei auf das Haus, das Martha Raglan gehörte. "Ich weiß aber nicht, wie er heißt."

"Schon gut", erwiderte Bount. "Das macht nichts."

"Meine Ma sagt immer, dass das ein ziemlich komischer Mann ist", meldete sich ein Kleiner mit rotblonden Haaren und einem offenen Schnürsenkel zu Wort.

Bount hob die Augenbrauen. "Warum meint deine Ma das denn?"

"Weil er nie grüßt. Und wenn man ihn was fragt, sagt er nichts."

"Habt ihr gestern auch hier gespielt?"

"Ja", bestätigte ein anderer Junge.

"Habt ihr ihn gestern gesehen?"

"Nein."

"Und vorgestern?"

"Auch nicht."

Jetzt meldete sich wieder der Kleine zu Wort. "Sind Sie ein Polizist, Mister?"

Bount lächelte. "So etwas Ähnliches."

"Wollen Sie ihn verhaften?"

"Nein, nur etwas fragen."

"Er ist aber nicht zu Hause."

"Woher weißt du das?"

"Weil sein Wagen hier nicht herumsteht. Er fährt einen tollen Mercedes. So wie der da vorne!" Er deutete auf Bounts 500 SL. "So einen möchte ich auch mal haben."

"Wie lange ist das schon her, dass du seinen Wagen nicht mehr gesehen hast?"

Der Junge zuckte die Achseln. "Die ganzen letzten Tage schon. Ich weiß nicht mehr genau."

Bount nickte. "Okay, Jungs. Ihr seid gute Beobachter."

Wenig später saß er wieder hinter dem Steuer seines champagnerfarbenen Mercedes 500 SL. Noch einmal zu Martha Raglan zu gehen, um sie zu fragen, warum sie behauptete, Craven nicht zu kennen, hielt er für wenig erfolgversprechend. Gegen eine solche Festung einzurennen konnte kaum etwas einbringen.

So führte ihn sein Weg zunächst zu seinem Freund Toby Rogers, den recht korpulent geratenen Captain der Mordkommission Manhattan C/II. Die beiden Männer kannten sich seit Jahren, und wenn es irgendwie ging, half der einem dem anderen aus der Klemme, sofern es in seiner Macht stand. Beide Seiten hatten ihren Vorteil von dieser Zusammenarbeit. Reiniger hatte auf diese Weise Zugang zu den Labors und Archiven des Police Departments, während Rogers umgekehrt auf die Hilfe des Privatdetektiv zählen konnte, wenn es galt, auch dort noch nach Informationen zu grasen, wo sich für einen Cop fast wie automatisch die Türen schlossen.

Als Bount im Department ankam, bekam er von einem Lieutenant die Auskunft, dass Rogers nicht an seinem Schreibtisch, sondern in einem Coffee Shop in der Nähe sei.

"Soll ich den Captain vielleicht über seinen Pieper rufen?", grinste der Lieutenant. Er hieß Browne, war ziemlich lang und schlaksig und hatte auf dem Kopf ein Knäuel ungebändigter dunkler Locken. Bount kannte auch ihn ganz gut.

"Bloß nicht!", erwiderte Bount. "Ich will ihn ja nicht schon verärgern, bevor ich ihn um einen Gefallen gebeten habe!"

Darüber konnte Browne herzhaft lachen.

Wenig später traf Reiniger seinen Freund Rogers dann in Miller's Coffee Shop vor seinem zweiten Frühstück sitzen. Das meiste davon hatte er allerdings bereits gegessen.

"Hallo, Toby."

Rogers blickte auf. "Sieht man dich auch mal wieder? Wenn du mich schon bis her verfolgst, dann bist du sicher nicht nur wegen unserer Freundschaft gekommen!" Der Police Captain deutete auf einen freien Stuhl, während er sich den letzten Bissen hineinschob und dann mit der Serviette den Mund abwischte.

"Setz dich!", knurrte er.

"Es geht um einen Mann, der verschwunden ist. Er heißt Leslie Craven. Ich habe auch ein Bild von ihm." Bount erläuterte Rogers den Fall und dieser zuckte schließlich mit seinen breiten Schultern. "Bount, ich bin Captain des Morddezernats, nicht der Vermisstenabteilung."

"Ich weiß, Toby."

"Hast du schon mal seine Angehörigen durchgecheckt?"

"Er scheint keine zu haben. Jedenfalls keine, die noch leben. Seine Eltern sind tot, Geschwister hatte er nicht und verheiratet war er auch nie."

Toby hob die Augenbrauen. "Eine Entführung?"

"Ich habe keine Ahnung."

"Vielleicht hatte er auch einfach die Nase voll von seinem Job. Was glaubst du, wie vielen Menschen plötzlich einfällt, ihren Urlaub eigenmächtig zu verlängern, oder die auf einmal ihre Sachen packen und auf Nimmerwiedersehen in eine andere Stadt ziehen? Und nach so kurzer Zeit würde ich mir an deiner Stelle ohnehin noch keine großen Sorgen machen!"

"Mein Auftraggeber macht sich aber welche." Bount zuckte die Achseln. "Kann ja auch sein, dass das Ganze am Ende doch in dein Ressort fällt, Toby!"

"Mord?"

"Ich möchte, dass du dich ein bisschen umhörst, ob dieser Craven vielleicht aus dem East River gefischt wurde oder in irgendeiner Leichenhalle aufgebahrt liegt."

Bount reichte Rogers ein Foto. Der Captain warf einen kurzen Blick darauf und steckte es dann mit einem hörbaren Seufzen ein. "Okay", meinte er. "Ich werde sehen, ob ich etwas tun kann."

"Und dann sind da noch diese Kerle, die Craven im Parkhaus fertiggemacht hat." Bount reichte Rogers einen Zettel. "Ich habe hier eine kurze Beschreibung von einem der beiden."

"Und was ist mit dem anderen?"

"Den konnte mein Auftraggeber nicht genau erkennen. Wenn du nichts dagegen hast, werde ich mit ihm in nächster Zeit mal bei dir aufkreuzen, damit er sich die Fotosammlung des Departments ansehen kann. Wenn er aktenkundig ist, könnte das einen brauchbaren Hinweis ergeben."

"Meinetwegen, Bount."

In dieser Sekunde meldete sich Rogers’ Pieper. Der Captain seufzte. "Ich hoffe nicht, dass es Arbeit gibt", meinte er. Aber insgeheim wusste er natürlich, dass es genau das bedeutete. Entweder in einem der ungelösten Fälle, die sich als Akten auf seinem Schreibtisch stapelten, gab es eine wichtige Spur - oder er musste in Kürze eine neue Akte anlegen. Rogers hoffte auf ersteres.

Bount Reiniger - Mörderspiel

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