Читать книгу Bount Reiniger - Mörderspiel - Alfred Bekker - Страница 8

Оглавление

2


Leslie Craven war ein hochgewachsener, hagerer Mann, dessen Alter schwer zu bestimmen war. Seine Haare waren noch so dicht, dass man nicht die Kopfhaut hindurchschimmern sah, obwohl er sie ziemlich kurz trug. Aber ein paar graue Strähnen waren nicht zu übersehen. Craven stand am Fenster des Großraumbüros und blickte nachdenklich hinab auf das Labyrinth der Straßenschluchten von New York City. Es war ein klarer Tag mit hervorragender Fernsicht.

"Leslie! Träumst du?"

Craven schien einen Moment lang wie weggetreten zu sein, dann drehte er sich herum und blickte in Carla Davis' meergrüne Augen.

"Ein bisschen", erwiderte Craven mit einem matten Lächeln.

Carla war mindestens einen Kopf kleiner, als Craven. Eine gutaussehende Mittdreißigerin mit genügend Sex-Appeal, um den kältesten Eisklotz zum Schmelzen zu bringen.

Bei Craven war sie allerdings bislang mehr oder weniger erfolglos gewesen, obwohl sie nichts unversucht gelassen hatte. Aber zu mehr als einer Verabredung zum Essen in der ohnehin viel zu knappen Mittagspause sowie einem gemeinsamen Abend in einem Theater am Broadway war es nie gekommen.

Carla legte die Stirn ein wenig in Falten. Etwas stimmte heute mit Craven nicht, das war ihr sofort klar.

"Leslie, welche Laus ist dir denn heute über die Leber gelaufen!"

Craven grinste. Aber das wirkte seltsam maskenhaft. "Mir geht es hervorragend, Carla. Danke."

Damit war für ihn das Gespräch zu Ende. Für Carla jedoch noch nicht. "Du kannst es mir ruhig erzählen", meinte sie. Aber auf dem Ohr war Leslie Craven so gut wie taub.

"Vielleicht werde ich ein paar Tage Urlaub machen", murmelte Craven dann abwesend.

"Wohin geht es? Long Island vielleicht? Um diese Jahreszeit vielleicht gar nicht schlecht! Aber der Boss wird nicht sehr begeistert sein..."

"Der Boss ist nie begeistert, wenn man Urlaub haben möchte", erwiderte Craven.

"Ich soll dir übrigens sagen, dass du zu ihm kommen sollst, Leslie!"

Craven zuckte die Achseln. Jetzt schien er auf einmal wieder ganz der Alte zu sein. Selbstsicher, überlegen und eine Spur zu unterkühlt, wie Carla fand.

Der Boss, das war ein etwas zum Übergewicht neigender Mann namens Mark Franklin. Er war jemand, der sein Geschäft wie kein Zweiter verstand und die Franklin Literary Agency die Erfolgsleiter hinaufgeführt hatte.

Als Craven Franklins Büro betrat, aß dieser gerade ein mitgebrachtes Sandwich. Solange Craven schon hier beschäftigt war, konnte er sich nicht daran erinnern, gesehen zu haben, wie Franklin eine Mittagspause machte. Der Boss arbeitete für gewöhnlich durch und aß nebenbei etwas. Das war sicher nicht sein wahres Erfolgsgeheimnis, aber es zeigte die Einstellung, mit der er sein Geschäft betrieb.

"Was gibt es?", fragte Craven, während er seine Rechte aus der weiten Hosentasche herausnahm.

Franklin machte eine wichtige Miene. "Da war ein Anruf für Sie", berichtete er dann. "Vorhin, als Sie zum Essen weg waren."

Craven zog die Augenbrauen in die Höhe. Er konnte sich denken, worum es ging. "Die Japaner?", fragte er.

"Ja", nickte Franklin und beugte sich dabei etwas nach vorn. "Carla hat das Gespräch zu mir hereingelegt, aber wir standen ziemlich auf dem Schlauch. Schließlich sind Sie der einzige bei uns, der Japanisch spricht - und das Englisch von Mister Nakamura ist nicht gerade einfach zu verstehen."

Craven zuckte die Achseln. "Tut mir leid!"

"Sie können ja nichts dafür. Aber es wäre gut, wenn Sie langsam die Verträge vorbereiten könnten!"

Craven legte jetzt die Mappe, die er unter dem Arm hielt, Franklin auf den Tisch. "Alles fertig", sagte er dazu und Franklin blickte erstaunt auf.

"Alle Achtung! Wann haben Sie denn...?"

"Ich möchte ab morgen ein paar Tage Urlaub nehmen."

"Nun, gerade jetzt, da wir mit Nakamura ins Geschäft kommen. Japan hat 120 Millionen Einwohner. Das ist ein Buchmarkt, auf dem sich ganz ansehnliche Auflagen erzielen lassen."

Mit anderen Worten: ein Riesengeschäft. Und Leslie Craven war derjenige, der es ans Laufen gebracht hatte. Franklin war das sehr wohl bewusst - und das war Cravens Trumpf.

"Wie gesagt, es ist jetzt alles unter Dach und Fach", meinte Craven ziemlich gelassen.

"Nakamura deutete an, dass man sich in seinem Haus überlegt, uns auch noch den Kim-Basinger-Band abzukaufen", erwiderte Franklin.

"Wie schön", murmelte Craven. Aber er schien sich nicht wirklich darüber zu freuen, obwohl das auch sein Erfolg war.

Franklin seufzte. Dann meinte er: "Na schön, Les, Sie bekommen Ihren Urlaub. Jetzt, wo Nakamura angebissen hat, wird es vielleicht auch ohne Sie laufen."

"Das denke ich auch."

Franklin musterte seinen Angestellten stirnrunzelnd. Er kratzte sich nachdenklich am Hinterkopf und beugte sich dann etwas nach vorn.

"Was ist los, Les?", fragte er dann in vertraulichem Tonfall.

"Ich brauche einfach ein paar Tage, das ist alles." Leslie Craven lächelte. "Ich fühle mich ein bisschen ausgebrannt, wenn Sie wissen was ich meine."

Franklin nickte. "An dem Punkt sind wir alle irgendwann einmal." Er lachte heiser. "Meistens zu einem ungünstigen Zeitpunkt."

Bount Reiniger - Mörderspiel

Подняться наверх