Читать книгу Zwei Alfred Bekker Krimis: Böser Bruder & Katzenjammer für einen Mörder - Alfred Bekker - Страница 16
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ОглавлениеWenig später befanden sich Milo und ich in der Nähe der Container mit der Aufschrift "Pan-Americana Cargo". Wir trugen Arbeitsjacke und Schutzhelm, darunter die Kevlar-Weste und die SIG. Über Ohrhörer und Kragenmikro hatten wir Funkverbindung zu den Kollegen.
Sobald Aranjuez auftauchte und seinen Mittelsmann traf, war der Erfolg dieser Operation weitgehend eine Frage der Koordination.
Im Laufe der Zeit trafen immer mehr Kollegen ein.
Jeder von uns versuchte sich so unauffällig wie möglich auf dem Pier zu bewegen.
Die "Panama Queen" legte ab und fuhr Richtung Battery Park und Statue of Liberty nach Süden.
"Ich frage mich, was das für ein Informant ist, der für diesen Supertipp verantwortlich ist", raunte ich Milo zu, während wir darauf warteten, dass sich irgendetwas tat. Wir standen uns die Füße platt, mussten die Umgebung im Auge behalten und gleichzeitig den Eindruck vermitteln, irgendetwas an den Containern oder der Hafenanlage zu tun zu haben.
"Sofern der Tipp gut ist, ist mir das ziemlich gleichgültig", bekannte Milo.
"Das ist doch kein Zufall! Montalbans Tochter wird wahrscheinlich bei einer schief gegangenen Entführung getötet, wenig später geht ein brandheißer Tipp ein, der den großen Boss vielleicht in ziemlich große Schwierigkeiten bringt!"
"Du meinst, dass eine hat etwas mit dem anderen zu tun?"
"Kannst du das ausschließen?"
"Sieht ganz so aus, als wollte da jemand Rick Montalban in arge Schwierigkeiten bringen!"
"Kann man wohl sagen."
Milo zuckte die Achseln. "Um ehrlich zu sein, das würde sogar ziemlich gut zusammenpassen. Der Tippgeber hat vielleicht etwas mit der Entführung zu tun und will sich jetzt vor Dirty Ricks Rache schützen, indem er zum Gegenangriff ansetzt. Und dass die Entführer zumindest Helfer unter den Insidern des Montalban-Syndikats gehabt haben müssen, dürfte außer Frage stehen."
"Bevor wir uns in Spekulationen versteigen, sollten wir mehr über den Typ wissen, der es wagt, Dirty Rick zu verraten, Milo", erwiderte ich.
Wir hatten keine Gelegenheit mehr, uns weiter zu unterhalten.
Über Ohrhörer vernahmen wir Jay Kronburgs Stimme.
"Aranjuez' Wagen ist im Anmarsch. Eine blaue Ford-Limousine. Sie fährt auf den ehemaligen Anlegeplatz der Panama Queen zu..."
An der Kai-Mauer standen ein paar vereinzelte Angler. Einer der gewaltigen Kräne hievte einen zwanzig Tonnen fassenden Container durch die Luft und setzte ihn zielsicher auf den vorgesehenen Truck.
Wenig später sahen wir die Limousine.
Zwei Männer stiegen aus, blickten sich um.
Sie trugen schwarze Anzüge. Bei einem der Kerle blitzte kurz eine Waffe auf, als das Jackett zur Seite glitt.
Schließlich stieg noch jemand aus. Das war Aranjuez. Ich erkannte ihn sofort wieder. Er trug einen Koffer, der mit einer Kette an seinem Handgelenk befestigt worden war.
Die Drei warteten.
Milo und ich postierten uns an der Ecke eines Containers.
Jay dirigierte per Funk die Einsatzkräfte an strategisch günstige Positionen.
Einige Augenblicke lang geschah gar nichts.
Mir fiel ein großes Schlauchboot mit Außenbord-Motor auf. Es war am Heck eines Schrott-Frachters mit der Bezeichnung "Albany Star" befestigt. Zwei Männer standen in dem schaukelnden Boot und bemühten sich offenbar, die meterhoch aufragende Stahlwandung mit Rostprimer zu streichen. Die beiden machten mir einen ziemlich unkonzentrierten Eindruck. Sie blickten immer wieder in Richtung des Ufers.
"Da fährt gerade ein metallicfarbener Van vom West Side Highway ab!", berichtete Jay Kronburg über Funk. "Dem Kennzeichen nach gehört er Tobias Garcia, einem von Aranjuez' Leuten."
"Aranjuez will offenbar auf Nummer sicher gehen", murmelte Milo.
Der Van parkte in einigem Abstand von dem ehemaligen Anlegeplatz der "Panama Queen" hinter einer Reihe von Trucks, die darauf warteten, beladen zu werden. Von Jay Kronburgs Position aus war das alles gut zu überblicken. Er beschrieb uns die Position. Einige unserer Leute wurden eingeteilt, um den Van und seine Insassen im Auge zu behalten.
Endlich bewegte sich etwas.
Einer der Angler packte seine Sachen zusammen und ging auf Aranjuez zu.
Der Angler sprach den Mann mit dem Koffer an.
"Achtung, es geht gleich los!", verkündete Jay Kronburg über Funk. Abhörspezialisten der DEA dokumentierten das Geschehen per Kamera und Richtmikrofon.
Schließlich musste am Ende alles juristisch wasserdicht sein.
Der Angler gab Aranjuez ein kleines Päckchen. Dieser gab es an einen seiner Mobster weiter, einem breitschultrigen Mann mit Ohrring. Der wandte sich in Richtung Ufer. So konnten wir nicht sehen, was er tat. Vermutlich nahm er eine Prise, um sie zu testen. Der Mann mit dem Ohrring nickte Aranjuez zu.
Wenig später wechselte der Geldkoffer den Besitzer.
Aranjuez schloss ihn von der Kette, gab ihm dem Angler. Dieser warf einen kurzen Blick hinein.
Anschließend holte der Angler ein Kuvert aus der Jackentasche. Das mussten die Papiere sein, die Aranjuez berechtigten, die Container abholen zu lassen. Wenn die Bande gut organisiert war, sogar mit Freigabe vom Zoll.
Jay Kronburg gab das Signal zum Eingreifen.
Der Deal war über die Bühne gegangen. Wir konnten Aranjuez auf frischer Tat erwischen.
Wir stürmten aus unserer Deckung.
Gleichzeitig ertönte eine Megafonstimme, die Aranjuez und seine Leute zum Aufgeben aufforderte.
Der Angler erfasste als erster die Situation. Er rannte mit dem Koffer zur Kaimauer und sprang ins Wasser.
Aranjuez und seine Gorillas griffen zu den Waffen, nahmen Deckung hinter der Limousine. Die Insassen des Vans stürzten heraus.
Sie waren mit MPis bewaffnet. Innerhalb von kürzester Zeit gingen Schüsse hin und her.
Einen der Mobster erwischte es tödlich. Eine Kugel traf ihn am Kopf.
Unbeteiligte Hafenarbeiter, die sich in der Nähe aufhielten, stoben in Panik davon.
Auch ich bekam etwas ab.
Zwei Geschosse trafen mich kurz hintereinander mitten in der Brust und rissen die Arbeitsjacke auf. Die Projektile fetzten durch den groben Stoff hindurch und blieben im Kevlar hängen. Die Aufprallwucht wird bei kugelsicheren Westen nur auf eine größere Fläche verteilt, sodass die Kugel nicht in den Körper eindringen kann, sondern vom Kevlar-Gewebe aufgehalten wird. Die Energie, die dabei auf den Getroffenen einwirkt ist jedoch dieselbe wie bei einem gewöhnlichen Treffer.
Ich wurde gestoppt, taumelte zurück und ging zu Boden.
Dabei hatte ich das Gefühl, als ob ich gerade einen brutalen Schlag mit einem Baseballschläger bekommen hatte. Ich bekam kaum Luft, drehte mich dennoch am Boden instinktiv herum. Dicht neben mir brannte sich eine Kugel in den Asphalt.
Ich riss die Waffe hoch, feuerte.
Milo blieb in meiner Nähe.
Er war völlig ohne Deckung.
Weit und breit war nichts, wohinter man sich verstecken konnte. Dennoch gab er mir Feuerschutz. Er kniete nieder, fasste die SIG mit seinen Händen und schoss in Richtung unserer Gegner.
Aranjuez öffnete inzwischen die Hintertür des Ford und hechtete sich auf den Rücksitz der Limousine.
Der Chauffeur hatte die ganze Zeit über hinter dem Steuer ausgeharrt. Jetzt startete er den Wagen.
Er trat das Gas voll durch.
Der Ford machte einen Satz nach vorne. Der Chauffeur riss das Steuer herum.
Kugeln trafen die Frontscheibe, wurden aber vom schusssicheren Panzerglas aufgefangen.
Von den beiden Mobstern, die Aranjuez begleitet hatten, war einer schwer verletzt. Er ließ die Waffe fallen, sank dabei zu Boden.
Der andere versuchte noch in die Limousine zu gelangen. Aber weder den Chauffeur noch Aranjuez kümmerte es, was aus ihm wurde. Der Wagen brauste einfach los, ließ den Mann stehen.
Dieser warf die Waffe weg, hob die Hände.
Ich rappelte mich auf.
Milo feuerte auf die Reifen des Ford.
Er traf erst rechts, dann links. Zwei sehr präzise Schüsse, wie aus dem Lehrbuch. Der Ford brach seitwärts aus, konnte die Spur nicht halten und rammte gegen einen stehenden Gabelstapler, dessen Fahrer längst das Weite gesucht hatte.
Der Chauffeur wurde beim Aufprall nach vorn geschleudert. Der Airbag blies sich auf.
Innerhalb von Augenblicken war der Ford von Agenten des FBI und der DEA umgeben. Die hintere Tür wurde aufgerissen, Handschellen um Aranjuez Gelenke gelegt.
Mir fiel das Schlauchboot auf, dessen Insassen zuvor so getan hatten, als ob sie Rostprimer an das Heck des Schrottfrachters streichen würden.
Der Außenborder heulte auf. Das Boot schnellte einige Meter über die Wasseroberfläche, stoppte dann mit schäumender Heckwelle.
Der Angler mit dem Geldkoffer wurde an Bord geholt.
Der Motor heulte wieder auf. Das Boot ging vorne in die Höhe, brauste über die Wasseroberfläche davon.
Eine Megafonstimme forderte die Flüchtigen auf, sich zu ergeben.
Die Antwort kam in Blei.
Einer der Bootsinsassen holte plötzlich eine MPi hervor und feuerte in unsere Richtung.
Ziemlich ungezielt allerdings. Die Schüsse gingen ins Nichts. Milo und ich rannten bis zur Kaimauer, legten an und feuerten mit unseren SIGs.
Ich hatte höllische Schmerzen beim Atmen, riss mich aber zusammen.
Eine Kugel traf die Außenhülle des Schlauchboots. Mit einem lauten Knall platzte die Luft aus einer der Kammern heraus. Das Boot bekam in voller Fahrt Schlagseite, lief voll Wasser. Der falsche Angler wurde aus dem Boot herausgeschleudert.
Eine Hand krallte sich dabei um den Griff des Geldkoffers.
Noch.
Wahrscheinlich würden Kollegen von uns dieses Beweismittel am Ende mühsam auf dem Grund des Hudson suchen müssen.
Von Süden her näherte sich ein Schnellboot der Hafenpolizei. Die Flucht des Anglers und seiner Helfer war auf jeden Fall vorbei, ihr Boot nicht mehr manövrierfähig. Die Gangster klammerten sich an die verbleibenden Luftkammern, um sich über Wasser zu halten.
Milo senkte die SIG und wandte sich an mich. "Geht's, Jesse?"
Ich atmete tief durch. "Ging schon mal besser." Ich zog die Arbeitsjacke aus und öffnete die Kevlar-Weste. Vorsichtig begann ich damit, meinen Oberkörper zu betasten. "Eine Kugel habe ich definitiv nicht abbekommen!", sagte ich.
"Du wirst mit Sicherheit ein paar große blaue Flecken davontragen!"
"Ich hoffe nur, dass keine Rippe gebrochen ist!"