Читать книгу Zwei Alfred Bekker Krimis: Böser Bruder & Katzenjammer für einen Mörder - Alfred Bekker - Страница 8
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ОглавлениеAnderthalb Stunden später waren Milo und ich auf dem Weg nach Long Island. Rick Montalban bewohnte eine Villa in den Hamptons, direkt am Meer. Früher hatte er in Spanish Harlem residiert. Offenbar war ihm dieses Pflaster seid einigen Jahren zu heiß geworden.
"Dirty Rick" war er früher wegen seiner rücksichtslosen Vorgehensweise genannt worden. Mehrere Vorstrafen wegen Körperverletzung und Drogendelikten standen auf seinem Konto. Aber "Dirty Rick" war mit den Jahren geschickter geworden. Er hatte begriffen, dass man besser davonkam, wenn man andere die Drecksarbeit verrichten ließ und dafür sorgte, immer eine weiße Weste zu behalten. So war aus "Dirty Rick" schließlich jener Mann geworden, den die Latinos in Spanish Harlem und der Bronx fast ehrfurchtsvoll "El Columbiano" nannten. Eine graue Eminenz, die aus dem Hintergrund heraus einen Großteil des Drogenhandels kontrollierte. Darüber hinaus hielt er auch seine Hand über zahllose Nachtclubs und Wettbüros, mit deren Hilfe das schmutzige Geld weiß gewaschen wurde. Inzwischen hatte Montalban einen Großteil seines Geldes in legale Geschäfte investiert, sodass absehbar war, wann er sich vollkommen vom illegalen Sektor verabschieden würde. Für uns bedeutete dies, dass es immer schwieriger wurde, ihm überhaupt noch irgendwelche Straftatbestände nachzuweisen.
Dutzende von Auftragsmorden gingen wahrscheinlich auf das Konto von "El Columbiano".
Bis jetzt war es uns nicht gelungen, ihn auch nur für einen davon zur Verantwortung zu ziehen.
Er regierte seine Organisation bis heute mit eiserner Hand. Verrat bedeutete den sicheren und oft auch qualvollen Tod.
Montalban duldete weder Widerspruch noch Kooperation mit der Justiz in seinen Reihen. Wer immer sich nicht daran hielt, musste bitter dafür bezahlen.
Seit Jahren waren wir vom FBI Field Office New York diesem Kerl auf den Fersen. Dasselbe galt für die Kollegen der Drogenpolizei DEA und der Steuerfahndung. Aber bislang war bei all diesen Ermittlungen nicht genug herausgekommen, als dass ein District Attorney darauf eine Anklage gründen konnte.
Möglicherweise war "El Columbiano" jetzt selbst Opfer eines Verbrechens geworden.
Mit seiner Unterstützung konnten wir deshalb trotzdem wohl kaum rechnen.
Leute wie Montalban pflegten derartige Probleme auf ihre eigene Art zu lösen. Meistens sehr blutig. Genau das mussten wir verhindern.
"Ich frage mich, wer hinter einer Entführung von Montalbans Tochter stecken könnte", sagte Milo, als wir gerade die letzten Randbezirke von Brooklyn hinter uns gelassen hatten und weiter Richtung Nordosten fuhren. Links war der Atlantik zu sehen. "Auf jeden Fall scheiden irgendwelche Amateure wohl aus. Wer die Tochter von Dirty Rick entführen will, der ist entweder lebensmüde oder sehr, sehr mächtig."
"Du glaubst also, die Konkurrenz des Kolumbianers steckt dahinter. Irgendetwas ging schief, Dolores kam ums Leben und wurde dann auf die Müllkippe gelegt, wo sie mit etwas Glück vielleicht nie gefunden worden wäre!"
"Ergibt doch Sinn, oder?"
"Nach dem alten Mafia-Kodex waren die Familien der Gangster tabu, Milo."
"Du weißt, dass diese humanen Zeiten längst vorbei sind, Jesse."
"Ja, ich weiß."
"Heute wird auf nichts mehr Rücksicht genommen, wenn der Profit in Gefahr ist."
"Die Entführer haben offenbar gewusst, dass Dolores etwas mit Satanismus zu tun hat", vermutete ich. "Sonst hätten sie nicht versucht, das Ganze als einen Ritualmord zu tarnen."
"Kann ja sein, dass die Entführer Helfer im näheren Umfeld der Montalbans hatten."
"Immer vorausgesetzt, es gab überhaupt eine Entführung und der Tod der jungen Frau ist nicht doch das Ergebnis irgendwelcher Rituale."
"Der Coroner sprach davon, dass wahrscheinlich ein muskellähmendes Mittel verabreicht wurde. Das passt eher zu einer Entführung als zu einem Gruftie-Ritual, wenn du mich fragst."
"Hängt vom Ritual ab, würde ich sagen."
"Du kennst dich da aus?"
"Nicht genug, um wirklich mitreden zu können, fürchte ich. Warten wir erst mal ab, welche Substanzen der Coroner im Körper von Dolores Montalban letztlich feststellt."
"Bis der Coroner soweit ist, hat der saubere Mister Montalban längst eine Armee von Killern in Gang gesetzt!", gab Milo zu bedenken.
Wir brauchten etwas über eine Stunde, ehe wir Montalbans Residenz erreichten. Das Gelände um die Villa war weiträumig abgesperrt. Es gab hohe, elektrisch geladene Zäune. Bewaffnete Männer in Kampfanzügen patrouillierten daran entlang. Manche von ihnen führten mannscharfe Dobermänner bei Fuß.
Wir mussten mit dem Sportwagen, den die Fahrbereitschaft des FBI uns zur Verfügung stellte, an einer Art Checkpoint anhalten. Die Security Guards, die hier Wache schoben, trugen Kevlar-Westen und MPis. Sie sahen sich unsere ID-Cards eingehend an und nahmen über Funk Kontakt mit ihrem Boss auf. Schließlich wurden wir durchgewinkt.
"Da kommt man sich ja vor wie an einer Landesgrenze", knurrte Milo.
"Ja, aber wenn El Columbiano meint, dass dieses Anwesen exterritoriales Gelände sind, hat er sich geschnitten!"
Von diesem Checkpoint aus führte die Straße über eine Anhöhe. Dahinter lag die Villa. Ein großes dreistöckiges Anwesen aus Sandstein. Ungefähr ein Kilometer feinsten Sandstrandes gehörte zu Montalbans Domizil. Außerdem hatte sich "El Columbiano" einen eigenen Yachthafen angelegt. Es musste ein Vermögen gekostet haben, das Hafenbecken ausbaggern zu lassen. Eine größere, hochseetaugliche Yacht und mehrere kleinere Boote lagen an Stegen vertäut.
"Dieser Mann hat wirklich alles, was man sich nur wünschen kann", stellte Milo fest.
"Nur seine Tochter. Die kann ihm trotz all seines Reichtums niemand mehr zurückbringen", erwiderte ich.
"Alles kann man sich eben nicht kaufen!"
"Du sagst es."
Ich parkte den Sportwagen vor dem großen Hauptportal der Villa. Es war durch massive Säulen gekennzeichnet, die wohl an Bauwerke der Antike erinnern sollten.
Wir stiegen aus. Bis zum Portal waren es etwa zwanzig Meter. Vier Security Guards in schwarzen Anzügen erwarteten uns. Zwei der Männer trugen MPis über die Schulter. Bei den anderen drückten sich die Pistolen durch die Jacketts.
Milo und ich zeigten erneut unsere ID-Cards.
"Wir werden Sie nach Waffen durchsuchen", erklärte der Anführer der Vier. Ein breitschultriger Kerl mit kurzgeschorenen, dunklen Haaren, durch die die Kopfhaut hindurchschimmerte.
"Kommt nicht in Frage!", erwiderte ich. "Wir gehen durch diese Tür da vorne und jemand von Ihnen bringt uns zu Mister Montalban, ohne auch nur den Versuch zu machen, uns vorher abzutasten!"
Der Dunkelhaarige verzog das Gesicht zu einer Grimasse.
"Du kommst dir wohl sehr wichtig vor, G-man", knurrte er.
"Stell dir vor, ich bin wichtig."
"So?"
"Frag mal deinen Boss. Bei dem sind wir nämlich angemeldet."
Milo mischte sich jetzt ein. "Wir lochen dich höchstens ein, wenn du uns daran hinderst, unsere Pflicht zu tun. Was dein Boss mit dir macht, wenn er erfährt, dass du uns unnötigerweise aufgehalten hast, möchte ich gar nicht wissen!"
Einer der anderen Bodyguards sagte ein paar Sätze auf Spanisch. Ich verstand kein Wort.
Der Dunkelhaarige antwortete mit einem knappen "Sí!" und atmete tief durch. "Folgen Sie uns!"