Читать книгу Reilly und Sunfrost: Chronik der Sternenkrieger 8 Romane - Alfred Bekker, Frank Rehfeld, Karl Plepelits - Страница 33

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Die Sturm durchtoste Nacht war so kalt, das Nirat-Son die Heizfunktion seines Thermoanzugs auf die höchste Stufe stellen musste, um nicht zu erfrieren.

Er hatte sich ein Stück seines Weges geschleppt, bis ihn schließlich die Kräfte zu verlassen drohten. Ein Funkspruch des Beibootes erreichte ihn.

Bras-Kon wollte wissen, was los sei. Die geortete Positionsanzeige hätte sich in der Zeit bis zum Einbruch der Dunkelheit kaum verändert.

Nirat-Son gab einen kurzen Lagebericht.

„Wir haben im Moment nicht die Möglichkeit, dich zu retten“, erklärte Bras-Kon ohne Umschweife. „Bei diesen Windgeschwindigkeiten hätten unsere Antigravpaks dieselben Schwierigkeiten wie es nun bei dir der Fall ist.“

„Das ist mir durchaus bewusst, Tanjaj-Nom“, erwiderte Nirat-Son. „Sobald der Sturm nachlässt, werde ich wieder schneller vorankommen und dann zu euch stoßen.“

„Harre an einer sicheren Stelle aus und achte auf die Vielbeiner!

„Ja, Tanjaj-Nom!“

„Der Allmächtige sei mit dir und bewahre dich, Tanjaj!“

„Euch auch.“

„Die Statusdaten deines Anzugs und deiner sonstigen technischen Ausrüstung lassen mich daran zweifeln, dass wir uns in Kürze wieder sehen werden!“

Die Verbindung wurde unterbrochen.

Nirat-Son schleppte sich weiter.

Er konnte kaum noch ein paar Körperlängen weit sehen. Die Dunkelheit und das Schneegestöber sorgten dafür, dass die Sicht immer schlechter wurde. Die Sterne wurden von den Wolkengebirgen verdeckt, sodass auch von dort kaum Licht kam.

Nirat-Sons Schutzbrille hatte auch eine Lichtfunktion für den Gebrauch bei Nacht. Außerdem konnte man sie auf Infrarot-Modus umschalten, sodass man sich auch bei völliger Dunkelheit einigermaßen orientieren konnte.

Das durch den Gebrauch dieser Technik Vielbeiner angelockt wurden, glaubte Nirat-Son nicht. Bei dieser Spezies war es fraglich, ob sie überhaupt so etwas wie Augen besaß. Die Entwicklung ausgeprägter Sinneszellen zur Verarbeitung optischer Informationen schien dem Tanjaj bei einer Spezies, die den Großteil ihres Lebens in und unter einem Eispanzer verbrachte, für wenig sinnvoll und so war es eigentlich nicht anzunehmen, dass die Evolution diese kleinen Monstren damit ausgestattet hatte. Auf welche Weise sie trotzdem in der Lage waren, ihre Opfer so genau zu lokalisieren, war dem Qriid jedoch schleierhaft.

Nirat-Son blieb stehen und wich im nächsten Moment unter Aufbietung all seiner Kraft einen Schritt zurück, als plötzlich unter ihm etwas aus dem Eis hervorbrach.

Einer der ellipsoiden Vielbeiner schnellte empor und sprang auf den Tanjaj zu. Säure troff aus der maulartigen Öffnung heraus und sorgte dafür, dass sich der Schnee zischend aufzulösen begann, wo ein Tropfen dieser Substanz den Boden erreichte. Elektrische Funken sprühten zwischen den Beißwerkzeugen.

Nirat-Son befand ich noch immer in der Rückwärtsbewegung. Seine nach hinten geknickten Beine waren schwer wie Blei. Er riss den Hand-Traser hervor und feuerte damit auf das kugelförmige Monstrum, das auf ihn zusprang.

Der Strahl erfasste das Monstrum und verbrannte es zu Asche.

Nirat-Son wandte sich herum und betrachtete misstrauisch den Boden in seiner näheren Umgebung.

Augenblicke lang schien sich nirgends etwas zu regen.

Dann spürte er plötzlich, wie sich das Eis unter seinem linken Krallenfuß hob. Nirat-Son schnellte zurück und feuerte auf den gerade dem Eis hervorbrechenden Vielbeiner.

Sie scheinen stets genau zu wissen, wo ich mich befinde!, ging es Nirat-Son durch den Kopf. Aber wie ist das möglich? Dass sie mich SEHEN können ist ja wohl ausgeschlossen. Verfügen sie vielleicht über ein verfeinertes Gehör, dass sie meine Schritte auch dann noch genauestens verfolgen lässt, wenn sie mehrere Meter tief unter dem Eis lauern?

Ausgeschlossen war das nicht.

Über Eisflächen konnten sich Vibrationen sehr gut weiterverbreiten.

Andererseits wollte es Nirat-Son einfach nicht in den Kopf, dass dadurch eine derart präzise Ortung möglich war.

Aber was immer auch das Prinzip sein mochte, das hinter den außergewöhnlichen Orientierungsfähigkeiten der Vielbeiner stecken mochte, so war Nirat-Son gezwungen, sich auf die Gegner einzustellen.

Am besten wäre es, mit dem Antigrav emporzuschweben und in einem gebührenden Abstand zu diesem Ort wieder zu landen!, überlegte er. Aber angesichts des unvermindert heftigen Sturms war daran allenfalls im äußersten Notfall zu denken, denn das Risiko war unverhältnismäßig groß, dabei den Tod zu finden.

Die Doktrin der Tanjaj forderte den Glaubenskrieger zwar dazu auf, mutig und tapfer zu sein, aber nicht, sein eigenes Leben wegzuwerfen – denn das wäre ebenso ein Frevel gegen die Göttliche Ordnung gewesen wie die Weigerung, sich in den Dienst des Heiligen Imperiums und seiner permanenten Expansion zu stellen.

Das Bedürfnis nach Schlaf meldete sich inzwischen immer öfter bei Nirat-Son. Die Konditionierung, der er als Tanjaj unterworfen war, erlaubte es ihm zwar, dieses Bedürfnis länger als jeder andere Qriid zu unterdrücken, wenn es sein musste. Aber auch das hatte seine Grenzen. Irgendwann würde er sich zur Ruhe legen müssen.

Den Gedanken daran verdrängte er zunächst, was ihm Angesichts der akuten Gefährdung durch die Vielbeiner auch nicht allzu schwer fiel.

Diese Biester brauchen nur zu warten, bis ich müde bin, um dann ungehindert und fast ohne Risiko an mein Fleisch zu kommen!, dachte er.

Eine ganze Weile blieb er sehr wachsam und konzentriert. Aber nirgends regte sich noch etwas oder platzte ein Vielbeiner plötzlich aus der Eisdecke hervor, um ihn mit Hilfe irgendwelcher ätzenden Substanzen an Ort und Stelle und bei lebendigem Leib zu verdauen.

Was für eine Höllenwelt, die derart vom Bösen geprägte Leben hervorbrachte!

Für diese Monstren konnte es unmöglich einen Platz in der Göttliche Ordnung des Heiligen Imperiums geben. Man tat sicher gut daran, sie vom Antlitz dieser Welt zu tilgen.

Nirat-Son schleppte sich vorwärts. Er spürte, wie der Wind an ihm zog.

Dann bemerkte er erneut, wie unter ihm das Eis aufbrach. Ein knackender Laut entstand dabei, der laut genug war, das Tosen des Sturms zu übertönen. Diesmal waren es gleich mehrere Vielbeiner, die aus dem Inneren des Eises hervorbrachen. Den Ersten von ihnen erwischte Nirat-Son mit dem Strahler, aber schon der Zweite kam gefährlich nahe. Die ätzende Substanz, die aus einer seiner Öffnungen troff, kleckerte dicht vor die Krallenfüße des Qriid, bevor auch dieser Angreifer zu Asche verbrannt wurde. Der dritte Vielbeiner setzte zu einem Angriffsprung an, wurde aber durch eine Windböe davon gerissen, die ihn hoch empor schleuderte. Nirat-Son sah nie wieder etwas von ihm.

Aber dafür kamen aus dem entstandenen, einen Qriid-Schritt großen Loch im Eis jetzt weitere Vielbeiner hervor.

Zusätzlich platzte jetzt auch an anderen Stellen das Eis auf und innerhalb kürzester Zeit wurde Nirat-Son von einem Dutzend der gefräßigen Eisbestien angegriffen.

Er schaltete den Traser auf Dauerfeuer und ließ ihn einfach hin- und herschwenken.

Gleichzeitig spürte er einen stechenden Kopfschmerz, der ihm die Konzentration erschwerte. Schon während des Aufenthalts im Wrack jenes Beiboots, mit dem die erste Qriid-Expedition auf diesem Planeten gelandet war, hatte er diesen, sehr charakteristischen Schmerz gespürt.

Was ist das?

Im nächsten Moment spürte Nirat-Son, wie etwas sich auf seinem Rücken niederließ. Zweifellos ein weiterer Vielbeiner, der es geschafft hatte, sich ihm unbemerkt zu nähern und dann zum entscheidenden Sprung anzusetzen.

Der Vielbeiner traf ihn mit überraschender Wucht.

Vielleicht hatte auch der Wind ihn einfach nur erfasst und durch die Gegend geschleudert. Jedenfalls troff die ätzende Substanz aus seinem Maul heraus. Zischend berührten die ersten Tropfen die äußere Gewebeschicht des Thermoanzug, der sich nun zu zersetzen begann. Jede Sekunde erwartete Nirat-Son, von einem elektrischen Schlag niedergestreckt zu werden. Aber der ellipsoide Vielbeiner schien nicht zu wissen, dass dies seine effektivste Waffe gegen ihn gewesen wäre.

Oder waren sie dazu im Moment nicht in der Lage? Enthielten ihre Körper eine Art biochemischen Akku, der erst aufgeladen werden musste?

Ein weiterer Vielbeiner umfasste mit einem halben Dutzend seiner Extremitäten Nirat-Sons rechten Fuß.

Den Strahler konnte er gegen diesen Quälgeist nicht einsetzen, schließlich hatte er nicht die Absicht, sich den eigenen Fuß zu Asche zu verbrennen. Er bekam zunächst einen leichten elektrischen Schlag ab, der vergleichbar mit der Entladung war, die man abbekam, wenn man ein Gatter von Qriidia-Büffeln berührte. Die Büffel sollten dadurch nur erschreckt, aber nicht verletzt werden. Einen winzigen Moment lang war Nirat-Son wie gelähmt, dann schleuderte er den Vielbeiner mit einer heftigen Bewegung von sich, taumelte zu Boden und rollte sich durch den Schnee. Sein Bein gehorchte ihm nicht mehr richtig. Es zuckte. Der Vielbeiner an seinem Rücken malträtierte ihn ebenfalls mit einem Elektroschlag, der weitaus heftiger ausfiel. Offenbar war der biochemische Akku dieses ellipsoiden Vielbeiners in einem wesentlich besseren Zustand. Nirat-Son spürte, wie der Strom seine Körper durchzuckte. Das hatte erst ein Ende, als der den Vielbeiner unter sich begrub. Ein knackendes Geräusch entstand als er ihn unter seine, durch die gegenwärtige Einstellung des Antigravaggregats noch verstärkte Last begrub.

Ein Schwall der ätzenden Flüssigkeit kam aus dem Maul des zerquetschten Vielbeiners und fraß sich in das Gewebe des Thermoanzugs und die Außenverkleidung des Antigravs.

Der Schnee zischte, wann immer das lädierte Rückenteil seiner Thermokleidung mit ihm in Berührung kam.

Nirat-Son wusste, dass er nun um sein Leben kämpfte, denn ohne funktionsfähige Thermokleidung war er in dieser Umgebung verloren.

Seine Arme und Beine zitterten unkontrolliert. Einen Augenblick lang war er unfähig sich zu bewegen, was zweifellos eine Folge der elektrischen Schläge war, die er erlitten hatte.

Von allen Seiten näherten sich die Vielbeiner dem nahezu hilflosen Qriid.

Der Augenblick des Triumphs schien für diese gefräßigen Jäger gekommen zu ein. Sie rieben die Beißwerkzeuge aneinander, ließen dabei die Funken sprühen und spuckten kleinere Mengen der ätzenden Substanz, die sich in ihren Maulhöhlen ständig von neuem bildete.

Nirat-Son spürte ein unangenehmes Kribbeln seinen Körper durchlaufen. Sein Kopf drohte zu zerspringen. Ein stechender Schmerz raubte ihm beinahe die Sinne. Er nahm alle Kraft und alle Konzentration, zu der er fähig war, zusammen und rollte sich auf dem Boden um die eigene Achse. Das waren Bewegungen, die man ihm während des Nahkampftrainings der Tanjaj beigebracht hatte. Er war konditioniert darauf, sie anzuwenden. Ein automatischer Ablauf, der blitzschnell von statten ging und keiner weiteren, bewussten Kontrolle bedurfte, zu der er im Augenblick auch nur bedingt in der Lage war.

Er sah den Ellipsoiden.

Der Tanjaj riss mühsam den Hand-Traser empor, den seine Klaue die ganze Zeit krampfhaft festgehalten hatte. Langsam kehrte die Kontrolle über seine Gliedmaßen zurück. Er konzentrierte sich auf die Betätigung des Trasers und feuerte die Vielbeiner in seiner unmittelbaren Umgebung der Reihe nach nieder.

Sein Rundumblick verriet im sofort, dass er von den kleinen Ellipsoid-Monstern eingekreist war. Sie krallten sich mit ihren Armen in das Eis hinein, was ihnen Stabilität gegen die Windböen gab.

Aber sie näherten sich auch und es war eigentlich nur eine Frage der Zeit, wann diese vielen Jäger den Tanjaj zur Strecke gebracht haben würden.

Nein, ich denke gar nicht daran, euch Bestien als Nahrungsergänzung zu dienen! Meine Knochen nagt ihr nicht ab, sodass am Ende nur ein Kalkrückstand von der weltlichen Existenz eines gläubigen Individuums bleibt, während die Höllegeschöpfe triumphieren!

Noch auf dem Boden liegend, feuerte Nirat-Son erneut mit seinem Traser. Mehrere Vielbeiner äscherte er dadurch ein, aber es gab Dutzende von weiteren Stellen, an denen das Eis aufplatzte und weitere von ihnen an die Oberfläche kamen.

Was ist es, das sie anlockt? Können Sie meine Wärme spüren? Haben sie einen Infrarotsinn?

Die kleinen Bestien krochen von allen Seiten auf ihn zu. Es gab keinen Fluchtweg. Einige von ihnen setzten jetzt erneut zu Sprüngen an und sofern dies mit der Windrichtung geschah, waren sie sehr gefährlich dabei. Einem wich Nirat-Son gerade noch aus, bevor er auf seinem Körper landen konnte.

In einem Akt purer Verzweiflung nahm der Qriid schließlich den letzten Fluchtweg, der ihm noch blieb.

In vertikaler Richtung!

Er veränderte die Einstellung des Antigravpaks und wurde im nächsten Moment förmlich vom Boden weggerissen, während die vier Vielbeiner genau dort landeten, wo Nirat-Son sich gerade noch befunden hatte.

Der Tanjaj stieg schwerelos in die Höhe. Der Sturm erfasste ihn und schleuderte ihn noch weiter empor. Alles drehte sich vor Nirat-Sons Augen. Für sein empfindliches Gleichgewichtsorgan war das, was er nun erlebte, an der Grenze dessen, was er aushalten konnte, ohne das Bewusstsein zu verlieren.

Nur das nicht!, durchzuckte es ihn. Sonst bin ich verloren!

Reilly und Sunfrost: Chronik der Sternenkrieger 8 Romane

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