Читать книгу Drei Historische Liebesromane: Das 1500 Seiten Roman-Paket Sommer 2021 - Alfred Bekker - Страница 19
Sechstes Kapitel: Am Hof des Kaisers
ОглавлениеArnulf von Ellingen, sein Knappe Gero und Fra Branaguorno schritten zwischen den einschüchternd wirkenden Säulen der Wandelhalle hindurch, die ein Teil des gewaltigen Kaiserpalastes war. Bruder Markus begleitete die drei zu der halboffiziellen Audienz, die ihnen Kaiser Basileios erstaunlicherweise gewährte – oder zu der sie bestellt worden waren, je nachdem, von welcher Seite man die Angelegenheit betrachtete. Gesandte mussten oft wochenlang darauf warten, zum Herrscher vorgelassen zu werden – und zwar selbst dann, wenn sie sehr hochrangig waren. Dass es in diesem Fall anders war und man sie sogar rufen ließ, musste einen Grund haben...
Arnulf fragte sich, ob ihm durch Spione vielleicht bereits Nachrichten über die besondere Art seines Auftrags vorausgeeilt waren.
„Ich nehme an, dass der Kaiser die Gelegenheit wahrnehmen möchte, jede Neuigkeit über die Stimmung am Hof in Magdeburg zu erfahren, was ihm bei seinen Verhandlungen mit Johannes Philagathos vielleicht von Nutzen sein kann...“, vermutete Fra Branaguorno.
„So werden wir Philagathos dort auch nicht treffen?“, fragte Arnulf.
„Wenn es zu trifft, was ich vermute – nein.“
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Diese Gäste in seinem Thronsaal zu empfangen, hätte dem ganzen wohl eine zu große Wichtigkeit verliehen und ein diplomatisches Aufsehen erregt, an dem dem Kaiser im Moment offenbar nicht gelegen war. Es war ein Zusammentreffen, das wie zufällig wirken sollte, um jeglichen diplomatischen oder protokollarischen Schwierigkeiten aus dem Weg zu gehen, und doch bis in das kleinste Detail arrangiert worden war.
So trafen Arnulf und seine Begleiter den Kaiser in dieser Wandelhalle des riesigen Palastes auf eine verhältnismäßig formlose Weise, verglichen mit dem üblichen, sehr ausgefeilten Hofzeremoniell. Basileios wurde von einem halben Dutzend baumlangen Wächtern aus seiner berühmten Waräger-Garde begleitet. Gerade der Umstand, dass sie nicht dem lokalen Stadtadel entstammten und auch in keiner Weise mit ihm verwoben waren, gab Basileios die Gewähr, dass diese Männer ihm und seinem Kaiserhaus eine größtmögliche Loyalität entgegen brachten. Abgesehen von den Wächtern war nur noch der Logothet, sein Kanzler und Sprecher, in der Nähe des Kaisers.
Johannes Philagathos, der offizielle Gesandte des Kaisers, war nicht anwesend. Fra Branaguorno lächelte überlegen. Offenbar trafen seine Annahmen zu.
Arnulf und sein Gefolge warfen sich auf die Knie.
Der Logothet wollte das Wort ergreifen, den normalerweise war es Sterblichen nicht erlaubt, direkt mit dem Kaiser zu sprechen. Aber Basileios war ein Mann, der auf den Schlachtfeldern zu Hause und für eine praktische Veranlagung ebenso bekannt war, wie mitunter für seinen Hang zur ungezügelten Grausamkeit. So brachte er den Logotheten, dessen Aufgabe es unter anderem war, bei offizielle Anlässen für den Kaiser zu sprechen und Botschaften entgegen zu nehmen, mit einer Handbewegung zum Schweigen, noch ehe dieser einen halben Satz hervorgebracht hatte.
Basileios schien längst zu wissen, wer sich vor ihm niedergeworfen hatte. Er sprach Arnulf auf Latein an und machte mit einer Geste deutlich, dass er sich erheben durfte. „Es freut den göttlichen Kaiser immer, wenn er Besuch aus dem Land seines kaiserlichen Bruders bekommt. Ich hoffe, Kaiser Otto erfreut sich guter Gesundheit.“
„In dieser Hinsicht kann ich Euch versichern, dass es nicht besser stehen könnte“, erwiderte Arnulf.
„Was die Frage einer geeigneten Gemahlin für Euren Kaiser angeht, sind Wir noch in verschiedensten Verhandlungen“, erklärte Basileios. „Doch angesichts der Jugend Eures Herrschers ist ja nicht zu befürchten, dass die Blüte seiner Jahre vorüber zieht, ohne, dass Wir eine standesgemäße Verbindung für ihn geknüpft haben werden.“
Fra Branaguorno ergriff nun das Wort. „Ich darf Euch übermitteln, dass Kaiser Otto es – wie schon seine Mutter Theophanu – außerordentlich begrüßen würden, wenn zum zweiten Mal eine Frau aus dem Geschlecht der Kaiser von Konstantinopel den Thron des Reiches besteigen würde.“
„Es würde die Verbindung beider christlicher Kaiser zweifellos festigen“, gestand Basileios zu. „Wenngleich es inzwischen viele gibt, die sich den Titel eines Kaisers anmaßen. Selbst der Herrscher der bulgarischen Barbaren, dessen wilder Horden Wir uns immer wieder zu erwehren haben, nennt sich inzwischen so...“ Basileios seufzte. „Um so wichtiger ist es, dass ein Römischer Kaiser seine Würde bewahrt.“
Römischer Kaiser – es war Arnulf sehr wohl bewusst, dass Basileios diese Wendung sehr bewusst benutzte. Schließlich war das der Titel, den sowohl er als auch Otto für sich beanspruchten.
Basileios wandte sich Branaguorno zu und gestattete auch ihm sich zu erheben. „Euer Ruf als Gelehrter ist auch hier unvergessen, Branaguorno. Was denkt Ihr zu diesem Thema?“
„Es geht um die Verbreitung des Glaubens und um die Verteidigung der Christenheit“, erklärte der Mönch. „Und diesem Ziel ist Otto zutiefst verpflichtet, wie ich als einer seiner engsten Vertrauten sagen darf...“
„Das freut Uns zu hören“, erwiderte Basileios. Arnulf erschien der oströmische Kaiser recht kühl, was vielleicht damit zu tun hatte, dass für ihn die Vorgänge jenseits der Alpen nicht von aller vordringlichster Bedeutung waren. Dafür gab es zu viele Feinde, die gegenwärtig die Grenzen seines Reiches bedrohten und derer er sich erwehren musste.
Als Fra Branaguorno noch etwas sagen wollte, hob der Herrscher die Hand und bedeutete ihm damit zu schweigen. Offenbar hatte er genug von diplomatischen Höflichkeiten. Er wandte sich direkt an Arnulf, der sich bisher tunlichst zurückgehalten hatte. Die Diplomatie war nun einmal ein Gebiet, auf dem jemand wie der gelehrte Mönch ein ungleich sicheres Gespür dafür hatte, welche Äußerung in der jeweiligen Situation angemessen war.
„Uns ist zugetragen worden, dass Ihr weiter gen Osten zu reisen gedenkt“, sagte Basileios.
„Wir sind auf dem Weg zu den Pilgerstätten im Heiligen Land“, erklärte Arnulf.
„Die Wege dorthin sind unsicher“, erklärte Basileios. „Zumindest, sobald Ihr die kaiserlichen Straßen und die Grenzen des Reiches verlassen habt.“
„Wir sind uns des Risikos durchaus bewusst“, erklärte Arnulf. „Und doch wird uns keine noch so große Gefahr von unserem Vorhaben abhalten können.“
„So sei Euch eine gute Reise gewünscht. Und wenn Ihr auf dem Rückweg wieder durch Konstantinopel kommt, so werdet Ihr sicher bereit sein, eine Botschaft für Kaiser Otto in Empfang zu nehmen, die Ihr ihm persönlich überbringen werdet.“
„Gewiss“, beteuerte Arnulf und senkte den Kopf.
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„Und Ihr denkt wirklich, dass man Euch am Hof die Geschichte von der Pilgerfahrt geglaubt hat?“, fragte Gero seinen Herrn, als sie am Abend durch die Gassen südlich des Hippodroms gingen. Arnulf hatte seinen Knappen inzwischen über das wahre Ziel der Reise aufgeklärt – allerdings hatte er damit gewartet, bis sie wirklich unter sich gewesen waren.
Bruder Markus erwartete sie erst gegen Mitternacht in ihren Unterkünften zurück. Arnulf und Gero folgten Fra Branaguorno zu einem Treffen mit einem Mittelsmann, über den sie mehr darüber erfahren sollten, woher der unzerbrechliche Stahl kam.
Wer dieser Mittelsmann war, darüber hatte sich Branaguorno nicht äußern wollen. „Es ist besser, Ihr wisst nichts darüber“, hatte der gelehrte Mönch dazu nur gesagt. „Es sollte Euch genügen, dass ich meine Beziehungen in der Stadt etwas habe spielen lassen.“
Es war auch nach Einbruch der Dunkelheit noch hell in den Gassen rund um das Hippodrom. In keiner Stadt der Welt gab es so viele Laternen. Der Geruch von Lampenöl hing in der Luft und vermischte sich mit anderen, schwerer fassbaren Gerüchen. Der Dung von Pferden gehörte genauso dazu wie der süßliche Geruch von Räucherwerk, das aus den Ländern des Ostens stammte und dem magische Eigenschaften nachgesagt wurden. Zänkisches Stimmengewirr und Musik bildeten einen Zusammenklang ganz eigener Art. „Eine milde Gabe für einen Veteranen der Garde!“, wisperte eine Stimme. Die Worte wurden auf Latein gesprochen. Ein hagerer Mann trat aus dem Schatten heraus.
„Gebt ihm eine Silbermünze“, sagte Fra Branaguorno an Arnulf gerichtet.
Arnulf holte eine Münze hervor und gab sie dem Hageren. Der der hielt sie in den Schein einer Laterne und nickte dann. „Folge mir!“, forderte er in der Sprache der Nordmänner.
„Ich möchte wissen, wem ich folge!“, erwiderte Arnulf.
„Das tut nichts zur Sache“, erklärte der Hagere – ein Mann an der Schwelle zum Greisenalter, der das linke Bein etwas nachzog und einen insgesamt schleppenden Gang hatte. „Es ist besser, du weißt keinen Namen, den du verraten könntest...“ Er sah zu Gero hinüber und musterte ihn von oben bis unten. „Ich weiß nicht, ob es dem Mann, den wir treffen werden, wirklich recht ist, wenn noch jemand dabei ist“, sagte er.
„Mein Knappe begleitet mich“, beharrte Arnulf. „Darüber werde ich mit niemandem verhandeln!“
„Wie du meinst, Sachse!“
Der Hagere führte sie zu einer Schänke, die offenbar ein Treffpunkt von Warägern war. Man hörte Stimmen, die in der Sprache der Nordmänner redeten. Arnulf blieb kurz stehen, als der Hagere bereits im Inneren der Schänke verschwunden war.
„Ihr könnt ihm vertrauen“, raunte Branaguorno ihm zu. „Folgt ihm einfach.“
„Ich würde mich wohler fühlen, wenn ich wüsste, was das für Leute sind, mit denen Eure Mittelsmänner uns da zusammenbringen wollen!“
„Es ist einfach ein ehemaliger Gardist, der dringend etwas Bruchsilber brauchen kann und davon träumt, dass irgendein Schiff ihn nochmal in den Norden mitnimmt – was wahrscheinlich nicht der Fall sein wird!“, erwiderte Branaguorno.
Ausgelassenes Stimmengewirr schlug Arnulf entgegen, als er den Schankraum betrat. Die Zugluft ließ das Licht der Laternen flackern. Über einem Feuer wurde ein Braten gedreht, dessen würziger Geruch sich mit dem von verschüttetem Met mischte.
Schätzungsweise hundert Mann drängten sich in dieser Schänke, aber nur ein gutes Dutzend davon nahm von den Neuankömmlingen überhaupt Notiz. Eine Gruppe von Warägern war intensiv mit einem Würfelspiel beschäftigt und es war offensichtlich, dass es dabei um höhere Einsätze gehen musste.
Ein angetrunkener Hüne mit einem Krug voller Met in der Hand, rempelte unterdessen Gero ungeschickt an und knurrte ihm etwas entgegen, was man wohl selbst nicht mehr verstehen konnte, wenn man von klein auf nichts anderes zu sprechen gewohnt war, als die Mundart der Nordmänner. Der Hüne war einfach zu betrunken.
Der Kerl langte nach dem Schwertgriff, aber Arnulf umfasste sein Handgelenk.
„Wir wollen keinen Streit“, erklärte er sehr ruhig, aber auch sehr bestimmt.
Der Betrunkene wankte mit glasigen Augen davon.
„Es wäre mir sehr recht, wenn ihr für weniger Aufsehen sorgen würdet!“, forderte der Hagere.
Arnulf folgte ihm zu einer Nische, in der ein grober Tisch mit mehreren Stühlen zu finden war. Die Nische lag fast vollkommen im Schatten. Den Mann, der am Tisch saß, konnte man nur als dunklen Umriss erkennen.
„Setz dich, Sachse!“, forderte der Hagere.
Arnulf gehorchte. Er setzte sich dem unbekannten Mann im Schatten gegenüber. Dieser ergriff sofort Arnulfs Hand, tastete blitzschnell dessen Schultern und sein Gesicht ab. Arnulf begriff, dass er einen Blinden vor sich hatte. Und als am anderen Ende des Schankraums jemand einen Schritt zur Seite machte und so dem Schein des Feuers den Weg freimachte, sah Arnulf für einen kurzen Moment die entstellten Augenhöhlen seines Gegenübers.
„Wer hat dir das angetan?“, fragte Arnulf.
„Ich geriet in Gefangenschaft der Bulgaren“, sagte der Blinde. „Aber das ist lange her. Ich kann zwar nichts mehr sehen, aber dafür höre ich um so besser.“
„Man hat mir gesagt, dass du etwas darüber wüsstest, woher der Stahl kommt, der nicht zerbricht und aus dem die Nordmänner ihre Schwerter schmieden...“
„Ja, darüber kann ich einiges sagen. Denn unter den Nordmännern von Konstantinopel wird immer wieder darüber gesprochen.“
„So rede!“
„Erst das Silber!“
Arnulf holte einen Lederbeutel hervor und schob ihn dem Blinden über den Tisch. Er nahm ihn mit einer so zielsicheren Handbewegung, dass man im ersten Moment kaum hätte glauben wollen, dass dieser Mann tatsächlich kein Augenlicht mehr besaß. Aber schon der kurze Moment, in dem Arnulf in sein entstelltes Gesicht hatte sehen können, war ausreichend, um jeden Zweifel daran zu zerstreuen.
Mit geübten Handgriffen schüttete der Blinde den Inhalt des Beutels auf den Tisch aus und begann zu zählen. Einige der Stücke betastete er mehrfach. Mehrere Münzen nahm er dann auch noch zwischen die Zähne. Schließlich nickte er zufrieden. Er steckte die Münzen zurück in den Beutel und ließ ihn anschließend unter seiner Kleidung verschwinden.
Dann machte er eine Handbewegung, mit der er Arnulf bedeutete, sich etwas über den Tisch zu beugen.
„Komm näher!“, wisperte er. „Ich will sichergehen, dass diese Worte niemand anderen, als den erreichen, der dafür bereit war, einen Beutel voller Bruchsilber zu geben!“
„Ich höre!“, sagte Arnulf und beugte sich vor.
„Der Stahl kommt aus den Bergen im Süden eines Reiches, das vom Emir von Buchara und Samarkand beherrscht wird. Aber du kannst nicht einfach in die Berge gehen und ihn von seinen Herstellern erwerben.“
„Was spricht dagegen?“
„Es gibt einen Nordmann namens Thorkild Larsson, genannt der Eisenbringer, der den Zwischenhandel zur Zeit in seiner Hand hat.“ Die Schultern des Blinden hoben sich für kurze Zeit. Er wandte den Kopf. „Dieser Thorkild besitzt das Wohlwollen des Herrscherhauses der Samaniden und soll eine Art Monopol über den Handel mit den schwarzen Stahlbarren Richtung Norden haben.“
„Dann muss dieser Thorkild Larsson Eisenbringer ein sehr reicher Mann sein!“
„Das ist er! Ja, so unterschiedlich kann es das Schicksal mit einem meinen... Ich habe zusammen mit Thorkild in der Garde des Kaisers gedient. Aber während Thor und Christus es mit ihm sehr gut gemeint haben, klebte mir das Pech an den Füßen, wie du sehen kannst, wenn du in mein Gesicht blickst.“
„Und wer sind die Schmiede, von denen Thorkild den Stahl bekommt?“
„In dem Moment, in dem du das herausgefunden hast, Sachse, wird Thorkild dich eigenhändig erschlagen!“
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Drei Tage später befanden sich Arnulf, Gero und Fra Branaguorno an Bord eines Schiffes, das sie vom Konstantin-Hafen aus nach Chalcedon auf der asiatischen Seite des Marmara-Meeres bringen sollte. Ein wolkenloser, hellblauer Himmel wölbte sich über ihnen und ein frischer Wind blies ihnen um die Ohren. Das Schiff fuhr mit geblähten Segeln dem Hafen von Chalcedon entgegen, einer uralten griechischen Siedlung, die genau wie das ein paar Meilen weiter nördlich am Ausgang des Bosporus gelegene Chrysopolis von ihrer Lage gegenüber von Konstantinopel profitierten. Beide Städte waren schwer befestigt, wobei die Befestigungen in Chrysopolis deutlich stärker waren als jene in Chalcedon, was einfach den Grund hatte, dass die Sperrkette nach Chrysopolis führte, mit der die Durchfahrt durch die Meerenge für feindliche Flotten verhindert werden konnte. Eine zweite Kette sperrte die Zufahrt zum Kriegshafen am Goldenen Horn, sodass die Kriegsflotte des Kaisers vor Überfällen ziemlich sicher war.
Arnulf stand an der Reling und blickte zurück zu den märchenhaften, golden im Sonnenlicht schimmernden Bauten der größten Stadt der Christenheit. Vom Meer aus sah Konstantinopel noch erhabener aus, als wenn man sich ihr von der Landseite näherte.
Einige der Tagelöhner, die auf dem ziemlich überladenen Schiff angeheuert waren, bemühten sich indessen vergeblich darum, die Tiere zu beruhigen, die sich an Bord befanden. Das waren nicht nur die Pferde, die Arnulf von Ellingen und seine Begleiter mit sich führten, sondern auch die Tiere eines thracischen Pferdehändlers, der damit auf den Pferdemarkt von Chalcedon gehen wollte.
Die Wellen kamen seitlich gegen das Schiff und ließen es stark schwanken. Die Tatsache, dass es ziemlich überladen war, trug nicht gerade dazu bei, dass sich seine Lage stabilisierte. Aber den Steuermann schien das nicht weiter zu beunruhigen und so dachte Arnulf, dass er am besten der Erfahrung des Fährmanns vertraute.
Fra Branaguorno allerdings vertraute lieber höheren Mächten. Arnulf hörte ihn ein Gebet sprechen und sah, wie er ein Kreuzeszeichen schlug.
„Ich kann nicht schwimmen“, erklärte er anschließend, nachdem er Arnulfs Blick bemerkt hatte.
„Ich ebenfalls nicht“, bekannte Arnulf. „Und ich glaube, für meinen Knappen gilt dasselbe!“
„Wenn also Gott nicht auf unserer Seite ist, so wäre nun ein günstiger Moment für ihn, die Mission zu beenden, auf die uns unser Kaiser geschickt hat“, gab Fra Branaguorno zurück.
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Die Überfahrt nach Chalcedon dauerte nicht lange. Das Schiff legte seitwärts an, ein Fallreep wurde ausgeklappt und wenig später zogen Arnulf von Ellingen und seine Begleiter ihre Pferde an Land. Ein Heer von Bettlern in Lumpen wartete bereits auf sie. Wer sich eine Überfahrt leisten konnte, der hatte sicher auch ein paar Kupfermünzen für Notleidende übrig, so dachten sie wohl.
Fra Branaguorno saß als erster wieder im Sattel. Arnulf und Gero folgten ihm. Kurz bevor sie das Tor der Befestigungsmauer passierten, die den Hafenbereich von der eigentlichen Stadt trennte, zügelte Gero sein Pferd und drehte sich noch einmal im Sattel herum. Seine Augen wurden schmal dabei und auf seiner Stirn erschien eine tiefe Furche.
„Was beunruhigt dich?“, fragte Arnulf, der sein Pferd inzwischen ebenfalls gezügelt hatte.
Gero antwortetet nicht sofort. Er ließ den Blick über das Treiben am Hafen schweifen, wo gut ein Dutzend Schiffe gleichzeitig entladen wurden. Das Wiehern von verängstigten Pferden war zu hören und die Rufe eines Händlers, der vergeblich versuchte, einen störrischen Esel dazu zu bewegen, über das Fallreep zu gehen.
„Ich dachte, ich hätte jemanden gesehen, der mir irgendwie bekannt vorkam!!“, meinte er.
„Wer sollte das gewesen sein?“
„Ein Mann, der mir gestern in der Veteranenschänke der Waräger aufgefallen ist.“ Gero deutete an sein Kinn. „Er hatte hier eine Narbe, an der kein Barthaar mehr wuchs. Irgendwie hatte ich für einen Moment den Eindruck, dass er uns beobachtet hat, aber vielleicht habe ich mich auch getäuscht!“
„Hier ist jedenfalls weit und breit niemand zu sehen, auf den deine Beschreibung zutrifft, Gero“, stellte Arnulf fest.
Gero seufzte.
„Ja, da mögt Ihr wohl recht haben haben, Herr!“
„Dennoch, es ist gut, wenn du auch weiterhin die Augen offen hältst!“
„Ja, Herr.“
Dann trieben sie ihre Pferde voran und sahen zu, dass sie Fra Branaguorno wieder einholten, der vollkommen unbeirrt das Tor bereits passiert hatte.