Читать книгу Killer zwischen Hamburg und Ostfriesland: Krimi Paket 5 Küstenkrimis - Alfred Bekker - Страница 60
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Es war bereits ziemlich dunkel und es regnete wieder, als Roy Bradenbach ins Freie trat und sich nach rechts und links umdrehte. Er schlug sich den Mantelkragen hoch und schlang sich den Schal vor den Mund.
Es war hundekalt und dennoch stand Bradenbach der Schweiß auf der Stirn, als er die Straße überquerte. Es war kalter Angstschweiß und sein Gesicht war von nackter Furcht gezeichnet.
"Oh, mein Gott", flüsterte er kaum hörbar in seinen Schal hinein, obwohl er eine Kirche zum letzten Mal von innen gesehen hatte, als seine Mutter ihn zur Taufe getragen hatte.
Er schluckte.
Ich hätte mich nie auf diese Dinge einlassen sollen, durchfuhr es ihn.
Aber nun war es zu spät.
Einfach zu spät.
Bis zum Hals steckte er im Sumpf und er sah nicht die geringste Chance, sich selbst wieder herauszuziehen.
Bradenbach fühlte seinen Puls bis zum Hals schlagen.
Überall konnte er auf ihn lauern.
Er musste auf der Hut sein und aufpassen.
Er musste hinüber zur Telefonzelle auf der anderen Straßenseite.
Er wollte auf jeden Fall ungestört sein, wenn er den Hörer abnahm.
Bradenbach atmete schwer.
Er war derart nervös, dass ihn beinahe ein Auto erwischte, das dann hupend weiterfuhr.
Oh, verdammt!, schoss es ihm durch den Kopf. Ich beginne bereits die Nerven zu verlieren!
Jetzt hieß es, kühlen Kopf zu bewahren. Nur dann hatte er noch eine Chance. Kühlen Kopf und stahlharte Nerven. Aber wie es schien, hatte er weder das eine noch das andere. Schließlich hatte er die andere Straßenseite erreicht. Noch einmal blickte er sich nach allen Seiten um. Er sah einen Stadtstreicher mit speckigem Parka, vor Dreck starrenden Jeans und einer schmuddeligen Wollmütze, die er tief ins Gesicht gezogen hatte.
Der Mann hob eine Zeitung vom Boden auf, die irgendjemand achtlos weggeworfen hatte und blätterte darin.
Keine Gefahr, dachte Bradenbach bei diesem Anblick oder besser: Er versuchte, es sich einzureden. Immer wieder: Keine Gefahr!
Außer dem Stadtstreicher sah er niemanden in der Nähe. Er öffnete die Tür des Telefonhäuschens, ließ sie dann hinter sich zuschlagen und fingerte mit zitternden Händen ein paar Münzen aus der Manteltasche heraus. Es war einer der letzten Münzfernsprecher in ganz Ostfriesland. Wahrscheinlich in ganz Deutschland. Das Relikt einer vergangenen Zeit. Und eine Möglichkeit, mit jemandem zu kommunizieren, ohne dass man es später zurückverfolgen konnte.
Roy Bradenbach schluckte.
Dann begann er eine Nummer zu wählen.
Mach schon!, rief es in ihm. Verdammt noch mal, nun nimm doch endlich ab!
Sein Stoßgebet wurde im nächsten Moment erhört. Eine weibliche Stimme meldete sich.
"Ist da das Büro von Björn Kilian?"
"Ja. Wer spricht dort, bitte?"
"Hier ist Roy Bradenbach. Ich habe Herrn Kilian etwas Wichtiges mitzuteilen. Ich ..."
"Kann ich Herrn Kilian etwas ausrichten, Herr Bradenbach? Hallo ... Sind sie noch dran?"
Bradenbach war noch dran, aber ihm waren die Worte vor Entsetzen buchstäblich im Halse stecken geblieben, als er sich umgewandt und in das Gesicht des Stadtstreichers geblickt hatte, der urplötzlich vor der Telefonzelle aufgetaucht war. Alles, was dann geschah, dauerte kaum länger als eine Sekunde.
Plötzlich war Bradenbach klar, dass dieser Mann gar kein Stadtstreicher war, sondern sich nur so aufgemacht hatte. Der Kerl hatte hier auf ihn gewartet, ihn wahrscheinlich schon längere Zeit beobachtet und nun war seine Chance gekommen!
Der Mann hatte ein kalt glitzerndes Augenpaar, das ihn geschäftsmäßig musterte.
Eine hässliche Narbe, die vermutlich von einer Messerstecherei herrührte, zog sich von der Stirn über das Auge und fast die gesamte rechte Wange.
Der Mann verzog das Gesicht und bleckte die Zähne. Bradenbach sah die Zeitung seines Gegenübers, jene Zeitung, die dieser vom Boden aufgesammelt hatte.
Die Zeitung glitt zur Seite und die Mündung einer Pistole mit Schalldämpfer wurde für den Bruchteil eines Augenblicks sichtbar.
Bradenbachs Augen waren vor Schreck weit aufgerissen.
"Nein", flüsterte er fast tonlos, aber da hatte sein Gegenüber bereits abgedrückt.
Am Ausgang des Schalldämpfers blitzte ein Mündungsfeuer. Es gab ein hässliches, dumpfes Geräusch.
Das Projektil durchschlug die Scheibe der Telefonzelle, ließ das Glas splittern und fuhr Bradenbach dann direkt in die linke Brust. Bradenbach wurde durch die Wucht des Geschosses nach hinten gerissen, ließ den Hörer fallen und ächzte noch einmal unterdrückt.
Der Killer wollte sichergehen.
Ein zweiter Schuss traf Bradenbach mitten in der Stirn, bevor er dann mit starren, weit aufgerissenen Augen zu Boden rutschte. Der Killer steckte die Waffe in die weite Seitentasche seiner Parka, beugte sich nieder, hob den Hörer auf und hängte ihn die Gabel.