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Selim Zalides wohnte in einem schmucken Bungalow. Gut gepflegt und in gediegener Umgebung. Die Straße war breit und von Bäumen umsäumt. Das Grundstück selbst sah aus, als würde hier eine Familie wohnen. Ich sah Spielgeräte.

„Anscheinend hat auch Herr Zalides Kinder”, stellte Rudi fest.

„Damit wird auf jeden Fall die hundertprozentige Trefferquote erhalten, die Lin-Tai für dieses Merkmal der Opfer ermittelt hat”, sagte ich. „Langsam kommt dir das auch so vor, als wäre es nicht ganz bedeutungslos, oder?”

„Keine Ahnung, was ich davon halten soll, Harry.”

In der Einfahrt stand ein Einsatzfahrzeug des Frankfurt Polizeipräsidium. Also waren offensichtlich doch bereits Kollegen da, die die schlimme Botschaft überbracht hatten.

Wir klingelten an der Tür.

Ein Polizist in Uniform öffnete uns. Wir zeigten unsere Ausweise.

„Kommen Sie herein”, sagte der Kollege. „Wir waren bisher nicht davon ausgegangen, dass dies ein Fall für das BKA ist.”

„Ein gewöhnlicher Verkehrsunfall war es sicher nicht”, erwiderte ich. „Der Mann wurde ermordet.”

„Seien Sie behutsam mit Frau Zalides. Was wir ihr zu sagen hatten, war schon ein Schock für sie. Aber jetzt kommt es ja noch schlimmer.”

Wir betraten das Wohnzimmer.

Frau Zalides saß auf der Couch. Ihr Make-up war verschmiert, die Augen rot. „Frau Zalides, mein Name ist Harry Kubinke, ich bin Kriminalinspektor beim BKA. Dies ist mein Kollege Kriminalinspektor Rudi Meier.”

„Ich stehe noch ziemlich unter Schock”, sagte Frau Zalides. „Wieso interessiert sich das BKA für meinen Mann?”

„Es scheint, als würde er zu einer Reihe von Opfern in einer Mordserie gehören”, eröffnete ich.

„Ich dachte, er starb an dem Rauschgift, das er dummerweise während der Fahrt genommen hat - gerade jetzt, wo er von dem Stoff doch gerade abgekommen war und alles wieder gut zu werden schien.”

„Er starb, weil ihm jemand reines Heroin anstelle von Kokain verkauft hat. Das war keine normale Überdosierung, Frau Zalides und Ihr Mann ist auch nicht das erste Opfer, das auf diese Weise umgebracht wurde.”

Sie sah mich verstört an. „Wer tut sowas?”

„Wir sind uns nicht sicher. Der Mann, den wir für den Drahtzieher hielten, ist verhaftet worden. Aber wir sind uns nicht sicher, was die Hintergründe betrifft. Deswegen stelle ich Ihnen jetzt ein paar Fragen, die Sie mir bitte beantworten.”

„Ich werde tun, was immer Sie wollen.”

„Zuerstmal: Sie haben Kinder?”

„Ja.”

„Wie alt?”

„Beide 10. Es sind Zwillinge. Die sind zurzeit auf einer mehrtägigen Fahrt mit ihrer Schulklasse. Ich weiß noch gar nicht, wie ich denen beibringen soll, was passiert ist.”

„Frau Zalides, hat Ihr Mann irgendwann einmal geäußert, dass er verfolgt oder beobachtet würde?”

„Nein. Er hatte viel Druck im Job und durch die Finanzkrise ist vieles schwieriger geworden. Und er hatte ein Drogenproblem und war dann oft unberechenbar. Aber das schien gelöst zu sein. Er hat einen Entzug gemacht und eine Therapie. Aber die Gefahr eines Rückfalls ist natürlich immer gegeben.” Sie schluckte und schüttelte stumm den Kopf.

„Frau Zalides, ich zeige Ihnen jetzt ein Foto. Und ich möchte, dass Sie sich dieses Bild ansehen und mir sagen, ob Sie diesen Mann irgendwann schonmal gesehen haben…”

Ich hielt ihr mein Smartphone hin und zeigte ihr das Foto, das Lin-Tai mir zugeschickt hatte.

„Den Mann kenne ich”, sagte sie. „Er heißt Omienburg.”

„Wann und wo sind Sie ihm begegnet?”

„Was soll der denn mit dem Tod meines Mannes zu tun haben?”

„Wann und wo sind Sie ihm begegnet?”, beharrte ich auf die Beantwortung meiner Frage und ließ ihre Gegenfrage erstmal unbeantwortet.

„Bei einem Gespräch in den Räumen dieser Stiftung. Wie hieß die noch… >Kampf den Drogen<, glaube ich. Mein Mann hat irgendwann mal einen Flyer von denen bekommen und da ich ihm gesagt habe, dass es so nicht weitergeht und das Problem endlich gelöst werden muss, hat er sich dort angemeldet.”

„Sie erwähnten vorhin einen Entzug.”

„Ja. Den hat er in einem Camp der >Kampf den Drogen< Stiftung gemacht. Zwei Monate war er irgendwo in einem einsamen Ort, ehe er zurückkam. Was immer da geschehen ist, es schien gewirkt zu haben. Zumindest dachte ich das zunächst, aber offensichtlich war ich da zu optimistisch.” Sie deutete auf das Gesicht von Omienburg. „Ich bin ihm nur bei dem Gespräch begegnet, zu dem ich meinen Mann ganz zu Anfang begleitet habe, als er sich bei denen angemeldet hatte. Das ist mir auch noch sehr gut in Erinnerung.”

„Weswegen? War da irgendetwas Besonderes?”

„Er sprach immer wieder von den Kindern und wie furchtbar es gerade für jüngere Kinder sei, wenn sie Eltern hätten, die drogensüchtig seien. Das war so…” Sie stockte einen Moment. Es war unübersehbar, dass sie das Gespräch mit Omienburg sehr stark bewegt haben musste. „Es war so intensiv, verstehen Sie, was ich meine?”, fuhr sie dann fort. „Vieles von dem, was er sagte, kannte ich ja aus unserem Leben. Vielleicht hatte es damit zu tun. Es ist auch nicht so, dass es der erste Versuch war, eine Therapie anzufangen und das Problem in den Griff zu bekommen. Aber ich hatte letztlich immer das Gefühl, dass Selim der Wille dazu gefehlt hat.”

„Und diesmal nicht?”

„Er war jedenfalls stärker als sonst. Und ich glaube, das hatte mit diesem Omienburg zu tun. Gieselher, wie wir ihn genannt haben.”

„Können Sie mir das näher erklären?”

Sie hob die Schultern. „Er hatte eine besondere Überzeugungskraft. Und ich denke, die kam daher, weil er das, worüber er redete aus seinem eigenen Leben kannte. Da redete keiner von oben herab auf einen ein, sondern er hatte selbst erlitten, worüber er sprach.”

„Sie meinen, Omienburg war selbst drogensüchtig?”, fragte jetzt Rudi.

Aber Frau Zalides schüttelte den Kopf. „Nicht Gieselher! Seine Eltern. Was er geschildert hat, wie unberechenbar sein Vater war, wenn er unter Drogen war, da lief es mir kalt über den Rücken - und ich glaube Selim auch. Vielleicht hat Selim sogar in diesem Moment zum ersten Mal darüber nachgedacht - ich meine, wirklich nachgedacht! -, was es für seine Kinder bedeutet, dass ihr Vater Drogen nimmt!”

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