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Am nächsten Morgen lag der Obduktionsbericht für Selim Zalides vor. Die Todesursache war damit von Dr. Wildenbacher noch einmal bestätigt worden. Zalides war tatsächlich an dem Heroin verstorben, dass er genommen hatte. Die sichergestellten Proben sollten jetzt einer weiteren Analyse unterzogen werden, sodass sich mit Sicherheit bestimmen ließ, ob der Stoff aus derselben Quelle kam, wie das Heroin, das Friedhelm Nöllemeyer getötet hatte.

Eigentlich konnte es daran keinen vernünftigen Zweifel geben. Aber sicher war das eben erst, wenn das Ergebnis schwarz auf Weiß auf dem Tisch lag.

Dr. Förnheim meldete sich noch einmal aus Hamburg.

„Meine Untersuchungen hier sind abgeschlossen”, erklärte Förnheim. „Der Weg, auf dem das Heroin seinen Aufbewahrungsort verlassen hat, ist nun restlos geklärt.”

„Dann gibt es einen oder mehrere Verdächtige?”, hakte ich nach.

„Der BKA-Chef von Hamburg wird Sie in Kürze anrufen und eine Video-Konferenz vereinbaren. Sie können dann dem Verdächtigen Fragen stellen.” Förnheim atmete tief durch. Er sah etwas abgekämpft aus, was ich ansonsten eigentlich nicht von ihm gewohnt war. Aber was diesen Fall anging, so schien er sich zu dessen Lösung ganz schön verausgabt zu haben.

„Der Verdächtige heißt Horst Immermann. Er ist Angestellter hier und offenbar seit vielen Jahren einen schwunghaften Handel mit Asservaten und Beweisstücken betrieben”, berichtete Förnheim. Bei Drogenvorräten, die der Polizei in die Hände gefallen sind, ist das leicht nachvollziehbar, wie man daraus Geld machen kann. Aber anscheinend hat er auch hin und wieder mal Beweisstücke für ein entsprechendes Honorar einfach verschwinden lassen.”

„Ich muss unbedingt mit ihm sprechen”, sagte ich.

„Das werden Sie auch, Harry. Im Moment wird gerade das Geständnis von Immermann in die letzte Form gebracht. Er weiß, dass er nur noch eine Chance hat, wenn er mit der Justiz zusammenarbeitet.”

„Steht denn wirklich fest, dass er diesen Handel allein aufgezogen hat?”, fragte ich.

„Bis jetzt spricht vieles dafür. Er ist dabei ausgesprochen clever vorgegangen und offensichtlich sind seine Aktivitäten ansonsten niemandem aufgefallen.”

„Ich danke Ihnen.”

„Wir sehen uns in Quardenburg.”

Eine halbe Stunde später kam der Anruf der Kollegen aus Hamburg. Ich wurde darüber unterrichtet, wie weit das Verfahren inzwischen fortgeschritten war und wir vereinbarten eine Videokonferenz eine Stunde später.

Sie wurde in einem der Besprechungsräume im Hauptgebäude des Frankfurt Polizeipräsidium durchgeführt. Ladberger, Kommissar Gustavv und die Kollegin Meckenhoff-Grelin waren auch dabei. Außerdem Melanie W. Schmidt von der Staatsanwaltschaft. Wofür das W. stand, wusste ich nicht. Aber Frau Schmidt legte großen Wert darauf, denn immer, wenn sie sich jemandem vorstellte war dieses W mit dabei. Und das nicht nur irgendwie. Sie betonte es auch stets sehr deutlich. Nunja, es war vielleicht ja auch der markanteste und am besten zu merkende Bestandteil ihres ansonsten nicht gerade ungewöhnlichen Namens.

Ich hatte den Kollegen aus Hamburg außerdem das Foto von Gieselher Omienburg geschickt. Das sollten Sie dem Beschuldigten genau dann zeigen, wenn ich es ihnen signalisierte.

Noch war der Großbildschirm dunkel. Melanie W. Schmidt hatte die Arme vor der Brust verschränkt. „Denken Sie wirklich, dass dabei irgendetwas herauskommt, Herr Kubinke?”

„Das werden wir sehen”, sagte ich. „Auf jeden Fall ist es mir ein Anliegen, dass Sie dabei sind, um sich vom Verlauf der Vernehmung ein eigenes Bild aus erster Hand machen zu können.”

„Ich tue Ihnen den Gefallen.”

Wenig später sahen wir auf dem Großbildschirm die Kollegen aus Hamburg zusammen mit dem Verdächtigen Horst Immermann.

Immermann war ein unscheinbarer, schmächtig wirkender Mann in den Fünfzigern. Das Haar war grau, die Augen braun. Jemand, der einem nicht weiter auffiel, wenn man ihm in der Verwaltung einer Asservatenkammer begegnet wäre. Aber vielleicht war genau das der Grund, weshalb er sein lukratives Nebengeschäft so lange und offenbar völlig unbemerkt hatte betreiben können.

Immermanns Anwalt war ebenfalls anwesend.

„Herr Immermann, Kriminalinspektor Kubinke wird Ihnen jetzt ein paar Fragen stellen, die Sie im Zusammenhang mit der zwischen Ihnen und der Staatsanwaltschaft von Hamburg getroffenen Vereinbarung wahrheitsgemäß beantworten sollten”, sagte Herr Grieco, ein Vernehmungsspezialist der Kollegen aus Hamburg.

Immermann wandte das Gesicht in die Kamera. „Schießen Sie los, Herr Kubinke.”

„Es geht um einen Mann namens Gieselher Omienburg”, sagte ich. „Sagt Ihnen der Name was?”

„Ich kenne niemanden, der so heißt und mir wäre auch nicht bewusst, dass mir je jemand begegnet wäre, der diesen Namen trägt.”

„Kommissar Grieco wird Ihnen jetzt ein Foto zeigen und ich möchte, dass Sie mir sagen, ob Sie diesen Mann kennen, der dort zu sehen ist.”

Immermann bekam den Ausdruck des Fotos vorgelegt, das ich an die Kollegen gesandt hatte.

„Ich kenne den Mann, auch wenn es schon lange her ist. Allerdings hat er sich mir gegenüber nicht Gieselher Omienburg genannt, sondern Jannick Schmidt. Ich habe natürlich geahnt, dass der Name falsch war, aber das hat mich nicht interessiert. Er hatte über irgendeinen anderen Kunden von meinen Geschäften erfahren und ist so auf mich gekommen.”

„Erzählen Sie uns, was Sie ihm verkauft haben, wann das war und so weiter”, verlangte ich. „Wir brauchen Einzelheiten.“

„Also dieser Jannick Schmidt oder Gieselher irgendwas, wie Sie ihn nennen, ist mir deshalb so gut in Erinnerung geblieben, weil es das einzige Mal war, dass ich eine so große Menge Heroin verkauft habe. Da bin ich wirklich an die Grenze des Vertretbaren gegangen, wahrscheinlich, weil ich zu gierig war. Später habe ich dieses Risiko zu vermeiden versucht und immer nur kleinere Mengen veräußert, bei denen ich davon ausgehen konnte, dass ihr Verschwinden nicht einmal dann auffällt, wenn der Stoff nochmal für irgendeinen Zweck aus der Mottenkiste geholt wird. Und dann war noch etwas merkwürdig. Der wirkte nicht wie jemand, der süchtig ist und auch nicht wie ein Dealer.”

„Wann fand dieser Deal statt?”

„Das war Mitte Juni - vor sieben Jahren. Das weiß ich noch genau.”

„Wie hat er bezahlt?”

„Über mein Konto auf den Bahamas. Die Belege habe ich offengelegt. Das ist Teil meiner Vereinbarung mit der Justiz. Es dürfte keine Schwierigkeit sein, die Transaktion nachzuweisen.”

Mehr brauchten wir nicht.

Die Befragung zog sich noch etwas hin. Insbesondere Melanie W. Schmidt hatte noch ein paar detaillierte Nachfragen, bevor sich ihre Skepsis schließlich legte.

Rudi rief Charlotte Ferretz, unsere Betriebswirtschaftsspezialistin in Quardenburg an, damit sie den Zahlungsverkehr überprüfte. Normalerweise war das schwierig, wenn sich die entsprechenden Konten bei einer Bank eines Lande befanden, mit dem keinerlei Abkommen über den Austausch der betreffenden Daten bestanden. In diesem Fall traf das aber nicht zu, da Immermann den Zugang zu seinem Konto als Teil seiner Abmachung mit der Justiz ja selbst preisgegeben hatte.

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