Читать книгу Der Fall mit dem Catcher: Kommissar Jörgensen Hamburg Krimi - Alfred Bekker - Страница 6
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Als ich an diesem Morgen im Büro von Herrn Kriminaldirektor Bock saß, war ich noch ziemlich müde. In der Nacht zuvor hatte wir eine Razzia im BLUE MOON durchgeführt, einem Glitzerclub, von dem wir schon lange vermutet hatten, dass er ein Umschlagplatz für Designer-Drogen war. Diese Operation saß mir jetzt noch in den Knochen. Aber wenn ich mir die anderen Gesichter der Kriminalpolizei-Kollegen ansah, die sich im Büro unseres Chefs versammelt hatten, war ich nicht der einzige.
Ich nippte an meinem Kaffee. Mein Freund und Kollege Roy Müller schien meinen Gesichtsausdruck bemerkt zu haben. Er saß neben mir.
»Mandy hat Urlaub«, raunte er mir zu.
»Das erklärt alles«, erwiderte ich.
Mandy war die Sekretärin unseres Chefs. Und ihr Kaffee war in der gesamten Dienststelle eine Legende. Das Gebräu, das ich jetzt vor mir hatte, konnte damit auf keinen Fall konkurrieren.
Außer Roy und mir waren noch die Kollegen Oliver “Ollie” Medina und Stefan Czerwinski anwesend.
»Sie werden von dem jüngsten Vorfall im Eichtalpark gehört haben«, begann Herr Bock. Natürlich hatten wir das. Das war gar nicht zu vermeiden. Schließlich waren sämtliche Zeitungen und die Nachrichten in Fernsehen und Radio voll davon. »Vorgestern ist bei einem vom Deutschen-Wrestling-Verband ausgetragenen Kampf im Freistil-Catchen der Star des Abends umgebracht worden, ein gewisser Mario Amato. Er mag dem einen oder anderen, der an dieser Sportart interessierter ist als ich, vielleicht unter dem Namen DER HENGST ein Begriff sein.«
»Ich habe nur die Plakate vor dem Eichtalpark gesehen«, sagte Ollie Medina, ein Kollege, der als bestangezogenster Beamter des Reviers galt.
Herr Bock schaltete einen Projektor ein und zeigte uns erst einige Aufnahmen von Amato, dann vom Tatort.
»Es gibt sogar eine Videoaufnahme des Geschehens«, erklärte Herr Bock dann. »Ein Kabelsender, der sich auf Catchen spezialisiert hat, hat den Kampf nämlich live übertragen. Die Aufnahme stelle ich Ihnen für die Ermittlungen zur Verfügung. Aber zunächst möchte ich Ihnen die Ermittlungsergebnisse kurz darlegen, die unsere Kollegen bereits gewonnen haben. Vielleicht haben Sie die entscheidenden Ausschnitte der Videoaufzeichnung ohnehin schon im Frühstücksfernsehen bewundern können.« Herr Bock schüttelte angewidert den Kopf.
»Das, was da im Eichtalpark passiert ist, ist schlimm genug. Aber die Art und Weise, wie manche Medien das ausbeuten, gefällt mir ebenfalls nicht.«
Anhand mehrerer weiterer Aufnahmen erläuterte Herr Bock uns den Tathergang, so wie er bisher rekonstruiert worden war. Der Täter hatte aus dem Publikum heraus geschossen. Die Ballistiker hatten inzwischen sogar feststellen können, von welchem Platz aus. In der allgemeinen Panik hatte der Täter dann unerkannt flüchten können. Die Leute waren aus der Halle gestürzt und hatten die Sicherheitsleute und Ordner einfach über den Haufen gerannt. Einige Dutzend Verletzte waren mit Prellungen und Knochenbrüchen in Krankenhäuser eingeliefert worden. Insgesamt ein halbes Dutzend Personen glaubten, den Täter beobachtet zu haben. Die Polizei hatte ihre Aussagen aufgenommen, aber sie waren dermaßen unterschiedlich, dass ihr Wert gleich Null war.
Vermutlich hatte keiner dieser Menschen wirklich etwas gesehen.
Bei den verwendeten Projektilen handelte es sich um Kugeln vom Kaliber 38.
»Wieso ist das unser Fall?«, erkundigte ich mich.
Herr Bock hob die Augenbrauen.
»Dazu komme ich sofort, Uwe.« Er hielt eine Fernbedienung in der Hand, mit der er den Projektor bediente. Das Gesicht eines Mannes in den mittleren Jahren erschien jetzt an der Wand. »Mario Amato hatte Verbindungen zur Unterwelt. Insbesondere zu Claas Jordan!«
»Dem Wettkönig aus St. Pauli?«, meinte Roy.
Herr Bock nickte.
»Genau! Jordan ist eine große Nummer im illegalen Glücksspiel und Wettgeschäft. Er betreibt mehrere Bars und ein paar Wettbüros. Außerdem vermuten wir, dass er in großem Maßstab Wettbetrug betreibt. Abgesprochene Pferdewetten und manipulierte Kämpfe beim Boxen und Catchen. Allerdings ist bislang nichts Gerichtsverwertbares dabei herausgekommen. Claas Jordan macht sich selbst die Hände nicht schmutzig. Dafür hat er seine Leute. Im letzten Jahr wollte ein Aussteiger aus Claas Jordans Organisation als Kronzeuge aussagen. Er wurde auf dem Weg zum Staatsanwalt von einem Scharfschützen erschossen. Dass Claas Jordan dafür den Auftrag gab, konnte nie bewiesen werden.«
»Und weshalb sollte er etwas mit dem Tod von Mario DER HENGST Amato zu tun haben?«, fragte Roy.
»Amato stand praktisch auf der Gehaltsliste von Jordan. Jedenfalls sagen uns das unsere Informanten. Aber es gibt auch andere Anhaltspunkte, die das mehr als nahelegen. Amatos Manager hat früher für Jordan gearbeitet. Mit Jordans Geld ist Amato aufgebaut worden.«
»Und je nach dem, wie die Wettquoten standen, ist Amato dann entweder umgefallen oder als Sieger vom Platz gegangen«, schloss Czerwinski. Der flachsblonde Kollege schlug die Beine übereinander.
Herr Bock zuckte die Achseln.
»Es spricht sehr viel für diese Vermutung. Jedenfalls soll Amato sich mit seinem Mentor verkracht haben. Gerade jetzt, wo er groß im Kommen war und für Jordan richtig Geld gebracht hätte!«
»Und deshalb musste er sterben?«, fragte ich.
»Es wäre nicht das erste Mal, Uwe, dass Claas Jordans Leute aus seinem Imperium, die nicht parieren, wenig später auf mysteriöse Weise eine Kugel in den Schädel bekommen. Jordan ist, was das angeht, nicht unbedingt ein kalt kalkulierender Unterwelt-Boss. Er kann mitunter sehr emotional reagieren. Sein nachtragender Hass ist berüchtigt. Eine Beleidigung genügt und ihm brennen sämtliche Sicherungen durch ...«
»Klingt nicht gerade nach jemandem, den ich näher kennenlernen möchte«, raunte mir Roy zu.
»Gehört wohl leider zum Job«, erwiderte ich.
Herr Jonathan D. Bock wandte sich an Ollie: »Sie und Herr Czerwinski ermitteln bitte am Tatort. Nehmen Sie sich jedes Detail noch einmal unter die Lupe und arbeiten Sie dabei mit Kriminalhauptkommissar Krüger, dem Leiter der zuständigen Mordkommission zusammen! Insbesondere möchte ich, dass Sie sich mit den Organisatoren des Catch-Events in Verbindung setzen und ermitteln, ob es vielleicht im Vorfeld des Attentats irgendwelche Auffälligkeiten gab.«
Ollie Medina nickte.
»In Ordnung, Herr Bock.«
Herr Bock vollführte eine halbe Drehung in meine Richtung.
»Sie und Herr Müller ermitteln in Amatos Umfeld ... Es wäre nicht schlecht, wenn wir Claas Jordan endlich mal festnageln könnten.«
»Leichter gesagt als getan«, erwiderte ich.
Mordaufträge gehörten leider zu den am schwersten nachweisbaren Delikten. Es war viel leichter denjenigen dingfest zu machen, der sich dafür hergab, eine Waffe abzudrücken. Denn so geschickt er sich dabei auch immer anstellen mochte, er hinterließ ganz sicher mehr Spuren als sein Auftraggeber.