Читать книгу Der Fall aus der Ferne: Kommissar Jörgensen Hamburg Krimi - Alfred Bekker - Страница 9
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Ich trug unter der Lederjacke eine schusssichere Weste.
Man macht schon einiges mit, nur damit man nichts abkriegt.
Angenehm ist das nicht, kann ich Ihnen sagen!
Und eine Zulage gibt es auch nicht dafür.
Über Headset war ich mit den anderen BKA-Kollegen funktechnisch verbunden, die an diesem Einsatz beteiligt waren. Da ich den Reißverschluss meiner Lederjacke geschlossen hatte, um die Kevlar-Weste zu verbergen, steckte meine Dienstwaffe in der Seitentasche und nicht im Holster. Meine Hand hatte sich um den Griff der Pistole gelegt, sodass ich sie jederzeit herausreißen konnte.
Zusammen mit meinem Kollegen Roy Müller ging ich die Straße entlang, vorbei an einem Club, der sich »Bordsteinschwalbennest« nannte.
Aber so verrucht, wie der Name vermuten ließ war das »Bordsteinschwalbennest« nicht. Es war ein Nachtclub der Luxusklasse, in dem viel Geld umgesetzt und wenig Gewinn gemacht wurde. Aber das war nach unseren Ermittlungen auch gar nicht das, was der Besitzer im Sinn hatte.
Das »Bordsteinschwalbennest« diente unseren Ermittlungen nach der Geldwäsche. Dreckige Drogengelder sollten weiß gewaschen werden. Der Besitzer hieß Dima Modesta und war keineswegs ein unbeschriebenes Blatt.
Er galt als treuer Gefolgsmann der Russen-Mafia-Größe Vladi Gruschenko und hatte sich in dessen Organisation vom Türsteher und Schläger aufwärts hochgedient und war offenbar auf seine alten Tage mit dem nicht gerade anstrengenden Job belohnt worden, einen Club zu führen, der keine Gewinne, sondern nur Umsatz zu machen brauchte.
Immer dasselbe Spiel.
Formal war Modesta der Besitzer – aber unser Kollegen hatten ermitteln können, auf welchen verschlungenen Finanzpfaden Vladi Gruschenko seinen Strohmann mit dem nötigen Kapital ausgestattet hatte. Das alles lief über mehrere Scheinfirmen in Liechtenstein, der Schweiz und auf den Cayman Islands.
Wir hatten genug gegen ihn gesammelt, um ihn festnehmen zu können. Damit brach dann auch für Modestas Boss Vladi Gruschenko ein wichtiges Stück aus dem Imperium heraus, das diese graue Eminenz des organisierten Verbrechens aufgebaut hatte.
Roy und ich hatten den Eingang zum »Bordsteinschwalbennest« passiert. Ich machte an einem Zeitschriftenladen Halt und sah mir die Magazine im Drehständer an, den ich mit der Linken leicht bewegte. Roy ging noch ein Stück weiter und blieb dann zwischen zwei parkenden Fahrzeugen stehen. Er tat so, als wollte er über die Straße gehen. Da die Straße stark befahren war, konnte er dort eine ganze Weile bleiben, ohne dass es auffällig war und gleichzeitig den Eingang des »Bordsteinschwalbennest« beobachten.
Es war später Vormittag. Da war der Nachtclub natürlich noch nicht geöffnet. Es gab lediglich hin und wieder Lieferverkehr.
Wir wussten, dass Dima Modesta hier auftauchen würde. Er sah dann nach dem Rechten und traf sich auch mit Geschäftspartnern.
Maximal eine halbe Stunde dauerten diese Aufenthalte.
Dima Modesta war ein sehr misstrauischer Mann.
Offenbar hatte er sich vorgenommen, nie wieder so einfach in seiner Privatwohnung verhaftet zu werden, wie es im Zusammenhang mit seiner letzten Verurteilung wegen schwerer Körperverletzung und Nötigung der Fall gewesen war. Er besaß zwar ein Luxus-Apartment, das auch von unseren Kollegen überwacht wurde – aber dort hielt er sich so gut wie nie auf.
Statt dessen übernachtete er abwechselnd in mehreren, über den gesamten Großraum Hamburg verteilten Wohnungen. Wohnungen, die formal so genannten »Freundinnen« gehörten. In Wahrheit handelte es sich dabei um Prostituierte, die für ihn anschafften. Leider kannten wir die meisten Schlupflöcher nicht und so mussten wir ihn vor dem »Bordsteinschwalbennest« abpassen.
Unser Kollege Kronburg meldete sich über Funk.
»Modestas kanariengelber Ferrari ist im Anmarsch«, sagte er. »Er müsste gleich um die Ecke kommen.«
»Verstanden«, murmelte ich in das Mikro am Kragen hinein.
Es dauerte nur wenige Augenblicke, da bog der unübersehbare kanariengelbe Ferrari von Dima Modesta um die Ecke. Schnelle Autos waren eine Schwäche von Modesta.
Er parkte den Wagen am Straßenrand. Seine Leute sorgten – manchmal auch mit ziemlich rabiaten Methoden – dafür, dass vor dem »Bordsteinschwalbennest« immer ein Parkplatz frei war, wenn Modesta ihn brauchte.
Selbst Lieferfahrzeuge mussten dann notfalls weichen. Inzwischen war allerdings wohl bereits jedem Lieferanten des »Bordsteinschwalbennest« eingeimpft worden, wo die »Verbotene Zone« war.
Dima Modesta saß nicht allein im Ferrari.
Neben ihm auf dem Beifahrersitz befand sich eine wasserstoffblonde Schönheit mit aufgespritzten Lippen. Die beiden schienen einen ziemlich heftigen Wortwechsel zu haben, von dem wir allerdings kein Wort verstehen konnten.
Dann stiegen beide aus.
Das war der Moment für unseren Zugriff.
Von der einen Seite näherten sich Roy und ich, von der anderen unsere Kollegen Fred Düpree und Lukas Marxheimer.
Modesta kannte keinen von uns persönlich. Trotzdem schien er einen sechsten Sinn für solche Situationen entwickelt zu haben. Er blickte in Freds Richtung, ließ die Blondine in seinem Schlepptau los und machte einen schnellen Schritt in Richtung des »Bordsteinschwalbennest«-Eingangs.
»Bleiben Sie stehen! Kriminalpolizei!«, rief Roy Müller.
Wir rissen unsere Waffen heraus.
Dima Modesta ebenfalls. Er zog eine Automatik unter der Jacke hervor und feuerte wild um sich. Unser Kollege Lukas Marxheimer sank getroffen zu Boden.
Wir feuerten ebenfalls. Eine Kugel traf Modesta in die Brust, riss seinen Blouson auf und offenbarte das graue Kevlar, dass er darunter trug. Er taumelte durch die Wucht des Treffers gegen die Wand. Er ballerte aber weiterhin um sich. Seine Schüsse waren vollkommen ungezielt.
Stolpernd rettete er sich dann durch die Tür des »Bordsteinschwalbennest«.
Fred Düpree kümmerte sich um unseren niedergeschossenen Kollegen Lukas Marxheimer und verständigte bereits den Rettungsdienst. Die Kugel hatte ihn am Hals erwischt, wo ihn auch die Kevlar-Weste nicht schützte. Eine Blutlache breitete sich auf dem Pflaster des Bürgersteigs aus.
Roy und ich setzten nach, um Modesta gefangen zu nehmen.
Die Blondine mit den aufgespritzten Lippen stand wie angewurzelt da.
Dann dröhnte das Geräusch einer gewaltigen Explosion uns in den Ohren.
Die Fenster des »Bordsteinschwalbennest« barsten nach außen. Glassplitter flogen wie Geschosse durch die Luft. Wir warfen uns zu Boden und ich riss die Blondine mit mir auf das Pflaster. Ihr Aufschrei ging im Detonationslärm unter. Eine Welle aus Druck und Hitze brandete über uns hinweg und ließ auch noch die Scheiben des Ferrari und einiger anderer parkender Fahrzeuge zerplatzen.