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Stadtpark, einen Monat später...

Eine dunkle Rauchfahne quoll aus dem zehnstöckigen Gebäude heraus, als Roy und ich dort eintrafen. Dutzende von Einsatzfahrzeugen der Feuerwehr, der Notärzte und der Polizei blockierten den Stadtpark. Genau um 11.28 Uhr hatte eine gewaltige Explosion Hamburg Mitte erschüttert.

Wir waren so schnell wie möglich zum Ort des Geschehens geeilt. Den Sportwagen stellte ich am Straßenrand ab. Roy und ich stiegen aus.

In Höhe des fünften Stocks klaffte ein Loch in der Fassade des Gebäudes, einem exquisiten Apartment-Haus. Feuerwehr und Polizei hatten den Bereich weiträumig abgesperrt. Passanten wurden angewiesen, den Gefahrenbereich so schnell wie möglich zu verlassen.

Ein Megafon verkündete, dass akute Einsturzgefahr bestand.

»So eine Scheiße...«, murmelte Roy vor sich hin.

Der sechste Stock bröckelte mehr und mehr ab. Ganze Betonbrocken sackten in die Tiefe, rissen Teile der Fassade in weiter unten gelegenen Etagen mit sich.

Ein Mann geriet in Panik, sprang durch ein Fenster im achten Stock, da er wohl glaubte, dass das gesamte Gebäude innerhalb der nächsten Sekunden in sich zusammenstürzen würde.

Mit einem Schrei fiel der Mann in die Tiefe.

Jede Hilfe kam zu spät.

Ein energischer Feuerwehrmann trat uns entgegen.

Durch den Aufdruck an seiner Jacke wusste ich, dass er Fiegenbaum hieß.

»Gehen Sie bitte zurück!«

Wir zückten unsere Marken. »Jörgensen, Kriminalpolizei. Dies ist mein Kollege Müller...«

»Und wenn Sie der liebe Gott persönlich wären. Hier kommt im Moment niemand durch! Sie können nichts tun, außer hier stehen zu bleiben und abzuwarten. Unsere Leute sind da drin und versuchen so viele Menschenleben wie irgend möglich zu retten.« Er tickte gegen die Gasmaske, die ihm um den Hals hing. »Aber im Gegensatz zu euch sind wir entsprechend ausgerüstet...«

Ich atmete tief durch.

Der beißende Geruch des Qualms war schon in dieser Entfernung unangenehm und kratzte im Hals.

Ich warf einen Blick zu Roy, sah, dass er noch etwas erwidern wollte.

»Lass gut sein, der Mann hat recht«, kam ich ihm zuvor.

»Zum Glück handelt es sich um ein Haus mit Wohnapartments. Die meisten Bewohner dürften um diese Zeit in der Arbeit sein...«, meinte Fiegenbaum und sah dabei hinauf zur Rauchsäule. Unsere Erkennungsdienstler Thorsten Busche und Stefan Zeiler trafen zusammen mit einigen Kollegen ein.

Die beiden begrüßten uns knapp.

Der Einsatz der Erkennungsdienstler würde sicher noch eine ganze Weile warten müssen. Solange die akute Einsturzgefahr bestand, war es unmöglich, jemanden in das Gebäude hineinzuschicken, nur um ein paar Spuren zu sichern.

»Sieht aus, als hätte da jemand ein ganzes Apartment voller Sprengstoff in die Luft gejagt!«, meinte Thorsten Busche.

Vor Monaten schon hatten die Experten in allen Polizeibehörden Hamburgs darauf hingewiesen, dass mit einem derartigen Fall gerechnet werden musste. Mit Sprengstoff gefüllte Wohnungen als Waffe von Terroristen.

Die Vorgehensweise war denkbar einfach. Eine Wohnung anmieten, sie mit dem nötigen Sprengstoff bestücken und den Zünder auf jeden beliebigen Zeitpunkt einstellen.

Vor dieser Art Kriegsführung durch extreme Gruppen aller Art gab es keinen Schutz. Es sei denn, man hätte ein System totaler Kontrolle eingeführt, dass einem Polizeistaat gleichgekommen wäre. Aber das wollte ja niemand.

Auf den ersten Blick betrachtet war es relativ schwer, in Hamburg eine Wohnung zu mieten. Einerseits lag das natürlich an dem geradezu mörderischen Mietniveau, das sich gewöhnliche Angestellte kaum leisten konnten.

Große Leiterwagen der Feuerwehr wurden jetzt näher herangefahren.

Verzweifelte hatten sich indessen in den Stockwerken Nummer sieben, acht und neun gesammelt.

Vielleicht zwanzig, dreißig Personen.

Herr Fiegenbaum schien mit seiner Vermutung, dass die Mehrheit der Bewohner gar nicht zu Hause war, recht gehabt zu haben.

Ich drückte ihm in dieser Hinsicht jedenfalls die Daumen.

Die langen Leitern reckten sich an die zerstörte Fassade des Gebäudes heran. Über Megafon bekamen die Bewohner Verhaltenshinweise.

Es war ein beklemmendes Gefühl für mich, dazustehen und nichts tun zu können, um den Leuten zu helfen.

Aber in diesem Fall war es wirklich besser, den Job den Fachleuten zu überlassen. Unsere Stunde würde noch schlagen...

Denn wer immer auch hinter diesem Anschlag stand, wir würden ihn früher oder später ermitteln und zur Rechenschaft ziehen.

Die ersten Bewohner hatten sich bereits auf die Leitern gerettet, da stürzte die gesamte Vorderfront des Gebäudes in sich zusammen. Zuerst brachen Teile der Decke zwischen den Etagen sechs und sieben herunter. Ein grollender Laut war dabei zu hören, der an Donner erinnerte. Todesschreie mischten sich in dieses Geräusch hinein, wurden von ihm verschluckt.

Ich sah, wie einer der Geretteten und ein Feuerwehrmann durch herumfliegende Beton- und Stahlteile von der Leiter geschleudert wurden.

Dann war nur noch Staub zu sehen. Er hüllte alles ein, erstickte wohl selbst den noch immer schwelenden Brandherd im fünften Stock und kroch auf uns zu.

Gleichgültig ob Angehörige der Feuerwehr, Polizisten oder Rettungssanitäter -—für sie alle gab es jetzt nur noch die Flucht.

Ich starrte auf die graubraune Wand aus Staub, die wie ein gewaltiges Ungeheuer auf uns zukam. Die Gedanken rasten nur so durch mein Hirn. Wie allen Menschen steckte auch mir noch die Erinnerung an das Flugzeugattentat in den Knochen, dass al-Quaida-Terroristen auf das World Trade Center verübt hatten. Die schrecklichen Bilder der einstürzenden Türme waren um die ganze Welt gegangen. Überall hatten sie Wut und Empörung gegen das menschenverachtende Handeln der Täter ausgelöst.

Das, was sich in diesen Augenblicken vor unseren Augen abspielte, war natürlich vom Ausmaß her nicht damit zu vergleichen.

Aber die Menschenverachtung der Täter war dieselbe.

Der Tod völlig Unbeteiligter wurde billigend in Kauf genommen.

Wut erfasste mich.

Unwillkürlich ballte ich die Hände zu Fäusten.

Roy stieß mich an.

»Los! Weg!«

Das riss mich aus der Erstarrung.

Wir rannten über eine Rasenfläche von etwa fünfzig Metern im Stadtpark zu.

Die Hunderte von Schaulustigen, die sich zuvor dort gesammelt hatten, stoben inzwischen längst auch in heller Panik davon.

Schließlich stoppte ich, blickte zurück.

Bis hierher würden uns die Brocken nicht um die Ohren fliegen.

Die Luft war gesättigt von Staub. Ich griff nach meinem Taschentuch. Trotzdem kratzte es im Hals. Durch die sich langsam senkenden Staubschwaden sahen wir eine Ruine.

Die Rückfront des Gebäudes stand noch in einer Höhe von vier Stockwerken da. Wie ein Skelett.

»Das ist ein Bild wie aus einem Krieg, Uwe«, sagte Roy hustend.

»Vielleicht führt die Welt inzwischen ja auch so etwas ähnliches«, erwiderte ich und versuchte beim Sprechen nicht allzuviel Staub zu schlucken.

Der explosive Fall: Kommissar Jörgensen Hamburg Krimi

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