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Jamal Abdelhamid betrat die Hamburger Galerie. ARABIAN NIGHTS hieß auf gut hamburgisch das Motto der Ausstellung, zu deren Vernissage er geladen war. Künstler aus Syrien, Ägypten und Algerien stellten ihre Werke aus.

Abdelhamid ließ den Blick schweifen.

Die Gäste trugen Abendkleidung.

Abdelhamid war in seinem dunkelgrauen Straßenanzug gerade noch angemessen angezogen. Eine Frau lachte schrill. Jemand hielt Abdelhamid ein Tablett hin und er nahm eines der Champagnergläser.

Ein großformatiges, bis zur Decke reichendes Gemälde, dessen abstrakte Muster an arabische Kalligraphie erinnerten, nahm Abdelhamid für Augenblicke in seinen Bann.

Mustafa al-Khalili hieß der Künstler. Er stammte aus Kairo, lebte aber seit zwanzig Jahren in Deutschland; wie seine auf einer kleinen Schautafel abgedruckte Vita verriet.

»Wie ich sehe, haben Sie Ihren Sinn für Kunst entdeckt«, sagte eine Stimme in Abdelhamids Rücken.

Er wirbelte herum, blickte in das Gesicht eines hageren Mannes. »Mario«, stieß Abdelhamid hervor.

»Was gibt es denn so dringendes?« Mario blickte auf das Gemälde und grinste dabei. »Ihretwegen muss ich mir jetzt so einen Scheiß ansehen«, meinte er. »Am besten Sie kommen gleich zur Sache.«

Der Mann namens Mario war ziemlich schmächtig. Er reichte Abdelhamid kaum bis zur Schulter. Mario trug ein Jackett aus einem fließenden Stoff. Unter der Achsel war eine Verdickung zu sehen. Vermutlich von einem Schulterholster.

Abdelhamids Gesicht veränderte sich. Es wurde zur Maske.

»Haben Sie die Nachrichten gesehen, Mario?«, fragte Abdelhamid.

Mario kniff die Augen zusammen, blickte Abdelhamid direkt an.

»Ich weiß nicht, auf welchem Trip Sie sind, Mann. Aber Sie scheinen mir im Moment psychisch ziemlich daneben zu sein.«

Abdelhamid packte den Mario am Kragen. »Ich spreche von einer Explosion am Stadtpark.«

Mario schien ziemlich gleichgültig.

»Die Welt ist schlecht, Mann. Es passiert so vieles.«

»Die Sache ist ziemlich heiß. In den Nachrichten wird von fast nichts anderem berichtet. Und im Nu werden wir die Kriminalpolizei oder sonstwen an den Fersen kleben haben!«

»Jammern Sie mir nichts vor, Mann. Sie wussten genau über den Job Bescheid, für den Sie angeheuert wurden.«

Abdelhamid atmete tief durch.

»Ich habe die Wohnungen für Sie besorgt! Wohnungen, die wahrscheinlich jetzt alle vollgestopft mit Sprengstoff sind, der jederzeit gezündet werden kann!«

»Hey Mann, wie sind Sie denn drauf? Wollen Sie mir was von Gewissensbissen erzählen? Das würde ich jedem anderen glaube, aber Ihnen nicht!« Marios Gesicht wurde zu einer starren Maske. »Im Übrigen würde ich es bevorzugen, wenn wir uns woanders unterhalten können! Sie reden einfach zu laut! Gehen wir vor die Tür!«

»Damit Sie mich in aller Ruhe umbringen können?«

»Seien Sie kein Narr!«

»Das bin ich nicht. Und genau deswegen bleibe ich lieber an einem belebten Ort wie diesem...«

Mario verschränkte die Arme.

Abdelhamid begrüßte einen der Vernissage-Gäste mit einem Nicken.

»Was wollen Sie?«, fragte Mario.

»Ich finde, dass ich nicht besonders gut bezahlt wurde, wenn man bedenkt, dass ich Ihnen die Möglichkeit gegeben habe, die halbe Stadt in Schutt und Asche zu legen...«

»Ich dachte, ich wäre sehr großzügig gewesen.«

»Alles ist relativ. Ich bin in der Zwischenzeit in finanzielle Schwierigkeiten geraten und brauche dringend Geld...«

»Ihr Problem!«

»Könnte sich schnell ändern, Mario! Ich habe nämlich einiges über Sie herausgefunden... Ich weiß inzwischen, für wen Sie arbeiten. Leider kann ich es mir nicht leisten, das einfach für mich zu behalten.«

»Verstehe!«, zischte Mario zwischen den Zähnen hindurch.

»Entweder Sie bezahlen mich für mein Schweigen oder...«

»Und deshalb bestellen Sie mich hierher? Scheren Sie sich zum Teufel... Die Polizei wird Sie lebenslang einlochen, wenn Sie sich an die Behörden wenden!«

»Es gibt noch andere Leute, die an diesen Informationen interessiert wären!«

»Wie schön für Sie!«

Abdelhamids Gesicht lief dunkelrot an. Er packte Marios Jackettkragen. »Hören Sie, wenn ich nicht innerhalb von drei Tagen eine Million Euro auf meinem Schweizer-Bankkonto habe, wende ich mich an jemand anderes!«

Mario blieb ruhig. In seinen Augen glitzerte es kalt.

»Lassen Sie mich besser los, Mann. Die Leute gucken schon komisch.«

Abdelhamid atmete tief durch, strich das Revers von Marios Jacke wieder glatt. Abdelhamid ließ den Blick schweifen. Ein verkrampftes Lächeln spielte um seine Lippen.

»Immer cool bleiben«, sagte Mario. »Ich will gar nicht wissen, in was für eine Scheiße Sie da hineingetreten sind. Wahrscheinlich mal wieder Ihre Immobilien-Geschäfte, was? War 'nen Fehler, so ein Windei wie Sie mit dem Job zu betrauen.«

»Ich könnte Sie umbringen, Mario.«

Schweißperlen glänzten auf Marios Stirn. »Verlieren Sie jetzt nicht die Nerven.«

»Das ganze Land sucht nach den Terroristen, die hinter der Explosion am Stadtpark stehen. Wenn ich meine Story an einen Fernsehsender verkaufe, werden einige Leute ziemlich erstaunt sein!«

»Träumen Sie ruhig weiter.«

Mario tätschelte Abdelhamids Wange, eine gönnerhafte, herabblassende Geste. Abdelhamid fiel dabei der ziemlich protzig wirkende Ring mit dem roten Rubin auf, den Mario am Mittelfinger trug.

Mario packte mit einer schnellen, kräftigen Bewegung Abdelhamid am Nacken, zog ihn zu sich heran. Abdelhamid spürte einen stechenden Schmerz am Hals. Er schlug den Arm seines Gegenübers von sich.

Aus dem Ring, den Mario trug, ragte jetzt eine kleine Nadel heraus.

»Auf Wiedersehen, mein Freund!«, sagte Mario mit einem öligen Lächeln auf den Lippen.

Abdelhamid spürte, wie ihm die Knie weich wurden. Die Nadel an Marios Ring war offenbar vergiftet gewesen.

Die Gedanken rasten nur so durch Abdelhamids Hirn. Panik stieg in ihm auf. Er versuchte zu sprechen, brachte aber keinen Ton heraus. Etwas lähmte seine Zunge. Er hatte Mühe zu atmen. In seiner Verzweiflung holte er zu einem Schlag gegen Mario aus. Aber der schmächtige Mann trat einfach einen Schritt zurück.

Abdelhamids Bewegungen waren zu langsam, um ihm gefährlich werden zu können.

Der Schlag ging ins Leere.

Abdelhamid taumelte zu Boden, schlug hart auf. Ihm war schwindlig, alles schien sich vor seinen Augen zu drehen.

Ein Raunen ging durch das Vernissage-Publikum. Jemand riss einen Witz über den Alkoholgehalt von Champagner. Der Großteil davon ging im Gelächter einer jungen Frau unter.

Abdelhamid stieß einen röchelnden Laut hervor. Im nächsten Moment herrschte Stille in der Galerie. Niemand bewegte sich. Alle starrten auf den am Boden liegenden Abdelhamid, der versuchte wieder auf die Beine zu kommen.

»Einen Arzt!«, rief jemand.

Abdelhamid ließ den Blick schweifen. Er suchte nach Mario, sah, wie er sich still und unauffällig unter die Leute mischte und dabei immer mehr in Richtung Ausgang strebte.

Eine bleierne Müdigkeit hatte Abdelhamid erfasst.

Verdammt, was hat der Kerl mir nur verabreicht?, durchzuckte es ihn. Er schaffte es, auf die Knie zu kommen.

Bei dem Versuch sich wieder zu erheben, strauchelte er erneut, riss dabei die abstrakte Plastik eines syrischen Bildhauers vom Sockel. Ein einziger Gedanke beherrschte Abdelhamid: Ich muss diesen Kerl kriegen! Er spürte, dass ihm die Kräfte schwanden, dass ihm vermutlich nur noch wenig Zeit blieb, ehe er vollends zusammenbrechen würde.

»Ich bin Arzt«, sagte jemand und fasste ihn beim Arm.

Abdelhamid stützte sich auf ihn und zog sich hoch, stieß seinen Helfer zur Seite und griff unter die Jacke.

Im nächsten Augenblick hatte er eine Beretta in der Hand.

Ein Teil des Vernissage Publikums geriet augenblicklich in Panik. Schreie gellten durch den Raum. Andere standen wie erstarrt da.

Scheiße, reiß dich zusammen!, schrie es in Abdelhamids Innerem. Er musste versuchen, jeden noch so kleinen Rest an Kraft zu mobilisieren. Abdelhamid taumelte vorwärts. Seine Rechte krallte sich um den Griff der Beretta. Einige Leute in Abendgarderobe wichen ihm aus.

Er erreichte die Tür, stützte sich kurz auf, taumelte anschließend hinaus ins Freie. Ein kühler Wind blies. Nieselregen hing in der Luft. Abdelhamid hatte Schwierigkeiten sein Gleichgewicht zu halten. Er erreichte ein parkendes Fahrzeug, stützte sich auf das Dach, rutschte ab und lag mit dem Oberkörper auf der Motorhaube.

In einiger Entfernung sah er Mario im Licht einer Straßenlaterne. Der schmächtige Mann öffnete gerade die Tür eines grauen Ford. Er lächelte zufrieden, telefonierte dabei mit dem Handy.

Als er Abdelhamid bemerkte veränderte sich sein Gesicht.

Er duckte sich.

Abdelhamid feuerte seine Beretta ab.

Zweimal kurz hintereinander. Die Schüsse waren schlecht gezielt. Abdelhamid ging jetzt endgültig zu Boden. Er rutschte am Kotflügel entlang, knallte auf den Asphalt.

Abdelhamid konnte jetzt nichts mehr sehen.

Sein Puls raste.

Seine Waffenhand krampfte sich zusammen.

Ein weiterer Schuss löste sich. Regungslos blieb Abdelhamid auf dem Boden liegen.

Mario erhob sich.

Er klappte die Tür seines Fords zu und erreichte mit schnellen Schritten den Mann auf dem Asphalt. Er beugte sich nieder, fühlte nach dem Puls.

Aus der Galerie kamen jetzt die ersten Vernissage-Gäste, die wissen wollten, was sich draußen ereignet hatte.

»Wenn jemand von Ihnen ein Handy bei sich trägt, soll er bitte sofort den Notarzt verständigen!«, sagte Mario. Ein kaltes Lächeln spielte um seine Lippen. Er zog die Hand mit dem Ring zurück. Niemand hatte den daraus hervorragenden Dorn gesehen. Und die beiden kleinen Einstiche am Hals sahen völlig harmlos aus. Für diesen Mann wird jede Hilfe zu spät kommen!, dachte Mario.

Der explosive Fall: Kommissar Jörgensen Hamburg Krimi

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