Читать книгу Killer kommen nicht so leicht davon: 7 Strand Krimis - Alfred Bekker - Страница 28
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Оглавление»… dringender Notruf!« tönte die blecherne Lautsprecherstimme durch ein Gewitter atmosphärischer Störungen. »Die Adresse ist drei — vier — eins, fünfunddreißigste Straße Ost, der Name Milburn! Alarmfahrt erforderlich! Diagnose lautet auf perforierten Appendix. Bitte Bestätigung. Over.«
Die Antwort kam deutlicher.
»Hier Einsatzzentrale Ambulanzfahrzeuge. Bestätigen Alarmfahrt Milburn, drei — vier — eins, fünfunddreißigste Straße Ost. Den Einsatz fährt Wagen zwölf. Over und Ende.«
»Verstanden, Ende.«
Im Lautsprecher des Funkempfängers knackte es trocken. Dann war nur noch ein leises Rauschen, zu hören.
»Passt hervorragend«, sagte der Mann hinter dem Lenkrad des schwarzen Pontiac Le Mans und ließ den Motor kommen.
Der auf dem Beifahrersitz schaltete den Empfänger endgültig ab.
»Was ist perfo… perforierter App…?«
Die drei Männer im Fond lachten prustend.
Mit aufglühenden Scheinwerferaugen rollte die schwere Limousine von dem nachtdunklen Parkplatz an der West 39th Street, zwischen Fifth Avenue und Avenue auf the Americas.
»Ganz einfach, Luigi«, erklärte der Fahrer. Er gab Gas, als er die fast leergefegte Fahrbahn erreichte. »Falls du irgendwann mal ein paar Unzen Blei einfängst, und die Dinger treffen deinen Blinddarm… Weißt du, was du dann hast?«
»Hä?«
»Einen perforierten Appendix.« Erneutes Gelächter aus dem Fond.
Der Pontiac erreichte die Fifth Avenue und fegte mit erhöhter Geschwindigkeit nach Süden.
»Batista!«, knurrte der Mann auf dem Beifahrersitz. »Wenn du mich verscheißern willst…«
»Schluss jetzt«, unterbrach ihn der andere barsch. »Keine Zeit mehr für blöde Witze. Dieser Typ mit seinem kaputten Blinddarm ist auf jeden Fall reif für den Operationstisch. Also genau das, was wir brauchen.«
Luigi und die beiden anderen schwiegen. Sie tasteten nach den schweren Automatikpistolen, die sie in ihren Schulterholstern unter den Jacketts trugen.
Sie brauchten genau sieben Minuten, um das Haus Nummer 341 an der East 35th Street zu erreichen. Es handelte sich um eines der nicht sehr neuen Wohngebäude zwischen First und Second Avenue. Vier Stockwerke, verwitterte Backsteinfassade, Säulengeländer mit Steinstufen, die zum Eingang hinaufführten. Hinter dem Gitterzaun, der vor langer Zeit einmal einen schmucken Vorgarten abgegrenzt haben mochte, wuchs jetzt nicht einmal mehr Unkraut. Stattdessen schwarze Erde, von Abgasen leblos gemacht, mit leeren Konservendosen und anderem Gerümpel übersät.
An der Bordsteinkante gab es genügend Lücken zwischen den parkenden Fahrzeugen. Zwei Wagenlängen vor dem Hauseingang erloschen die Scheinwerfer des schwarzen Pontiac.
Fahrer und Beifahrer stiegen aus. Die beiden anderen blieben im Fond sitzen.
Batista Francovich, breitschultrig, athletisch gebaut, betätigte den Klingelknopf neben dem Namensschild ,Milburn‘. Luigi Luca, hager und spitzgesichtig, baute sich neben ihm auf. Seine nervöse Rechte wartete darauf, in Richtung Schulterholster zu zucken.
Durch halbblindes Türglas war zu sehen, wie das Licht im Hausflur aufflammte. Eilige Schritte. Die Silhouette eines Mannes näherte sich. Der weiße Arztkittel war deutlich zu erkennen.
»Die Wohnung ist im Erdgeschoß«, murmelte Francovich. »Besser konnten wir es nicht erwischen.« Er zog die Beretta aus dem Schulterholster.
Schemenhaft erschien das Gesicht des Arztes hinter dem Glas. Der Riegel wurde beiseitegerissen. Die Tür flog auf. Im Licht der Flurlampe glänzte das silbergraue Haar des Mannes.
Verwunderung malte sich in seine Gesichtszüge.
»Oh, ich dachte der Ambulanzwagen…«
Draußen war noch kein Sirenengeheul zu hören.
»Falsch gedacht, Doc«, sagte Francovich kalt.
Mit einer blitzschnellen Armbewegung ließ er den Lauf der schweren Pistole herabsausen.
Es kam zu überraschend für den Arzt. Er konnte nicht mehr reagieren. Dumpf traf der Hieb seine Schädeldecke oberhalb der Stirn. Ohne noch einen Laut von sich zu geben, sank er in sich zusammen.
Luca packte den Bewusstlosen, bevor er zu Boden fiel. Francovich stürmte als erster in den Flur. Luca kickte die Tür mit dem Absatz ins Schloss und schleifte den Arzt hinter seinem Komplizen her.
Die offenstehende Wohnungstür auf der linken Seite war nicht zu übersehen. Rechts befand sich eine zweite Wohnung. Überlaut war von dort die aufpeitschende Erkennungsmelodie einer Fernseh-Kriminalserie zu hören.
Eine Frau mit aufgelöstem Haar und verweintem Gesicht kam Francovich im schmalen Korridor der Wohnung entgegen.
»Ist der Wagen endlich…?«
Mitten im Satz brach sie ab. Sie prallte zurück, wie von einer unsichtbaren Mauer gestoppt. Ihre Augen weiteten sich vor Angst. Sie riss den Mund auf, wollte schreien, wollte zurückweichen. Doch sie verkraftete die Schrecksekunde nicht schnell genug.
Mit einem pantherhaften Satz überwand Francovich die winzige Distanz, die ihn noch von der Frau trennte.
Ehe sie ihren Entsetzensschrei auch nur im Ansatz hervorbringen konnte, schlug er zu. Brutal und gnadenlos.
Wie vom Blitz gefällt stürzte die Frau zu Boden.
Luca keuchte mit dem bewusstlosen Arzt herein, zog die Wohnungstür ins Schloss.
Fernes Sirenengeheul, das hohl durch die Straßenschluchten von Manhattan gellte, war jetzt zu hören.
Francovich wandte sich halb zu seinem Komplizen um, wedelte hastig mit der freien Linken.
»Los, los, weg mit den beiden!« Er deutete auf eine offene Tür, die in die kleine Küche führte.
Luca nickte, zerrte den Mann im weißen Kittel hinüber.
Francovich fand den Kranken ohne langes Suchen. Der Mann lag im Wohnzimmer auf der Couch — gekrümmt vor Schmerzen, stöhnend, grau im Gesicht. Er schien seine Umgebung nicht mehr wahrzunehmen. Die Decke über seinem Körper war verrutscht.
Francovich trat auf ihn zu, grinste diabolisch.
»Jetzt hast du’s überstanden, amico.«
Der Kranke schien noch einmal aus seinen Qualen zu erwachen. Sein flackernder Blick heftete sich auf den Fremden, der sich über ihn beugte.
Ein dumpfer Schlag löschte alles aus. Francovich wandte sich ab, lief hinüber in die Küche. Er wusste, dass der Kranke keine Chance mehr hatte, es zu überleben. Niemand würde noch rechtzeitig zur Stelle sein, um dem Mann zu helfen.
Das Sirenengeheul näherte sich.
Luca hatte dem bewusstlosen Arzt bereits den weißen Kittel vom Leib gezerrt. Francovich verstaute die Beretta im Schulterholster und streifte den Kittel über.
»Fesseln und knebeln!« Er deutete auf die beiden Bewusstlosen. »Tempo, Tempo, Luigi!«
Luca fischte Nylonschnüre und Lappen aus seinen Taschen und machte sich an die Arbeit.
Das Sirenengeheul schwoll jetzt rasch an.
Francovich trat auf den Hausflur hinaus, nachdem er den letzten Knopf des Kittels geschlossen hatte. Nebenan lärmte noch immer der Fernsehapparat. Sirenen, ob von Streifenwagen oder Ambulanzen, gehören in New York City zur gewohnten Geräuschkulisse. Keinen New Yorker reißt so etwas noch aus dem gemütlichen Feierabendsessel.
Als Frankovich die Haustür öffnete, geisterte bereits das kreisende Rotlicht über die Häuserfassaden in der Straße. Lichtkegel von Scheinwerfern bohrten sich heran. Das Sirenengeheul erstarb. Unmittelbar vor dem Hauseingang kam der weiße Ambulanzwagen zum Stehen. Fahrer und Beifahrer, in weiße Kittel gekleidet, sprangen heraus. Der Motor des Wagens summte im Leerlauf.
Francovich winkte den Sanitätshelfern zu. Sie rannten zum Heck des Wagens, rissen die Klappe herunter und zogen die Tragbahre heraus.
»Gleich links«, sagte der Sizilianer, als sie im Gleichschritt die Steinstufen herauftrabten.
Die beiden Weißkittel verschwendeten keine überflüssigen Worte, stürmten in die Richtung, die ihnen der vermeintliche Doc genannt hatte.
Aus dem Fond des Pontiac stiegen zwei von Francovichs Komplizen. Der dritte schwang sich hinter das Lenkrad und wartete.
Die Küchentür war geschlossen, als Francovich und die beiden anderen in die Wohnung liefen. Im Wohnzimmer hatten die Sanitäter soeben die Bahre auf den Fußboden gestellt, schoben nun den Tisch beiseite, um an den Kranken heranzukommen.
»He, Doc«, sagte der eine Weißkittel, »der Mann ist ja…«
»Sehr richtig«, zischte Francovich, als er auf den Sanitäter zutrat.
Der Weißkittel wirbelte erschrocken herum. Er sah nur noch den matt flirrenden Lichtreflex des herabsausenden Pistolenlaufes.
Auch der andere sackte in sich zusammen, bevor er einen Laut von sich geben konnte. Francovichs Komplizen hatten rasche und präzise Arbeit geleistet.
Als sie drei Minuten später das Haus verließen, blieben vier Bewusstlose mit schweren Gehirnerschütterungen und ein Kranker zurück, der zum Sterben verurteilt war.
Francovich stieg zu Luigi Luca, der unter einer Decke auf der Bahre lag, in den Heckraum des Ambulanzwagens. Die beiden falschen Weißkittel warfen die Klappe zu und schwangen sich auf die Vordersitze des weißen Fahrzeugs.
Mit auf heulender Sirene jagte der Wagen los.
Der schwarze Pontiac Le Mans folgte erst nach einigen Minuten. Im Haus Nummer 341 an der East 35th Street rührte sich nichts. Keinen interessierte es, wer bei den Milburns krank war.
Aus den Fernsehapparaten plärrten die Spätprogramme.