Читать книгу Die besten 8 Urlaubskrimis im Januar 2022: Krimi Paket - Alfred Bekker - Страница 13
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Der Mann, dem Bount Reiniger in dem miefigen, engen Büro gegenübersaß hieß Clarke und er war Lieutenant der Mordkommission von Yonkers. Clarke war klein und drahtig und in seinen tiefen Augenhöhlen lauerten zwei giftige Augen. Ein kleiner Terrier, so wirkte er auf Bount. Einer, der zubiss und dann nie wieder losließ.
Naja, dachte Bount. Jeder hat eben seinen Weg.
"Ihr Name ist also Reiniger", raunte der Giftzwerg mit einem Unterton, der nichts Gutes ahnen ließ. "Kann es sein, dass ich diesen Namen schon mal gehört habe?"
"Durchaus."
Clarke schlug urplötzlich mit der flachen Hand auf den Tisch und schnellte mit dem Kopf wütend nach vorne. Seine Augen waren aus ihren Höhlen hervorgetreten und funkelten angriffslustig.
"Ich will Ihnen gleich zu Anfang etwas klarmachen, Mister Reiniger! Ganz gleich, ob Sie Ihr Büro in einer Nobel-Etage oder in einem Hinterzimmer haben, ob Sie ein Star ihrer Branche oder nur so ein Schmalspur-Schnüffler sind: Ich mag keine Privatdetektive."
Bount zuckte die Achseln.
"Das tut mir Leid!"
"Und ich mag es auch nicht, wenn Ihr Schnüffler uns Profis ins Handwerk pfuscht!"
Bount atmete tief durch. "Erstens sind wir Privaten genau so Profis in diesem Geschäft wie Ihresgleichen und zweitens habe ich nicht die Absicht, Ihnen dazwischen zu funken, Clarke. Ich ermittle in diesem Fall gar nicht, sondern bin als Zeuge hier!"
"Okay", sagte Clark und grinste sarkastisch. "Ich will Ihnen das mal für eine Minute glauben. Erzählen Sie, was Sie zu der Sache beizusteuern haben! Sagen Sie bloß, Sie kennen die Tote!"
"Ich habe sie am Montagmorgen im Central Park gesehen, als ich meine tägliche Jogging-Runde machte. Zwei Kerle waren ihr auf den Fersen und ich bin dazwischen gegangen."
"Wie nobel, Mister Reiniger. Findet man heute selten so etwas. Die meisten schauen einfach weg. Wer ist die Lady?"
"Sie hat mir ihren Namen nicht gesagt."
"Zu schade! Wann war das genau am Montagmorgen?"
"So gegen sieben. Einem der Kerle konnte ich die Beretta abnehmen. Sie befindet sich noch im Labor. Erkundigen Sie sich bei Captain Rogers, wenn Sie an dem Befund interessiert sind."
"Bin ich nicht."
Bount runzelte die Stirn. Fast glaubte er, sich verhört zu haben.
"Habe ich das richtig verstanden?"
"Ja, das haben Sie", nickte Clarke. "Sehen Sie, die Sache ist ganz einfach: Zu dem Zeitpunkt, an dem Sie die namenlose Lady im Central Park von New York City gesehen haben wollen, war sie schon mindestens eine halbe Stunde tot."
Für Bount war das wie ein Schlag vor den Kopf. "Ich bin mir aber völlig sicher..."
"Tut mir Leid, Mister Reiniger, aber wie es scheint, haben Sie den Weg hierher nach Yonkers umsonst gemacht." Es stand Clarke im Gesicht geschrieben, dass es ihm nicht ein bisschen leid tat. Aber das war Bount ohnehin ziemlich gleichgültig.
Seine Gedanken waren bei der namenlosen Toten, deren Bild er in der Zeitung gesehen hatte. "Sie war es", sagte er. "Ich bin mir da hundertprozentig sicher. So ein Gesicht vergisst man nicht."
"Sie muss sehr hübsch gewesen sein, bevor man aus ihr eine Leiche gemacht hat!"
Clarke zuckte mit den Schultern. "Wahrscheinlich haben Sie eine andere Frau gesehen, Reiniger. Vielleicht eine, die der Toten sehr ähnlich sah und die Sie dann auf dem Foto wiederzuerkennen glaubten!"
Aber Bount schüttelte entschieden mit dem Kopf.
"Das glaube ich nicht."
"Dann gehen Sie ins Leichenschauhaus und sehen Sie sie sich im Original an! Vielleicht geht es dann in Ihren Schädel!"
Bount ließ nicht locker. Er hatte ein Paar gut funktionierender Augen im Kopf und es gab keinen Grund, ihnen nicht zu trauen. Also bohrte er weiter.
"Es gibt Mittel und Wege, Todeszeiten zu manipulieren. Ist eine Obduktion durchgeführt worden?"
"Die Todesursache liegt auf der Hand. Sie starb durch eine Kugel aus einer 8-mm-Pistole. Ein Schuss aus nächster Nähe. Und da hat sich niemand die Mühe gemacht, irgendetwas zu manipulieren. Es war ein ganz simpler, brutaler Mord. Fast wie eine Hinrichtung."
"Wer hat sie gefunden?"
"Wissen Sie was, Reiniger: Es ist genau so, wie ich befürchtet habe! Sie versuchen mir Fragen zu stellen anstatt umgekehrt. Und genau das kann ich nicht leiden. Sie sagten, dass Sie in dieser Sache nicht ermitteln, also sehe ich auch nicht ein, weshalb ich Ihnen irgendetwas sagen soll."
Bount verzog das Gesicht.
"Und wenn ich nun doch an der Sache arbeiten würde?"
"Dann würde ich Ihnen vielleicht erst recht nichts sagen, damit Sie mir nicht dauernd in die Quere kommen!"
"Na, dann ich ja froh sein, dass ich mein Büro in Manhattan und nicht in Yonkers habe!"
"Allerdings. Bei mir hätten Sie nicht viel zu lachen! Und ich gebe Ihnen auch jetzt den Rat, sich den Kopf über Ihre eigenen Sachen zu zerbrechen."
Bount wandte sich zum Gehen. Aus diesem Terrier würde er kaum mehr herausbekommen. Und er fragte sich, ob er das überhaupt versuchen sollte.
Schließlich war es Clarkes Aufgabe, den Mörder der jungen Frau zu finden, nicht Reinigers. Es hatte ihn niemand beauftragt.
Bevor Reiniger sich auf den Rückweg nach Manhattan machte, wollte er sich die Tote aber doch noch einmal ansehen. Er wollte sichergehen, sich nicht geirrt zu haben.
Der Arzt, der Bount durch die Katakomben des Leichenschauhauses führte, war fast so bleich wie die Körper, die er zerschnitt. Kein Wunder, dachte Bount.
Schließlich kam der Kerl wohl ziemlich selten mal ans Tageslicht.
"Kannten Sie die Tote?", fragte der Arzt und Bount nickte zögernd.
"Könnte man so sagen."
"Sie sind der erste, der sie zu kennen glaubt", meinte der Arzt. "Und dabei steht es doch jetzt sogar in der Zeitung!"
"Vielleicht kam sie nicht von hier."
"Alles möglich, Mister."
Dann wurde eine Leiche aus dem Kühlfach gezogen. Der Arzt deckte das Gesicht ab und gähnte dabei ungeniert. Ihr Gesicht hatte fast jegliche Farbe verloren.
Jemand war so pietätvoll gewesen, ihr die Augen zu schließen.
Aber sie war es.
Für Bount gab es keinen Zweifel mehr.
"Todeszeit?", fragte Bount.
Der Arzt schaute in seine Unterlagen. "Montagmorgen, cirka halb sieben. Wahrscheinlich früher."
"Und wann wurde sie gefunden?"
"Steht auch hier: Kurz nach halb acht."
"Kein Irrtum möglich?"
"Wovon sprechen Sie?"
"Von der Todeszeit."
Der bleiche Arzt runzelte die Stirn. "Was wollen Sie eigentlich? Glauben Sie, wir machen hier Pfusch?"
"Nein, es ist nur so, dass ich die Tote noch quicklebendig gesehen habe, als sie nach Ihren Angaben schon auf dem Weg hierher war. Deshalb frage ich, ob es da nicht sein könnte, dass Sie sich bei der Todeszeit geirrt haben."
Er blickte auf seinen Boden. "Mein Kollege Snyder war um halb acht am Tatort und hat den Tod festgestellt", murmelte er. "Und wann bitte wollen Sie sie noch gesehen haben?"
"Schon gut", meinte Bount. "Vergessen Sie's!" Um halb acht hatte die Tote in Reinigers Residenz noch an ihrem Kaffee geschlürft.
Irgendetwas stimmte hier nicht.